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Neuntes Kapitel

Wer immer Glück haben will, muß sein Verfahren je nach den Zeiten ändern.

Ich habe oft gefunden, daß die Ursache des Glückes und des Unglückes der Menschen in der Anpassung ihres Betragens an die Zeitläufte liegt. Sie gehen bei ihren Handlungen teils ungestüm, teils zögernd und behutsam zu Werke. Da aber in beiden die richtige Grenze überschritten wird, weil man die rechte Mittelstraße nicht einhalten kann, so wird in beidem gefehlt. Der aber wird weniger irren und mehr Glück haben, dessen Handlungsweise zu seiner Zeit paßt. Immer aber wird der Mensch nur das tun, wozu seine Natur ihn zwingt.

Jedermann weiß, wie vorsichtig und behutsam Fabius Maximus im Gegensatz zum Ungestüm und zur Kühnheit Roms Krieg führte. Sein Glück wollte, daß sein Verfahren zu den damaligen Zeiten paßte. Denn Hannibal war jung und mit frischem Glück nach Italien gezogen und hatte zweimal das römische Volk geschlagen. Die Republik hatte fast alle ihre guten Soldaten verloren; sie war entmutigt und konnte daher kein besseres Los ziehen, als einen Feldherrn zu haben, der den Feind durch sein Zaudern und seine Behutsamkeit hinhielt. Ebenso konnte Fabius für sein Verfahren keine passendere Zeit finden, und daher kam es, daß er sich Ruhm erwarb. Daß aber Fabius seiner Natur nach, nicht aus freier Wahl so handelte, sieht man daraus, daß er sich mit aller Kraft widersetzte, als Scipio mit dem Heere nach Afrika übersetzen wollte, um den Krieg zu beenden. Er konnte sich also von seiner Denkart und Gewohnheit nicht losmachen und merkte nicht, daß die Zeiten sich geändert hatten und daß somit auch die Art der Kriegführung geändert werden mußte. Wäre es nach ihm gegangen, so stünde Hannibal noch in Italien, und wäre Fabius König von Rom gewesen, so wäre der Krieg leicht unglücklich ausgegangen, weil er sein Verfahren nicht nach Maßgabe der veränderten Zeiten zu ändern verstand. Da er aber in einer Republik geboren war, wo es verschiedene Bürger und Charaktere gab, so hatte sie für die Zeiten, wo das bloße Aushalten des Krieges das beste war, einen Fabius und später für die Zeiten, wo er siegreich beendigt werden sollte, einen Scipio.

Daher kommt es, daß eine Republik längere Lebensdauer und länger Glück hat als ein Königreich, denn sie kann sich bei der Verschiedenheit ihrer Bürger besser in die verschiedenen Zeiten schicken als ein Fürst. Wer hingegen an eine Art zu handeln gewöhnt ist, ändert sich, wie gesagt, nie und muß, wenn die veränderten Zeitläufte zu seinem Verfahren nicht mehr passen, notwendig zugrunde gehen.

Piero Soderini, S. Lebenslauf, 1502, 1512, und Buch III, Kap. 3 und 30. den wir schon mehrfach anführten, verfuhr in allem mit Sanftmut und Geduld. Er machte sein Vaterland glücklich, so lange seine Handlungsweise in die Zeit paßte. Als dann aber Zeiten kamen, wo Geduld und Sanftmut aufhören mußten, verstand er das nicht und ging mit seinem Vaterland zugrunde. Papst Julius II. verfuhr während seines ganzen Pontifikats mit Ungestüm und Heftigkeit, und da ihm die Zeiten günstig waren, glückten ihm alle seine Unternehmungen. Wären aber andre Zeiten gekommen, die eine andre Handlungsweise erforderten, so wäre sein Untergang notwendig erfolgt, denn er hätte weder seine Denkweise noch sein Benehmen geändert.

Daß wir uns aber nicht ändern können, liegt an zweierlei. Erstens vermögen wir nichts gegen unsre Natur, und zweitens läßt sich ein Mann, der bei einer Art zu handeln viel Glück gehabt hat, durch nichts überzeugen, daß es ihm auch bei anderm Verfahren gelingen könnte. So kommt es, daß das Glück eines Menschen wechselt, denn die Zeiten wechseln, er aber ändert sein Verfahren nicht. Auch Staaten gehen unter, wenn ihre Einrichtungen sich nicht mit den Zeiten ändern, wie wir oben ausführlich erörtert haben. S. Buch III, Kap. 1. Sie gehen nur langsamer zugrunde, weil ihre Veränderung mehr Mühe macht. Denn es müssen erst Zeiten kommen, die den ganzen Staat erschüttern; ein einzelner reicht zur Änderung nicht hin. Da ich aber den Fabius Maximus erwähnte, der den Hannibal hinhielt, so will ich im folgenden Kapitel erörtern, ob ein Feldherr, der dem Feinde durchaus eine Schlacht liefern will, von ihm daran gehindert werden kann.


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