Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreiunddreißigstes Kapitel

Ist ein Mißstand in einem Staate groß geworden oder Gefahr gegen ihn im Anzüge, so ist es heilsamer, die Zeit abzuwarten, als Gewalt zu brauchen.

Als die römische Republik an Ansehen, Macht und Herrschaft zunahm, begannen die Nachbarn, die anfangs nicht bedacht hatten, wie gefährlich ihnen die neue Republik werden könnte, ihren Irrtum, wenn auch zu spät, einzusehen. Wohl vierzig Völker 498 v. Chr. Livius II, 18, spricht von 30 Völkern. Der Konsul Titus Lartius wurde zum Diktator ernannt. verschworen sich gegen Rom, um das nachzuholen, was sie vordem versäumt hatten. Nun schritten die Römer unter anderen Maßregeln, die sie bei dringender Gefahr anzuwenden pflegten, zur Wahl eines Diktators, d. h. sie gaben einem Manne Gewalt, ohne irgendeine Beratung Beschlüsse zu fassen und sie ohne Berufung zu vollstrecken. Dies Mittel war damals nützlich und befreite sie aus drohenden Gefahren, es hat sich aber auch immer bei allen Gefahren als nützlich erwiesen, die der Republik während der Vergrößerung ihrer Herrschaft drohten.

Hierbei ist zunächst folgendes zu beachten. Ist ein Mißstand in einem Staate aus inneren oder äußeren Ursachen entstanden und wird er so groß, daß er jedermann Furcht einzuflößen beginnt, so ist es viel sicherer, die Zeit abzuwarten, als ihn mit Gewalt zu beseitigen. Denn sucht man ihn zu ersticken, so vergrößert man ihn nur und beschleunigt das Übel, das man von ihm befürchtet. In einer Republik entstehen solche Mißstände häufiger aus innern als aus äußern Ursachen, da sie oft einen Bürger mächtiger werden läßt als vernünftig ist, oder ein Gesetz, das den Lebensnerv der Freiheit bildet, mißbraucht wird und dies Übel so um sich greift, daß seine Beseitigung schädlicher wird als das Gehenlassen. Die Erkenntnis solcher Mißstände ist bei ihrem Entstehen um so schwerer, Aristoteles, Politik, VIII, 3, 2. Aristoteles rät freilich, das Übel sofort auszurotten. (Vgl. Politik, VIII, 7, und VII, 2, 10.) als es den Menschen stets natürlich erscheint, alle Dinge im Anfang zu begünstigen. Solche Begünstigungen sind besonders verhängnisvoll bei Handlungen, die an sich verdienstvoll erscheinen und von jungen Leuten ausgeführt werden. Denn erhebt sich in einer Republik ein vornehmer Jüngling mit hervorragenden Eigenschaften, so wenden die Bürger ihre Augen auf ihn und wetteifern unbedenklich darin, ihm Ehre zu erweisen. Ist also ein Funke von Ehrgeiz in ihm, so gelangt er durch das Zusammentreffen seiner natürlichen Vorzüge und dieses Umstandes bald so weit, daß den Bürgern, wenn sie ihren Fehler einsehen, wenig Mittel bleiben, ihm entgegenzutreten, ja er gelangt durch die Anwendung solcher Mittel um so schneller zur Macht. Dafür ließen sich viele Beispiele anführen, ich will aber nur eines aus unserer Stadt geben.

Cosimo de' Medici, Cosimo de' Medici, genannt Pater Patriae (1389–1464). der die Größe des Hauses Medici in unsrer Stadt begründete, kam durch die Gunst, die ihm seine Klugheit und die Unwissenheit der übrigen Bürger erwarb, zu solchem Ansehen, daß er dem Staat Furcht einzuflößen begann. Die andern Bürger hielten es für gefährlich, gegen ihn vorzugehen, und für noch gefährlicher, ihn in seiner Stellung zu belassen. Aber Niccolo da Uzzano, Einer der Häupter der Adelspartei, bekannt durch die Büste von Donatello im Bargello zu Florenz († 1432). der damals für einen äußerst erfahrenen Staatsmann galt und der schon den Fehler begangen hatte, die Gefahren zu verkennen, die aus dem Ansehen des Cosimo entstehen konnten, duldete, so lange er lebte, nicht, daß man den zweiten Fehler beging und Cosimo zu stürzen versuchte. Er meinte, daß dieser Versuch den völligen Untergang des Staates zur Folge haben werde, wie es nach seinem Tode ja auch eintraf. Denn die übrigen Bürger setzten sich über seinen Rat hinweg, verbanden sich gegen Cosimo und vertrieben ihn aus Florenz. Die Folge war, daß seine Partei, durch diese Unbill erbittert, ihn bald zurückrief Er wurde 1433 vertrieben und 1434 zurückgerufen. und ihn zum Fürsten der Republik machte, wozu er ohne offenen Widerstand nie gelangt wäre.

Ebenso erging es Rom mit Cäsar, der wegen seiner Verdienste von Pompejus und andern begünstigt wurde. Kurz darauf verwandelte sich diese Gunst in Furcht, was Cicero mit den Worten bezeugt, Pompejus habe zu spät angefangen, den Cäsar zu fürchten. Die Furcht bewirkte, daß sie auf Abhilfe sannen, und die Mittel, die sie anwandten, beschleunigten den Sturz der Republik.

Da es also schwer ist, diese Übel bei ihrem Entstehen zu erkennen, weil die Dinge im Anfang täuschen, so ist es klüger, wenn man sie erkannt hat, abzuwarten, als sie zu bekämpfen. Wartet man aber, so verschwinden sie entweder von selbst, oder sie werden doch wenigstens hinausgeschoben. Jedenfalls muß ein Fürst, der sie beseitigen oder ihrer Macht und Gewalt Einhalt tun will, ein Auge darauf haben, daß er sie nicht vergrößert, anstatt ihnen Abbruch zu tun, und daß er in dem Glauben, ein Übel auszurotten, es sich nicht auf den Hals lädt oder eine Pflanze durch Düngen erstickt. Man muß die Bösartigkeit des Geschwürs untersuchen, und fühlt man sich stark genug, es zu heilen, dies rücksichtslos tun; andernfalls muß man es lassen, wie es ist, und nicht daran rühren. Denn sonst käme es, wie oben am Beispiel der Nachbarn Roms gezeigt wurde. Für diese Die Latiner, die 496 am See Regillus geschlagen wurden. wäre es, nachdem Rom zu solcher Macht gelangt war, heilsamer gewesen, es mit friedlichen Mitteln zu versöhnen und es sich vom Leibe zu halten, als es durch Krieg auf neue Einrichtungen und Abwehrmittel zu bringen. Ihr Bündnis bewirkte nur, daß die Römer einiger und kühner wurden und auf neue Mittel sannen, wodurch sie in kürzester Frist ihre Macht ausdehnten. Hierzu gehört die Ernennung eines Diktators, eine neue Einrichtung, durch die sie nicht nur die drohende Gefahr überwanden, sondern auch unzählige Übel verhüteten, in die die Republik sonst gestürzt wäre.


 << zurück weiter >>