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VII.
Der Ringkampf

Unter den Spielen des Royal Maupin wurde der sogenannte klassische Kampf am meisten geschätzt.

Tammuz erstaunte zuerst, wie man diesen plebejischen Sport lieben konnte; aber ein zweideutiges Lächeln von Lilith mahnte ihn, besser zu überlegen.

Zum ersten Male rangen so Körper an Körper die Marquise de Concelles und eine neue Slawin, Logelsky, eine russische Gräfin böhmischen Ursprungs, die beide ineinander verliebt waren.

Mit Kothurnen beschuht, welche die Wade freiließen, bis zum halben Schenkel behost, die Arme nackt, den Hals nackt, in dunklem Trikot, boten sie der Betrachtung solche Bilder von der Schönheit in Bewegung, daß im Blick der Zuschauerinnen dieser Punkt glänzte, der ein Porträt beendet und den Blick fesselt.

So interessiert die Mitspielerinnen waren, die Kämpferinnen waren es noch mehr: die Hand liebkoste, wenn sie zufaßte. Wenn beide fielen und sich verschlungen auf dem Sande der Arena rollten, ließ die eine ihre Arme los, da sie durch den Taumel ohnmächtig wurde.

Etwas so Intensives hatte Tammuz in Lesbos noch nicht gesehen. Er begriff die Heuchelei dieser Uebung; er begriff, daß die Dorfburschen, die sich nicht offen zu liebkosen wagten, einander aus Geilheit ohrfeigten.

Zu diesem Spiel herausgefordert, weigerte er sich hartnäckig.

– Ich verstehe nicht die heuchlerische Wollust; ich gebe mich nicht zu einer noch größeren Heuchelei her, dem gefälschten Geschlecht. Wenn ich euer Fechterkostüm anziehe, könnt ihr meine Wirkung als Mann empfinden, ohne zu glauben, daß ihr eure Verirrung leugnet. Ich weigere mich, in Lesbos irgendeine Rolle zu spielen, weder eine Gynandre noch das zugelassene Männchen.

Sie erhoben Einspruch.

– Ist es nicht genug, daß ich mich der verrückten Atmosphäre eurer Verführung aussetze? Vergebens bewahre ich die klare Vorstellung des Verbotenen, wenn ich fortfahre, euch zu beurteilen. Ich kann nicht anders, als an dem Schauspiel eurer wollüstigen Spiele Gefallen zu finden. Es erhebt sich von euch ein Duft von Wollust, den ich mit einem Vergnügen einatme, das ich tadeln muß, obgleich es normal ist, daß eure vereinigten Weiblichkeiten auf meine Männlichkeit wirken. Ohne Zweifel hat der Engel, der die Leidenschaften beherrscht, mich gewählt, um die Ueberlegenheit des Mannes selbst auf diesem Gebiete zu zeigen, von dem ihr ihn verjagen möchtet. Ich bin für euch der Vertreter der Vernunft; ich mache die Prüfung des verführerischen Absurden durch! Der Engel gibt mir den Sieg! Denn ich bin das einzige Argument, das für euch alle entscheidend ist: wenn ich versage, wird euer Irrtum triumphieren und hartnäckig werden, durch meine Niederlage getäuscht, die nur meine eigene Schwäche beweisen würde.

– Ja, erklärte der Chevalier, Sie sind der einzig mögliche Gesandte der normalen Geschlechtlichkeit: ich muß es für uns alle zugeben.

– Ja, sagte Stella, bisher haben Sie Recht gehabt, und durch Sie ist Lesbos in Schach gehalten worden.

Morgen ist Waterloo,
Morgen ist St. Helena,
Morgen ist der …

deklamierte Lilith.

– Morgen wird der Sohn von heute dem gleichen, der ihm vorangegangen ist: ich kann nur schwach werden, indem ich eine von euch bezaubere und sie rette.

In diesem gefühlvollen Augenblick legte Stella ihre schöne Hand auf den Kopf des jungen Mannes.

– Tammuz, der Engel, der sich aufopfert, um den Teufel zu retten, verliert sich, in jeder Legende, ohne zu retten. Der Mann, der Lesbos retten will, wird sich durch Lesbos verlieren: in jeder Wirklichkeit.

– Der Gedanke bewahrt mich.

– Der Gedanke bewahrt nicht die Nerven.


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