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Zwanzigstes Kapitel

Ein Beweis von Menschlichkeit richtete bei den Faliskern mehr aus als die Waffengewalt der Römer.

Als Camillus Falerii belagerte, kam ein Schulmeister, im Glauben, sich damit bei Camillus und dem römischen Volk einzuschmeicheln, mit den vornehmsten Kindern der Stadt unter dem Vorwand eines Spaziergangs ins Lager zu Camillus und stellte sie ihm mit den Worten vor: durch sie werde er die Stadt in seine Hände bekommen. Camillus schlug dies Anerbieten nicht nur aus, sondern ließ den Schulmeister entkleiden, ihm die Hände auf den Rücken binden und ihn von den Knaben, deren jeder eine Rute erhielt, unter Schlägen in die Stadt zurücktreiben. Als die Falisker diesen Vorfall erfuhren, gefiel ihnen die Menschlichkeit und Rechtschaffenheit des Camillus, so daß sie sich nicht mehr verteidigen wollten und ihm die Stadt zu übergeben beschlossen. 394 v. Chr. Vgl. Livius V, 27.

Aus diesem wahren Beispiel ersieht man, wieviel stärker bisweilen ein Akt der Menschlichkeit und Güte auf die Gemüter der Menschen wirkt als eine grausame, gewalttätige Handlung, und wie oft Länder und Städte, die Waffen, Kriegsmaschinen und jede andre menschliche Gewalt nicht öffnen konnte, durch einen Akt von Menschlichkeit und Güte, von Keuschheit oder Großmut geöffnet wurden. Die Geschichte liefert hierfür noch viele andre Beispiele.

So konnten die römischen Waffen den Pyrrhus nicht aus Italien vertreiben, und es vertrieb ihn die Großmut des Fabricius, der ihm das Anerbieten seines Leibarztes, ihn zu vergiften, eröffnete. So brachte die Eroberung Neukarthagos in Spanien dem Scipio nicht so viel Ruhm als jenes Beispiel von Keuschheit, als er das junge und schöne Weib unberührt seinem Gatten zurückgab; ja der Ruf dieser Handlung machte ihm ganz Spanien zum Freunde.

Man sieht auch, wie sehr die Völker diese Eigenschaft bei den Großen wünschen und wie sehr die Schriftsteller sie preisen, die das Leben der Fürsten beschreiben oder Regeln für ihr Leben aufstellen. Unter diesen bemüht sich besonders Xenophon, zu zeigen, wieviel Ehre, wieviel Siege, welchen hohen Ruf sich Kyros S. Buch II, Kap. 13. Nach Xenophons Kyropädie. Vgl. Buch III, Kap. 22 dieses Werkes. dadurch erwarb, daß er leutselig und freundlich war und nie einen Beweis von Hochmut oder Grausamkeit, von Üppigkeit noch von irgendeinem der Laster gab, die das Leben der Menschen beflecken. Da jedoch Hannibal bei ganz entgegengesetztem Verhalten großen Ruhm und unsterbliche Siege errungen hat, will ich im folgenden Kapitel die Ursachen davon erörtern.


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