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Sechsunddreißigstes Kapitel

Bürger, die höhere Würden bekleidet haben, dürfen die niederen nicht verschmähen.

Wohl beeinflußt durch Plutarchs »Praecepta gerendae rei publicae« (Moralia), XV. Vgl. Aristoteles, Politik, III, 2, 10.

Unter dem Konsulat des Marcus Fabius und Gnejus Manlius gewannen die Römer eine ruhmvolle Schlacht über die Vejenter und Etrusker. 480 v. Chr. Vgl. Livius II, 46. In dieser fiel der Bruder des einen Konsuls, Quintus Fabius, der vor drei Jahren Konsul gewesen war. Man ersieht daraus, wie geeignet die Einrichtungen dieser Stadt waren, sie groß zu machen, und wie sehr andre Republiken im Irrtum sind, die von diesen Einrichtungen abweichen. Denn obwohl die Römer äußerst ruhmbegierig waren, hielten sie es doch nicht für unehrenhaft, einem Manne zu gehorchen, dem sie ein andermal befohlen hatten, und in dem Heere zu dienen, das sie selbst geführt hatten. Dieser Brauch widerspricht der Denkweise, den Einrichtungen und dem Herkommen unsrer heutigen Republiken. In Venedig besteht noch der Wahn, daß ein Bürger, der einen hohen Posten bekleidet hat, sich schämt, einen geringeren anzunehmen, und daß die Stadt ihm erlaubt, ihn abzulehnen. Mag dies für den einzelnen ehrenvoll sein, für die Gesamtheit ist es doch völlig nutzlos. Denn mehr Hoffnung und Vertrauen darf eine Republik auf einen Bürger setzen, der von einem höheren Rang zu einem geringeren herabsteigt, als von einem, der vom geringeren zum höheren aufsteigt. Auf den letzteren kann sie sich vernünftigerweise nur dann verlassen, wenn sie ihm Männer zur Seite weiß, die Ansehen oder Verdienste genug besitzen, um seine Unerfahrenheit durch ihren Rat und Einfluß zu unterstützen. Hätte in Rom derselbe Brauch geherrscht wie in Venedig und in den andern neueren Republiken und Königreichen, daß, wer Konsul gewesen war, nur noch als Konsul in den Krieg ziehen wollte, so wären daraus unzählige Nachteile für die bürgerliche Freiheit entsprungen, denn teils hätten die Neulinge Fehler gemacht, teils hätten sie ihrer Ehrsucht die Zügel schießen lassen. Ja, wenn sie keine Männer um sich gehabt hätten, unter deren Augen sie sich nicht trauten, etwas Falsches zu machen, wären sie zügellos geworden, und den Schaden hätte der Staat getragen.


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