Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zum Verständnis der Medaillenkunst.

siehe Bildunterschrift

Zum Verständnis der Medaillenkunst. Stempel vom Jahre 1700 zur Prägung auf den Ausbau des Schlosses Schönbrunn.

Das Verständnis für die Kunst in der Medaille muß von der Kenntnis der technischen Herstellung ausgehen, wenn man den Weg zur Unterscheidung der künstlerischen Qualitäten finden will.

Die Bedingung – das Hauptstück – jeder Prägung ist der Prägestempel (Prägestock, Prägeeisen). Derselbe ist ein bald zylindrisch, bald konisch, bald anders geformtes Eisenstück, von harter, einem Schlag oder Druck möglichst widerstehender Qualität, auf dessen einer Fläche der Schnitt – die Gravüre – so angebracht ist, daß dieselbe durch Schlagen oder Pressen auf eine andere weichere Metallfläche leicht übertragen werden kann.

Die Qualität der Stempel äußert sich in erster Linie in ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Druck und Schlag. Deshalb war schon seit uralter Zeit das Trachten der Prägestempelerzeuger (Stempelschmiede) darauf gerichtet, den verwendeten Materialien eine besondere Härtung zu geben.

Das Prägen mit »Hammer und Amboß« war die älteste Form des Münzens. Das Verfahren erklärt schon der Name selbst. Ein auf den Amboß, den Stock, gelegtes Plättchen (der Schrötling) wird durch die mittels eines Hammers auf das Obereisen geführten Schläge mit der auf dem Obereisen und dem Stock angebrachten Gravüre versehen.

Der Münzer war bedacht, die Abklatsche der Gravüre womöglich auf einen Schlag zu erzielen, was ihm bei geschickter Handhabung, namentlich bei kleineren Münzsorten, auch gewöhnlich gelang. Ein mehrmaliges Schlagen auf das Obereisen bei ein und derselben Münze hatte stets die Gefahr einer Fehlprägung; schon das geringste Verschieben des Schrötlings hatte einen Doppelschlag zur Folge, den wir auch sehr oft an den Münzen jener Zeit wahrnehmen. Namentlich die Herstellung großer Münzsorten oder plastischer Medaillen war mit Schwierigkeiten verbunden und erheischte eine geschickte Manipulation. Bei solcher Prägungsvornahme mußten dann verschiedene Behelfe zur Anwendung kommen, so namentlich das Glühen der Schrötlinge und Prägen im heißen Zustande, oder auch, namentlich bei sehr plastischen Medaillen, das Eingießen des flüssigen Metalles zwischen die mit Lehm umgebenen Stempel. Die solcher Art hergestellten Medaillen heißen Gußmedaillen.

siehe Bildunterschrift

Zum Verständnis der Medaillenkunst. Stempel vom Jahre 1565 zur Prägung eines Weihnachtspfennigs.

Auch der Stempelschnitt hat seine Geschichte. In älteren Zeiten wurde die Stempelzeichnung meist direkt auf die geglättete Prägefläche aufgetragen und dann mit dem Grabstichel graviert, der Stempel also direkt als Prägematrize hergestellt. Für Gußmedaillen wurden die Modelle meist in Speckstein oder Holz erhaben geschnitten, dann abgeformt und das Metall eingegossen. In späterer Zeit finden wir schon in Wachs bossierte Modelle, nach welchen entweder in Metall die Matrizen (Tiefschnitt) graviert und nach ihrer Härtung sofort zum Prägen verwendet wurden, oder es wurde nach dem Modell eine Matrize (Positiv) geschnitten, welche, nach ihrer Härtung, durch das Senkungsverfahren in weichem Stahl eingedrückt, zur Erzeugung weiterer Prägestempel diente. Dieses Verfahren wird bis heute geübt, nur hat es die Zeit und eine Reihe von Erfindungen, namentlich in der Übertragungsart, verfeinert und vereinfacht.

siehe Bildunterschrift

Zum Verständnis der Medaillenkunst. Stempel vom Jahre 1601 zur Prägung auf die Wiedereroberung Grans. Wer Gegenbeispiele sehen will, sehe sich die heutigen Jubiläumsmünzen, die gewöhnlichen Ausstellungsmedaillen, unsere Geldmünzen an (die französischen u. a. rühmlich ausgenommen) und bringe sie in Zusammenhang mit diesen Bildern und mit den Erklärungen auf Seite 173/4.

Die guten und künstlerischen Medaillen sind ausnahmslos nur auf die Art zustande gekommen, daß der Künstler den Stempel selbst in Originalgröße geschnitten hat, wie es in den älteren und ältesten Zeiten der Fall war. Eine solcherart hergestellte Medaille war in dem Sinne Originalkunst, wie es heute die von dem Künstler selbst auf den Stein entworfenen Steinlithographien sind. Die Medaillen haben in der neueren Zeit ihre Popularität eingebüßt. Das ist ganz begreiflich, denn sie haben fast ausnahmslos ihre künstlerische und technische Originalität verloren, und die geringe Schätzung der heutigen Prägungen hat darin ihre Ursache. Der heutige Medaillenkünstler schneidet den Stempel nicht mehr selbst. Er bossiert seine Medaillen in großem Format in Wachs und läßt sie durch die sogenannte Reduktionsmaschine im verkleinerten Maßstabe mechanisch auf den Stock auftragen; sie ist nicht mehr Originalwerk, sondern eine maschinelle Reproduktion. Sie hat alles Handschriftliche verloren. Sie ist zu jenen glatten, kleinlichen und unansehnlichen Maschinenprodukten geworden und verdient in der Regel die Geringschätzung, die sie findet. Der Vergleich einer alten Medaille, mit dem, was neuestens gemacht wurde, wird den Unterschied klar machen. Die Wiederbelebung der Liebe zur Medaillenkunst hängt nur davon ab, daß einmal wieder ein Künstler kommt, der nicht, wie dies heute allgemein geschieht, Reproduktionen im verkleinerten Maßstab liefert, sondern echte Medaillen schneidet, wie sie früher entstanden sind.

Die jüngst bei verschiedenen Anlässen verteilten Medaillen sind leider nicht geeignet, das Verständnis und die Liebe für die Medaillenkunst zu wecken. Die heutigen Medaillen sind süßliches Produkt der Reproduktionsmaschine, unansehnlich in der äußeren Form und durchaus konventionell in der Zeichnung. Um die figurale Darstellung genau zu ersehen, müßte man sich der Lupe bedienen, eine Kleinlichkeit der Ausführung, die beim Medaillenschnitt in der Originalgröße niemals vorkommen könnte. Alles Handschriftliche fehlt. Neben dem technischen Moment ist es die künstlerische Forderung, daß sie dem Geist der eigenen Zeit Ausdruck gibt, wie es etwa der Holzschnitt oder die Radierung tun, die der Medaille künstlerisch verwandt, Symbol und künstlerisches Spiegelbild der geistigen Physiognomie der jeweiligen Gegenwart bilden.


 << zurück weiter >>