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Zweiundvierzigstes Kapitel

Erzwungene Versprechungen braucht man nicht zu halten.

Als die Konsuln mit dem entwaffneten Heer schmachbedeckt nach Rom zurückkehrten, war der Konsul Spurius Posthumius der erste, der im Senat sagte, der caudinische Friede dürfe nicht gehalten werden, denn das römische Volk wäre keine Verpflichtung eingegangen, sondern er und die andern, die den Frieden versprochen hätten. Wolle sich daher das Volk von jeder Verpflichtung frei machen, so brauche es nur ihn und alle andern, die den Frieden gelobt hätten, den Samnitern auszuliefern. Auf dieser Meinung beharrte er so standhaft, daß der Senat ihn und die andern gefangen nach Samnium schickte und den Frieden für ungültig erklärte. So günstig aber war in diesem Fall dem Posthumius das Schicksal, daß die Samniter ihn nicht behielten und daß er nach seiner Rückkehr durch seine Niederlage bei den Römern in höheren Ehren stand, als Pontius durch seinen Sieg bei den Samnitern.

Hierbei sind zwei Dinge bemerkenswert. Erstens, daß man bei jeder Handlung Ruhm erwerben kann, gewöhnlich durch den Sieg, doch auch bei einer Niederlage, wenn man beweist, daß man keine Schuld daran trägt, oder wenn man gleich darauf eine Tat vollbringt, die die Schuld wiedergutmacht. Zweitens, daß es keine Schande ist, erzwungene Versprechungen nicht zu halten. Wenn sie den Staat betreffen, werden sie stets gebrochen, sobald der Zwang aufhört, ohne daß es dem, der sie bricht, zur Schande gereicht. Vgl. Cicero, De officiis, I,10. Die Weltgeschichte liefert mannigfache Beispiele dafür, und jeder Tag zeigt uns neue. Die Fürsten brechen nicht allein erzwungene Verträge, wenn der Zwang aufhört, sondern auch alle andern Versprechungen, sobald die Beweggründe aufhören. Wohl nach Herodot, I, 74. Ob das lobenswert ist oder nicht und ob sich ein Fürst so benehmen soll oder nicht, ist in unsrer Abhandlung »Vom Fürsten« Kap. 18. weitläufig behandelt worden, weshalb wir hier davon schweigen.


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