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Das Geschenk.

Schenke, was du selbst zu besitzen wünschest! Das sollte die goldene Regel für das Geschenkwesen sein. Aber die gewöhnliche Geschenkpraxis verfolgt das entgegengesetzte Ziel. Sie ruft eine gewisse Gattung von Artikeln ins Leben, die mit einem verlockenden Namen Geschenksartikel, oder, was noch verführerischer klingt, Galanterieartikel und schließlich, um einen holden Wahn zu stärken, Luxusartikel genannt werden. Und, ich bin überzeugt, viele würden die Zumutung, ein solches Ding für den eigenen Bedarf zu kaufen, entrüstet zurückweisen. Aber als Geschenk für irgend jemand, dem man die lästige Pflicht schuldig zu sein glaubt, sind sie gut genug. Was hält man da nicht alles für gut genug! Im Geschenk, das immer nur ein Symbol der Liebe oder Freundschaft und der Ausdruck eines sorgfältigen Studiums der Wünsche und Bedürfnisse des beschenkten Teiles sein soll, prägt sich oft leider nur allzustark die Flüchtigkeit und Lieblosigkeit des Schenkenden aus, der nichts will, als sich von einer vermeintlichen Pflicht zu entlasten. Der bloße Pflichtbegriff ist auch hier giftiger Mehltau. Von dieser Lieblosigkeit leben ja alle Bazare für Geschenkartikel. Stehen die Weihnachten vor der Türe oder sonst eine Geschenkzeit, dann erinnert sich manch einer, daß er da und dort noch ein Geschenk machen muß. Nun flugs in den Bazar, rasch gewählt, was einem da gerade in den Wurf kommt, und woran weder der Beschenkte noch der Schenkende je im Leben gedacht haben; und in einer halben Stunde sind ein Dutzend Gegenstände gewählt und dem verdutzten Empfänger überreicht, der gute Miene zum bösen Spiel machen und mit süßsaurer Miene die freudigste Überraschung heucheln muß.

siehe Bildunterschrift

Was die Schundindustrie anzubieten wagt:
»Doppelschreibzeug, großartige Ausführung, in Kunsteisenguß«.

siehe Bildunterschrift

»Doppelschreibzeug, allerneuestes Muster aus gutem Nickel, mit passender Pressung, feinfarbige, rote Gläser mit Charnierdeckeln und Patent-Bajonettverschluß.«

Anpreisungen, die über den Unwert der Sache täuschen sollen.

Natürlich läßt er sich es nicht nehmen, sich zu revanchieren. Und wie sie sich revanchieren! Der Bazar macht das ganz bequem. »Luxusartikel« ist der zuckersüße Name, der all den unnützen Plunder rechtfertigen soll. Dieser Luxus häuft sich dann in den Wohnungen anspruchsvoll auf, bildet jene verlogene Eleganz, die so verstimmend wirkt, weil die beständige Gefahr, daran zu stoßen und ein Unglück anzurichten, das Benehmen unfrei und linkisch macht. Man kann sich in manchen Räumen nicht umwenden, ohne Gefahr zu laufen, von einer nahen Konsole das Gelump des unnützen Kleinkrams, den wir aus den Schaufenstern der Bazare kennen, die niedlichen Schweinchen, Figürchen, Tellerchen aus Glas und Porzellan, die für wenig Geld viel Geschrei machen, herabzuwerfen.

siehe Bildunterschrift

Tintenfässer, Glas, Briefbeschwerer. Schlichtes und geschmackvolles Erzeugnis im Gegensatz zum vorigen.

Wie der wahre und echte Luxus immer von der Notwendigkeit und dem Bedürfnis ausgeht, und nichts im Hause duldet, was nicht den prüfenden Blicken standhalten könnte, so sollte auch der Schenkende immer von der Qualität ausgehen, was voraussetzt, daß man sich mit dem zu Beschenkenden geistig beschäftigt. Dann wird das Geschenk seine angeborene Bedeutsamkeit als Symbol einer aufmerksamen Sorge wiedergewonnen haben. Man wird nicht immer von dem schlechthin Notwendigen ausgehen müssen, denn das Notwendige sorgt für sich selbst, abgesehen davon, daß man dadurch leicht einen Taktfehler begehen kann. Man wird aber immer von dem strengsten Begriff des Schönen ausgehen müssen, wodurch es sich erklärt, daß man so gerne Blumen schenkt, die zu dem Schönsten gehören und zugleich persönlich zu nichts verpflichten. Man wird auch nicht immer Bücher schenken müssen, obwohl ein Buch unzweifelhaft zu den besten Geschenken gehört und es ganz besonders zur Pflicht macht, daß man sich mit den geistigen Bedürfnissen einer Person vertraut gemacht hat. Man wird am häufigsten in die Lage kommen, Kunstgegenstände zu schenken, das heißt Gegenstände der angewandten Kunst, als kunstgewerbliche Dinge, die immer nur einem Zwecke, einem ganz bestimmten Bedürfnisse dienen wollen, und das in einer Form tun, die zur Kunst in irgend einer Beziehung steht. Man ist heute nicht mehr in Verlegenheit, wenn es sich darum handelt, ein solches Geschenk zu machen. Es wird jetzt soviel an wirklich guten Kunstartikeln, die eben so gute Gebrauchsartikel sind, produziert, daß es gar nicht schwer ist, das Rechte zu treffen. Große Firmen, welche junge Künstler und Künstlerinnen an sich ziehen, und mit solcher Hilfe gediegene und geschmackvolle Waren in den Handel bringen, ferner die kunstgewerblichen Ausstellungen, die Künstlervereinigungen und manche vereinzelte Kunsthandwerker, die bei großer künstlerischer Strenge oft schwer um den Bestand ringen, haben für alle Wünsche und für alle Börsen ihr Füllhorn offen. Die Mannigfaltigkeit der Gebrauchsdinge, die in Holz, Glas, Leder, Metall, Stein, Geweben, zu allen erdenklichen Zwecken entworfen und ausgeführt werden, ist nicht zu erschöpfen. Dabei ist zu bedenken, daß die heutigen jungen Künstler und Künstlerinnen an den Schulen und Vereinigungen nicht bloß entwerfen, sondern zumeist auch selbst in Material ausführen, und daß jeder solcher Gegenstand die Bedeutung eines Originals besitzt, die ihn weit über den Wert bloßer Massenartikel hinaushebt. Die meisten Geschenke bewegen sich in Preisgrenzen von 10 bis 100 Mark und es fällt gar nicht schwer, innerhalb dieser Begrenzung das Gediegenste und Beste aus den genannten Quellen zu bekommen. Lieber begnüge man sich mit einem einfachen Gegenstand, der jede Kritik ruhig aushalten kann, und überall, wo er steht, eine Freude für das Auge und eine Ehre für den Schenker und für den Beschenkten bedeutet, als daß man irgend einen marktschreierischen Plunder, der niemandem zur Freude ist, erwirbt. Denn alles Überflüssige und Schlechte ist immer noch zu teuer, sei es auch noch so billig. Und wenn jemand nun gar ein reines Kunstwerk kaufen will, irgend eine edle Plastik oder ein Bild, um wieviel leichter hat der's! Abgesehen von den Werken der Reproduktionskunst, von den Holzschnitten, Lithographien, Radierungen und Meisterbildern, die zum Teil auch als Originalkunst gelten können, geben die Skizzensammlungen und Entwürfe der Künstler eine reiche Auswahl von erlesenen Dingen. Man wende sich nicht immer nur an den Händler, sondern suche auch die Künstler in ihren Ateliers auf. Nur so wird man das rechte finden und die Genugtuung davontragen, mit dem Geschenk mehr als einem eine Freude gemacht zu haben. Die eigene Befriedigung, die Freude des Empfängers, das Vergnügen des Künstlers, das ist viel gutes auf einmal.

siehe Bildunterschrift

»Neu! Schreibzeug mit Amorette. Doppelschreibzeug versilbert oder vergoldet.«

siehe Bildunterschrift

»Schreibzeug, in Form eines Totenkopfes, aus Zinnguß, Silberfaden, viel gekaufter Artikel.«

So sagt die Anpreisung. Dagegen ist zu sagen, daß alle Schunderzeugnisse verachtungswürdig sind, wie alle Dinge, die nach mehr aussehen, als sie sind, namentlich in so plumper Art. Käuferregel: Hands off!


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