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Künstlerischer Straßenschmuck.

Vor einigen Jahren haben ein paar Maler in Paris, die eben nichts besseres zu tun fanden, ein paar Firmenschilder gemalt, und halb spaßhaft, halb ernst gemeint, eine Ausstellung veranstaltet, die eine Woche lang von sich reden machte. Just eine Woche, denn länger hielt auch Witz und Laune der Pariser Maler nicht vor. Dann kam die Sache wieder in Vergessenheit und die Chronik berichtet nicht, daß sich das Straßenbild seither wesentlich verändert habe. Es ist also auch nicht »künstlerischer« geworden. Indessen ist keine Idee so schlecht, daß sie nicht auch ein Gutes hätte. In Deutschland, einmal angeregt, kam der Gedanke nicht mehr zum Ruhen. Das kritische Sehen hat die Häßlichkeit der modernen Straßen entlarvt. Nun werden Verbesserungen aller Art vorgeschlagen. Der Schmuck soll helfen, die Plastik, das Denkmal, der Brunnen. Was sich aber in den Geschäftsstraßen am stärksten aufdrängt, das sind die Firmenschilder. Sie bedürfen also des künstlerischen Adels. Hängt die Schönheit der Straße wirklich davon ab? Das Für und Wider von verschiedenen Standpunkten ist der Feststellung wert.

Es ist eine gute Meinung, die besagt, die Schönheit der Straße hängt nicht von den Bildern ab, sondern von den architektonischen Verhältnissen. Die moderne Schaufensterarchitektur, die Portalkonstruktionen, bezwecken eine möglichst große Raumausnützung zur Ausstellung der Waren. Für das Firmenschild ist gerade so viel Raum übrig gelassen, als für den Namen notwendig ist. Also ist an unseren modernen Gewölben gar nicht Platz zur Anbringung eines gemalten Schildes. Die besten Firmenschilder sind in Berlin zu sehen. Sie sind aus Glas hergestellt. Glasbuchstaben, die sich gut befestigen lassen und von großer Materialschönheit sind. Zweckmäßigkeit ist das oberste Gesetz; an dem schönsten Schild, das in der Straße hängt, rennen die Leute schon nach zwei Tagen blind und teilnahmslos vorbei, denn für den Kunstgenuß auf der Straße ist bei unserem gesteigerten Verkehrsleben weder Zeit noch Sinn vorhanden. Gerade im Geschäfts- und Straßenwesen spricht das praktische Interesse das erste Wort. Deshalb haben die meisten alten Firmen, die im Besitze wertvoller Schilder waren, sie von der Straße wieder weggenommen, sie gehören in die Rumpelkammer der Vergangenheit.

* * *

Aber in dem Gedanken der alten Straßenkunst liegt doch ein guter Kern. Wer etwa in den Straßen Nürnbergs wandelt, wird auf Schritt und Tritt festgehalten von all den schönen Kunstobjekten, die umherstehen und ein Stück Geschichte aus Haus oder Stadt erzählen. Erinnerungen, die am Boden oder am Gemäuer haften, und von vergangenen Menschen und Schicksalen berichten, sind durch die Kunst am Leben erhalten und führen eine gemeinverständliche Sprache. Firmenschilder, oft künstlerisch gemalt (denn, wie wir wissen, haben Gauermann, Kupelwieser, Canon und mancher andere diese Arbeit, wofern sie gut bezahlt war, nicht verschmäht), unterhielten meistens eine ideelle Beziehung zur Lokal- oder Hauschronik. Häuser waren nicht mit Nummern, sondern mit Namen genannt, die dem Hause eine gewisse persönliche Physiognomie oder Charakteristik gaben. Zur bildlichen Vorstellung fand sich bald eine bildliche Darstellung und die Kunst hatte es leicht. Ein gemaltes Schild aufzuhängen, dagegen gab es kein Bedenken. Die Straßen waren still und für die gemütliche Betrachtung gab es Muse. Die Luft war rein und fast ländlich, weder Staub noch Kohlenruß bedrohte die schönen Schilder mit nahem Verderben. Die Häuser mit ihren bedeutsamen Schildern, mit ihren Wahrzeichen und familiären Legenden sind zum größten Teil verschwunden, der Rest ist im Aussterben. Es ist ein schöner Gedanke, die Erinnerungen, die an den alten Stätten hingen, fortzuüberliefern und an den neuen Gebäuden, die an solchen Stellen entstehen, wieder aufleben zu lassen. Aber die Malerei dürfte in letzter Linie an dem Werk mittun können, denn ein Ölbild als Schild im Freien trotzt den Wetterunbilden nicht. Andere Materialien werden den Vorzug verdienen. Die Plastik hätte hier ein Feld. Heute finden sich fast an allen Häusern Masken und Steinfiguren bis zum Dach hinauf. Wem aber frommt der nichtssagende Schmuck? Kein Mensch sieht ihn an oder hat ein Interesse ihn anzusehen. Hier gibt die frühere Zeit einen Fingerzeig. Sie hatte an den Häusern einfache strenge Fassaden, aber an gut sichtbarer Stelle, etwa über dem Eingang befand sich eine gute und oft bedeutsame Plastik, die das Haus mit einer besonderen Individualität ausstattete. Zu allen Zeiten aber war das Sache des Kunstsinnes einzelner Besitzer, und wird es auch heute sein. Ob der kunstsinnige Besitzer heute ein Ölbild auf die Straße hängen wird, bleibt dahingestellt. Sicher ist, daß die bemalten Schilder einstens nicht aus Reklamebedürfnis bestellt wurden. Immerhin kann durch eine Aktion der Künstler mancher Geschmackslosigkeit gesteuert werden. Aber es kann auch sehr viel Unheil geschehen. Nicht allein auf das Was kommt es an, sondern auch auf das Wie.

 

Häßliche Straßen werden nicht schöner, indem man sie aufputzt. Es wird eine Zeit kommen, da man sich dieser Straßen und der Häuser, die man seit dreißig Jahren gebaut hat, schämen wird, und diese Zeit ist für manche schon angebrochen. Vielleicht dämmert diese Erkenntnis auch schon bei jenen, die diesen Unrat von Geschmacklosigkeit über uns gebracht haben. Das Bedürfnis die Straßen zu »schmücken« ist ein Anzeichen dafür. Es ist die Fortsetzung des begonnenen Werkes, das mit der vollständigen Verhunzung der Straßen enden wird. Was die Schönheit der Straßen ausmacht, liegt vor allem in der Architektur. Ist diese wahrhaft und edel, dann sind es auch die Straßen und kein Verlangen nach Putzmacherei wird laut werden.

 

Habe ich Ihnen schon die Geschichte vom armen, reichen Mann erzählt? Der arme, reiche Mann hatte seine ganze Sache auf die Kunst gestellt. Wenn er die Türklinke oder einen Leuchter, oder einen Bleistifthalter in die Hand nahm, so mußte es eine figurale Kleinplastik sein, eine Nymphe, ein Gnom oder irgend eine Allegorie, wenn er schlief, legte er sein Ohr auf die Kunst, stand er auf dem Schemel, dann trat er sie mit Füßen und das tat seinem Geschmack nicht weh; bei allem was er tat und alles was ihn umgab mußte Kunst sein, und selbst seine elektrische Klingel spielte, wenn man drückte, ein paar Takte des Hochzeitsmarsches aus Lohengrin. Wenn er aber aus dem Alltag in den Tempel der Kunst trat, dann fehlte seinen blasierten Sinnen die Steigerungsfähigkeit, und wo andere Weihe und Begeisterung verspürten, erlag er der Ohnmacht der Langeweile. Der arme, reiche Mann steht eigentlich nicht viel höher als der Wilde, der sein Gesicht tätowiert. Schauläden sind das Gesicht des Geschäftes. Dort gehört alles andere hin, denn Ölbilder. Einmal, in romantischen Zeiten mag das Sitte gewesen sein, und es ließen sich auch Gründe finden, warum es einmal Sitte war. Aber heute! Es fehlte noch, daß sich die Kunst auch mit den Reisekoffern befaßte; bis jetzt sind sie nämlich noch ganz gut. Was das alles für den »künstlerischen Straßenschmuck« bedeutet? Eine Nutzanwendung.


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