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Dreizehntes Kapitel
Aus den Memoiren Céciles de St. Hilaire

Wie eilen die Zeilen, die Jahre entfliehn,
Durch mein Goldhaar die silbernen Fäden ziehn,
Wie die Blätter fallen im Walde!
Das Leben wird anders und ernster der Blick,
Dahin ist das stolze, unfehlbare Glück –
Der Lenz ist verrauscht, wie so balde!

 

Paris, Faubourg St. Germain, im April 1779.

Adalbert hat endlich seine Blanche heimführen dürfen. Sie kam, schön wie eine Rose, aus dem Harz zurück, blühend und frisch, mit strahlenden Augen! Wer es nicht weiß, der wird nie auf den Gedanken kommen, daß dies lieblichste der Geschöpfe tiefsinnig gewesen. Adalbert weiß sich in seinem Glück kaum zu fassen, es ist, als ob er ein Kleinod verloren und wiedergefunden. In der alten Hugenottenkirche sind sie getraut und am selben Abend nach unserem Stammschloß in der Normandie gereist. Gott erhalte ihnen ihr Glück und bewahre sie vor Herzeleid und trüber Erfahrung! Im Mai kommt das junge Paar nach Paris zurück. Frau von Sérévan schmückt schon mit mütterlicher Liebe der Tochter das Heim, und wir ledigen Mägdlein helfen geschäftig. Aimée bedarf noch der Ruhe und Schonung, gestern ist ihr langersehntes erstes Kind getauft worden, ein zartes Töchterlein, das die junge Mutier mit großen Augen verwundert anschaut. Aimée ist liebreizend in ihrer strahlenden Mutterfreude, und ich danke es Gott, daß sie endlich ein Kindlein wiegt; sie gehört zu den Frauen, deren Glück die Krone fehlen würde! – – Die Königin stand Gevatter, schöner denn je, in fliederlila Sammet, von Brillanten übersät. Ihr Page, Graf Tilly, trug ihre Schleppe und stand hinter ihr, während sie die kleine Marie Antoinette über die Taufe hielt, Rosen und Lilien lagen zu ihren Füßen verstreut – es war ein Bild, wie es nicht königlicher gedacht werden kann! –

Ich hatte Zeit, die Herrscherin zu betrachten. Ihr Antlitz war still und klar, während sie es über den Täufling neigte, und seine engelhafte Schönheit konnte nicht besser zur Geltung kommen, als in diesem ruhigen Ernst. Später, als sie sich lebhaft unterhielt, war der alte Zug, jenes Gemisch von Unruhe und Unbefriedigtsein, auf ihrem Antlitz zu lesen, den kein Lachen und Scherzen mehr verbirgt. Ob sie Graf Fersen nachtrauert, ob der gärende Haß, der sich wie ein fressender Rost im Volke eingenistet hat, den Weg zu den Stufen des Thrones fand? –

Ich habe während meines Aufenthaltes im Versailler Schloß Einblicke in dies glänzende, üppige, nach Lust und Vergnügen haschende Leben getan, und es dünkte mich einer Königin von Frankreich und insonderheit der Königin eines hungernden, verzweifelten Volkes unwürdig. Gott bewahre unsere Nation, unser Herrscherhaus und alle, die ihm dienen, vor schwerer Zeit – nur ein Wunder seiner Macht kann uns noch retten, denn wir sind reif zur Revolution.

*

Faubourg St. Germain, Ende September 1779.

Vor drei Tagen bin ich von einem Besuch auf Schloß Eu Wohnsitz des Herzogs von Penthièvres. bei der Prinzessin von Lamballe zurückgekehrt. Ich gehe noch wie im Traum umher, diese Septembertage in den Gärten des herrlichen Landsitzes an der Seite meiner geliebten, einstigen Gebieterin werden mir unvergeßlich sein!

Das alte, efeuumsponnene Schloß mit seinen Türmen und Erkern, seinen lauschigen Winkeln, seiner rosenumblühten, stillen Kapelle liegt wie ein Märchen im Walde. Abends, wenn die Kienäpfel in der Glut knistern, sitzt der greise Herzog von Penthièvres am Kamin, ein ehrwürdiges Bild vergangener Tage und des alten Regimes. Der Herzog trägt den gepuderten Zopf, die lang herabhängenden violett-samtenen Rockschöße sind mit Goldstickerei verziert, unter dem feinen, blassen Gesicht des alten Royalisten kräuseln sich Brabanter Spitzen zum Jabot. Der Kopf einer edlen Dogge, die ihn auf Schritt und Tritt begleitet, ruht auf seinen Knien, und das treue Tier genießt wedelnd die Aufmerksamkeit seines Herrn, bis ein leises Geräusch im Nebenzimmer diesen aufblicken läßt. Die alten Augen leuchten, ein Lächeln verklärt das welke Antlitz, und die lichte Frauengestalt auf der Schwelle eilt herzu, kniet an seiner Seite nieder und legt ihr schönes Antlitz an die Brust des Greises. Als ich zum erstenmal Marie Thérèsens goldlockiges Haupt am Herzen des ehrwürdigen Mannes ruhen sah, dessen Sohn das tiefste Elend in ihr aufblühendes Frauenleben getragen, traten mir die Tränen ins Auge, und das Bild gebender und empfangender zarter Liebe und Zuneigung steht immer vor mir. Es waltet neben jener echten Vornehmheit, die das junge Geschlecht nicht mehr kennt, der Geist edler Frömmigkeit in den hohen Räumen. Zu früher Stunde versammelt sich der greise Herzog mit allen Schloßbewohnern bis zum Hütejungen herab um die Bibel. Marie Thérèse sitzt an der Hausorgel und begleitet den vollen Choralgesang mit ihrem Spiel und ihrer sanften Stimme, zuletzt klingt klar und feierlich das Vaterunser von den Lippen des Hausherrn, dann geht einer nach dem andern an sein Tagewerk, und jedem unter ihnen folgt ein freundlicher Blick, eine gütige Frage, manch einem auch wohl eine Mahnung, ein Tadel, doch ohne Schärfe und Härte, voll väterlichen Ernstes, voller Liebe und Fürsorge für jeden einzelnen, der zu seinen Untergebenen zählt.

Marie Thérèse verdient mehr denn je den hoheitsvollen Namen: der Frühling im Hermelin. Ihr hinreißender Liebreiz, ihre edle Weiblichkeit lassen sie mir fast schöner erscheinen als Marie Antoinette. Vielleicht ist es auch das sichere Bewußtsein, das sie mir so sympathisch macht, daß die Prinzessin nie ihre Stellung als Fürstin und Frau vergessen wird, daß nie ein Makel an ihrem Leben haftete und ihr ganzes Wesen in jedem Augenblick und jeder Lebenslage für sie eintritt, während mir beim Anblick unserer jungen Königin immer jenes vernichtende Urteil in den Ohren klingt: » un peu déclassée!« – –

Die Intendantin ist fast noch melancholischer als in Versailles, wo die lebensfrohe, frische Art der Gebieterin sie dem Trübsinn entriß. Die verlorene Liebe ihrer Königin, die Art und Weise, wie dieselbe sie allmählich fallen ließ und einer anderen den Platz in ihrem Herzen einräumte, das Scheiden vom Versailler Hof, das demütigende Bewußtsein, überflüssig geworden zu sein – dies alles lastet auf ihr und macht sie krank, aber sie würde das letztere überwinden, wenn Marie Antoinette ihr einen einzigen Beweis gäbe, daß sie sie liebte wie einst. Oft fand ich sie in heißen Tränen im Garten. Wenn ich mich dann still zu ihren Füßen niedersetzte und den Kopf an ihre Knie lehnte, strich sie mir sanft über die Locken, aber sie sagte nichts. Dann wußt' ich, warum sie weinte und lernte die Schmerzen dieses reinen, zarten Frauengemütes verstehen, dessen Grundcharakterzug die Treue ist. – –

Eine der edelsten Eigenschaften der Prinzessin ist ihre schonende, vergebende Liebe. Niemals hörte ich sie ein einziges abfälliges Wort über die Königin sprechen, die ihr so bitter wehe getan, nie eine scharfe Äußerung über die Frau, die sie durch List und Intrige von ihrem Platze verdrängt. Und doch weiß ich's, wie schwer sie an dem allen trägt, wie sie sich verkannt und zurückgesetzt fühlt, wie die Sorge um den Ruf und die Zukunft der leichtherzigen Königin ihr den Schlaf raubt und ihre Tage trübt. Ich weiß, daß sie die Majestät beschworen hat, wählerischer in ihrem Umgang zu sein, und vor allem ihre Besuche im Hotel Guéméné Der Ton im Hause der Fürstin Guéméné war so leichtfertig, daß die meisten geladenen Damen sich eines Abends veranlaßt sahen, dasselbe zu verlassen; nur die Königin blieb. einzuschränken, daß sie ihr die unermeßlichen Gefahren des Hasards immer wieder vorgestellt, daß sie sie auf den Knien gebeten, sich nicht tagtäglich in Begleitung des Grafen Artois zu zeigen. Daß keine dieser Bitten, die gewiß nicht ohne Zagen ausgesprochen wurden, beachtet, geschweige erfüllt ward, muß einem so treuen Herzen ein tiefer Schmerz, eine große Demütigung sein. Aber trotz allem bleibt sie dieselbe in ihrer Liebe und Fürbitte, in der Treue zu ihrem Herrscherhäuser still und geduldig geht sie ihren Weg, nur die schönen Augen führen stumme Klage um verlorenes Glück. Gott schenke ihrem Leben wieder einen beglückenden Inhalt, ihrer Jugend ein Frauenlos ohne die herbe Enttäuschung, die ihr Herz in einem Jahr krank und siech machte – sie ist es wert.

*

Faubourg St. Germain, am 3. Januar 1780.

Blanche führte vor einigen Tagen die liebliche Sitte der deutschen Christtagsfeier, die sie in Blankenburg kennenlernte, bei uns ein. Am 24. Dezember brannte die Weihnachtstanne in dem kleinen traulichen Heim der Geschwister, wo wir uns mit sämtlichen Sérévans trafen. Ich mußte beim Anblick des strahlenden Baumes unserer Königin gedenken, welche die deutsche Heimat und den alten heiligen Brauch so schmerzlich vermissen soll. Die Prinzessin von Lamballe erzählte mir, sie könne nicht ohne Tränen von den Christfeiern der Wiener Hofburg reden und habe geäußert, sie fühle sich nie einsamer, als in jenen Tagen. Die Arme! Um die Ehre, Königin der Franzosen zu sein, muß sie ihre Heimatliebe begraben, denn unser Volk will das Herz seiner Landesmutter allein besitzen und teilt seine Rechte nicht mit einem anderen. Wie oft hat man es Marie Antoinette schon vorgeworfen, daß sie die alte Heimat nicht vergessen könne, daß Österreich ihr über Frankreich gehe, daß sie, soviel es ihr möglich sei, die deutschen Interessen verträte. Ihr schönes Trianon hat man spottweise Klein-Wien genannt, und der Beiname »die Österreicherin«, den Madame Adelaide der verhaßten Nichte angehängt, wird sie durch ihr ganzes Leben begleiten.

Man sieht's immer wieder, es ist ein eigen Ding um die Versetzung edler Pflanzen in fremde Erde – sie kümmern oder treiben kranke Schößlinge, und der Gärtner schaut vergeblich nach der ersehnten Blüte aus. Dann heißt's wohl gar, die Pflanze tauge nicht, und doch ist's ein Edelreis, das im heimischen Boden zum Baum voll süßer Frucht erwachsen wäre!

Am 6. Dezember des vergangenen Jahres kam die Todesnachricht der Kaiserin Maria Theresia nach Versailles. Die arme Königin soll untröstlich über den Verlust der Mutter sein, und ganz Frankreich teilt ihren Schmerz. Trotz aller Vorurteile wider die Habsburger vernimmt man überall nur Äußerungen der größten Hochachtung und Bewunderung über die große Kaiserin.

*

Am 17. Mai 1780.

In der Nacht vom 13. zum 14. Mai ist Blanche von einem Sohne entbunden. Heute, da die Gefahr gnädig gewendet scheint, ist die Freude groß, und doch darf man sich derselben noch kaum hingeben, denn bis vor kurzem umgaben die Schatten des Todes das Lager der jungen Mutter, und noch heute liegt sie marmorbleich in den Kissen und lächelt matt, wenn Adalbert sich über sie neigt oder das Kindchen ihr gebracht wird. Die größte Sorge, die heute in jedem von uns rege wird, ist der Gedanke an die Wiederkehr jener düsteren Ahnungen, die ihre tiefen Schatten auf ihre Brautzeit warfen. Aber noch scheint, gottlob, kein Anlaß zu diesen Befürchtungen vorhanden, und wir müssen dankbar sein, daß die größte Gefahr vorüber ist. Der Kleine liegt wie ein Engelchen in seiner Wiege, kein Kind von Frankreich könnte schöner sein, als dieser kleine goldlockige Marquis. Gott schütze weiter Mutter und Kind und erhalte meinem geliebten Bruder den Schatz, den er ihm in seiner jungen Lebensgefährtin beschert!

*

Am 2. Juni 1780.

Endlich nach langen Wochen der Sorge um Blanche konnte der Kleine getauft werden. Sie war zart wie eine weiße Rose, als sie in ihrem Brautkleide im Lehnstuhl neben dem Tauftisch saß, die strahlenden Augen auf das kleine rosige Geschöpf gerichtet, das wie eine Apfelblüte unter dem duftigen, gestickten Schleier lag.

Viele Gäste waren nicht geladen. Außer dem engsten Familienkreise war nur Graf Creutz, der Gevatter stand, zugegen und ein Freund der Geschwister, der Abt von Firmont, Henri Allen Edgeworth, Späterer Beichtvater der Prinzeß Elisabeth. eine hochgeachtete, äußerst sympathische Persönlichkeit. Blanche hat im Harz, wo er einen Sommer zugebracht, seine Bekanntschaft gemacht und nach ihrer Rückkehr die alten Beziehungen erneuert. Trotz der Verschiedenheit des Bekenntnisses ist er Hausfreund bei den Geschwistern, denn auch Adalbert hat eine aufrichtige Verehrung und Bewunderung für den Mann, der sich durch seinen Lebenswandel und seine Sittenreinheit vorteilhaft von den meisten Gliedern der Geistlichkeit unterscheidet. Seine äußere Erscheinung hat etwas ungemein Gewinnendes, aus dem klugen, vornehmen Antlitz sprechen Güte und Sanftmut, seine Unterhaltung ist geistreich und vielseitig, sein religiöser Standpunkt klar und fest, durchsichtig, wie der eines Kindes, und von einer Demut getragen, wie ich sie noch an keinem Priester der römischen Kirche gesehen. Als ich ihn zum erstenmal bei Blanche traf, befremdete mich die Freundschaft meiner kleinen, streng protestantischen Schwägerin mit dem Geistlichen ein wenig, aber ich sollte es bald erfahren, daß er kein Proselytenmacher oder Jesuit war, der in das Gemach der jungen Frau eingedrungen war, um für seine Kirche Propaganda zu machen. Abt Edgeworth ist nichts weiter und will nichts weiter sein, als ein treuer Freund, als ein Christ, der in seinen Weggenossen seine Brüder sieht, und als solcher trat er auch mir entgegen und gewann mir das Herz ab.

Bei der Taufe des kleinen Gérard hatte ich meinen Platz an seiner Seite. Er erzählte mir viel von seiner irländischen Heimat, die er, obgleich lange in Frankreich eingebürgert, nicht vergessen kann. Es ist etwas Wunderbares um die Heimatliebe, sie gleicht einer edlen Pflanze, die in der Fremde fremd bleibt, der trotz allem Schönen und Großen, aller Liebe und Freundschaft ein bestimmtes Etwas fehlt: die alte, heimische Scholle, ob dieselbe auch nichts weiter bietet als einen stillen Sonnenuntergang über blühenden Heidelanden.

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Im Mai 1781.

Im Ministerium gehen tiefgreifende Veränderungen vor sich. Necker Generaldirektor der Finanzen. hat seine Entlassung eingereicht und die Bewilligung erhalten. Man sagt, er habe getan, was in seinen Kräften stand, um die Finanznot zu heben, aber diese Not scheint stärker zu sein, als die beste der Absichten. Als er in seinem Compte rendu den tragischen Zustand der Finanzen offen enthüllte, haben sich alle Gegner Turgots Neckers Vorgänger im Finanzministerium. auch gegen ihn erhoben, und da der König ihm die geforderte Ernennung zum Mitglieds des Staatsrates abschlug, hat er seine Entlastung erbeten. Hätte Frankreich sich nicht an dem nordamerikanischen Kriege mit großen Geldopfern beteiligt, so sagt man, wäre Necker möglicherweise Herr der finanziellen Nöte geworden, aber dieser Feldzug hat zuviel verschlungen.

Das Schlimmste ist, daß die Königin und ihr Anhang beginnen, Politik zu treiben; Gräfin Polignac hat sich schon mehr als einmal in Frankreichs innere Verhältnisse gemischt, und Marie Antoinettes politischer Einfluß gleicht einem Verhängnis.

Was die Zukunft unserer Nation noch einmal bringen wird, weiß Gott, möchte es nur nicht die Fackel der Revolution sein, die blutig über unserem Lande leuchtet! Den entfesselten Leidenschaften des französischen Volkes zum Opfer zu fallen, dünkt mich härter, als der Tod!

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Am 22. Oktober 1781.

Die Königin ist von einem Prinzen entbunden. Ganz Paris geht in einem Freudentaumel einher. Die ärgsten Gegner der Königin scheinen vergessen zu haben, daß sie ihre Feinde sind, und lassen sich von der allgemeinen Begeisterung über den Dauphin hinreißen; Menschen, die sich nie gesehen, sind einander beim Empfang der Nachricht schluchzend in die Arme gefallen. Es herrscht eine Exaltation, die nicht andauern kann.

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Ende Januar 1782.

Gestern ist das Kind von Frankreich getauft worden. –

Am Morgen des festlichen Tages hatten Bubenhände eine Schmähschrift voll schändlicher Lügen über die Königin an die Kirchtüren von Nôtre Dame geschlagen – es ist, als betrachte man es als eine Pflicht, den Ruf der Majestät zu untergraben. Möchte die Beleidigung, die am Ehrentage ihres Kindes wider sie ausgestoßen ward, der hohen Frau ein Geheimnis bleiben, denn, ob sie manches versehen im Leben, ob man ihr vieles zum Vorwurf machen kann, ob manche ihrer Worte und Handlungen nicht einwandfrei – dem Laster und der Sittenlosigkeit hat sich Maria Theresias Tochter niemals ergeben! –

Wie ein Wetter nach sonnigen Tagen wirkte die düstere Stimmung am Tauftage des Thronerben auf Stadt und Land. Die Gerüchte, die über den Leichtsinn der Königin im Umlauf sind, wachsen ins Ungeheuerliche, der Volkshaß äußert sich in besorgniserregender Weise, und in Bellevue sorgt Madame Adelaide mit ihrem Anhang dafür, daß das Feuer täglich neue Nahrung erhält.

Wie ein sorgloses Kind spielt die schöne königliche Frau mit der Gunst des Volkes. Es ist mir bisweilen, als hätte Blanche ihre düsteren Vorahnungen auf mich übertragen, denn, wenn ich dies Kind auf dem Thron anblicke, treten mir die Tränen ins Auge. Warum, o warum muß soviel Liebreiz mit dem Leichtsinn Hand in Hand gehen! Wenn Gott nicht ein Wunder tut, ist ein schlimmes Ende gewiß!


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