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Achtundzwanzigstes Kapitel

Wie gefährlich es für eine Republik oder für einen Fürsten ist, eine dem Staat oder einem einzelnen zugefügte Beleidigung nicht zu strafen.

Wozu der Unwille die Menschen bringen kann, sieht man deutlich aus dem, was den Römern widerfuhr, als sie die drei Fabier als Gesandte zu den Galliern schickten, die Etrurien und besonders Clusium angegriffen hatten. 391 v. Chr. Als sich nämlich das Volk von Clusium um Hilfe nach Rom gewandt hatte, schickten die Römer Gesandte zu den Galliern, die ihnen im Namen des römischen Volkes bedeuten sollten, den Krieg gegen die Etrusker aufzugeben. Aber die Gesandten waren mehr Männer der Tat als des Wortes. Als sie dort angelangt waren und es zwischen den Galliern und Etruskern zum Kampfe kam, fochten sie in den vordersten Reihen der Etrusker mit. Die Folge war, daß die Gallier sie erkannten und nun allen Unwillen, den sie gegen die Etrusker hegten, gegen die Römer kehrten. Vergrößert wurde dieser Unwille noch, als sich die Gallier beim römischen Senat über die Kränkung beschwerten und zur Sühne für den erlittenen Schaden die Auslieferung der drei Fabier verlangten. Sie wurden nämlich weder ausgeliefert, noch anderweitig bestraft, sondern vielmehr bei den nächsten Comitien zu Tribunen mit konsularischer Gewalt ernannt. Als die Gallier die Leute geehrt sahen, die Strafe verdient hatten, glaubten sie, daß dies bloß zu ihrer Schande und Kränkung geschehe, rückten, von Zorn und Grimm entbrannt, gegen Rom und eroberten es bis auf das Kapitol. Dies Unglück kam über Rom nur durch die Mißachtung der Gerechtigkeit, da es seine Gesandten, die sich contra ius gentium Livius V, 36. (gegen das Völkerrecht) vergangen hatten, auszeichnete, statt sie zu strafen. Man ersieht daraus, wie sehr jede Republik und jeder Fürst sich hüten muß, nicht nur ein ganzes Volk, sondern auch einen einzelnen nicht derart zu beleidigen. Denn ist jemand vom Staate oder von einem Privatmann schwer beleidigt worden, und erhält er keine ausreichende Genugtuung, so trachtet er, wenn er in einer Republik lebt, nach Rache, selbst wenn die Republik darüber zugrunde geht; lebt er aber in einer Monarchie und besitzt er einiges Ehrgefühl, so wird er nicht eher ruhen, bis er sich an ihm gerächt hat, sollte er auch sein eignes Verderben besiegeln. Zur Bestätigung dafür gibt es kein treffenderes und wahreres Beispiel als das des Philipp von Mazedonien, des Vaters Alexanders des Großen. Der König hatte an seinem Hof den Pausanias, einen schönen, vornehmen Jüngling, in den Attalos, einer der Ersten in Philipps Umgebung, verliebt war. Nachdem er ihn mehrmals um Gegenliebe gebeten hatte, ihn aber abgeneigt fand, beschloß er, durch List und Gewalt zu erreichen, was er auf andre Weise nicht erlangen konnte. Er veranstaltete also ein Festmahl, zu dem Pausanias und andre Vornehme erschienen, und als alle voll Speisen und Wein waren, ließ er den Pausanias ergreifen, ihn beiseite führen und befriedigte da nicht allein mit Gewalt seine Lust an ihm, sondern ließ ihn zu größerer Schmach auch noch von vielen andern mißbrauchen. Pausanias beschwerte sich bei Philipp mehrfach über diese Kränkung, aber der König hielt ihn eine Weile mit der Hoffnung auf Vergeltung hin, ohne sein Wort zu halten, vielmehr ernannte er den Attalos zum Statthalter einer griechischen Provinz. Als nun Pausanias seinen Feind nicht gezüchtigt, sondern geehrt sah, wandte sich sein ganzer Grimm nicht gegen den, der ihm den Schimpf angetan, sondern gegen Philipp, der ihm die Rache versagt hatte, und ermordete ihn an einem feierlichen Morgen, bei der Hochzeit von Philipps Tochter mit Alexander von Epirus, als der König zwischen den beiden Alexandern, dem Eidam und dem Sohne, zum Tempel schritt. 336 v. Chr. Attalos wurde noch im selben Jahre von Alexander beseitigt. Dies Beispiel hat große Ähnlichkeit mit dem der Römer. Jeder Regent möge daraus lernen, daß er nie einen Menschen so geringschätzen darf, um zu glauben, der Beleidigte werde, wenn er Beleidigungen auf Beleidigungen häuft, nicht trotz aller Gefahr und trotz seines eignen Schadens auf Rache sinnen.


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