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»Dekoration« und kein Ende.

siehe Bildunterschrift

Ein modernisierter »Dekorationsdiwan« mit »Dekorations«-Säulchen – um kein Haar besser, als der berüchtigte alte Dekorationsdiwan aus den siebziger und achtziger Jahren.

Der Begriff »Dekorationsdiwan« besagt so ziemlich alles. Ihm schließt sich eine lange Reihe von Objekten würdig an, deren wesentliche Bestimmung darin liegt, zu »dekorieren«. Wir finden Dekorationsteller, die niemals Speise fassen können, Dekorationsvasen und ebensolche Krüge, die weder Blumen, noch Wasser oder Wein aufzunehmen geeignet sind, »Dekorationssäulen« an den Schranktüren, die nichts tragen, sondern nur angeklebt sind und mit den Türen auf- und zugehen, Zigarrenabschneider, die mit dem Kopf Bismarcks oder Moltkes »dekoriert« sind, Biergläser mit aufgemalten blauen Zwetschken, andere Gläser oder Krüge, die den Leib eines Pfäffleins oder eines Gnomen vorstellen, Glasmalereien, die keine sind, sondern klägliche Imitationen, an die Fensterscheiben zu hängen, um das ohnehin spärliche Tageslicht aus unseren Großstadtwohnungen gänzlich zu bannen, Blumen und Pflanzen, den lebenden, echten, getreulich nachgebildet, künstliche Palmen mit verzweifelt ausgestreckten starren Blätterfingern, Blattwerk und Girlanden an allen Formen und Gefäßen, und in harmonischem Wetteifer mit all diesem Unrat schlechte Bilder, japanische Schirme, Fächer usw., mit denen die Wände »geschmückt« sind.

siehe Bildunterschrift

Ein erquickendes Beispiel im Vergleich zum vorigen. Alte Möbel aus der Biedermeierzeit, als Beweis wieviel Schönheit an der schmucklosen Einfachheit sein kann, wenn sie sich in guten Maßverhältnissen und in guter Arbeit gibt.

Der kategorische Imperativ »Schmücke dein Heim« ist der Urheber dieses erborgten fälschlichen Luxus, aber wir finden es auf den Straßen nicht besser. Gerade hält der Postwagen vor dem Hause, der Blick fällt auf das kleine Jalousienfenster, das unbegreiflicherweise an dem Wagen angebracht ist. Aber es ist gar kein wirkliches Fenster, es ist nur – aufgemalt. Wozu? Darauf gibt es ebensowenig eine befriedigende Antwort wie auf die Frage, welchen Sinn die winzigen Balkons und Erker an den Häusern haben, die so klein sind, daß sie keines Menschen Fuß betreten kann. Sie dienen augenscheinlich bloß als »Dekoration«, wie jene lächerlichen, maulaufreißenden Masken, mit denen die Hausfassaden bis ins oberste Stockwerk »verziert« sind. Wie das Innere und Äußere der Läden ist, so sind natürlich auch die neuen Straßen und Plätze, die Parkanlagen und Monumente haben, die nichts weiter vorstellen, als sogenannte »Dekorationen«.

Die Vorgeschrittenen wehren sich und erklären: Bitte, der Dekorationsdiwan ist überwunden, wir haben ein englisches Zimmer! Das englische Zimmer hat einen mächtigen Kamin, von einem riesigen Feuermantel überwölbt, darunter ein offenes Kohlenfeuer, oder nicht? Ach nein, es ist Gasheizung, auf künstliche Weise Kohlenheizung vortäuschend, und statt des Dekorationsdiwans findet sich ein sogenannter Zierschrank vor, mit getriebenen Kupferbändern, die aber nichts zu halten haben, sondern an den Türen, die in Scharnieren laufen, angenagelt sind.

Wozu der Feuermantel, wozu das künstliche Kohlenfeuer, wozu der Zierschrank, wozu die angenagelten Kupferbänder? – Darauf hört man die stehende Antwort: Weil's halt so schön ist – wissen Sie – der Dekoration wegen!

Man sieht, diese Modernisierung gibt dem Dekorationsdiwan und dem ganzen alten Gschnas nichts nach.

Stellen sie ein wirkliches Kunstwerk hinein, so sieht es in solcher Umgebung doch nichts gleich!

Der Unfug hat keine Grenzen; er wird in seinem ganzen Umfang offenbar werden, wenn es wirklich einmal gelingen sollte, die Kultur wieder auf sachliche Grundlagen zu stellen. Zu diesem Zweck ist noch alles neu zu machen vom Kleinsten bis zum Größten: Die ganze Welt ist neu zu bauen.

Dann wird ein Staunen sein über die Macht, die das echte Kunstwerk in einer solchen sachlichen Umgebung ausströmt.

siehe Bildunterschrift

Raum von Bruno Paul. Hat zu bedeuten, daß sachliche Schönheit im heutigen Alltag gerade so gut möglich und wünschenswert ist, wie es vor 80 Jahren der Fall war.

siehe Bildunterschrift

Ein weiterer Beweis wie die gute Sache nicht sein soll. Der Um- und Aufbau am Sofa ist kostspielig und unpraktisch. Die Fächer für die Bücher und Kunstgegenstände sind unzweckmäßig, abgesehen davon, daß diese Dinge nicht dahin gehören. Bei jedem Niedersitzen schwankt der ganze Aufbau, die Gefahr, das kleine umstehende Zeug auf den Kopf zu kriegen, ist nicht angenehm. Also ist das Sofa gar nicht zum Sitzen da? Die Hausfrau sieht es nicht gern, wenn man sich draufsetzt ... Sie genießt es durch bloßes Ansehen – – es war ja auch so teuer, ach! Malerische Anordnung, nicht? In Wahrheit ist's weder malerisch noch architektonisch, sondern ganz einfach mißverstandene Moderne.


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