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Neunundvierzigstes Kapitel

Um die Freiheit einer Republik zu erhalten, bedarf es täglich neuer Maßnahmen. – Für welche Verdienste Quintus Fabius den Beinamen Maximus erhielt.

Wie schon früher gesagt, müssen in einer großen Stadt täglich Vorfälle eintreten, die des Arztes bedürfen; je erheblicher sie sind, um so mehr muß man nach einem guten Arzt suchen. In keiner Stadt aber gab es so seltsame und unverhoffte Vorfälle wie in Rom, z. B. als sich alle römischen Frauen verschworen zu haben schienen, ihre Männer umzubringen. Viele Männer waren bereits vergiftet, und viele Frauen hatten das Gift schon zubereitet. Ferner jene Verschwörung der Bacchanalien 186 v. Chr., nach dem zweiten Mazedonischen Krieg. Über 7000 Personen wurden von den Konsuln vor Gericht gezogen und großenteils zum Tode verurteilt. Vgl. Livius XXXIX, 8 ff., die zur Zeit des Mazedonischen Krieges entdeckt wurde und in die schon mehrere tausend Männer und Frauen verwickelt waren. Wäre sie nicht entdeckt worden oder wäre Rom nicht gewohnt gewesen, ganze Scharen von Verbrechern zu züchtigen, so wäre sie für die Stadt recht gefährlich geworden. Kennten wir nicht schon aus zahllosen Proben die Größe dieser Republik und die Kraft, mit der sie alles ausführte, so würden wir sie aus der Art der Strafen ersehen, mit denen sie ihre Verbrecher züchtigte. Sie stand nicht an, bisweilen eine ganze Legion, eine ganze Stadt zum Tode zu verurteilen und 8000 bis 10 000 Menschen unter außerordentlichen Bedingungen zu verbannen, die sonst nicht von einem, geschweige denn von so vielen eingehalten werden. So erging es den Soldaten, die bei Cannae unterlegen waren. Man wies sie nach Sizilien aus und erlegte ihnen auf, in keiner Ortschaft zu wohnen und stehend zu essen. Von allen Strafen aber war die schrecklichste das Dezimieren der Heere, wo jeder zehnte Mann im ganzen Heer nach dem Los sterben mußte. Es ließ sich zur Züchtigung der Menge keine abschreckendere Strafe ersinnen; denn wenn die Menge ein Verbrechen begeht und der Urheber ungewiß ist, kann man nicht alle strafen, weil es ihrer zu viele sind. Einen Teil zu bestrafen und die übrigen frei ausgehen zu lassen, hieße aber den Bestraften Unrecht tun und die Straflosen zu neuen Verbrechen ermutigen. Wird hingegen durch das Los der zehnte Teil zum Tode bestimmt, wo ihn alle verdienen, so beklagt sich der, den die Strafe trifft, über das Schicksal, und der Straflose fürchtet, daß die Strafe ihn ein andermal trifft, und nimmt sich künftig in acht.

Die Giftmischerinnen und die Verschwörer der Bacchanalien wurden also verdientermaßen bestraft. Obgleich nun solche Krankheiten üble Folgen für eine Republik haben, sind sie doch nicht tödlich, da man fast immer Zeit hat, sie zu heilen. Keine Zeit aber hat man bei Staatsverbrechen, denn diese richten den Staat zugrunde, wenn ihnen nicht durch einen klugen Mann abgeholfen wird. Bei der Freigebigkeit, mit der die Römer das Bürgerrecht an Fremde verliehen, waren im Rom so viele neue Geschlechter entstanden, daß sich bei ihrem großen Anteil an den Wahlen die Regierung zu verändern begann, in andre Hände geriet und von den gewohnten Grundsätzen abwich. Als der Zensor Quintus Fabius dies wahrnahm, teilte er alle die neuen Geschlechter, von denen diese Unordnung stammte, in vier Tribus, damit sie, derart beschränkt, nicht ganz Rom anstecken konnten. Fabius hatte das Übel richtig erkannt und verschrieb ohne großes Aufsehen das geeignete Mittel dagegen. Das Vaterland aber war ihm so dankbar dafür, daß er den Beinamen Maximus erhielt. Livius IX, 46. Quintus Fabius Rullianus wurde 304 v. Chr. Zensor.


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