Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Kunstmöglichkeiten im bescheidensten Heim.

Keine Möglichkeit ist hier ausgeschlossen. Die Kunst im Heim hängt nicht von den Kunstgegenständen ab, die in den Schauläden und in den Wohnungen der Reichen zu finden sind und in der Regel einen Massenartikel zu überflüssigen und störenden Dekorationsabsichten darstellen. Die Kunst ist nicht zu trennen von der wahrheitsliebenden und reinen Gesinnung, die es verschmäht, unechten Schein vorzugeben und an Stelle der Schlichtheit den Tand zu setzen. Schönheit kann im einfachsten Raum walten, wo helle, klare Farben an den Wänden stehen und schlichter Hausrat gut verteilt ist. Wo sich eine Ahnung von Schönheit entfaltet, ist die erste Segnung der Kunst zu verspüren. Nicht auf die Pracht, den Überfluß und Reichtum kommt es an, obzwar viele Leute glauben, die Kunst sei nur für die Reichen da, was ein verhängnisvoller Irrtum ist. Die diesen Glauben haben, haben das wahre Wesen der Kunst nicht erkannt und bedienen sich dieses Irrtums, um ihre eigene Roheit, Achtlosigkeit und Verwahrlosung zu entschuldigen. Wenn die Kunst nicht an den einfachsten Dingen und im Umkreise des bescheidensten Mannes sein kann, dann kann sie ebensowenig dort sein, wo der Reichtum eine Schaustellung bezweckt oder Pracht und Überfluß ist. In der Regel sind die Kunstregungen an den Stätten des Überflusses und der bloßen prächtigen Schaustellung sehr gering und nur der oberflächliche, leicht geblendete Sinn ist zur Meinung verführt, daß Kunst gleichbedeutend sei mit diesem Überfluß. Selbst wenn an solchen Stätten des Reichtums einzelne Gegenstände von wahrhaft künstlerischem Wert sind, so ist noch lange nicht gesagt, daß an solchen Stätten die Kunst herrscht. Denn allzu häufig geschieht es, daß solche vereinzelte Kunstwerke sich ihrer Umgebung schämen und eine ganz andere Anwendung verlangen, als sie in dem Rahmen, wo sich Reichtum zur Schau stellt, finden. In solchen Räumen ist gewöhnlich das vereinzelte Kunstwerk um jede Wirkung betrogen durch den unlauteren Wettbewerb zahlloser anderer, sogenannter Kunstgegenstände, die sich gegenseitig zu übertrumpfen suchen, sich vordrängen und überschreien, wie es übrigens auch die Art der unfeinen Menschen ist, die darum unendlich fern von dem Wesen der Kunst sind, selbst wenn sie Kunstschätze besitzen und damit in ihren Wohnungen paradieren. Es liegt also wahrhaft nicht an den Kunstgegenständen, obzwar der Wunsch berechtigt ist, daß jeder Gegenstand künstlerisch sei. Man würde gar sehr überrascht sein über die seltsame und wunderbare Wirkung, wenn man eines der seltenen, wirklichen Kunstwerke aus den überladenen Wohnungen der Reichen in einen wahrhaft schlichten Raum brächte! In einem solchen schlichten Raum, wo die primitiven Kunstregungen walten, würde das plötzlich hineinversetzte Kunstwerk, sei es ein Bild, eine edle Plastik, ein mit aller Liebe und allem Kunstfleiß ausgestatteter Bucheinband, eine farbenprächtige Vase oder sonst ein Juwel, mit einem Mal seine geheime Wunderkraft entfalten und eine ungeahnte Macht über die Seelen gewinnen, daß es wie eine religiöse Andacht über sie käme, wie nie zuvor an den Stätten des eitlen Überflusses.

siehe Bildunterschrift

Der Ausrufer: »Blumentopf, mit weichen, unzerbrechlichen Früchten, originelle Neuheit, in den verschiedensten Arten wie Äpfel, Birnen, Kirschen, Apfelsinen, mit reichlichem Laub, Topf mit Manschette und Schleife, sehr gangbarer Artikel ...« Es gibt aber auch geschmackvolle Leute, die möchten so etwas nicht einmal geschenkt.

siehe Bildunterschrift

Einfach schöner Holzkübel für Solitärpflanzen.

Aber in solchen anspruchslosen Räumen der Schlichtheit kann schon ein einzelner Blütenzweig, in eine irdene Vase von kräftiger Farbe gesteckt, eine künstlerische Offenbarung hervorbringen, wofern nur unsere Sinne entwickelt genug sind, um eine solche Offenbarung zu vernehmen. Leider hat sich in der heutigen Menschheit der Irrglaube festgewurzelt, daß die Kunst nur da in die Erscheinung treten kann, wo es sich um Kostspieligkeit handelt, so daß die Kunst erst anfängt, wo die teueren Preise einsetzen. Und daher kommt es, daß gar häufig schon die Kostspieligkeit allein für Kunst genommen wird, und daß in den reichen Wohnungen zwar viel Luxus, viel Überfluß, viel Kostspieligkeit, aber, wie vielfach schon erkannt, unverhältnismäßig wenig Kunst herrscht. Nun aber sollen wir schon wissen, daß die Kunstmöglichkeiten auf ganz anderen Grundlagen beruhen. Die Gesetze der Kunst sind in ihrer innersten Natur ethische Gesetze und haben eine gleiche Wurzel mit dem Wesen der Religion. Ohne Liebe und Verehrung, ohne ehrfürchtige Scheu und Sorgfalt kann die Kunstwirkung nicht in die Erscheinung treten. Sollte es nicht möglich sein, diese Seelenregungen in allen Lebenslagen zu betätigen? Bedarf es erst eines gewissen Reichtums an Geld, um Liebe und Sorgfalt zu bezeugen? Oder kann unter Umständen nicht die einfachste Bauernhütte an diesen Tugenden reicher sein? Wenn dies der Fall ist, was ich ohne weiteres annehme, dann ist für das Wesen der Kunst die erste und wichtigste Grundlage gewonnen, die Sorgfalt und Sauberkeit, die Sauberkeit, die sich nicht nur aus der seelischen Kraft, der Zärtlichkeit, der Liebe und Ehrfurcht als ein rein geistiges Wesen ergibt, sondern, die sich in die Tat umsetzt und Arbeit wird, die Sauberkeit nicht nur im seelischen, sondern auch im materiellen Sinn, nicht nur was die Gedanken und die Reden betrifft, sondern auch was den Körper, das Kleid, den Wohnraum betrifft. Hier soll alles fleckenlos sein, der Fußboden, die Wände, der Hausrat und diese Fleckenlosigkeit, die Sauberkeit und Sorgfalt als materielle Erscheinung aus den seelischen Regungen entsprungen, aus jenen tiefen Gemütsregionen, wo Kunst und Religion wurzeleins sind. Die Sauberkeit also ist überall möglich, auch in der größten Armut, und hier ist sie sogar Pflicht, weil sie für die Gesundheit und Schönheit die erste und sicherste Grundlage ist. Wo zunächst kein anderer Aufwand betrieben werden kann, als der Aufwand peinlichster Sauberkeit, ist die große Veranlassung gegeben, eine andere mächtige Kunstquelle zu erschließen, d. h. die liebe Sonne, das schöne Tageslicht und die heiteren, hellen Farben der Natur zu Gaste zu laden, die ihrerseits nicht dort sein können, wo Schmutz herrscht.

siehe Bildunterschrift

Geschmackvolle Blumentisch-Anordnung. (Prof. Hoffmann.)

Kurz gesagt, neben der Sauberkeit sorgen wir für Helligkeit, für einfache, lichte und ungebrochene Farben, die wir an die Wände setzen, milchweiße Tünche oder ein zartes Himmelblau, was sehr viel billiger ist, als man glauben möchte. Es ist schon deshalb so billig, weil es nichts weiteren bedarf, als ein wenig von der wohlfeilen Farbe und ein paar arbeitsfreudiger Hände. Die klare, reine Farbe, die Helligkeit kann nicht bestehen, wenn Schmutz oder Staub geduldet wird. Sauberkeit ist also Grundbedingung und somit haben wir schon zwei wichtige Elemente gewonnen, um die Kunst im einfachsten Heim zu ermöglichen. Wo Sauberkeit und Helligkeit herrscht, ergibt sich noch ein drittes: die Ordnung. Die Ordnung kann sich nur einstellen, wenn alles auf seinen Zweck hin erkannt ist und jedes Ding auf seinem Platze steht. Der Hausrat kann einfach sein wie immer, er kann aus nacktem Holz bestehen, wenn er aber sauber gehalten ist, wenn der Raum hell und daher freundlich ist und wenn jedes Stück dort steht, wo es nach einer guten und zweckmäßigen Einteilung hingehört, dann wird er auch schön wirken, so schön, daß eigentlich nichts mehr fehlt, um die Kunst im reinsten und ursprünglichsten Sinne zu erkennen und nicht auszuschließen. Sie ist eigentlich nicht auszuschließen, denn wenn diese drei Grundlagen gegeben sind, Sauberkeit, Helligkeit und Ordnung, dann ist sie schon da, wenigstens in ihrer primitiven, ursprünglichen und unentbehrlichsten Form, die für alle Verhältnisse maßgebend ist. Also sei jedes Ding an seinem Platz und erfülle seinen Zweck, und nichts sei da, was sein Dasein nicht rechtfertigen kann. Der Aufputz und die Dekorationen an den Möbeln, an den Wänden und sonstwo tun es nicht, denn Dekorationen und Putzmacherei sind in der Regel von nichtigem Gehalt, nur zum Schein und zur Täuschung da, nicht aber zur Vermehrung der edlen, schlichten und wahrhaften Schönheit, und sie tun daher als störender Überfluß viel mehr Schaden als Nutzen. Wir wissen, daß jede Art von Schundproduktionen mit Ornamenten überladen sind. Wir wissen auch, daß die meisten Wohnungen der Wohlhabenden in dieser Art überladen sind und daher nur selten die Möglichkeiten der Kunst erschließen. Wir wissen, daß die Möbelbazare billige und schleuderhafte Möbel feil halten, die mit einem täuschenden Plunder von Zieraten überkleistert sind. Die meisten dieser Möbel sollen als verhunzte Gothik, verhunzte Renaissance, verhunztes Barock und verhunzte Moderne einen unechten Anstrich von Kunst und von Herrschaftlichkeit, oder von Feinheit geben.

siehe Bildunterschrift

Neuer Blumentisch. (Rich. Riemerschmid.)

Aber in diesen verhunzten Stilformen und in diesem herrschaftlichen Anstrich, in dieser vermeintlichen Feinheit liegt nichts anderes, als eine völlige Verständnislosigkeit des Wesens echter Kunst, eine gemeine, niedrige, verlogene Gesinnung, die nur danach strebt, möglich viel gleichzusehen und den Mangel an Wahrhaftigkeit, an Schlichtheit, Ordnung und Sauberkeit durch nichtigen Tand zu verdecken. Diese gefährliche Neigung gleicht einer ansteckenden Krankheit, von der nur wenige verschont bleiben. In der Tat kann man finden, daß das Übel bis in die einfachsten Arbeiterwohnungen hinein gewirkt hat und daß sich dort derselbe Hang, wie in den meisten lächerlich ausstaffierten Wohnungen der mittleren Stände breit macht, nur mit dem Unterschied, daß hier, wegen der Beschränktheit der Mittel, alles noch trauriger und vernachlässigter aussieht. Es muß ohne weiteres zugegeben werden, daß an diesen traurigen Erscheinungen viele andere Ursachen schuld sind, die fern liegen und nicht so leicht zu beheben sind. Andererseits ist nicht zu vergessen, daß der einfache Mann als kaufendes Publikum immerhin eine starke Macht bildet und, wenn er das Rechte weiß, die Händler und Hersteller zwingen kann, ihm das Rechte zu geben. Der einfache Mann muß nicht die närrische Mode anderer, kunstblinder und unempfänglicher Stände mitmachen. Er tut es leider und läßt sich ebenso, wie jene mittleren Stände, als Publikum von den schundproduzierenden Wirtschaftsmächten an der Nase herumführen. Ein besseres Wissen wird ihn jedoch zur Überzeugung bringen, daß die Schönheit auf ganz anderen Wegen bei uns einkehrt. Wissen bringt also auch hier die Klarheit, deren wir bedürfen, um nicht den Plunder lächerlich herausgeputzter, ornamentierter, albern bemalter Gebrauchsgegenstände und Möbel für etwas Begehrenswertes zu halten, und im übrigen für den Schmutz und die Verwahrlosung unsere Armut als Entschuldigung geltend zu machen. Wenn uns Klarheit über die Kunstmöglichkeiten geworden ist, die wir nun finden müssen, so werden wir nicht mehr als Ausrede gebrauchen dürfen, daß die Kunst nur für die Reichen da sei, und daß wir, wegen unserer geringen Mittel, genötigt sind, in Roheit, Unsauberkeit und Unordentlichkeit versinken zu müssen. Wenn solche traurige Zustände sind, dann sind wir selber daran schuld, und es würde damit nicht besser sein, wenn wir plötzlich zu Reichtümern kämen, weil wir auch dann nicht Kräfte betätigen können, die wir verdorren haben lassen. Denn sonst würden ja die Reichen alle hochgebildete, kunstsinnige Menschen sein! Ich weiß aber, daß unter den Reichen die hochgebildeten und kunstsinnigen Menschen auch nur die Ausnahmen sind. Wenn wir also plötzlich aus tiefer Armut und Verwahrlosung zum Reichtum aufstiegen, so würden wir die Arbeiten der Ordnung und Sauberkeit, die wir selbst hätten tun sollen und vernachlässigt haben, von anderen erzwingen, daß sie sie für uns tun, und wir würden kraft unseres Geldes unsere Wohnung prächtig ausstatten lassen von Leuten, die ebensowenig Kunstgefühl haben und denen doch niemals um die Kunst in anderen Wohnungen, sondern lediglich um den Gewinn zu tun ist, um das Geld, das sie zu verdienen hoffen. So würden wir also auch im Reichtum dasselbe schönheitsarme barbarische Leben fortsetzen, das wir ja auch bei der Mehrzahl der Bessersituierten sehen und das die Minderbemittelten und Armen in ihren beschränkten Verhältnissen auf ganz ähnliche Weise fristen. Wir können also nicht im Reichtum Kräfte betätigen, die wir vorher nicht in der äußersten Beschränktheit geübt und entwickelt haben. Um diese Kräfte zu üben und die Kunstmöglichkeiten in das Haus zu bringen, bedarf es keiner äußeren Mittel. Wenn wir nicht imstande sind, dahin zu kommen, so ist nicht unsere materielle Armut schuld, sondern die Armut unseres Herzens und unserer Gesinnung, und wir haben kein Recht, andere Mächte für diesen inneren Mangel verantwortlich zu machen. Man sehe sich doch einmal in der einfachsten alten Bauernstube um. Wir finden meistens nichts weiter als jene entzückende Sauberkeit, Helligkeit und Ordnung, die wir als die notwendigen Grundlagen der Kunst erkannt haben. In der Reinheit und Klarheit der lichten Farbe stehen die Wände da. Auf dem reinlichen Fußboden und in guter, zweckmäßiger Ordnung ist der allereinfachste Hausrat aufgestellt, aus rohem Holz gezimmert, aber blühweiß von dem oftmaligen Scheuern. Jeder Mensch wird zugeben, daß ein solcher Raum erquicklich ist, daß eine gewisse Schönheit darin liegt, ein seelisches Merkmal, ein Anfang von Kunst. Was hier möglich ist, ist in jedem Arbeiterheim möglich, in jedem Versammlungslokal, an jeder Stätte, wo Menschen Geselligkeit oder die Förderung geistiger Interessen pflegen. Aber, wie selten finden wir es so, wenn wir es überhaupt jemals finden? Kann für diesen Mangel irgend eine triftige Rechtfertigung, eine Entschuldigung geltend gemacht werden, die uns zwingt, weiterhin in dem Unrat zu verharren? Es wäre schlimm bestellt, wenn es eine solche Rechtfertigung gäbe. Die einzige Rechtfertigung kann nur die sein, daß man das Ziel noch nicht erkannt habe, und daß man ihm jetzt mit allen Kräften zusteuern wolle. Namentlich in bezug auf die Wohnungen mögen diese Hinweise Anwendung finden, denn das ganze Gehaben der Menschen, ihre Ansprüche an Reinheit, Sauberkeit und Ordnung, die sie im Leben, außerhalb des Hauses an sich und an die Umgebung stellen, sind von dem Zustande ihres Heims bedingt. Wohl gemerkt, von dem Zustande, nicht von dem Aufwand oder Überfluß! Ich habe zwar vorhin bemerkt, daß der übliche Aufputz und das Zieratenwesen, in den häufigsten Fällen von Übel ist, aber ich habe damit nicht gemeint, daß der Schmuck verpönt werden soll. Zwar ist jenes schlichte Heim, wo die Kunst in dem ursprünglichsten Sinne waltet, schon in seiner Schmucklosigkeit gewissermaßen schlicht anzusehen, aber nichtsdestoweniger können wir ein Übriges tun zugunsten eines besonderen Schmuckes, der dann berechtigt ist, wenn er lediglich der Schönheit willen da ist. Hier gilt nun freilich die schwierige und feine Unterscheidung, welcher Schmuck ist berechtigt, welcher Schmuck dient der Schönheit, und was ist schön? Aber die Verhältnisse, mit denen wir zu rechnen haben, sind einfach genug, um den Kreis der Möglichkeiten zu überschauen.

Wenn wir wieder an das heimische Bauernhaus zurückdenken, so finden wir dort ein herrliches Schönheitsmittel vor. Es sind die Blumen. Man stelle Blumen in bunten Töpfen ins Zimmer, an die Fenster, und wenn die Wände in den erwähnten klaren und reinen Farben gehalten sind, wenn die Möbel in irgend einem einheitlichen schönen Farbenton gestrichen sind, wenn sie ganz glatte und sachliche Formen haben, so wird die farbige Schönheit der Blumen mit den bunten, einfarbig glasierten Töpfen geradezu mächtig wirken, namentlich wenn wir viel Weiß in die Wohnung bringen. Die Decke weiß, Türen und Fenster weiß, weißes, einfaches Stoffzeug vor den Scheiben! Dann wird die Herrschaft der Blumen eine solche künstlerische Schönheit und Kraft hervorrufen, daß sie nicht leicht übertroffen werden kann. Wissen wir doch, daß viele Maler derartige einfache Räume, die nicht mehr Kunstmittel besaßen, als die hier genannten, in ihren Bildern verewigt haben, und daß gerade solche Malereien mit ihrem poetischen und künstlerischen Zauber regelmäßig das Entzücken der Ausstellungsbesucher waren. Warum sollen wir nicht diesen poetischen und künstlerischen Zauber in unseren einfachen und bescheidenen Wohnungen verwirklichen, zumal es so ganz ohne Kostenaufwand geschehen kann, sondern lediglich mit einem Aufwand veredelter Gesinnung! Die Armut ist hier gar kein Hindernis, im Gegenteil, denn der lumpige Hausrat aus den Möbelbazaren kostet trotz aller sonstigen Vernachlässigung bedeutend mehr, als wenn wir das Heim auf die einfachsten materiellen Mittel und auf das Schönheitsempfinden und die Kraft unseres Herzens stellen.

siehe Bildunterschrift

Kupfer und Messing, Handleuchter.

Käuferregel: Um schön zu sein, bedarf es keines Ornaments, wie klar zu sehen.

Zudem kommt es uns hier zu statten, daß wir in dieser schlichtesten Gestaltung durch persönliche Handarbeit vieles schaffen können, was wir sonst um teures Geld und in weniger passender Form auf dem Markt oder im Laden erstehen müssen. »Die Axt im Hause spart den Zimmermann«, also sei jeder sein eigener Tell in weitester Bedeutung des Wortes. Selbsthilfe auf Grund klarer Erkenntnis des Erforderlichen und nach den Grundsätzen, unter denen die Kunstmöglichkeiten im Arbeiterheim überhaupt entstehen, wird das Rechte schaffen können. Es kommen uns häufig Bilder von amerikanischen Arbeiterhäusern zu, in denen die eigene Axt am Werke war, und die Werke sind fast ausnahmslos bei aller Derbheit und Anspruchslosigkeit in dem erwähnten Sinne künstlerisch zu nennen.

Wenn wir in diesem Sinne alles getan haben, dann bedarf es eigentlich keiner weiteren Zutat mehr, um die Wände besonders zu beleben. Wer Bilder wünscht, braucht sie nicht zu entbehren, und wer 3–6 Mark auszugeben hat, kann sich in dieser Hinsicht allerbeste Originalkunst verschaffen. Die Künstlerlithographien, von den Firmen Voigtländer oder Teubner in Leipzig herausgegeben, stellen eine solche edle Originalkunst dar. Es sind Blätter von der Hand bester Künstler, auf Stein farbig gezeichnet und vervielfältigt. Nicht zuviel sollen wir an unsere Wände hängen, aber das Wenige in guter Sichtbarkeit, nicht zu hoch, aber an gut belichteter Stelle und in guter Einteilung, wobei das Verhältnis zu den an der Wand stehenden Möbeln zu berücksichtigen ist. Eine andere Art von Bildern als diese ist für die einfachen Verhältnisse gar nicht zulässig; keine Photographien, keine farblosen, verkleinerten Reproduktionen nach Meisterwerken und vor allem keine der sattsam bekannten Öldrucke mit den aufgedonnerten Ratenhändlerrahmen, dürfen an die Wände solcher einfacher, edler Wohnungen, wo sich die ersten Regungen des Kunstempfindens entfalten sollen. Die hochverdienten Meisterbilder, die vom Kunstwart herausgegeben sind, bilden einen Schatz der Anregung und Belehrung, einen Übergang zum Verständnis der Meisterwerke, sie sollen in keinem Arbeiterheim, wo edler Bildungsdrang herrscht, fehlen, aber sie gehören nicht an die Wand, sondern in die Mappe, in die Lade, um von Zeit zu Zeit herausgenommen und eindringlich betrachtet zu werden, in Feierstunden, wo wir das Verhältnis zu den höheren und höchsten Schöpfungen der Kunst sehen und gleichsam künstlerische Hausandacht halten.

siehe Bildunterschrift

R. Riemerschmid, Stehlampe Petrol. Seltenheit! Eine sachlich gelöste Petroleumlampe von gefälliger Form. Gibt es mehr solcher? Dann um so besser!

Wenn wir nun alles getan haben, was sich auf jeder Stufe des Einkommens, in den allerbeschränktesten Verhältnissen tun läßt, im großen Haus so gut wie in der engsten Kammer und in der niedrigsten Hütte, wenn wir an der Sauberkeit, Reinheit, Ordnung und Helligkeit, an der schlichtesten Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit des Hausrates festhalten, helles, womöglich weißes Zeug in reinlichen Falten an die Fenster hängen, ein paar bunte Bauernblumen pflegen, einfarbige buntglasierte Töpfe heimholen und etwa die eine oder andere der wohlfeilen farbigen Künstlerlithographien oder Steinzeichnungen in richtiger Form an die Wand bringen, dann haben wir ein entzückendes Wohnen ermöglicht, eine Gestaltung, die überall und zu allen Zeiten herzustellen ist, mit wenig Geld, aber mit um so mehr geistiger und seelischer Betätigung, und haben dann mehr Kunst entfaltet, als wir in den allermeisten Wohnungen der Begüterten antreffen. Es ist ein gewaltiger Irrtum, von dem wir uns befreien müssen, daß die Kunst nur für die reichen Leute da sei; die meisten reichen Leute haben gar keine Kunst, sie haben nur einen lästigen, störenden Ballast, einen Überfluß an Dingen, die viel Geld gekostet haben mögen, die aber in den ungewöhnlichen Fällen als Kunst anzusprechen sind.

siehe Bildunterschrift siehe Bildunterschrift

Verzierungswut in den Straßen. Unsachlich dekorierte Maste für Bogenlichter. In Berlin wirds bald besser, dank der A. E. G.! Heiliger Behrens, erbarme dich unser!


 << zurück weiter >>