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Achtzehntes Kapitel

Nach dem Vorgang der Römer und dem Beispiel der alten Kriegskunst ist das Fußvolk höher zu bewerten als die Reiterei.

Es läßt sich durch viele Gründe und Beispiele klar beweisen, daß die Römer bei allen Kriegshandlungen viel mehr Wert auf das Fußvolk als auf die Reiterei legten und ihre ganze Kriegführung darauf einstellten. Unter anderm zeigt sich das an der Schlacht mit den Latinern am See Regillus. 496 v. Chr. Vgl. Livius II, 19-21. Als das römische Heer schon zu wanken begann, ließ man zu seiner Unterstützung einen Teil der Reiterei absitzen, erneuerte den Kampf und errang den Sieg. Das beweist deutlich, daß die Römer mehr Vertrauen auf das Fußvolk als auf die Reiterei setzten. Das gleiche Mittel gebrauchten sie in vielen andern Schlachten, und stets bewährte es sich in der Gefahr als das beste. Man wende nicht Hannibals Ansicht ein, der in der Schlacht bei Cannae Vgl. Livius XXII, 49. sah, daß die Konsuln ihre Reiterei absitzen ließen, und spottend bemerkte: Quam mallem, vinctos mihi traderent equites, d. h. noch lieber wär's mir, sie lieferten sie mir gebunden aus. Diese Ansicht kommt zwar aus dem Munde eines der größten Feldherren, aber wenn man sich schon auf Autoritäten berufen will, muß man mehr der römischen Republik und so vielen ihrer besten Heerführer als dem einen Hannibal glauben, zumal man außer der Autorität auch noch klare Gründe dafür hat.

Der Fußsoldat kann sich in mancherlei Gelände bewegen, wo der Reiter nicht fortkommt; man kann ihn lehren, Ordnung zu halten und, wenn sie gestört wird, sie wiederherzustellen. Reiterei ist schwer in Reih und Glied zu halten, und ist sie in Verwirrung geraten, schwer wieder in Ordnung zu bringen. Außerdem gibt es bei den Pferden wie bei den Menschen mutige und feige, und oft wird ein mutiges Pferd von einem feigen Reiter geritten und umgekehrt. In beiden Fällen aber entsteht daraus Unordnung und Unbrauchbarkeit. Auch kann geschlossenes Fußvolk leicht die Reiterei werfen, aber schwer von ihr geworfen werden. Diese Ansicht wird außer durch viele alte und neue Beispiele auch durch die Schriftsteller über das Staatswesen bestätigt. Sie zeigen uns, daß die Kriege anfangs mit Reitern geführt wurden, weil man das Fußvolk noch nicht zu ordnen verstand; als man es aber lernte, sah man sofort dessen große Vorzüge ein. Es soll damit nicht gesagt werden, daß die Reiterei bei den Heeren ganz überflüssig sei. Man braucht sie zur Aufklärung wie zum Furagieren und Beutemachen, zur Verfolgung des geschlagenen Feindes und zur Abwehr der feindlichen Reiterei. Aber die Grundlage und der Kern des Heeres und sein wertvollster Teil muß das Fußvolk sein.

Die größte unter allen Sünden der italienischen Fürsten, die Italien zur Sklavin der Fremden gemacht haben, war die, daß sie das Fußvolk vernachlässigten und ihre ganze Sorgfalt der Reiterei zuwandten. Dieser Mißbrauch kommt von der Selbstsucht der Condottieri und von der Unwissenheit der Staatsleiter. Seit 25 Jahren ist das Kriegswesen Italiens in die Hände von vaterlandslosen Glücksrittern gefallen. Sie waren von Anfang an darauf bedacht, sich dadurch Ansehen zu verschaffen, daß sie bewaffnet, die Fürsten aber unbewaffnet blieben. Da ihnen nun eine große Anzahl Fußtruppen nicht dauernd bezahlt werden konnte Die Condottieri waren nicht nur Feldhauptleute, sondern auch die Unternehmer des Kriegsgeschäfts, denen für ihre Condotta das Geld ausgezahlt wurde, mit dem sie ihre Söldner bezahlen mußten. und sie keine Landeskinder benutzen konnten, eine geringe Zahl ihnen aber kein Ansehen gab, so hielten sie sich Reiter, weil zwei bis dreihundert, die sich ein Condottiere bezahlen ließ, ihm Ansehen verschafften und ihr Sold nicht so hoch war, daß die Fürsten ihn nicht hätten erschwingen können. Um sich dies zu erleichtern und sich im größeren Ansehen zu erhalten, setzten sie das Fußvolk auf alle Weise herab und strichen ihre Reiter heraus. Dieser Mißbrauch nahm so überhand, daß auch in den größten Heeren das Fußvolk nur noch einen geringen Bruchteil bildete, und er machte in Verbindung mit vielen andern Übelständen das italienische Kriegswesen so schwach, daß Italien von allen Nordländern mühelos mit Füßen getreten wurde.

Noch deutlicher zeigt ein andres römisches Beispiel, wie verkehrt es ist, die Reiterei über das Fußvolk zu stellen. Als die Römer Sora belagerten, Vielmehr bei der Belagerung vom Saticula, 316 v. Chr. Vgl. Livius IX, 22. machte die feindliche Reiterei einen Ausfall und griff das römische Lager an. Der Reiteroberst warf sich ihr mit der römischen Reiterei entgegen, und der Zufall wollte, daß beim ersten Anprall beide Reiterführer fielen. Als der Kampf ohne Führer fortgesetzt wurde, saßen die Römer ab, um den Feind leichter zu überwinden, zwangen die feindliche Reiterei, zu ihrer Verteidigung ein Gleiches zu tun, und behielten den Sieg. Kein Beispiel könnte deutlicher beweisen, daß das Fußvolk der Reiterei überlegen ist. Denn in andern Schlachten ließen die Konsuln die Reiter absitzen, um dem bedrängten Fußvolk zu Hilfe zu kommen, hier aber saßen sie nicht ab, um dem Fußvolk beizustehen, noch um mit dem feindlichen Fußvolk zu kämpfen, sondern hier fochten Reiter gegen Reiter, die sich außerstande sahen, zu Pferde die Oberhand zu gewinnen, und absaßen, um leichter zu siegen. Ich ziehe daher den Schluß, daß geordnetes Fußvolk nur sehr schwer zu schlagen ist, außer durch andres Fußvolk.

Crassus und Marcus Antonius zogen mit sehr wenig Reiterei und sehr viel Fußvolk viele Tage lang durch das Reich der Parther und hatten zahllose parthische Reiterei gegen sich. Crassus fand mit einem Teil seines Heeres den Tod, 53 v. Chr., nach der Niederlage bei Carrhae, die freilich die Überlegenheit der parthischen Reiterei in einer für die Römer vernichtenden Weise dartat. Antonius aber machte einen glänzenden Rückzug. Selbst in dieser Bedrängnis der Römer sieht man, wie sehr das Fußvolk der Reiterei überlegen ist. Denn in einem weiten Lande, wo es wenig Berge und sehr wenig Flüsse gab, wo das Meer weitab lag und jede Bequemlichkeit fehlte, machte Antonius selbst nach dem Urteil der Parther einen glänzenden Rückzug, und nie wagte die ganze parthische Reiterei sein Heer anzugreifen. Fiel Crassus auch, so wird der aufmerksame Leser seiner Geschichte doch finden, daß er mehr überlistet als bezwungen wurde, und daß ihm die Parther bei aller Unordnung in seinem Heere doch nie auf den Leib zu rücken wagten. Vielmehr brachten sie ihn dadurch ins äußerste Elend, daß sie ihm stets zur Seite blieben, ihm die Zufuhr abschnitten, Versprechungen machten und sie nicht hielten.

Es würde mir, glaube ich, schwerer fallen, die Überlegenheit des Fußvolkes über die Reiterei überzeugend darzutun, wenn wir nicht durch neuere Beispiele den vollsten Beweis dafür hätten. So sah man die oben angeführten 9000 Schweizer bei Novara 10 000 Reiter und ebensoviel Fußtruppen angreifen und schlagen, denn die Reiter konnten ihnen nichts anhaben, aus den Fußtruppen aber, meist Gascognern und schlecht geordnet, machten sie sich nichts. Später sah man 26 000 Schweizer oberhalb Mailand den König Franz I. von Frankreich angreifen, Schlacht bei Marignano. S. Lebenslauf, 1515. der 20 000 Reiter, 40 000 Mann Fußvolk und 100 Geschütze hatte. Sie siegten zwar nicht wie bei Novara, fochten aber zwei Tage lang auf das tapferste, und als sie geschlagen waren, rettete sich noch die Hälfte von ihnen. Marcus Attilius Regulus getraute sich mit seinem Fußvolk nicht allein der Reiterei, sondern auch den Elefanten die Spitze zu bieten, und wenn ihm das auch nicht gelang, In der Ebene von Tunis, 255 v. Chr. war doch die Tapferkeit seines Fußvolkes so groß, daß er ihm zutraute, diese Schwierigkeit zu überwinden.

Ich wiederhole also: um geordnetes Fußvolk zu besiegen, muß man ihm noch besser geordnetes Fußvolk entgegenstellen, sonst geht man einer offenbaren Niederlage entgegen. Zur Zeit des Filippo Visconti, Filippo Maria Visconti, 1412-47 Herzog. Die Schlacht fand 1422 statt. Herzogs von Mailand, stiegen 16 000 Schweizer von ihren Bergen in die Lombardei hinab, und der Herzog schickte ihnen seinen Feldherrn Carmagnola mit 1000 Reitern und wenig Fußvolk entgegen. Carmagnola, der ihre Fechtart nicht kannte, griff sie mit seiner Reiterei an, in der Meinung, sie sofort auseinander sprengen zu können. Als er sie aber unerschüttert sah und viele Leute verloren hatte, zog er sich zurück. Als tapferer Mann jedoch, der in neuen Lagen neue Maßregeln wußte, verstärkte er sich mit frischen Truppen, ging ihnen nochmals entgegen, ließ in der Nähe des Feindes seine schwere Reiterei absitzen, stellte sich an die Spitze seines Fußvolks und griff die Schweizer an, die sich gar nicht zu helfen wußten. Denn die wohlbewaffneten Rüstmänner Carmagnolas konnten zu Fuß leicht in die Reihen der Schweizer einbrechen, ohne die geringste Wunde zu erhalten, und waren sie einmal eingebrochen, so konnten sie sie leicht niederhauen. So blieben von dem ganzen Schweizer Heer nur die wenigen übrig, denen Carmagnola aus Menschlichkeit das Leben schenkte.

Ich glaube, daß viele den großen Unterschied in der Brauchbarkeit beider Waffengattungen einsehen, aber wir leben in einer so unglücklichen Zeit, daß weder alte noch neue Beispiele, noch selbst das Eingeständnis ihres Irrtums unsre Fürsten zu der Einsicht bringen können, daß man, um den Kriegswesen eines Landes oder Staates Geltung zu verschaffen, notwendig die Einrichtungen der Alten erneuern und befolgen, ihnen Ansehen und Lebenskraft geben muß, damit sie dem Staat wieder Ansehen und Lebenskraft geben. Aber sie weichen hierin wie in allem von den Einrichtungen der Alten ab, und so schlagen ihre Eroberungen zum Nachteil, nicht zur Größe ihres Staates aus, wie unten gezeigt werden soll.


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