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III.
Der Alchimist der Seele

– Sie werden nicht ungeduldig, Tammuz, weil das grandiose, immer wieder neue Schauspiel Sie verführt, vielleicht auch, weil ich Ihnen besser erscheine als meine Legende; aber in Ihrer Seele finden Sie, daß es zögert, das Vertrauen; daß sie auf sich warten läßt, die Beichte. Ei, wenn sie überhaupt nicht käme? … Ich weiß, was Sie denken: sagen Sie es nicht, das Unverschämte! Sie denken, daß Ihre Küsse meine Lippen zwingen würden, sich zu öffnen; Sie denken, daß ich Sie begehre, daß Sie an meinem Bord der unverhoffte Paradiesvogel sind … Herrin auf meiner Yacht, kann ich Sie lange als Gefangenen behalten. Haben Sie an diese originelle Phantasie gedacht: die Fliegende Gräfin Tammuz festhaltend?

Der junge Mann lächelte.

– Tammuz ist ein Geist, und einen Geist zwingt man nicht. Sie könnten nicht eine Woche mit mir leben, wenn mein Gehirn Sie bekämpfte! Sie würden mich schleunigst ans Land setzen, wie einen unglücklichen Ballast. Ihr Stolz würde meine Verachtung nicht ertragen: Sie würden mich lieber auf der Stelle abreisen lassen, als sich um meine Gunst bringen. An der Seele des Tammuz liegt Ihnen viel mehr als sogar am Besitz des Tammuz … Es gibt keinen anaphrodisischen Willen, der gegen den Flirt auf dem Meere bestehen könnte, den geistigen Flirt, wie wir ihn ausüben. Ich demütige mich nicht mehr, als ich Ihnen schmeichle, wenn ich erlaube, daß Sie vielleicht meine Nerven besiegen. Erstaunen Sie, wenn ich sage: ich bin hier nur als Vertreter eines Geistes, ich bin der Gesandte des Eros … Oh, verwechseln Sie den Gott der Begierde nicht mit dem lächerlichen Cupido der Romane und des schändlichen achtzehnten Jahrhunderts. Der Mann, der seinen Durst mit Champagner und seinen Hunger mit einem schönen Körper sättigt, ist geistig nicht vorhanden. Der ewige Eros, der erhabene Begehrer, in dessen Namen ich spreche, betrachtet die Liebe nur als ein mächtiges Sprungbrett, von dem man zu den Sternen springt, diesen optischen Reflexen der Ideen, der Töchter des Wortes. Tammuz wie die Fliegende Gräfin werden ihr Leben auf den Knien beenden, vor einem Kruzifix: er, müde der Erkenntnis, sie, müde der Unabhängigkeit. Von der Entsagung zum Verzicht gelangt, werden wir, geläutert, auf dem gefährlichsten Wege, uns mit dem Sprecher des Vaterunsers vereinen.

– Wer sind Sie, Tammuz? Die Verwandlung eines Salamanders oder ein entarteter Mönch, der in seiner Sünde heilige Gedanken bewahrt?

Ich bin ein Alchimist, der die Quintessenz der Seele statt der des Körpers sucht. Wie die Alchimisten auf dem Wege nach dem Stein der Weisen die ganze Chemie entdeckt haben, so entdecke ich seelische Gesetze, indem ich meine Erfahrungen über das lebende Wesen verfolge. Sie sind ein Athanor, das heißt, ein Gefäß, in dem das Rätsel ruht: ich heize Sie mit verschiedenen Feuern, ich behandle Sie mit gewissen Reagentien.

– Sie wagen etwas bei diesem Spiel.

– Ja, ich wage den Taumel; ich kann von der anormalen Ausströmung vergiftet werden; der Athanor kann zerspringen, das heißt, meine Persönlichkeit im Gefühl verwundet werden. Ohne zu wagen, würde ich nur ein Dummkopf sein: dann wäre ich nicht hier, hörten Sie mich nicht an, Fliegende Gräfin.

– Ich verstehe, daß Sie die in Erstaunen setzen, die Sie Gynandria nennen, und je mehr man Sie begreift, um so mehr erstaunt man.

– Da liegt das Wagnis! Alles bei der Frau, selbst die Bewunderung und die Neugier wird in Liebe übersetzt: es gibt nur verschiedene Grade an Kraft.

– Und Sie fürchten, diese Kraft zu erzeugen?

– Wie Sie den Nebel und die Windstille unter den Brandungen fürchten.


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