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Schnittblumen und bunte Töpfe.

Eigentlich soll hier von den Blumen die Rede sein, von der farbigen Pracht der Blumen und von den bunten Töpfen, die dazu gehören. Wir haben beides sehr nötig für unsere Räume, denen wir durch keine Kostbarkeit jene Schönheit geben können, die durch die farbige Erscheinung der Blumen auch im schlichtesten Heim hervorgebracht wird. Mittels der Blumen kann man die Stichprobe machen: Ein Raum, darin nicht die farbige Wirkung der Blumen zur Geltung kommt, ist ein ästhetisch vollkommen mißlungener Raum, und wäre er auch mit verschwenderischem Reichtum ausgestattet. Zumindest ist er koloristisch mißlungen. Für unser Farbengefühl ist das Beispiel maßgebend, daß die Natur schöne starke Farben liebt. Leuchtend blau wölbt sich die Himmelsglocke über dem smaragdenen Grün der frischen Wiesen und der junggrünen Wälder, blendendweiße Aprilwolken, die voll Sonne sind, segeln weit gebläht hoch einher. »Die Welt ist grün und weiß und blau«. Sie kleidet sich in heraldische Farben, und das tun auch die Blumen, die Blumen der Heimat, wegen ihrer kräftigen schönen Farben auch Bauernblumen genannt, deren Farben ein Gleichnis der Natur sind. Von blutigroten Sonnenuntergängen träumen die brennenden Cynien, die Nelken in allen Abschattungen von Zinnober bis Karmin, Verbenen, gar sinnreich brennende Liebe genannt, das glühende Mohnfeld und die späten Dahlien; gleich blauen Himmelswellen leuchten die Gloxinien und Campanulen; vom gelben Mittagssonnenschein erfüllt sind die Kapuzinerkressen und Ringelblumen, und das Schneeweiß geballter Frühsommerwölkchen haben die Margariten und die Maßliebchen erkoren, die flockenweise weit über die Wiesen verstreut sind.

siehe Bildunterschrift

Verzierte Vasen, zu jener Gattung Kunst gehörig, die eine unerlaubte Spekulation auf die Unerfahrenheit des Publikums darstellt. Käuferregel: Ein einfaches Wasserglas für die Blumen, der billigste Bauerntopf für ein paar Pfennige sind wahrhaft edel, im Vergleich zu diesem scheußlichen Zeug der »Luxus«-Bazare!

Aber die Natur wirkt als echter Heraldiker, indem sie nicht nur die leuchtenden satten Farben gibt, sondern zugleich ihren komplementären Gegensatz. Wir bemerken, daß sie den graubraunen Frühlingswaldboden mit den gelben Flocken der Himmelschlüsseln schmückt und den Bachrand mit den sonnigen Dotterblumen begrenzt. Aber neben diesen goldigen Farben schafft sie den Gegensatz in dem Dämmerschattenblau der Veilchen, der Leberblümchen und der Küchenschelle. Im Sommer stehen neben der blauen Waldglockenblume die gelben Königskerzen, und im Hausgarten, wenn er mit den richtigen heimischen Bauernblumen bepflanzt ist, sehen wir lauter farbige Gegensätze, die sich harmonisch verbinden.

siehe Bildunterschrift

Das nennt sich »Hochmoderne Topfhülle in effektvollen Farben, gern gekauftes Dessin auf grau und lila und Bronzeverzierungen, neuest. Muster.«

siehe Bildunterschrift

»Topfhülle auf feinfarbig grünem Grund, vorzügliches gern gekauftes Muster, mit imitiertem Spitzenrand.«

Käuferregel: Der irdene Blumentopf ist ein Ausbund von Schönheit und Poesie gegen diesen Unrat von Geschmacklosigkeit.

Wildblühende Sommerwaldwiesen tragen ein buntes Blumenkleid, an dem alle komplementären Farbengegensätze festzustellen sind. Harmonie im Kontrast ist das natürliche Farbengesetz. Das ist ein Wink für die künstlerische Gestaltung, die sich in der Anwendung der Blumen und in der Wahl der bunten Keramik, der Töpfe und Vasen aus farbig glasiertem Ton betätigt. Ja, die ganze farbige Behandlung unserer Wohnräume beruht auf den Grundlinien, die uns die Natur vorzeichnet. Wenn wir das Farbengesetz auf eine allgemein brauchbare Grundregel bringen wollen, so können wir sagen, daß sich alle warmen Farbentöne, rot bis gelb, gegen die kalten Farbentöne, alle Arten von blau, als ihren komplementären Gegensatz gut verhalten.

siehe Bildunterschrift

(Prof. Hoffmann), Vase Silber, Topfhalter weiß emailliert, Blumenkorb.

Käuferregel: Schlichte und gediegene Erzeugnisse sind selten und teuer, dagegen die verzierten billig und häufig. Die Billigkeit geht immer auf Kosten des Käufers.

Wenn nun ein Raum etwa durch die Möbelbezüge, Vorhänge usw. auf blau gestimmt ist, so werden alle crêmefarbenen, weißen und gelben Blumen, Rosen, Primeln, Sonnenblumen, Narzissen eine schöne Wirkung hervorbringen, und umgekehrt werden blaue Blumen wie Rittersporn, Enziane, Eisenhut, Veilchen, Clematis, blauvioletter Flieder und ähnliche in einem auf gelb oder elfenbeinweiß gestimmten Raum Wunder tun.

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Blumen in Bauerntöpfen, lieblich anzusehen. (Nach einem Bild von E. R. Weiß.)

Käuferregel: Laßt uns die Töpfermärkte besuchen! Die alten Töpfermärkte mit schlichtem, schön- und buntfarbigem Töpfergut.

Ein Raum, wo rot vorherrscht, wird ebensogut blau, weiß und grün, als die ganz starken und höher gefärbten gelben und scharlachroten Blumen aufnehmen können, wie Dahlien, Feuerlilien und Sonnenblumen. Weiße Räume können nicht genug herrliche bunte Blumenfarben enthalten. Hieraus ergeben sich für unsere Kunstpflege im Hause bedeutungsvolle Winke in bezug auf die Keramik. Wir werden, um Ruhe und Einheit in unseren Wohnräumen aufrecht zu erhalten und zugleich starke Blumenwirkungen zu erzielen, gelegentlich Blumen von einer Farbe, je nach der Gunst der Jahreszeit, aufstellen und zu dieser jeweilig herrschenden Farbe Steingutvasen suchen, die ebenfalls einfarbig sind, leuchtend und schön, gleichsam heraldisch und einen komplementären Gegensatz bilden.

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Rosen im Glas (nach einem Bild von E. R. Weiß.

Kann als köstliches Vorbild für Blumenarrangement betrachtet werden.

Dadurch steigern wir die Wirkung der Blumen und durch die Blumen die Wirkung der bunten Keramik. Hier ist ein weites Feld für die keramische Kunst offen. Was wir für den Hausbrauch benötigen, sind Vasenformen, die in bezug auf ihre Gestalt sachlich von der Beschaffenheit der Schnittblumen abgeleitet sind. Wir bemerken, daß bestimmte Jahreszeiten ganz bestimmte Arten von Schnittblumen ergeben. Im Frühjahr, wo die Vorfrühlingsblumen erscheinen, kurzstengelig und in weiten Ständen, ist Bedarf an niederen, breiten Schalen; für die Treibhausblumen und später für die im Garten gezogenen hochstengeligen Blüten, bedarf man schmaler und hoher zylindrischer Röhren in verschiedenen Größen und, um einen großen Strauß Feldblumen zu fassen, großer bauchiger Töpfe von angemessener Weite und Höhe mit angemessener Standfestigkeit. Diese Formen, 6–7 an der Zahl, genügen für den Jahresbedarf. Der Wunsch ist berechtigt, daß solche Töpfe zu sehr billigen Preisen auf den Markt kommen und unter Umständen gleichzeitig mit den Schnittblumen auf den Blumenmärkten zu erstehen sind. Keramische Industrien, die künstlerisch geleitet sind, mögen diese Winke ausnützen und für das sorgen, was das Leben braucht. Dagegen ist an den sogenannten künstlerischen Vasen, die den Hauptreiz im Dekor suchen und als Zierstücke anzusprechen sind, kein Bedarf. Das Wesen einer guten Blumenkeramik liegt nicht im Ornament. Dieses ist in den meisten Fällen überflüssig und beeinträchtigt die gute, auf Farbe berechnete Wirkung, die wir anstreben. Dagegen finden wir auch auf den alten Töpfermärkten, wo die leider in Bedrängnis gebrachte volkstümliche Bauerntöpferei zu haben ist, für billiges Geld ganz sachliche Formen, mit entzückend schönen kräftigen farbenen Glasuren, die unseren Wünschen vollkommen entsprechen. Laßt uns die Töpfermärkte besuchen! Laßt uns die alte volkstümliche Bauernkeramik, soweit sie noch unverfälscht auf dem Markt erscheint, mit Vorliebe ergreifen und durch unsere Nachfrage einem wirtschaftlich bedrängten heimischen Kunstzweig zu neuer Lebenskraft verhelfen! Hier finden wir, soweit nicht verderbliche Einflüsse von der Stadt her geltend geworden sind, schlichte, zweckmäßige Formen, und Farben, die jenen unserer Bauernblumen gleichen! Denn die Farben der Bauernblumen brauchen wir auch an unseren Blumenvasen und Töpfen, heraldische Farben, darin an nebelfreien Sommersonnentagen die Natur gekleidet ist, heraldische Farben, die wir an dem köstlichen Gefieder vieler unserer Vögel entdecken, an leuchtenden Insekten und Käfern, an dem Flügelkleid der Schmetterlinge, an den Mineralien, den Edelsteinen und Halbedelsteinen, und nicht zuletzt an dem Volk und seinen alten, schönen, bunten Trachten. Das Volk hat immer die heraldische Farbe geliebt. Nicht nur an solchen Gewändern und Stoffen und an dem bäurischen, bunt bemalten Hausrat, sondern auch an seinen Architekturen, an den Bauernhäusern, die heute noch in vielen Gegenden an den Holzteilen bunt bemalt sind, rot, blau oder grün an Fensterrahmen und Türen, die an der milchweißen Hauswand mit verdoppelter Leuchtkraft wirken. Von dieser Farbenfreude des Volkes bieten uns da und dort noch auf den alten Töpfermärkten die bunten Bauernkeramiken einen herzhaften Sommergruß und eine freundliche Aufforderung. Es betrifft die Farbe, sobald, wie angedeutet, die Form in Ordnung ist. Wir suchen die komplementäre Wirkung, um die Blumenschönheit dekorativ zur höchsten Wirkung zu bringen. Ein Zweig weißlicher Heckenrosen, einige Narzissen oder Chrysanthemen sehen niemals so wundersam aus, als wenn wir sie in schwarze oder schwarzgrüne hohe, zylindrische Vasen stellen. Dagegen kommen die Primeln, die Ringelblumen, Sonnenblumen, die gelben Margariten, Immortellen, Mimosen und Dahlien in blauen Gefäßen zur ausdrucksvollsten Geltung. Umgekehrt werden gelbe Geschirre am besten ihren Zweck für blaue Astern, Clematis, Veilchen, Kornblumen, Rittersporn und ähnliche erfüllen. Lichtgrünes Steinzeug ist gnadenvoll mit hellen, weißlichen Blüten, wie Rosen, Maiglöckchen, weißem Flieder, Anemonen, weißen Margariten. Mövengraue Glasuren sind mit allen Blumennuancen von gelb bis scharlachrot zu den vornehmsten Wirkungen berechtigt.

siehe Bildunterschrift

Rosen in der Schale. Schön und belehrend. (Bild von E. R. Weiß.) Siehe also Kapitel: Schnittblumen und bunte Töpfe.

Als ein Bündel Anregungen, durch praktische Versuche erhärtet, eilig zusammengerafft und dargereicht, lose gebunden, wie ein Feldblumenstrauß, sollen diese Betrachtungen jedem die Blumenfreude zugleich mit der Farbenfreude ans Herz rücken. Jeder, der die Probe macht, wird auf diesen Weg kommen und finden, daß ein Gemach wohnlich und von freundlichen Hausgeistern erfüllt ist, wenn wir von den Blumen ausgehen, und sie zu Hüterinnen und Herrscherinnen der Schönheit des Raumes machen. Das haben auch unsere Großeltern und Urgroßeltern getan, die in diesen Dingen einen hochentwickelten Instinkt besaßen. Räume, deren Wände mit schmutzigfarbenen Tapeten bekleidet sind, werden die farbige Schönheit der Blumen nicht zur Geltung kommen lassen. In solchen Räumen wird nichts zur Geltung kommen und das Wichtigste in diesem Umkreis, der Mensch, kann nicht erwarten, in solcher Trübnis zur Heiterkeit zu gelangen. Die Wahrnehmung ist täglich leicht zu machen, daß Menschen in farbig schlecht gestimmten Räumen ein schlechtes Aussehen haben. Es ergeht ihnen dann wie es den Blumen ergeht. Darum fort mit den trüben häßlichen Farben, mit den schlechten Tapeten, mit dem braunen Tür- und Fensteranstrich, und herein mit hellen und kräftigen Farben und vor allem mit möglichst viel Weiß in die Wohnungen, und dann werden Sie sehen, welches Wunder die Blumen tun, die Blumen mit der bunten Keramik, und wie viel Glückseligkeit aus diesen Gnadenquellen in die Seele der Inwohner strömt.

siehe Bildunterschrift

Ein Gelump von Bazarware. Wer Blumen achtet, stellt sie nicht hinein. Käuferregel: Wer sich selbst achtet, kauft das Zeug nicht.


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