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V.
Lesbischer Kuppler

 

I

Zwei Uhr morgens: auf dem Ball der Herzogin von Maguelonne hat man aufgehört zu tanzen, man plaudert, man flüstert sogar.

Der Prinz Balthazar des Baux zählt noch nicht fünfzig Jahre und schreibt sich noch in die Chronik von Kythera ein. Seinem Freunde Jean de Maubure erzählt er seinen Kummer.

– Ja, ich habe meine List und meine Kunst erschöpft! Alles, was ich erreicht habe, ist dies gewesen: »Sie wissen wohl, daß ich nicht für die Männer bin.«

– Und du beunruhigst dich! Sie gehört dir! In welches Theater geht sie oft?

– In die Folies lyriques.

– Dann ist sie in die Sadinet verliebt. Lade sie ein, mit der Sadinet zusammen zu soupieren! Geh, aber so geh doch, das ist unfehlbar.

Der Fünfziger gehorcht und kommt zu seinem Ratgeber zurück.

– Ich bin verblüfft: sie hat angenommen!

– Bei Gott, das ist der Trick … und für Frauen aus ihrer Welt kann man schon die Mütze der Zuhälter aufsetzen.

Der Prinz Balthazar des Baux und Jean de Maubure gehören zu den vollkommensten Edelleuten dieser Zeit.

 

II

Im Jockey-Klub gegen fünf Uhr gaffen drei feine Dandys.

– Eine Partie … wem fällt eine Partie ein?

– Anständig?

– Ja, anständig. Das ist auch gut … und weniger gemein.

– Aber wie anständig? Damen der Gesellschaft?

– Ja, aber man muß ihnen Schauspielerinnen vorsetzen.

– Oder die einen den anderen.

– Vergleichen wir unsere Beobachtungen.

– Wer hat gesehen, wie eine aus unserer Gesellschaft eine andere von der Seite verstohlen betrachtet?

– Ich, ich glaube, Frau von Saint-Cesaire hat eine große Schwäche für die kleine Frau Huon, die Frau des Bankiers.

– Glauben Sie nicht, sagte ein anderer, daß Solange, die idyllische Solange, mit Vergnügen diese sogenannte Pianistin Ruccelaï treffen würde? Beim letzten Konzert gestikulierte sie vor Begeisterung.

– Ich, sagte der dritte, ich weiß durch Riancourt, die ich besessen habe, in welchem Grade Fräulein von Tavel im Pensionat ihre Freundin Gifray liebte, die heute Frau Montperier ist.

Sie verlangen drei Wagen, und jeder wird alles aufwenden, um zwei Frauen in die Sodomie zu stürzen.

 

III

In der Halbmädchenkaste der Modelle ist Lesbos eine Ehre: es gilt für feiner, eine Geliebte zu haben als einen Liebhaber. Sobald sich die Eitelkeit in diesen Schrecken mischt, verleumden die Dirnen von unten die von oben, um sich zu erhöhen.

Wie oft hörte Tammuz im Atelier der Gynandria eine solche Montmarterin sich rühmen, von der Prinzessin Simzerla auserwählt gewesen zu sein. Mit welchen Einzelheiten die Verleumderin von dem Frühstück erzählte, das von zwei Lakaien in Wadenstrümpfen aufgetragen wurde, und von der darauffolgenden Szene. Der junge Mann zweifelte, besonders als er hörte, wie man sich eines Nachmittags im Royal Maupin rühmte, obgleich er diesen Nachmittag selbst mitgemacht hatte.

Beschleunigt wurde sein Eifer, die Wahrheit von dieser Legende über die Prinzessin Simzerla zu erfahren, die von den Maupins beneidet, von den Orchideen gescholten, von den anderen bewundert und von allen Frauen zum Sündenbock gemacht wurde.

Geheimnisvoller war noch die Fliegende Gräfin, die unter einer Fockschote segelte, nur nachts ans Land stieg, um die jungen Bretoninnen und Normanninnen zu entführen. Auch diese Ballade bestürmte ihn.

Aus Geklatsch und Anekdote formte er die Akten für diese beiden seltsamen Rufe, die zu abscheulich klangen, um echt zu sein.

 

IV

In dem von Wohlgerüchen erfüllten Boudoir hört Frau von Miennes die Liebeserklärung des Goudea, des feinen Dichters der Irrenden Liebkosungen. Sie hört ihn entzückt und überläßt ihm ihre Hände, die er küßt.

– Lassen Sie mich Sie aus Lesbos retten, vom Bösen retten; lassen Sie mich Ihnen durch meine lebendige Liebe Gesundheit und Tugend wiedergeben. Kommen Sie zur Vernunft zurück, indem Sie zu mir kommen. Meine Küsse sind mehr wert als die beklagenswerten, in die Sie verfallen.

Und er unterstützt sein Begehren, indem seine Lippen zu ihren Lippen hinaufsteigen: sie vergeht.

Nach einem Schweigen der Erregung glaubt Goudea gesiegt zu haben: er frohlockt.

Sie schüttelt den Kopf, traurig, sehr traurig.

– Ja, ich fühle, daß ich Sie lieben könnte und daß dieses besser wäre. Sie haben meinen Widerwillen besiegt: ich würde mit Ihnen freudig zur wahren Liebe zurückkehren. Aber …

– Aber … ruft Goudea ängstlich, ohne zu begreifen.

– Mein lieber Dichter, ich kann nicht … Seit zwei Jahren weise ich alle Bewerber ab; man würde erfahren, daß Sie mein Liebhaber sind: die ich zurückgestoßen habe, würden mich ohne Erbarmen zerreißen. Ich möchte durch Sie zur wahren Liebe zurückkehren … Ich kann nicht … Ich würde durch Ihre und meine Freunde entehrt werden … Vergessen Sie mich: ich bin verdammt!


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