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Stevens nahm gerade in aller Gemütsruhe sein Frühstück ein, als ihm Sinclair gemeldet wurde.
Er konnte seinen Unmut über den Besuch nicht verbergen, denn er hatte doch den Detektiv ausdrücklich davor gewarnt, ihn in seinem Bureau aufzusuchen. Als Sinclair eintrat, sah Stevens jedoch sogleich, daß ein Ereignis von besonderer Wichtigkeit den Besuch veranlaßt hatte. Sinclairs Gesicht war ernst und er sah aus, wie einer, der während der vergangenen Nacht nicht ein Auge geschlossen hatte.
»Nehmen Sie Platz und bedienen Sie sich,« sagte Stevens herzlich.
»Eine Tasse Kaffee, wenn Sie gestatten, sonst nichts. Ich habe Ihnen wichtige Mitteilungen zu machen, Stevens.« Er weihte Stevens zunächst in die Geschehnisse des gestrigen Tages ein und berichtete sodann über die Vorgänge der Nacht. »Sobald ich konstatiert hatte, daß jemand in meinen Papieren herumgestöbert hatte, kam mir zum Bewußtsein, daß die Sache ernst sei. Ich richtete daher in meinem Bett eine Puppe her, die vollkommen das Aussehen eines Schlafenden hatte, und placierte mich, so bequem es eben gehen wollte, unter dem Bett. Ich muß selbst in dieser immerhin ziemlich unbequemen Situation ein wenig geduselt haben, denn das Nächste, was ich hörte, war ein schwaches Geräusch. Offenbar war ein Schlüssel im Schlüsselloch umgedreht worden. Sie wissen, daß ich einen sehr leichten Schlaf habe. Ich fuhr fort, tief und regelmäßig zu atmen, als ob ich in tiefem Schlummer versunken läge. Es war mir klar, daß jemand in das Zimmer eingedrungen sei und jetzt warte und lausche. Ich wagte es aber nicht, auch nur einen Muskel zu bewegen. Der Eindringling, wer immer es sein mochte, kam ganz nahe an mein Bett heran. Ich hörte seine behutsamen Schritte auf dem Parkettboden und dann auf dem Bettvorleger. Er blieb einen Augenblick abwartend stehen und lehnte sich dann anscheinend über die nachgemachte menschliche Figur. Plötzlich spürte ich einen Stoß, unter dem das Bett nachgab. Ich hatte Geistesgegenwart genug, ein tiefes Stöhnen zu markieren; der Stoß wurde zweimal wiederholt. Dann hastete der Eindringling aus dem Zimmer und sperrte die Türe hinter sich zu. Ich war bewaffnet, aber unter dem Bett hervorzukriechen, hätte meinen sicheren Tod bedeutet. Uebrigens war die wichtigste Frage nicht, wer versucht hatte, mich zu ermorden, sondern wie dieser Anschlag am besten zu unseren Gunsten zu wenden sei. Ich schaute mir also die Puppe an und fand mein Pyjama von Messerstichen durchlöchert. Noch dazu mein bestes, was das Unangenehmste dabei war. Ich ging also ruhig wieder zu Bett und überdachte die Situation.«
»Sie sind nicht gerade leicht aus der Ruhe zu bringen,« Stevens mußte trotz des Ernstes der Situation lachen.
»Ich legte mir die Sache folgendermaßen zurecht. Daß mein Freund Frangi dahinterstecke, war nur klar. Er weiß, wer ich bin und auch warum ich hier bin, und wahrscheinlich glaubt er, daß ich mehr weiß, als tatsächlich der Fall ist. Hätte ich aber mitten an der Nacht Lärm geschlagen, so hätte ich ihn sicher friedlich schlafend im Bett gefunden, oder aber er wäre verschwunden gewesen. Ich dachte mir also einen anderen Plan aus. Ich stahl mich aus dem Fenster und schlich mich durch Seitengäßchen hierher. Wenn Sie nun im Hotel nach mir fragen, wird man die Tür verschlossen finden. Sie werden die Tür durch einige Ihrer eigenen Leute öffnen lassen und mit einer verhüllten Figur das Hotel verlassen. In Ihrer Stellung muß Ihnen das hierzulande ein leichtes sein. Die Mörder werden glauben, daß Sie meinen Tod verheimlichen wollen. Wie die Verhältnisse in Konstantinopel liegen, wird kein Hahn nach mir krähen.«
»Ihr Plan gefällt mir. Ich werde gleich aufbrechen. Man darf die Tür nicht öffnen, bevor ich hinkomme. Inzwischen halten Sie sich hier verborgen.«
»Kennen Sie den Anführer dieser Mörderbande? Denn ich bin überzeugt, daß es sich um eine Bande handelt.«
»Nach Ihrer Beschreibung könnte es sehr wohl Forester, der Mörder Alis, selber sein.«
»Und die Frau? Sie schien eine Griechin zu sein.«
Stevens durchzuckte ein plötzlicher Gedanke.
»Oder eine Indierin?« fragte er rasch.
»Ich habe sie nur ganz flüchtig gesehen. Aber Sie glauben doch nicht …?«
»Seiner Frechheit ist zuzutrauen, daß er sich mit Zania ganz öffentlich zeigt. Uebrigens vielleicht das Klügste, was er tun könnte. Jedenfalls haben wir keine Zeit zu verlieren. Erwarten Sie mich hier.«
Als Stevens zurückkam, fand er Sinclair noch auf dem gleichen Platz sitzen, in tiefes Nachdenken versunken. »Alles ist gut gegangen,« sagte Stevens gutgelaunt. »Die ganze Komödie hat nicht die geringste Schwierigkeit gemacht. Der unglückliche Hotelier hatte eine heillose Angst vor einem Skandal in seinem Hause und war froh, alles mir überlassen zu dürfen. Ich schmuggelte also Ihren Leichnam über die Hintertreppe hinaus. Der Hotelier schweigt wie das Grab, darauf können Sie Gift nehmen. Ihr Freund Frangi ist mitsamt dem Frauenzimmer verschwunden und ich bin überzeugt davon, daß es Zania war, trotz ihrer europäischen Kleidung. Meine Leute sind dem Pärchen auf der Spur. Wir werden ja gleich erfahren, ob unsere kleine Armenierin schon etwas in Erfahrung gebracht hat. Ich glaube, da kommt der Mann schon, den ich zu ihr geschickt habe.«
Es klopfte und in der Tat trat der erwartete Geheimpolizist ein.
»Etwas Neues, Jarvis?«
»Ja Herr, aber nichts Gutes. Die türkischen Behörden haben die Leiche eines Mädchens aus dem Bosporus gefischt und sie wurde als die unserer armenischen Vertrauensperson identifiziert.«
»Die Arme! Wir haben sie in den Tod geschickt,« sagte Stevens bitter.
»Daran ist leider nicht zu zweifeln. Ihr Körper wies keine Spuren von Gewaltanwendung auf. Sie ist wahrscheinlich ertränkt worden wie eine junge Katze. Möglicherweise hat man sie in einen beschwerten Sack gesteckt, der sich im Wasser geöffnet hat.«
»Ein Zweifel an der Identität ist nicht möglich?«
»Leider nicht der geringste. Ich habe die Leiche selbst gesehen.«
»Danke, das genügt.«
Als sie allein waren, vergrub Stevens den Kopf in seinen Händen. »Ich bin gegen solche Dinge nicht abgehärtet. Bei einem Mann wäre es etwas anderes. Wir hätten sie niemals mit dieser Aufgabe betrauen dürfen. Bei Gott, dieser Forester ist ein blutdürstiger Schurke. Der Kerl hat Fürchterliches auf dem Gewissen. Er wird wahrscheinlich jetzt versuchen, mit dem Mädchen auf das asiatische Ufer zu entkommen.«
»Glaube ich nicht,« meinte Sinclair. »Nirgendwo auf der Welt ist es so leicht, sich verborgen zu halten, als in Konstantinopel. Versetzen Sie sich doch einmal in seine Lage. Allein arbeitet er sicher nicht. Andererseits ist er nicht der Mann, jemanden neben sich zu dulden, der ihm irgendwie dreinreden könnte. Sein Freund – wenn solche Menschen überhaupt Freunde haben können – scheint nicht hier zu sein. Er muß also Diener zu seiner Verfügung haben.«
»Sehr richtig und zwar aller Voraussicht nach indische Diener. Sie sind treuer und verschwiegener als Europäer.«
»Ich bin jedenfalls mausetot, das ist sehr wichtig. Nun muß ich daran gehen, mir eine neue Gestalt anzuschaffen. Das erinnert mich an die alten Zeiten in Indien. In England sind Verkleidungen und falsche Bärte total aus der Mode gekommen. Uebrigens, können Sie mich einstweilen hier bei Ihnen unterbringen?«
»Aber selbstverständlich. Ich glaube fast, die Sache macht Ihnen Spaß, Sinclair?« sagte Stevens lachend.
»Tut sie auch – das heißt, wenn eines nicht wäre …« Sinclairs Gesicht verdüsterte sich plötzlich.
»Tun Sie ganz als ob Sie zu Hause wären.« Mit diesen Worten erhob sich Stevens.
*
Tage waren vergangen. Sinclair war verschwunden und es kam keinerlei Nachricht von ihm. Alle Bemühungen, Forester und seine »Gemahlin« zu erwischen, waren erfolglos geblieben und Stevens begann Befürchtungen zu hegen.
Es wurde dunkel im Bureau, aber die Aussicht auf das Goldene Horn war in der Abenddämmerung so bezaubernd, daß er zögerte, das Licht aufzudrehen. Terrassenförmig erhob sich jenseits des Wassers Stambul, schattenhaft und geheimnisvoll ragten ungezählte schlanke Minarets zum abendlichen Himmel empor. Zitternde Lichter blinkten auf. Es war die Zeit des Ramadan, der großen mohammedanischen Fasten. Flammend erschienen jetzt an der Frontseite der Moscheen in elektrischer Schrift Sprüche aus dem Koran. In seltsamem Kontrast berührte sich hier die uralte Religion mit der modernen Technik. Purpurner Nebel stieg von den Wassern auf. In der Ferne standen die Minarets der Hagia Sophia schwarz gegen den Abendhimmel. Durch das offene Fenster drang der verebbende Lärm der großen Stadt herein.
Trotz seines jahrelangen Aufenthaltes in Konstantinopel konnte sich Stevens dem Zauber der Märchenstadt an der Schwelle des Orients nicht entziehen.
Plötzlich wurde er durch ein leichtes Geräusch hinter sich aufgeschreckt. Er drehte sich blitzschnell um – sein Leben bestand aus einer ununterbrochenen Kette von Gefahren – und instinktiv streckte er die Hand gegen die Schublade aus, in der sein Revolver stets bereit lag.
Ein hochgewachsener Inder, bärtig und beturbant, stand regungslos bei der Türe, Stevens gab kein Zeichen des Erstaunens.
»Wie bist Du hier hereingekommen?« fragte er streng.
»Ich bringe Nachrichten von dem Sahib Sinclair.«
Der Inder sprach in der wohlklingenden hindostanischen Mundart. Seine Arme waren gekreuzt, seine Hände in den Falten des Gewandes verborgen.
»Was für Nachrichten bringst Du?« fragte Stevens in derselben Sprache.
Der Inder zog langsam ein Stück Papier hervor, ging auf Stevens zu, überreichte ihm das Schriftstück und kehrte dann wieder auf seinen Platz bei der Türe zurück.
Es war ein mit Bleistift geschriebenes Billet in Sinclairs Handschrift. »Sie können dem Ueberbringer dieses Billets vertrauen« – das war alles.
Ein unterdrücktes Lachen ließ ihn aufblicken. Im nächsten Augenblick war das Zimmer mit Licht überflutet, die elektrische Deckenlampe war aufgedreht worden.
»Ja wenn die Verkleidung Sie getäuscht hat, so werde ich wohl damit durchkommen,« sagte Sinclair.
Stevens lachte. Die Verkleidung war in der Tat glänzend gelungen. Selbst bei voller Beleuchtung verriet nur die Stirne, daß der alte Inder »unecht« war.
»Ich lechze nach meiner Pfeife. Infolge des Ramadans darf ich als strenggläubiger Mohammedaner erst nach Sonnenuntergang rauchen. Aber da kann man nichts machen. Eine falsche Bewegung und ich bin entdeckt!«
»Was haben Sie zu berichten?« fragte Stevens ungeduldig. »In London interessiert man sich schon lebhaft für Ihren Verbleib. Sie können nicht mehr lange tot bleiben.«
»Also hören Sie. Ich griff Ihre Idee auf, daß Forester indische Helfershelfer habe, und mischte mich unter das ärgste Gesindel in Therapia, Räuber und Diebe, die für ein paar Piaster zu jeder Schandtat bereit sind. Ein Mord ist für diese Burschen eine harmlose Sonntagnachmittags-Beschäftigung. Durch einen glücklichen Zufall brachte ich in Erfahrung, daß zwei Inder in den dortigen Spelunken aufgetaucht seien, die sich dadurch auffällig machten, daß sie mit dem Geld nur so herumschmeissen. Ich hörte ferner, daß eine geheimnisvolle Frau von diesen beiden Indern nach Konstantinopel gebracht worden und in einem Harem untergebracht worden sei, und zwar mit der Weisung, sie mit äußerstem Respekt zu behandeln. Vor kurzer Zeit – am Abend meiner Ankunft – wurde sie aus dem Harem abgeholt und es ging das Gerücht, daß ein Europäer sie erwartet habe. Natürlich darf man nicht jeden Klatsch glauben, aber es steht doch einigermaßen fest, daß die beiden Inder allabendlich ein verrufenes Tanzlokal in einem Vorort von Pera aufsuchen und dort auf jemanden warten. Ich gehe heute abend hin.«
»Allein dürfen Sie sich auf keinen Fall hintrauen.«
»O doch, das ist unumgänglich nötig. Die geringsten Anzeichen, daß das Lokal von der Polizei oder sonstwie beobachtet wird, würde den ganzen Plan zum Scheitern bringen.«
»Die Sache gefällt mir nicht. Lassen Sie mich mitkommen.«
»Ausgeschlossen. Ich gebe Ihnen die Adresse nur unter der Bedingung, daß Sie nichts unternehmen. Wenn ich allerdings morgen nicht zurückkehre, bekommt die Sache ein anderes Gesicht. Dann dürfen Sie vorgehen.«
»Um Ihre Leiche aus dem Bosporus aufzufischen,« sagte Stevens bitter lächelnd.
»So arg wird's wohl nicht werden. Wenn alles gut geht, hoffe ich das Pärchen morgen dingfest zu machen. Ich muß aber jetzt gehen. Man kann nicht vorsichtig genug sein.«
»Sind Sie bewaffnet? Sie haben es mit einem skrupellosen und höchst gefährlichen Halunken zu tun.«
»Ich werde vorsichtig sein. Also bis morgen.«
Mit einer raschen Bewegung hatte Sinclair die Tür geöffnet und war verschwunden, ehe der andere ihn noch zurückhalten konnte.
Stevens blieb in seinem Sessel sitzen und las mechanisch den Zettel, auf dem die Adresse der berüchtigten Spelunke vermerkt war. Sie war in türkischer Sprache geschrieben und einen Augenblick lang fragte sich Stevens, ob es wirklich Sinclair gewesen sei, der ihn eben verlassen hatte, oder ob er am Ende einem raffinierten Betrüger aufgesessen sei. Er konnte sich eines Gefühls des Unbehagens nicht erwehren und stürzte sich in seine Arbeit, um es loszuwerden.
Als es eine Weile später an die Tür klopfte, zuckte Stevens unwillkürlich zusammen. Er war nervös an diesem Abend.
»Herein,« rief er gereizt.
»Ein Herr wünscht Sie zu sehen, Herr Chef,« sagte Jarvis.
»Woher kommt er?«
»Aus England. Hier ist seine Karte.«
Stevens las den Namen – Arthur Barrat. Auf der Rückseite der Karte standen die Worte: »Bitte Herrn Barrat in jeder Weise behilflich zu sein,« unterzeichnet von Sinclairs Sekretär in Scotland Yard.
»Ich lasse bitten,« sagte Stevens. Was zum Teufel sollte das wieder bedeuten?
Arthur Barrat trat ein und reichte Stevens die Hand. Angst malte sich in seinen Zügen. Ohne Einleitung fragte er: »Herr Stevens, ist es wahr, daß Sinclair tot ist?«
Da Stevens mit der Antwort zögerte und seinen Besucher zunächst forschend musterte, fuhr Barrat hastig fort: »Es handelt sich um Leben und Tod. Sie haben sicherlich von dem Mord an Kitty Lake gehört?«
»Ich habe darüber in den Zeitungen gelesen.«
In aller Kürze unterrichtete ihn Barrat über die Rolle, die Sinclair in der Sache gespielt hatte. »Anthony ist zum Tode verurteilt worden und ich bin eigens hierhergereist, um Sinclair aufzufordern, zu helfen, so lange noch Hilfe möglich ist.«
»Ich hoffe, daß Sinclair morgen hier sein wird, Herr Barrat. Inzwischen wollen Sie diese Mitteilung streng geheim halten. Es ist am besten, wenn Sie hier bei mir bleiben.«
»Kann ich ihn nicht noch heute abend sehen? Höchste Eile tut not. Ich weiß nicht, ob es nicht bereits zu spät ist.«
Stevens blieb ungerührt. »Sagen Sie mir, sind Sie mit diesem Anthony sehr nahe befreundet? Offenbar, sonst würden Sie nicht all die Mühe auf sich genommen haben,« Er sah sein Gegenüber forschend an.
Barrat schien verlegen. »Ich will Ihnen gegenüber ganz offen sein. Meine Braut hat mich veranlaßt, hierher zu reisen. Ich selbst würde wohl kaum daran gedacht haben. So liegt die Sache.«
»Aha, ich verstehe –. Wie immer dem auch sei, zuerst müssen Sie sich ein wenig stärken. Darf ich Sie zum Abendessen einladen?«
Barrat stand ungeduldig auf. »Ich danke, ich habe im Zug gegessen. Aber sagen Sie mir, kann ich nicht irgendetwas tun? Besteht denn gar keine Möglichkeit für mich, Sinclair noch heute abend zu sehend Wo ist er?«
Stevens überlegte. Er warf einen verstohlenen Blick auf Barrat und versuchte, ihn abzuschätzen. Der Mann machte einen offenen und entschlossenen Eindruck. »Können Sie schießen?« sagte er plötzlich.
»Gewiß. Ich war während des Krieges Offizier und bin ein leidlicher Schütze. Aber warum?«
In Stevens Geist formte sich ein Plan. Er fürchtete für Sinclair, aber er hatte ihm sein Wort gegeben, seine Handlungen nicht polizeilich überwachen zu lassen. Hier aber war ein Fremder, in dem jeder auf den ersten Blick den ausländischen Touristen erkennen mußte und der die Vorgänge beobachten konnte, ohne aufzufallen. Natürlich mußte man ihm einen verläßlichen Führer beigeben.
»Wenn Sie uns wirklich behilflich sein wollen, so kann ich Ihnen Gelegenheit dazu geben. Sinclair wird heute abend in einem Lokal sein, dessen Adresse ich Ihnen geben werde. Ich werde Ihnen einen Führer mitgeben, der Sie hinbringen wird. Es ist eine Art Cabaret, in dem sich allerlei elegantes Gesindel Rendezvous gibt. Das ist gerade der Grund, weshalb die englischen Touristen sich das Lokal so gerne ansehen. Sie müssen mir aber versprechen, unter keinen Umständen den Zweck Ihres Besuches zu verraten. Man wird glauben, daß Sie wegen der Weiber hinkommen. Es ist wichtig, daß Sie sich absolut unauffällig benehmen.«
»Verstehe vollkommen,« sagte Barrat. Die Aussicht, handeln zu dürfen, frischte seine Lebensgeister auf. »Ich bin in den verrufensten Spelunken Europas gewesen. Ich werde lediglich beobachten und wenn ich Sinclair sehe, ihn nicht ansprechen, sondern warten, ob er mich anspricht.«
Stevens lächelte. »Sie werden ihn nicht sehen. Das heißt, Sie werden ihn nicht erkennen, dafür garantiere ich Ihnen. Natürlich ist es möglich, daß er sich Ihnen in irgendeiner Weise zu erkennen geben wird.«
»Gut also. Ich will noch rasch einige Zeilen an meine Braut schreiben. Nein, das hat Zeit, bis ich zurückkomme. Vielleicht habe ich dann schon etwas zu berichten.«