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Volkskunst und Kinderkunst.

Winke und Vorschläge zur künstlerischen Reform der Kinderbeschäftigung.

In der Welt wird geklagt über das Verschwinden der Volkskunst. Ist es denn wahr, daß ein menschliches Eigentum des Volkes, seine primitive Kunst, so einfach verschwinden kann? Wir können die Volkskunst, dieses verloren geglaubte Paradies jederzeit wieder finden, wenn wir nur wollen. Die Welt hat, scheint mir, noch gar nicht bemerkt, daß die betrauerte Volkskunst täglich aufs neue hervorblüht in der Kinderkunst. Hier entwickelt sich alles aus den gleichen Keimen und zu verwandten Ergebnissen. Erst die Schule und die alles gleichmachenden Methoden setzen den verheißungsvollen Anfängen ein Ende. Bevor das Kind in die Schule kommt, ist es gebildeter, als wenn es nach acht Jahren die Schule verläßt. Bevor es in die Schule kommt, hat es die ersten Ansätze seiner natürlichen Bildung und seines Talentes bereits entwickelt. Es hat die Sprache, die Bildlichkeit und oft überraschende Plastik des Ausdruckes, es kann sich zeichnerisch ausdrücken, besitzt eine Menge Handfertigkeiten, die sein natürlicher Gestaltungstrieb, man nennt ihn Spieltrieb, ausgebildet hat. Es übt den Tanz in der uralten Form des Reigens mit Gesang, und es kennt die taufrische Poesie der Kinderreime, die sich von Kindergeschlecht zu Kindergeschlecht überliefern, wie der Tanz in der Form des Reigens mit dem Reigenlied. Es bereitet sich schon instinktiv auf die spezifischen Aufgaben der beiden Geschlechter vor: die Knaben sammeln Käfer, Schmetterlinge, bunte Steine, sie bauen, malen, verfertigen Papierhelme und führen zuweilen Krieg; die Mädchen neigen zu den Beschäftigungen häuslicher Art, sie pflegen die Puppe, kochen gerne mit kleinen Geschirren im Sand und führen eine glückliche Hauswirtschaft im Winkel.

Die Schule bringt alle diese Entwicklungskeime zum plötzlichen Stillstand. Sie beginnt ganz neu, ganz fremd, anstatt fortzusetzen, was das Kind bereits im Keim mitbringt und in den ersten Ansätzen entwickelt hat. In den ersten Jahren sollte sie überhaupt nichts neues vornehmen, sondern spielen, mit der unmerklichen Absicht zu lehren, zu vertiefen und die gegebenen Ansätze zu kräftigen. Das Spiel ist für das Kind Arbeit, fruchtbare Arbeit. Es arbeitet immer im Material, so lasse man es in allen möglichen Materialien arbeiten. Das geschieht zwar zum Teil schon in dem sogenannten Handfertigkeitsunterricht, aber es geschieht auf eine derart systematische und unfruchtbare Weise, daß es nötig erscheint, einmal in Verbindung mit praktischen Vorschlägen auch auf diesem Gebiet das Recht der künstlerischen Freiheit zu reklamieren. Dem vielfach zu beobachtenden schablonenmäßigen System des Handfertigkeitsunterrichtes gegenüber, ist der Grundsatz festzuhalten, daß die Kinder stets das Bewußtsein behalten müssen, nur für sich zu arbeiten und Dinge herzustellen, die sie nur für ihr eigenes Kinderleben praktisch gebrauchen können. Wie in der äußerlich primitiven Volkskunst die besten Schöpfungen Werke der Liebe und der Verehrung waren, die auf keine Bestellung und auf keinen Zwang hin entstanden sind, so arbeitet auch das Kind, wenn man ihm die nur von fernher sanft geleitete Freiheit läßt, nach einem gleichen Trieb, sein Leben nach Gutdünken auszugestalten, oder es arbeitet auf jener natürlichen religiösen Grundlage der Liebe und Verehrung und liefert in den Gaben sein Bestes.

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Geschmackvolle Ladeneinrichtung (Arch. Geßner, Wien).

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Geschmackvolle Ladeneinrichtung für einen Konsumverein. (Architekt Geßner, Wien.)

Ich erinnere mich, daß wir in unserer Bubenzeit zu den geweihten Tagen, wo wir einen Glückwunsch zu bringen hatten, das Glückwunschpapier nach unserer eigenen Empfindung mit lustigen Farben bemalten. Ein solches Blatt, aus den natürlichen Regungen und dem Gestaltungssinn entstanden, konnte ruhig neben ähnlichen kindlichen Malereien der Bauernkunst bestehen. Es sah diesen zum Verwechseln ähnlich, obzwar es keine Nachbildung, sondern eine eigene schöpferische Tat war, allerdings denselben Antrieben und Empfindungen entsprungen, wie die ähnlich gearteten bäuerlichen Erzeugnisse. Wenn ich an die rotflammenden Herzen denke, emsig in die Papierecken hingemalt und von zierlichem Blattgerank mit bunten Blumensternen umwunden, dann überkommt mich eine tiefe Trauer über die Unfruchtbarkeit der heutigen Erziehung, die sich bei solchen Anlässen nicht mehr künstlerisch zu helfen weiß, sondern ihre Wunschpapiere mit fertiggedruckten läppischen Verzierungen aus dem Laden bezieht.

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Geschmackvolle Ladeneinrichtung für einen Konsumverein (Architekt Geßner, Wien). Daß jedes Ding an seinem Platz ist, übersichtlich und leicht erreichbar, war das Anliegen. Also mußte vieles bedacht werden; die Schablone tut es hier nicht, wie überhaupt nirgends. Geschmack im Alltag – er ist die Anwendung dieses Grundsatzes.

Wenn einmal Buben und Mädchen aus eigenem Trieb so weit gekommen sind, mit der Farbe umzugehen, was ja immer der Fall ist, dann soll die Klexerei seelisch und künstlerisch vertieft werden, wie es auf dem angedeuteten Wege sehr leicht möglich ist. Dabei soll jeder pedantische Eingriff, jede Schulmeisterei, jedes Vorzeichnen und Vormachen von einer älteren Hand vermieden und alles auf den Erfindungsgeist, den Farbensinn und auf die individuellen Eigenschaften des Kindes gestellt werden. Mit Hilfe von ein paar Farben und eines Pinsels, die sich fast immer im Kinderbesitz vorfinden, erschließen sich zahlreiche Schaffensmöglichkeiten, die gar sinnvoll sind und dem kindlichen Geist durchaus angemessen. Da wird der Jahreslauf eine bunte Bilderreihe vor der kindlichen Phantasie erschaffen als Spiegelbild der kleinen Herzen und ihrer wunderlichen Vorgänge. Was hindert uns, im Kinderkreis selbstgemalte Ostergrußkarten zu verfertigen? Dann kommen die verschiedenen Geburtstage, für die die Wunschbogen erdacht und gemalt werden müssen, die Neujahrs- und Weihnachtskarten, und eine Unmenge anderer Gelegenheiten, bei denen die kindliche Kraft spielend und erschaffend verfährt. Warum sollen in den ersten Schuljahren nicht auch die Lesezeichen und Buchzeichen von den Kindern selbst erfunden und selbst gemalt werden? Warum sollen die Mädchen ihre Stickereimuster nicht selbst schaffend mit Farbe und Pinsel ermitteln? Es zwingt uns nichts, bei der Pinseltechnik stehen zu bleiben. Zuweilen finden wir da und dort ein vergilbtes Blättchen überliefert, auf dem Verzierungen und ein paar innige Wunschworte mit Blumen- und Blätterranken im Wege der Durchlochung mit einer Nadelspitze eingestochen und solcherart Punkt an Punkt gelegt worden war, bis sich die Zeichnung vollendete. Es liegt sehr viel Lieblichkeit in solchen Blättchen, die oftmals mit einem steifen Goldpapierrand umklebt sind. Auch in der Erfindung von Techniken soll Freiheit herrschen und nach Maßgabe des Talentes neue Wege betreten werden. Wir wissen, daß vor hundert Jahren der Papiersilhouettenschnitt sich der Liebe der Künstler und der Kenner erfreute, und daß wir noch in unserer Bubenzeit mit Buntpapier und Schere hantierten und Schnitte in zusammengefaltete Streifen machten, die, auseinandergelegt, seltsame Muster zeigten. Man kann einen bedeutenden Schritt weitergehen und in allen erwähnten Fällen statt Farbe und Pinsel Buntpapier ausschneiden und die farbigen Ausschnitte wie Blätter, Blumen, Tiere und ähnliches auf ein Blatt aufkleben, anstatt sie hinzumalen. Es stellt sich bei dieser Schnitt- und Klebetechnik sofort heraus, daß die freihändig ausgeschnittenen Ideen in einer gewissen Ordnung aufgeklebt werden müssen, und es zeigt sich bei dieser Arbeit alsbald, wie groß der dekorative Instinkt in den jungen Seelen ist. Es ist auf diesem Wege ganz gut möglich, alle Grußkarten, Lesezeichen, Wunschpapiere usw. in dieser Buntpapiertechnik herzustellen. Freilich werden in einigen sehr vorgeschrittenen Schulen Buntpapiere verwendet, um, wie es heißt, »den Farbensinn zu erwecken«. Dabei werden bereits geschnitten gelieferte Kreise und Vierecke verwendet, um nach einer, von dem Lehrer auf der Tafel vorgezeichneten Ordnung gruppiert zu werden. Diese ganz mechanisch angefertigten Übungen sind für nichts da, als eben zur Übung. Wie kläglich, wie kümmerlich, wie schulmeisterlich ist doch ein solcher Vorgang! Weg mit den fertig ausgeschnittenen und gelieferten Formen, weg mit diesen mechanischen Übungen »zur Entwicklung des Farbensinnes«, weg mit diesem öden System, das die ganze Arbeit nur langweilig, ermüdend und zwecklos macht! Selbst sollen die Kinder mit der Schere hantieren, selbst sollen sie erfinden und ausschneiden, was ihrer Eingebung entspringt, selbst sollen sie sich Aufgaben stellen und für ihre eigenen Zwecke und Bedürfnisse arbeiten. Die Aufgabe der Pädagogen, der Eltern und Lehrer besteht nur darin, sie auf diesen Weg zu bringen, ohne daß es die Kleinen fühlen oder als Zwang empfinden. Was sich entfalten soll, muß sich frei und aus eigener Kraft entfalten, und das wird sicher geschehen, wenn die Freude, die Liebe und Begeisterung für ein solches zweckmäßiges Schaffen wachgehalten bleibt. Warum sollen die Kleinen nicht auf die eine oder andere technische Art ihre Bilderbücher selbst anfertigen, teils in Pinseltechnik, teils in Nadelstichtechnik, teils in Buntpapiertechnik? Wenn wir nun einmal so weit sind, ist es nun ein Kleines, die Kinder durch fachkundige Anleitung auch zu Buchbindern zu machen, daß sie in der Lage sind, ihre Hefte und ihre Bücher in der einfachen, elementaren Technik selbst zu binden. Dadurch ist gleich wieder ein großes Feld neuer Betätigung eröffnet, indem an die Kinder, die nun einmal darauf aufmerksam gemacht worden sind, die Aufgabe herantritt, die Buchdeckel selbst zu schmücken, den Vorsatz buntfarbig zu gestalten, selbstgefertigte und geschmückte Schildchen aufzukleben, die Rücken zu verzieren und ähnliches mehr. Mit der Buchbinderei Hand in Hand gehen eine große Zahl von sehr amüsanten und praktischen Papparbeiten, die Herstellung von Schachteln, kleinen Kassetten und sonstigen Behältern zur Aufbewahrung von allerlei Siebensachen. Natürlich ist hier, wie überall, unerläßliche Voraussetzung, daß das Kind für seine eigenen Bedürfnisse oder für seine persönlichen Geschenkabsichten arbeitet, weil es nur dann mit Herz und Sinn bei der Sache ist. Bei diesen Papparbeiten, die es nach eigener Wahl und nach eigenem Gutdünken formt, ist wieder die Anwendung allerlei früher besprochener Schmucktechniken ermöglicht, indem diese Gegenstände entweder mit bunter Bemalung oder mit bunter Beklebung unter Zugrundelegung selbsterfundener dekorativer Muster versehen werden. Wir haben in unserer eigenen, wildromantischen Knabenzeit, die von Indianerkriegen und Ritterabenteuern erfüllt war, Helme, Schilde und den gelegentlichen Tomahawk aus starker Pappe selbst gefertigt und mit Gold- und Silberpapier überzogen, aber da wir der zielbewußten unauffälligen Anleitung entbehrten, kamen unsere Fertigkeiten nicht den Friedenskünsten zugute. In den ersten Schuljahren wird allerdings im Geometrieunterricht an die Jungen die Erwartung gestellt, daß sie sich die geometrischen Körper aus Karton selbst fabrizieren. Diese Tätigkeit hat aber immer etwas Abstraktes und bleibt für das eigene jugendliche Leben, das ringsum praktische Aufgaben zu stellen hat, unfruchtbar. Das wertvollste der künstlerischen Pflege der Kinderarbeit besteht ja gerade darin, daß sie das eigene Leben befragt und daher die besten Kräfte und Anregungen schöpft. Sollte es nicht möglich sein, das Kindesalter mit allen wichtigen handwerklichen Techniken vertraut zu machen und somit einen Grundstein für ein künftiges Arbeits-, Material- und Handwerksverständnis zu legen? Lebt doch ein instinktiver Drang in allen Jungen, sich praktisch zu versuchen und in irgend einem Material zu gestalten, so daß es wirklich nur einiger äußerlicher Mittel und einer leichten, möglichst zwanglosen, fachkundigen Führung bedarf, um diesen elementaren und höchst wertvollen Bildungsdrang der Kinder für das praktische Leben fruchtbar zu machen. Ich halte es für dringend notwendig, an den Anfang der Schule im fünften, sechsten Lebensjahr, Lehrwerkstätten zu setzen und den theoretischen Unterricht um einige Jahre hinauszuschieben. In diesen Kinderlehrwerkstätten muß die Jugend der Herr und der Fachlehrer der gehorchende Diener sein, so daß nicht Zwang und lastende Sorge, sondern Freiheit und natürliche Arbeitsfreude herrscht. Arbeit und Spiel sollen hier noch dieselbe primitive Einheit sein, wie bei den sogenannten Wilden, deren Arbeitsleben in einem ähnlichen Rhythmus verläuft. Wenn die Jungen Holz bearbeiten lernen, dann darf es nicht Laubsägerei an sich sein, sondern dann sollen sie die eigene Bank, das eigene Büchergestell und sonstige Gerätschaften bauen, die sie selbst praktisch verwenden. Mit dieser Arbeit kann die Holzschnitzerei oder die Kerbholztechnik verbunden werden, doch sollen diese Schnitztechniken nicht wieder als Ding an sich, sondern im geistigen Zusammenhang mit dem zu schmückenden Gerät behandelt werden. Dadurch entwickelt sich spielend der Sinn für das Wesen der Schnitzerei und vielleicht auch als besondere, unerwartete Gabe ein neuer künstlerischer Geist, der durch die Spezialisierung der Holzschnitzkunst verloren gegangen ist.

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Schöner moderner Geschäftsladen. Keine übermäßigen Spiegelscheiben, kein »stilgerechter« Portalvorbau, sondern zweckmäßige, schlicht-vornehme architektonische Lösung.

Die früher besprochenen Techniken können mit der Holzbearbeitung wieder in Verbindung treten, wie es in der bäuerlichen Volkskunst der Fall war, indem die Holzgeräte mit bunter und origineller Bemalung geschmückt werden. Diese praktischen Arbeiten in Material für die Zwecke und Bedürfnisse des eigenen kindlichen Lebens, halte ich für wichtiger, als das methodische Zeichnen und Modellieren. Bei dem methodischen Zeichnen und Modellieren läuft die Absicht des Lehrers allzuleicht auf Ziele hinaus, die nicht in der Natur und in der Kraft des Kindes liegen und daher die meist unvermeidliche Gefahr mit sich bringen, daß an Stelle des persönlichen Ausdrucksvermögens ein nachplapperndes jugendliches Virtuosentum tritt. Bei dem Arbeiten in Material jedoch stellt sich ein angemessenes zeichnerisches Vermögen ungerufen ein, was ein Gewinn für spätere Zeiten ist. Es sollte daher auch das Modellieren in Ton zu rein plastischen künstlerischen Zwecken nur so weit vorgenommen werden, als sich ein unwillkürlicher Drang ausdrückt, und es soll nichts verlangt werden, was sich nicht selbst aus der kindlichen Fähigkeit ohne Quälerei ergibt. Deshalb soll auch das Modellieren in Ton in den Dienst sachlicher Aufgaben gestellt werden, die dem Kinde möglichst wenig abstrakte Forderungen auferlegen. Solche sachliche Aufgaben sind auch für das Formen in Ton nach den persönlichen Bedürfnissen der jungen Welt zu stellen. Es ist ganz gut zu denken, daß die Kinder ihre Vasen und Blumentöpfe selbst formen, daß die Tonformen alsdann leicht gebrannt und von den Kinderhänden nach eigener Phantasie farbig dekoriert und zum nochmaligen Einbrennen wieder in den Ofen geschickt werden. Zu gleichen Zwecken können Treibarbeiten in einem weichen Metall durchgeführt und für Gefäßformen oder Kassetten, die wieder im kindlichen Gesichtskreis liegen, verwendet werden. In der Tat bietet diese Metallbearbeitung, die viel dekorative Möglichkeit zuläßt, wenig Schwierigkeiten und einen großen Spielraum für Anwendungsarten und Erfindungen aller Art, wenn man bedenkt, daß da und dort an Holzgeräten, wie Bänken und Tischen, gehämmerter Messingbeschlag, an den Laden dekorative Schlüsselplatten, da und dort eine nach eigenen Einfällen leicht getriebene Metalleinfassung, oder in der Knaben- und Mädchenstube ein metallener Bild- oder Spiegelrahmen möglich ist. Weil wir bei den Rahmen stehen: Sollen die Jungen nicht auch ihren Wandschmuck herstellen können? Gibt doch dafür die behandelte Buntpapiertechnik ein geradezu ausgezeichnetes Mittel, und sind doch die von den Kindern aus der Erinnerung gemalten Landschaften oder sonstigen Vorgänge zuweilen von einem feinen primitiven Reiz, der entfernt an japanische Malereien erinnert. Schließlich sind die leichteren Techniken, wie Metallarbeiten ganz gut dazu geeignet, kindliche Schmuckformen herzustellen, die an einer Kette um den Hals getragen werden. Die Sache sieht schwierig aus, aber wenn fachkundige Führung und die entsprechenden Lehrmittel vorhanden sind, dann wird man über die Kühnheit und die Originalität der kindlichen Phantasie und ihres Schaffenstriebes staunen müssen. Solange diese kostspieligeren Werkstätten mit ihrem etwas weitläufigen Betrieb nicht vorhanden sind, kann man sich ganz gut mit leicht erreichbaren einfachen Materialien begnügen, wie z. B. mit Leder, um mit Hilfe einiger einfacher Werkzeuge kindliche und praktische Lederarbeiten auszuführen. Für solche Lederarbeiten bedarf es einiger Werkzeuge, die fast in jedem Haushalt zu finden sind, wie ein scharfes Messer, ein Falzbein, ein Zirkel, ein Punzierungsrad und eine Ahle. Kinderhausschuhe in Form der Moccasins, Schreibmappen, Ledergürtel, Ledertäschchen und Lederbeutel mit Fransen- und Flechtverzierung können von den Kindern für den eigenen Bedarf trefflich hergestellt werden. Um die Aufgabe künstlerisch zu vertiefen, stellt sich auch hier die Möglichkeit ein, durch farbige Lederapplikationen, durch Lederschnitt, durch farbige Lederflechterei, durch farbige Seiden- oder Perlstickerei auf Leder, durch Messingknopfverzierung auf Leder, dekorativ gestaltend zu wirken. Von hier aus ergibt sich ein Ausblick auf die mehr weiblichen Beschäftigungen der Kinder, wenngleich im großen und ganzen daran festzuhalten ist, daß die beiden Geschlechter an gleichen Aufgaben beschäftigt sind. Aber an gewissen Punkten wird je nach Anlage und Neigung eine Trennung eintreten, insofern als die bei den Lederarbeiten auftretenden Nadeltechniken, sowie überhaupt die Stickereien mehr den weiblichen Ehrgeiz befriedigen dürften. Es ist gar nicht schwierig, die weiblichen Kinderarbeiten anstatt nach Verlangen vielmehr nach Maßgabe der natürlichen Materialeigenschaften zu leiten und die Schnur-, Band- und Kreuzstichtechniken halb im Spiel und halb im Ernst mit den Kindern zu ermitteln und der tätigen Phantasie dienstbar zu machen. Für diese Tätigkeiten stellt schon die Puppe, die gekleidet und geschmückt werden soll, Aufgaben und entwickelt eine früherworbene Kunstfertigkeit, die später auf höherer Stufe dem eigenen Persönchen und seiner Tracht nützlich werden können. Selbst das Kochen, für das ja die kleinen Mädchen in dem Spielen mit Geschirren und Formen eine instinktive Neigung zeigen, kann auf dieser Stufe, wo sich die Kräfte regen, mit richtigem Material gefördert und dadurch können halb unbewußt und spielend Fähigkeiten entwickelt werden, die auch in der Schule nicht in dem Maße vernachlässigt werden sollten, wie es tatsächlich geschieht. Ich denke dabei an Schulküchen, die von den Schulmädchen betrieben werden und einen wahren Segen bilden würden, nicht nur für die Mädchen als die künftigen Hausfrauen, sondern auch für die Ausspeisung der armen Schuljugend, ja der Schuljugend überhaupt, die, wenn man diesen Gedanken fortspinnen und zu einem Zukunftsbild entwickeln dürfte, ihr ganzes Jugendleben in einem solchen republikanischen Schulkreise mit großer Freude und großem Vorteil verbringen würde. Um dieses Zukunftsbild abzuschließen, möchte ich noch eine Spanne weiter denken und hervorheben, daß die kommende allgemeine Bildung nicht auf theoretischer, sondern auf handwerklicher Grundlage beruhen wird. In vorgeschrittenen Ländern gewinnt die Schule gerade in den Anfangsstufen mehr und mehr die Form von Lehrwerkstätten, wo die Kinder herrschen und jedes beliebige Handwerk zu irgend einem naheliegenden Zweck, sowie als Grundlage des höheren Wissens betreiben können. Fachkundiges, williges und pädagogisch begabtes, – nicht schulmeisterliches – Lehrpersonal ist unerläßliche Voraussetzung, ein Lehrpersonal, das alle leisen Regungen und Wünsche der Jugend erfaßt, das Innerste in Spannung hält und alle Unterweisungen in freundschaftlicher Art, gleichsam als Spielgefährte gibt. Das in den gewerblichen Grundlagen erworbene Können ist mit einer Fülle von Kenntnissen, schier mühelos erworben, verbunden, die nie vergessen werden können und eine verläßliche Grundlage des künftigen Lebens bilden, während die allzu theoretischen Kenntnisse der heutigen abstrakten Schulzeit, zum großen Teil für das Leben wertlos, gebührlich vergessen werden. Wir sehen skandinavische und amerikanische Schulen auf dem besten Wege nach diesem Bildungsziel, das die natürlichen Anlagen des Kindes fortsetzt und für die Aufgaben des Lebens kräftigt. Bei uns zulande fehlt für diese Schulreform die notwendige private Initiative; nichtsdestoweniger können im Einzelnen in Schule und Haus aus diesen in flüchtigem Umriß skizzierten Aufgaben Anregungen zur selbständigen Weiterbildung geschöpft werden. Jeder einzelne oder teilweise Schritt, der zu diesem Zweck unternommen wird, dient der Befreiung von fruchtbaren Kräften und Anlagen, die im Menschentum unerschöpflich sind und zu den Hoffnungen eines veredelten Daseins berechtigen, die in schöner, gediegener Arbeit und in der Betätigung vornehmer Gesinnungen zum Ausdruck kommen. Die vergangene Volkskunst, die uns als ein solcher Ausdruck erscheint, können wir jederzeit wieder haben, wenn wir nicht die keimenden Triebe immer wieder ersticken. Kinderkunst, das ist die reinste Volkskunst.


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