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Sechzehntes Kapitel
Wiedergefunden

Die Sommernacht ist voll Mondenglanz,
Voll lichter, funkelnder Sterne!
Greif aus, mein Rappe, der Wald ist hell!
Es winket das Glück in der Ferne!
Nun trage, wie einst in lenzholder Zeit,
Den Kavalier in die Weite!
Es glänzt der Pallasch, die Schärpe rauscht,
Wir führen die Lieb' im Geleite!

Gedenkst du noch der fröhlichen Zeit
Dereinst im sonnigen Maien;
Wenn sie den funkelnden Hals dir geklopft,
Wenn wir ausgeritten zu zweien!?
Greif aus, mein Roß! Wenn die Sonn aufgeht,
Dann wollen wir fischen und jagen!
Frühmorgen sollst du die schönste Frau
Durch den leuchtenden Hochwald tragen!

Greif aus, mein Rappe, die Treue wacht!
Schon winkt der mondhelle Garten!
Sie sitzt im Witwenschleier und spinnt,
Ihr Antlitz ist müde vom Warten:
Beim Himmel – nur noch einziger Schritt –
Ist das ein jauchzendes Werben!
Die Liebe stirbt nicht, du süße Frau
Die Treue läßt Gott nicht verderben!

 

Ein feuchter Aprilabend voll weicher, träumerischer Frühlingsstimmung lag über den Bergen, über dem weiten Land mit seinen jungen Saaten und frisch bestellten Feldern, bis hin zu den Toren des alten bischöflichen Hochstifts Halberstadt. In dämmernder Weite ragten die schlanken Domtürme, wie ein Gebilde der Sage, vom Rosenschimmer des scheidenden Tages umflossen.

Auf der einsamen Straße, die von Halberstadt nach Blankenburg führte, kamen zwei Reiter des Wegs. Sie trugen die französische Tracht des letzten Régimes, die stolze Kleidung, die den Adel unter Ludwig dem Sechzehnten gekennzeichnet – darüber den Reitermantel. Kaum glaubhaft schien's jedoch, daß sie zu den Flüchtlingen jener Zeit zählten, so frisch und neu war ihre Gewandung, so soigniert die gepuderten Zöpfe.

»Das war ein guter Gedanke von dir, Gérard, uns in Halberstadt zu retablieren; ich wette, mein kleines, betrübtes Frauchen würde es sonst nicht glauben, daß ich es bin, der vor ihr steht. Hab ich doch nicht einmal meinen Trauring, um mich zu legitimieren, daß mir die Lumpen in La Force den nehmen mußten – zum Teufel auch –, sag, Gérard, glaubst du's, daß sie mich kennen wird?«

Leidenschaftlich fragten die schwarzen Augen in dem schönen dunklen Mannesantlitz. – Der andere wandte ihm das schmale, feine Gesicht zu. Es lag ein Abgrund von Trauer in seinem Blick, eine Vereinsamung, wie sie nur der Mensch kennt, der das Liebste auf Erden begrub.

»Sie wird dich schon kennen, Adalbert,« erwiderte er mit stillem Lächeln.

Sein fröhlicher Begleiter, den die Sehnsucht nach dem geliebten Weibe mit Gewalt vorwärtstrieb, wurde ernst, als er in die Züge des Freundes blickte.

Nachdenklich sah er vor sich nieder, und nach einer Weile begann er aufs neue.

»Gérard!«

»Nun?«

»Gérard – könnten wir nicht getrennt – ich meine jeder für sich, Frau von Schülers Haus betreten? Ich – ich möchte nicht, daß mein erstes Wiedersehen mit Blanche den Stachel deines Schmerzes verschärfte. Ich weiß es ja, wie stark du bist – aber dies dünkt zu hart!«

Gérard Sérévan schüttelte das Haupt: »Laß das,« sagte er, aber dann flog doch ein warmer Dankesblick zu dem Schwager hinüber. »Ich weiß, wie du's meinst, alter Junge, aber ich habe Härteres durchkämpft als diese Stunde. Laß uns nur zusammengehen. Eine Freude bleibt mir ja doch, wenn's auch eine wehmütige ist: meine Kinder kommen mir entgegen als blühende Jungfrauen, meine Älteste, Aimées Lieblingskind, wird mich mit den lichten Augen der Mutter grüßen!«

Er schwieg, die Bewegung übermannte ihn.

Langsam ritten sie am Waldsaum entlang. Hingegossen an die grünen Berglehnen lag das liebliche Blankenburg unter blühenden Obstbäumen im Frühlingstraum, und die Abendsonne sandte den letzten Gruß über Giebel und Dächer. Aus den Schloten stiegen die blauen Rauchwölkchen und kräuselten sich in den Lüften, bis der Nachtwind von den Bergen herüberrauschte und sie auseinandertrieb.

»Wie schön diese Harzstadt liegt!« sagte Adalbert.

»Ja,« entgegnete Sérévan, »sie erinnert mich lebhaft an die terrassenartig gebauten Städte Südfrankreichs und der Schweiz, es fehlt nur der grüne See zu ihren Füßen und die blühenden Rosen und Azalien, die Schönheit südlicher Vegetation und die Wärme südlicher Sonne. Aber dies stille Blühen ist mir fast lieber – es ist von längerer Dauer!« – – –

Und weiter ritten die zwei durch den schweigenden Wald. Dem einen wollte das Herz unter dem Reitermantel vor Glück und Sehnsucht zerspringen, der andere zog still seine Straße, das Erbe einer geliebten Toten anzutreten. Sie sprachen kein Wort miteinander, jeder wollte mit seinen innersten Gedanken allein sein.

Und immer schöner ward die Welt. Von den Bergen kamen die Herden heim, melodisch klang das Geläut der Glocken durch den Wald. Aus den Wiesen stiegen die Nebel auf, weiß und glitzernd, wie Feenschleier verhüllten sie geheimnisvoll die feuchten Gründe. Und dann ward es still – die Jodler der Hirten verhallten mit dem leiser werdenden Herdengeläut, eine einzige Glocke nur zog noch klingend talwärts, dann verstummte auch sie, die Nachzüglerin hatte ihr Quartier erreicht.

Am Himmel kamen die Sterne hervor, einer nach dem anderen, bis ihre Zahl Legion geworden, die Spitzen der Berge wurden hell, und in strahlender Herrlichkeit ging der Vollmond über den Harzlanden auf.

Das sind die Zauber der Bergwelt! – –

Die beiden Kavaliere waren am Rande einer mondhellen Wiese angelangt. Jede Blume glänzte im Tau der Frühlingsnacht, schimmernde Tropfen hingen an allen Gräsern. Am gegenüberliegenden Ende lag ein altes efeuumsponnenes Haus, hinter den dunklen Ranken schimmerte Kerzenlicht, alle Fenster waren geöffnet, weich und sehnsüchtig klang eine Frauenstimme in die Nacht hinaus:

»O, Richard, o, mein König,
Ob dich die Welt verläßt,
Ich bleib dir treu!«

Atemlos lauschten die beiden Männer, eine Träne stahl sich aus Gérard Sérévans Auge und rann ihm langsam über die Wange hinab. Schweigend entblößten sie die Häupter und gedachten auf deutschem Boden ihres Königs, der in einem düsteren Winkel des Madeleinefriedhofs zu Paris sein schmuckloses Grab gefunden.

Dann ritten sie weiter. Am Gartenzaun machten sie halt, saßen ab und schlangen das Zaumzeug der Pferde um das Gitter.

Die Pforte knarrte; langsam schritten die Ankömmlinge den schmalen Weg zwischen den Buchsbaumrabatten entlang. Hell wieherte Sérévans Rappe hinter ihnen drein. Da öffnete sich die Haustür, das Licht einer großen Laterne fiel in riesigem Viereck auf die Fliesen einer Halle. Im Türrahmen erschien eine weibliche Gestalt und spähte forschend hinaus.

»Wer ist da?« klang eine helle Mädchenstimme.

Gérard trat näher, hell fiel das Mondlicht auf die weiße Gestalt. Lichte Locken hielt ein schmaler Reif zusammen, aus dem jungen Antlitz schauten ihn scheu und fragend zwei große Augen an, die hellen Augen seines Weibes.

Wie gebannt blickte er auf die holde Erscheinung, die Erinnerung an eine Stunde in seinem Leben erwachte in seiner Seele, an die Stunde, da ein zartes Mägdlein in das Gemach des Vaters trat und erglühend das Haupt an die Brust des stolzen Gardedukorps legte. Es war ihm ums Herz, als wär er in jene helle, goldene Zeit zurückversetzt, als träte ihm noch einmal die geliebte Gestalt in jungfräulicher Schönheit entgegen. Von Bewegung übermannt, legte er die Rechte über die Augen.

»Aimée!«

Da geschah etwas Unerwartetes. Das scheue, zage Mägdlein mit den Rehaugen fuhr bei dem Klang dieses Namens empor und flog dem fremden Manne um den Hals.

»Vater, mein Vater!«

Er schien aus einem Traum zu erwachen. In seinen Armen hielt er das Leben, ein zitterndes, schluchzendes Kind, das sich in freudigem Schreck nicht zu fassen wußte, und die Wirklichkeit trat wieder auf den Vereinsamten zu und sprach: »Komm und siehe, was dein ist!«

Ein scharfer, durchdringender Schmerz zog durch seine Seele, aber der Gedanke an das Kleinod, das er in den Armen hielt, begann denselben zu mildern – es war ja sein, ihr Kind, das ihm am Herzen lag. Und nun hob sie das Köpfchen und blickte mit strahlenden Augen in das Antlitz des Mannes, an dessen Stimme sie den Vater erkannt.

Im selben Augenblick öffnete sich zum zweitenmal die Tür des Gartensaales, und der fein gepuderte Kopf eines jungen Kavaliers kam zum Vorschein, sichtliches Erstaunen in dem hübschen Gesicht, seine Angebetete in den Armen eines wildfremden Reitersmannes zu sehen. Aber es blieb ihm keine Zeit, sich seiner Eifersucht hinzugeben.

»Ist die Frau Marquise von Saint Hilaire zu sprechen?« fragte Adalbert den auf ihn Zukommenden verbindlich und doch mit vor Erregung vibrierender Stimme. »Ich bin ihr Gemahl!« setzte er leiser hinzu – »wie nähere ich mich ihr, ohne ihr durch den Schreck zu schaden – sie betrauert mich als einen Toten!«

»Großer Gott!« rief der junge Offizier – »welch eine Freude!« und er zog den Fremden, den er nie im Leben gesehen, in den Schein der Laterne. »Sie müssen nämlich wissen, Herr Marquis, ich verehre Ihre Frau Gemahlin wie – nun – für meine Mutter wäre sie zu jung – aber Sie werden mich schon verstehen! Und wie wir es machen?« fuhr er lebhafter fort, als sei Adalbert ein zweites Mal im Minnedienst gekommen und er, Wolff Hertzberg, solle den Brautwerber spielen, »wie wir es machen? – zum Donnerwetter – da ist sie!«

Ja, sie war es. Auf der Schwelle des Gartensaales stand sie, in ihrer tiefen Witwentrauer fast noch größer und schlanker als einst, das schöne, totenblasse Antlitz dem fremden Kavalier zugewandt. Regungslos blickten ihn die dunklen Augen an, die Lippen öffneten sich halb und schlossen sich wieder, zitternd griff ihre Hand in den schwarzen Schleier.

»Blanche!«

Sie vernahm den Klang der geliebten Stimme, und da löste sich der Bann. Einen Augenblick schaute sie ihn an, als könne sie das Wunder nicht fassen, dann flog sie dem Manne entgegen und warf sich laut aufschluchzend an seine Brust. Sie fragte nicht, wie es gekommen, daß er lebe, sie wußte, er war da und mit ihm das Glück, und das war ihr genug.

Als sie sich endlich aus seinen Armen löste und mit dem alten strahlenden Lächeln zu ihm aufschaute, da merkten sie es erst, daß man sie sich selbst überlassen. In Adalbert regte sich der Kavalier, er bat Blanche, ihn der Hausfrau vorzustellen.

Sie lachte und weinte noch immer durcheinander. »Die wartet gern,« sagte sie und zog ihn in die Mondnacht hinaus; »erst sag mir's, wie wurdet ihr frei, Geliebter?«

Und er erzählte ihr, wie das Todesurteil schon über sie verhängt gewesen sei, wie sie die lange letzte Nacht, der fernen Lieben gedenkend und sich auf ihr letztes Stündlein vorbereitend, miteinander durchwacht. Plötzlich sei der Gefängniswärter, der ihnen stets wohlgewollt und sie von den übrigen gesondert in eine kleine Zelle gebracht, mit einem Bündel Bauernkleider hereingekommen, habe sie bedeutet, sich rasch umzukleiden, und sei selbst im Bauernkittel mit ihnen entflohen.

»Das Handwerk ekelte ihn,« fuhr Adalbert fort, »er hat mir später gesagt, er hätte das Elend der vielen unschuldigen Männer und Frauen nicht mehr mit ansehen können, es verlange ihn nach friedlicher Arbeit, jetzt ist er – erschrick nicht, Schatz, mein treuer Diener.«

Sie sah ihn mit hellen Augen an. »Ich glaub es schon, daß er dir treu ist,« sagte sie und lehnte das Haupt an seine Schulter.

Arm in Arm traten sie in das stille Waldhaus zurück. Auf den Stufen verhielt er den Schritt und zog sie näher an sich. Sie fühlte seine Hände auf ihrem Haar – es war der Witwenschleier, den sie aus ihren Locken lösten und mitten durchrissen.

»Das ist nun vorüber,« sagte er, »vergiß die dunkle, schwere Zeit, du süße, geliebte Frau!« Er zog sie leidenschaftlich in die Arme und schüttete die Glut seiner Liebe über sie aus.

Sie drängte sich dicht an ihn und legte zitternd und erglühend ihr Haupt an seine Brust. »Dein wäre ich geblieben immer, immer!« hauchte sie.

»Ja, du wärst mir treu geblieben bis zum jüngsten Tag!« jubelte er, hob sie empor und trug die leichte Gestalt die steinernen Stufen hinan.

Helle Stimmen klangen ihnen entgegen. Zwei schlanke braunäugige Knaben mit einem blonden Schwesterchen standen auf der Schwelle.

»Sie kommen! Sie kommen!« zwitscherte die kleine Marie Cécile, und die großen Buben schauten mit leuchtenden Augen zu ihrem Vater auf.

Das gab einen Jubel, ein Freuen und Verwundern ohne Ende. Marcel, der älteste, meinte, so hätte sich noch nie jemand auf Erden gefreut.

Und umgeben von seinem Glück, sein schönes, strahlendes Weib im Arm, von blühenden Kindern umringt, trat der Kavalier der einst so stolzen Elitetruppe des französischen Heeres vor die greise Herrin des deutschen Hauses, das sich ihm gastlich öffnete. Als Marcel die Saaltür aufriß und die kleine Marie Cécile, allen voran hüpfend, noch einmal ihr lachendes: »Sie kommen!« jubelte, erhob sich die ehrwürdige Gestalt, um die sich alles geschart, und schritt den Kommenden entgegen.

Da faßte Hilaire die Hand seines Weibes und beugte ritterlich ein Knie vor der alten Dame.

»Als ein Mann, dem eine edle Hand in schwerer Zeit sein Glück bewahrt, bitte ich um ein kurzes Gastrecht unter Ihrem Dache, meine gnädigste Frau,« sagte er, die feine welke Hand an die Lippen ziehend. »Wie ich Ihnen die Liebe und Güte, die Sie an der Verlassenen und ihren Kindern geübt, vergelten soll, weiß ich nicht und überlasse es einem Höheren! Aus Ihren Händen empfange ich heute zum zweitenmal mein Glück, wie aus den Händen einer Mutter. Möchte der Segen, den ich einst ihr erbat, deren Liebe über meiner Jugend gewacht, über dieses Haus kommen, edle Frau, und auf diesem Geschlecht ruhen von Kind zu Kindeskind!«

Lächelnd weilte das milde Antlitz Frau von Schülers auf dem klaren, ernsten Mannesantlitz. Eine Träne stahl sich über das freundliche Gesicht, ihr Blick schweifte zu Blanche hinüber.

Da fiel ihr die junge Frau um den Hals und küßte sie, als wollte sie die kleine, zarte Gestalt zerdrücken.

»Ahne, Ahne,« rief sie, so hieß die Greisin im ganzen Hause, »ich kann's ja nicht fassen, daß er lebt!«

»Faß es nur, Kind,« entgegnete jene, ihr die glühende Wange streichelnd – »der alte Gott lebt noch, und bei ihm ist kein Ding unmöglich!« –

Gérard saß zwischen seinen beiden Töchtern und sah still auf die fröhliche Gruppe. Eine tiefe Wehmut lag auf seinem Antlitz, aber wenn er auf die Kinder an seiner Seite blickte, zog doch ein warmes Dankesgefühl durch sein Herz. Es war ihm nicht alles genommen, er hatte es ja eben gehört – der alte Gott lebte noch, und er legte seinen Kindern keine Last auf über ihr Vermögen.

Cécile war hinausgegangen, um für einen Imbiß für die späten Gäste zu sorgen. Sie mußte einen Augenblick allein sein. Wie ein Sturm war's über sie hinweggebraust, was sie längst vergessen, begraben gewähnt. Alles war in dem einen Augenblick, da der blasse Mann das Haus betreten, aufs neue in ihrem Herzen erwacht, vergeblich sagte sie sich, daß der Schmerz seines Lebens seine ganze Seele erfüllte, vergeblich bäumte sich ihr jungfräulicher Stolz gegen jedes wärmere Gefühl für ihn, der nie an sie gedacht; sie sagte sich, wie alt sie sei – es war vergeblich – in ihrem Innern war erwacht, was sie jahrelang niedergerungen, was der Tod ihr genommen und in ein Grab gelegt – die erste und letzte Liebe ihres Lebens. –

Sie wollte – sie mußte siegen, keine Menschenseele sollte es ahnen, was da drinnen, rein aus der Asche, emporglühte – sie mußte siegen. Und sie wußte, der Stolz, den sie von ihrem Vater geerbt, würde ihr helfen, er mußte und würde es. Mit brennenden Wangen stand sie am Fenster ihres Gemaches und blickte in die kleine Mondnacht hinaus, ein Seufzer entrang sich ihrer Brust – warum nahm der Kampf auf Erden kein Ende? – –

»Herr Gott, erbarme dich meiner,« flüsterte sie, die Hände faltend, in plötzlicher, heißer Angst. Dann schritt sie langsam die Treppe hinab. »Wie traurig er aussieht,« dachte sie, während sie eintretend zu dem einsamen Manne hinüberblickte, »er wird sie nie vergessen – es ist nicht anders möglich!«

Und mit aller Willenskraft, deren ein starker Frauencharakter fähig ist, spann sie sich in den Stolz ein, in den herben, scheuen, jungfräulichen Stolz, den nur die Liebe zerbricht – oder er sie.

Von St. Bartholomä schlug es Mitternacht; die Kerzen erloschen im Waldhaus. Ein einziges Licht glühte noch oben im Giebelstübchen und warf seinen zitternden Schein in den Garten hinab. Im Grase zirpten die Heimchen, sonst kein Laut ringsum, nur der Nachtwind summte sein Feierlied hoch oben im Forst, in den knospenden Buchen.


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