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VIII.
Todesfurcht

– Steuern Sie nach Brest! hatte Tammuz dem Kapitän befohlen.

Mit resignierter Kopfbewegung gab Limerick ihre Zustimmung.

Die Gefahr hatte ihre Liebe verschlungen. Tammuz war wieder unempfindlich geworden und zeigte eine Kälte, die sie von einander entfernte.

– Ich scheine an der Gefahr schuldig zu sein, sagte sie; die Gefahr scheint von den Göttern gesandt zu sein, um zwei freie Wesen dafür zu strafen, daß sie sich geliebt haben. Glauben Sie so stark an sich selbst, daß Sie den Himmel für Ihre Enthaltsamkeit interessieren? Nein, Tammuz, dieser Nebel und diese hohe See züchtigten Ihre Schwäche nicht, wie Sie sich schmeicheln, und die Elemente erregen sich nicht um so wenig … Sie sind kein Dandy, und wahrhaftig, ich würde mutiger als Sie sterben.

Tammuz lächelte bei diesem Vorwurf.

– Der Wille zu leben ist ein hoher und gerechter Wille, besonders wenn man für ein Ideal lebt: nicht sterben erschreckt mich, sondern schlecht sterben!

Die allgemeine Ansicht erklärt den Offizier für glücklich, der in der Schlacht fällt, und hier täuscht sie sich nicht. Einem Muskelmenschen wird der Wille nicht vergewaltigt, wenn er kämpfend stirbt. Alle, die einen guten Handel aus ihrem Leben machen, sind nur Barbaren oder Oberflächliche. Die Helden von Walhall, wie die Hunnen, wie die Soldaten sind dem Tier sehr nahe: der Tod bedeutet für sie das Ende des Lebens.

Die zivilisierten und kultivierten Menschen dagegen fühlen sich kostbar und springen nicht gern ins Unbekannte, weil sie wissen oder ahnen, daß jenseits des Organischen das Leben von neuem beginnt; und daß es gefährlich und schmerzlich ist, diese Erde zu verlassen, ehe sich die Seele für das Jenseits vorbereitet hat.

Wer zu früh dem Dasein entrissen wird, kann mit einem Schüler der unteren Klasse verglichen werden, der plötzlich in die Klasse der Philosophie tritt: er wird nicht begreifen, er wird leiden! Welche Anstrengungen wird er machen, um sich bis zu dem Niveau dieser Kultur zu erheben! Wer dagegen verstanden hat, aus dem Leben die ganze Lehre zu ziehen, gelangt vorbereitet und fast siegreich in das, was man die andere Welt nennt.

Was mich am meisten erschreckt hat, das ist nicht das Heulen der Bucht, wie Sie denken, das sind die verstimmten Gedanken meines Gehirns, die Tugenden eines Heiligen nicht ins Gleichgewicht bringen.

Das Heil, dieses Wort des Glaubens, das mit derselben Betonung der Mann der wahren Wissenschaft wiederholt, mein ungewisses Heil summte mir furchtbarer im Geist als die Hölle der Felsenriffe. Ich habe wieder ein Mal gefühlt, daß der stolzeste Verstand zu gewissen Stunden gebeugt wird, nicht durch die Natur, sondern durch die göttlichen Gesetze. Das Meer ist nur ein Ungeheuer, ein elender Drache Fafner; das Gesetz jedoch, welches das Meer regiert, das Wort, das ihm seine Erscheinung gegeben hat, ist das Wort Gottes, das in die elementare Welt zurückstrahlt. Dieses Wort wirft mich auf die Knie, denn es beherrscht auch mich, mich, das bewußte Geschöpf, das zur Unsterblichkeit geladen ist.

Geladen, hören Sie, Limerick! Wenn wir der himmlischen Aufforderung widerstehen, wenn wir unseren freien Willen nicht mit der Polyphonie der zweiten Ursachen in Harmonie zu bringen verstehen, dann verlieren wir die Ewigkeit.

Nun, in diesem Augenblick, als der Tod sich vor mir aufrichtete, dumm, häßlich, nutzlos, mein Streben vernichtend, fühlte ich, daß ich meine Seelenkraft mit Ihnen, für Sie verschwendet hatte. Die körperliche Betäubung bannte die Inbrunst, und ich bin hart gewesen, weil ich schwach war. Jetzt ist der wahre Tammuz wieder da: ich begrüße Sie und die Gefahr, wie diese furchtbaren Winde, die das Schiff wunderbar treiben, ohne es zu zerbrechen.


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