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Die Moorwiese

Dort, wo die Heide zum Moore geworden ist, liegt ein großes Stück Wiesenland.

In schwerer Arbeit hat der Bauer die Heide abgeplaggt, Rieselgräben gezogen, eine Quelle des Söbenbores hineingeleitet, dem Boden Kalk zugeführt und so die Wiese geschaffen, die ihm seinen Schweiß und seine Mühe reichlich lohnt.

Dieses grüne Stück Land zwischen Moor und Heide ist eine eigene Welt für sich. Süße Gräser gedeihen auf ihr und fetter Klee, zierliches Schaumkraut, kecker Hahnenfuß, gebrechliche Kuckucksnelken und schwanker Sauerampfer, auch das vornehme Knabenkraut und das stolze Wohlverleih, und an ihren Rändern die anmutige Spierstaude sowie die leuchtende Wasserlilie.

Die reichlichere Nahrung brachte ein stärkeres Tierleben hervor, als nebenan in Heide und Moor. In dem dichten Grase wimmelt es von allerlei Raupen, Käfern, Heuschrecken und anderem Gewürm, und überall kriechen die Bernsteinschnecken umher, flattern Motten, schwirren Graseulen, taumeln Buttervögel, und die großen und kleinen Schillebolde, die, sobald die Sonne scheint, hier unaufhörlich hin und her flirren, machen reiche Beute.

Ein gutes Leben haben auch die Moor- und Grasfrösche dort, desgleichen die Spitzmäuse; ihnen nach schleicht die Kreuzotter, die sich an heißen Tagen hier gern im kühlen Grase birgt, und der Dorndreher, der in der Hecke sein Nest hat, findet auf der Wiese Futter genug für seine immer hungrige Brut. Gern wurmt da auch die Heerschnepfe, und mit Vorliebe stelzt der Brachvogel dort umher und liest unter bedächtigem Kopfnicken allerlei kleines Getier auf, wobei ihm ein Kiebitzpaar Gesellschaft leistet, und an tauschweren Abenden läßt der Wachtelkönig aus dem langen Grase sein Geschnarre erschallen.

Immer ist hier etwas los. Eben rüttelte der Raubwürger über der Wiese, nach einer Zwergmaus spähend; darauf ließen sich zwei Krähen nieder und suchten Heuschrecken; dann kam der Sperber vorbeigeschwenkt, zog aber mit leeren Griffen ab, weil sich die Dorngrasmücke noch rechtzeitig in das Gestrüpp fallen ließ, und hinterher kommt ein Kornweihenmännchen angeschaukelt und suchte die Wiese Fuß um Fuß ab, bis sie niederstößt und mit irgendeiner Beute abzieht. Jetzt läßt sich ein Feldhuhnpaar dort nieder; der Hahn treibt die Henne eifrig und schwirrt mit ihr in das Moor hinein. Und dann flimmert und funkelt es herrlich; ein Fasanenhahn ist aus dem Gebüsche hervorgetreten und läßt sein Gefieder in der Sonne leuchten.

Ihm gegenüber, am Ende der Wiese, hoppelt ein Hase aus der Heide und mümmelt eifrig das Gras ab. Kaum ist er verschwunden, so schiebt sich ein Rehbock halb aus den Birken, sichert ein Weilchen und tritt ganz heraus, unter fortwährendem Verhoffen das Gras abäsend. Jetzt wirft er auf und äugt scharf dahin, von wo der Storch angeschritten kommt. Es paßt ihm nicht, daß ihn der Langhals stört, und halb aus Scherz, halb im Ernst zieht er, die Läufe im spanischen Tritt setzend, ihm entgegen und macht drohende Forkelbewegungen mit dem Haupte, bis er seinen Zweck erreicht hat, der Storch sich aufnimmt und abstreicht, während der Bock sich langsam an der Hecke herunteräst und dann wieder dem Moore zuzieht.

Eine Weile ist es leer auf der Wiese, nur, daß die Dorngrasmücke ab und zu über ihr herumzwitschert und Ammern und Finken angeflogen kommen, um sich an den Staugräben zu tränken. Die Schillebolde schwirren hin und her, ein Zitronenfalter taumelt vorbei, Weißlinge tanzen auf und ab, eintönig schwirrt die Laubheuschrecke. Dann läßt sich ein fast ganz weißer Wespenbussard mitten in der Wiese nieder, schreitet bedächtig im Grase umher und füllt sich den Kropf, um dann dem Forste zuzuschweben, wo er seinen Horst hat. Plötzlich ist eine weiße Bachstelze da, lockt, springt nach Fliegen und flieht eilig, weil das Raubwiesel angehüpft kommt, hastig durch das Gras schlüpft und mit einer halbwüchsigen Wühlratte zwischen den Zähnen dem Gebüsche zueilt.

So geht es den ganzen Tag, und naht der Abend heran, verschwinden die Wasserjungfern, hört das Faltergeflatter auf, erstirbt das Bienengesumme und das Hummelgebrumm, dann wird ein anderes Leben laut. Der Heuschreckensänger läßt sein eintöniges Geschwirre ertönen, das Rotkehlchen singt sein Abendlied. Fledermäuse zickzacken hin und her und die Nachtschwalbe jagt mit ihnen um die Wette. Wird es noch dunkler, so stellt sich auch die Mooreule ein und geht auf Mäusefang, Enten fallen ein und gründeln in den Rieselgräben, um mit lautem Angstgequarre von dannen zu poltern, wenn der Fuchs sie zu beschleichen versucht, heftig angeschmält von dem Altreh, das mit seinen beiden Kitzen auf die Äsung getreten ist.

Ganz duster ist es nun geworden. Im hohen Grase schnauft und schmatzt der Igel, der Iltis geht auf die Froschjagd und flüchtet, wie der Dachs heranschleicht und nach Untermast sticht, bis auch ihn ein dumpfes Dröhnen vergrämt. Ein Rottier ist es, das mit seinen Kälbern herangezogen kommt, und sich bis zum Morgen in der Wiese äst, deren Gras reifer und süßer ist als im Forste und auf dem Moore. Ehe aber der Nebel aus dem Grase weicht, ist das Rotwild schon wieder verschwunden und außer zwei Hasen ist dort nur noch der Rehbock zu sehen, der aber auch bald abzieht.

Noch ein Weilchen jagt die Mooreule an den Staugräben entlang, die Heerschnepfe lockt, der Heuschreckensänger schwirrt: dann verliert sich der Nebel und die Tiere des Tages treiben wieder ihr lustiges Leben auf der Wiese zwischen Heide und Moor.


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