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Technik und Kunst des Bucheinbandes.

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Technik und Kunst des Bucheinbandes. Stempel und Handvergoldungs-Entwürfe.

Dem englischen Buchbinder Douglas Cockerell ist die sachliche Kenntnis der technischen Entwicklung des Buches und des Einbandes zu danken. Das künstlerische Moment des Einbandes entwickelt sich im Zusammenhang mit der Technik; beides zu können, ist wichtig für die persönliche formale Bildung, deren Grad untrüglich an der Art zu messen ist, wie man ein Buch in die Hand zu nehmen, zu öffnen und zu pflegen gewohnt ist. Von der »Überkunst«, die an den fürchterlichen Prachteinbänden seit ungefähr 1870 in Schwung kam, ist nicht weiter die Rede; gelegentlich aber gibt es Bücher, die der Buchbinder verschwenderisch schmücken kann, Bücher, die bei wichtigen Zeremonien, wie Altarbücher benutzt werden. Sie werden nur kleine prächtige Stellen bilden, in einer großen Kirche oder Kathedrale, und man kann ihnen nicht den Vorwurf der Überkunst machen, solange die Dekoration eine gute ist. So mag jemand gelegentlich ein Buch haben, an dem er aus irgend einem Grunde mit großer Zuneigung hängt, und das er in Schönheit einzuhüllen wünscht; er mag es dem Buchbinder überlassen, es nach seinen besten Kräften zu schmücken. Wenn ein Zimmer und alles darin mit einem reichen Muster geschmückt ist, dann würde irgend etwas mit einer einfachen Oberfläche, als Rast für das Auge willkommen sein. Während aus dem XV. und XVI. Jahrhundert und noch aus früherer Zeit Einbände existieren, die sich in ausgezeichneter Verfassung befinden, ist erwiesen, daß 60 % der in den letzten 30 Jahren in Leder gebundenen Bücher während der nächsten 30 Jahre umgebunden werden müssen. Die Ursache des vorzeitigen Verfalles wurde von einem aus Lederfabrikanten, Buchbindern, Bibliothekaren usw. gebildeten Komitee der Society of Arts in London systematisch untersucht und endgültig festgestellt. Die Hauptschuld liegt in der Bearbeitung des Leders. Es ist gefunden worden, daß das Schaf-, Kalb-, Ziegen- und Schweinsleder, anstatt seine charakteristische Oberfläche zu behalten, so bearbeitet wird, daß Schafleder wie Kalb-, Saffian- oder Schweinsleder aussieht, oder es wird so geglättet, daß es keinen bestimmten Charakter behält, während Ziegenleder mit allen möglichen Narben versehen und Schweinsleder wie Levant-Saffian genarbt wird.

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Handvergoldung. Die leichteste Manier, einen Band zu dekorieren ist vielleicht die, ihn mit einem kleinen sich wiederholenden Muster zu bedecken.

Der Gebrauch mineralischer Säuren, namentlich Schwefelsäure, beim Färben, das Prägen des Leders unter schwerem Druck, um die künstliche Narbung herzustellen, das Schaben dicker Häute, wobei die zähen Fasern des inneren Teiles der Haut weggeschnitten werden, sind die wesentlichen Momente der Degradation des Bucheinbandes. Aber auch den schlechten Methoden des Bindens, z. B. der Verwendung hohler Rücken muß ein erheblicher Teil der Schuld beigemessen werden. Die Geschichte der allgemeinen Einführung hohler Rücken ist ungefähr wie folgt: Leder wurde zum Überziehen der Bücherrücken zweifellos seiner Zähigkeit und Biegsamkeit wegen gewählt, weil es, während es den Rücken schützte, sich bog, und den Rücken stets gestattete, sich »aufzuwerfen«. Als gute Handvergoldung gebräuchlich und der Buchrücken reich verziert wurde, fand man, daß das Falten des Leders den Glanz des Goldes beeinträchtigte, und es zum Abspringen veranlaßte. Um dies zu vermeiden, wurden die Rücken so dick ausgefüttert, bis sie steif wie ein Stück Holz waren. Dann konnte sich der Rücken, wenn das Buch geöffnet wurde, nicht »aufwerfen«, das Leder wurde nicht gefaltet und das Gold blieb unverletzt. Das war schon gut für das Gold, aber ein so behandelter Band öffnete sich nicht völlig und kann in der Tat, wenn das Papier sehr steif ist, überhaupt kaum geöffnet werden. Um beiden Schwierigkeiten zu begegnen, wurde der hohle Rücken eingeführt, und da erhobene Bünde im Wege gewesen wären, wurden die Heftbindfäden in eingelegte Öffnungen gelegt, die quer über den Buchrücken hergestellt wurden.

Die Verwendung hohler Rücken war ein sehr geschickter Ausweg, da dabei die Buchrücken zum »Aufwerfen« gebracht werden konnten und zur selben Zeit das Leder in Ruhe gelassen wurde. Die Methode des »Einsägens« war lange vor der Einführung hohler Rücken bekannt. Sie wurde angewendet, um die erhöhten Bünde bei solchen Bänden zu vermeiden, die mit gesticktem Material überzogen wurden. Aber obgleich mit genügender Sorgfalt zufriedenstellende Einbände mit hohlem Rücken hergestellt werden können, hat ihre Einführung doch dahin geführt, daß wertlose Einbände von geringer Haltbarkeit und doch mit dem Aussehen besserer Arbeit gemacht werden. Da das Publikum sich an hohe Bünde gewöhnt hat und die wirklichen Bünde in den Rücken eingelassen sind, bringen die Buchbinder falsche Bünde an. Um Arbeit oder Kosten zu ersparen, wurde das Buch, da die Bünde unsichtbar sind, nur auf drei oder vier Bindfäden geheftet, während auf dem Rücken sich noch die gebräuchlichen fünf falschen zeigten. Oft wurden nur zwei von den drei Bünden mit dem Deckel verbunden, und manchmal wurden die Bünde überhaupt nicht am Deckel befestigt. Dann wurden wieder falsche Kapitalbänder meterweise durch Maschinen hergestellt, an Kopf und Schwanz angeklebt, und eine Hülse aus Packpapier gemacht. Dann wurde mit Leder überzogen, das so dünn war, daß es nur geringe Haltbarkeit haben konnte, aber verwendet wurde, weil es so leicht zu verarbeiten war und nicht geschärft zu werden brauchte. Der Rücken war oft reich vergoldet und die Seiten reich gesprenkelt oder marmoriert, wodurch das Leder noch mehr geschädigt wurde.

Der Hauptsache nach empfängt die dekorative Behandlung des Einbandes ihre Charakteristik von dem Werkzeug, dem Prägestempel, in dessen Oberfläche Linien oder sonstige einfache Muster eingeschnitten sind.

Durch das Eindrücken der erhitzten Metallstempel wird die Oberfläche eines Leder- oder Pergamentbandes ornamentiert, wobei durch Anwendung von einfachen und kleinen Stempeln Freiheit und Lebendigkeit der Zeichnung und unbeschränkte Abwechselung erzielt wird.

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Sinnlose Deckelverzierung im Jugendstil. Billig und ordinär.

Beim Entwurf von Vergoldestempeln ist daran gedacht, daß sie auf dem Buche oft wiederholt erscheinen und deshalb einfach in den Umrissen und ganz schablonenmäßig sein müssen.

Eine mehr oder weniger naturalistische Zeichnung einer Blume, die die natürlichen Unregelmäßigkeiten aufweist, mag reizend aussehen; wenn man aber den Stempel darnach schneidet, wirkt jede hervortretende Unregelmäßigkeit sehr ärgerlich, wenn sie sich auf einer Decke öfter wiederholt. Deshalb müssen von Blättern, die nicht ganz symmetrisch sind, drei von jeder Form geschnitten werden, zwei, die sich nach verschiedenen Richtungen krümmen, und das dritte ganz gerade. Wenn man nur ein Blatt hat und dieses ist gekrümmt, so erhält man ein sehr unruhiges Muster. Das Wesen der Zeichnung für Handvergoldung ist, Muster zu erfinden, die aus Wiederholungen von Stempeleindrücken bestehen, und aus diesem Grunde müssen die Stempel so entworfen werden, daß Wiederholungen angenehm wirken. In der Praxis wird man finden, daß Formen, die nicht ganz einfach sind, in der Wiederholung aggressiv wirken. Die leichteste Manier, einen Band zu dekorieren, ist vielleicht die, ihn mit einem kleinen, sich wiederholenden Muster zu bedecken.

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Schöne Mappe .(Battiktechnik, Kunstgewerbeschule Zürich). Künstlerisch disziplinierte Anordnung der Schmuckelemente, rhythmisch geordnete Flächenteilung, »gefühlte« Proportionen.

Über das Buntpapier mit Bunttechnik ist nachzutragen, daß beliebige Farben auf eine schleimige, aus Karagheenmoos gewonnene Masse gespritzt und auf einen aufgelegten Bogen Papier abgehoben werden, ein altes einfaches Verfahren, mit dem sich künstlerische Absichten auf originelle Art leicht verbinden lassen.

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Bazarmäßige Schreibmappen: Geschmacklose Aufpressung. Nicht zu rechtfertigen. Note: Talentlosigkeit! Bloße Effektmacherei, die über die unsolide Arbeit hinwegtäuschen soll.

Auch das sogenannte Kleisterdruckverfahren, von alten Buchbindern geübt, gibt künstlerische Möglichkeiten, und erfreut sich neuerdings der Liebe der Kenner und Buchfreunde.

Ein Wort erübrigt über das Öffnen frisch gebundener Bücher. Der Band wird auf einen Tisch gelegt und die Blätter werden ziemlich am Anfang des Buches aufgeschlagen, dann in derselben Entfernung vom Rücken, und darauf an ein oder zwei Stellen näher der Mitte des Buches, wobei die Blätter jedesmal mit der Hand niedergedrückt werden. Ist das Buch besonders wertvoll, so muß jedes Blatt besonders umgewendet und besonders niedergedrückt werden, wobei man in der Mitte anfängt und erst nach der einen und dann nach der anderen Richtung zu Werke geht. Dadurch wird der Rücken überall gleichmäßig gebogen. Hat man ein Buch geöffnet, so muß es für kurze Zeit leicht gepreßt werden. Wenn man ein Buch ungeöffnet hinausschickt, so wird es der erste beste, der es in die Hand bekommt, ungefähr in der Mitte öffnen, indem er den Deckel zurückbiegt und den Rücken bricht; sollten einige Blätter durch den Goldschnitt zusammenkleben, so können sie dabei möglicherweise zerreißen. Ein Buch mit einem »gebrochenen« Rücken hat immer die Neigung, sich an derselben Stelle zu öffnen, und behält seine Fasson nicht.

Douglas Cockerell spricht in seinem Werk noch ausführlicher über den Bucheinband und die Pflege des Buches. Nicht nur jeder Fachmann, Bibliotheksmensch oder Buchbinder, sondern jeder Gebildete überhaupt, soll mit seinem Inhalt wohl vertraut sein.


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