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Amateurphotographie und Heimatkunst.

Der Amateurphotograph will es dem Maler gleichtun. Das kann man in den Ausstellungen der Amateurklubs deutlich ersehen. Der Laie hat Mühe, die in bezug auf Licht- und Schattenwirkung brillant durchgeführten Aufnahmen von Gemälden und Graphiken zu unterscheiden. Das »Malerische« ist der Inhalt. Deshalb pflegt der Amateurphotograph fast ausschließlich die Landschaft und holt aus ihr wie einst die Naturalisten in der Malerei jene Motive, welche die Natur gleichsam selbst komponiert und als fertige Bilder hingestellt hat.

Immerhin, es war nur kalt staunender Besuch in solchen Ausstellungen. Das Ringen um die Wirkungen der Malerei hat ja ein Gutes gefördert, nämlich die außerordentliche technische Vervollkommnung der photographischen Ausdrucksmittel. Wo aber ist der bedeutsame Inhalt, der dieser technischen Vollendung entspricht? Die Amateurphotographie kann erheblich an der künstlerischen Bildung mitwirken, nicht nur als Selbstzweck, als Kunst an sich, sondern auch als Mittel, zahllose künstlerische Schönheiten der Heimat zu buchen, um sie solcherart der Vergessenheit, dem Unverständnis und dem Vandalismus zu entreißen. Die neuen Kunst- und Kulturbestrebungen weisen der Amateurphotographie eine wichtige Aufgabe zu, die Schilderung der Heimat. Aus der Zufälligkeit des Seins entrissen und durch das Bild bedeutsam geworden, können die Gegenstände volkstümlicher Kunst und Bauweise, die die Physiognomie der Stadt und des Landes, wo sie bodenständig sind, bestimmen, wieder jene künstlerische Geltung gewinnen, die sie verdienen. Jeder Ort, wo einzelne Amateure sind, oder ein ganzer Klub, könnte solcherart ein Bildermuseum der wurzelhaften Kunst des Volkes, der Heimatkunst besitzen. Die Photographie könnte in dieser Weise der Kunst vorarbeiten, indem sie das Material schafft und sammelt, den formalen Geschmack bildet, und folglich indirekt den Heimatschutz fördert, oder zumindest von den verschwindenden Formen der Nachwelt bildmäßige Beispiele überliefert.

Jedes Land, jede Stadt, jedes Dorf ist reich an volkstümlichen Kunstformen. Nicht als Gemälde sollte diese Photographie aufgefaßt werden, sondern als Studie. Daher werden sich die Aufnahmen nicht auf ganze Straßen- und Stadtansichten ausdehnen, sondern auf interessante Details beschränken. Weniger ist hier mehr. Alles mag an den alten Formen interessant, jede Form einer Einzeldarstellung würdig erscheinen, um die Schönheit recht eindringlich zu offenbaren. Durchwandert man die stillen Gassen, wo die Tradition zu Hause ist, findet man einen ungeahnten Reichtum. Schöne alte Tore, Fensterbildungen und Erker, wunderliche Dachformen, aufgestülpt wie eine Großmutterhaube, phantastisch gebildete Schornsteine, die wie ein Symbol gesteigerter Lebensfreude des Baumeisters in den Himmel hineinragen. Von besonderem Zauber sind die alten Gärten, die Vorgärten und Hausgärten mit dem anmutigen Laubenmotiv, das aus unseren neuen Gärten leider ganz verschwunden, und den geradlinigen Blumenbeeten und den Glaskugeln. Die ganze feine Kultur der früheren Zeit tritt in diesen Erscheinungen an den Tag. Man kann sich davon überzeugen, wenn man nur in einen Hof dieser alten Häuser tritt. Kaum ein Hof ist ohne ein Grünes. Wein wächst an den Wänden, Oleanderbäume stehen in Kübeln, auf Holzgestellen, staffelförmig übereinander blühen Blumen in Töpfen. Das Ganze ist in höherem Sinne malerisch. Es hat wirklich Stil. Der Architekt und der Maler wissen dem photographischen Wegweiser Dank, denn sie lernen an den Aufnahmen, indem sie ihre Kenntnis von der Heimat mehren, was für das künstlerische Schaffen im höchsten Grade wichtig ist. Auch dem Kunstgewerbler mag es zu Gefallen geschehen, denn die weißgetünchten alten Stuben enthalten gediegenen Hausrat, blitzblanke nachgedunkelte Möbel aus Mahagoni oder Esche, zum größten Teil wertvolle Beispiele gediegener Handwerksleistung. Außer den alten Kirchen und Grabstätten gibt die Kunst in den Straßen, die Tür- und Aushängeschilder mit häufig kunstvoll getriebenen Metallformen, die Zunftzeichen, die Hauszeichen und Torplastiken, die alten Laden eine reiche und unausgebeutete Fülle von interessantem Anschauungsmaterial.

Dieser Hinweis betrifft mehr die alten Städte und Stadtteile. Aber auf dem offenen Lande, im Dorfe ist das künstlerische Erbe der Volkes womöglich noch größer. Lange bevor man das Dorf betritt, begegnet man der bäuerlichen Kunst, zunächst geoffenbart an den Feldeinfriedungen, der Umzäunung, die in vielen Fällen Muster einer hochentwickelten Flechtkunst darstellen. Primitive, kindliche Kunstblüten sind auch die Bildstöcke und Marterln aus Stein, Eisen oder Holz, mit Inschriften, Versen und Malereien bedeckt. Knittelverse, Knittelmalerei. Im Dorfe ist das größte und interessanteste Kunstwerk das Bauernhaus selbst, sowohl in bezug auf seine Lage, Bauart und Durchbildung im Inneren, wie im Äußeren. Jedes Detail mag irgendwie belangreich sein. Außer den Hausformen sind der Hausrat, der Schmuck, die Tracht, die Kunstarbeit im Hause, die Stickereien, Flechtereien, Töpfereien usw., das Werkzeug und sonstiges Arbeitsgerät sehr beachtenswert als Beispiel einer uralten Tradition, die man als das Volkslied der Kunst ansprechen könnte.

Im allgemeinen mußte das Hauptaugenmerk auf wirkliche Heimatkunst, deren Umrisse flüchtig angedeutet worden, gelegt werden. Die Formen der offiziellen Architektur, oder jene, die einer bloß gedankenlosen Routine entsprungen sind, kennt man zur Genüge. Zahllose Bilder haben uns bereits über den offiziellen Kunstaufwand der Fürsten unterrichtet, dagegen wissen wir nicht, wie einst das Volk mit seinem Leben formal fertig wurde, obzwar seine Werke mitten im Alltag stehen, unerkannt und verachtet. Die Malerkunst kann nicht die Aufgabe haben, den ungeheuren Vorrat zu kopieren, so wichtig es für die künstlerische Kultur wäre. Hier müßte die Amateurphotographie energisch und planvoll einsetzen, um das Volk wieder zu verständigen Hütern des ererbten Schatzes zu erziehen. Denn der alten Volkskunst droht die Gefahr der Vernichtung durch großstädtische, industrielle Einflüsse. Vielleicht besinnen sich die Camera-Klubs auf diese wichtige Kulturaufgabe.


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