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Die Bickbeere und ihre Geschwister

Ein großer, grüner Teppich, dicht mit dunkelblauen Perlen bestickt, bedeckt den Boden des Waldes hier. Süße Perlen sind es, bei groß und klein beliebt und begehrt, Bickbeeren, und so reich wie in diesem Jahre haben sie lange nicht getragen, denn als sie blühten, war es warm und still, so daß die Bienen flogen und sie befruchteten.

Unsere Bickbeere, anderswo Heidelbeere, Besinge oder Blaubeere genannt, findet sich überall bei uns, wo der Boden kalkfrei ist, sowohl in der Ebene wie im Bergland, und selbst unsere Kalkgebirge beherbergen sie da, wo eine Lößdecke über dem Kalkstein liegt. In anmoorigen Teilen, Wäldern, wie hier, entwickelt sie stellenweise drei Fuß hohe Stämmchen von der Dicke eines kleinen Fingers, während sie im allgemeinen nur einen bis anderthalb Fuß hoch wird.

Unsere norddeutsche Tiefebene mit ihren großen auf Sand und anmoorigem Boden stehenden Wäldern ist so reich an ihr, daß von hier aus eine lebhafte Ausfuhr nach ganz Deutschland mit ihr getrieben wird. In der Hauptsache werden die Früchte frisch mit Milch oder Zucker genossen, vielfach auch eingekocht, oder in Pfannkuchenform gegessen, und sie geben einen vorzüglichen Saft, der mit heißem Wasser, Zimt und Zuckerzusatz fast ganz so wie Glühwein schmeckt, wie denn überhaupt die Heidelbeere im Verdacht steht, den Hauptbestandteil bei der Herstellung billiger Rotweine zu liefern. Die Frucht ist sehr gesund, und nachweislich übt sie auf den Rückgang der Darmerkrankungen der Kinder einen großen Einfluß aus.

So bekannt die Bickbeere ist, so unbekannt ist ihre nächste Verwandte, die Moorbeere oder Rauschbeere, im Osten Brunkel genannt. Sie übertrifft an Höhe des Wuchses die Heidelbeere bedeutend und wächst in mehr oder minder großen, meist rund gestalteten Horsten, deren untere Zweige fest auf dem Boden liegen. Im Gegensatze zu der Bickbeere, die den Wald vorzieht, liebt sie das offene Moor, und für viele Moore ist sie eine der bezeichnendsten Pflanzen. Die jungen Stämme und Zweige sind hellederbraun, die älteren fahlbraun und silbergrau; die verkehrt eiförmigen, sehr schwach gezähnelten Blätter haben nicht das kräftige Grün der Bickbeerenblätter, sondern einen bläulichgrünen Ton, der sich im Herbst zu brennendem Gelbrot umfärbt. Die Blüten sind ebenfalls geschlossen wie bei der Bickbeere, doch kleiner und blasser, die Früchte den Heidelbeeren ähnlich, nur sehr hellblau bereift und innen blasser; ihr Geschmack ist ähnlich, nur etwas herber.

Die Moorbeere kommt in allen unseren Mooren vor, die nicht auf feinem Sande stehen; sie will geschiebereichen Sand. Wie die Bickbeere, so geht auch sie ins Gebirge, vorausgesetzt, daß es kein Kalkgebirge ist, oder daß eine starke Moor- oder Lößdecke den Kalk überdeckt. Wo sie vorherrscht, kann man stets darauf rechnen, die Kreuzotter anzutreffen, während ihr Fehlen darauf schließen läßt, daß diese Schlange dort nicht vorkommt. Der Umstand, daß die Kreuzotter und die Moorbeere in einem gewissen, durch die Bodenbeschaffenheit bedingten Zusammenhange stehen, hat wohl dazu geführt, daß ihre etwas faden, aber bekömmlichen Früchte in den meisten Gegenden Deutschlands nicht verwertet werden. In Rußland und Sibirien bilden die Früchte ein ganz bedeutendes Volksnahrungsmittel, und es ist zu wünschen, daß ihr Wert auch bei uns mehr erkannt werde, denn sie sind, weil der Wuchs der Moorbeere höher ist als der der Bickbeere, viel leichter zu pflücken als die Bickbeeren.

Noch geschätzter als die Bickbeere ist die Kronsbeere, auch Preißelbeere genannt. Sie wächst an denselben Standorten wie die beiden vorigen, zieht aber den ausschließlichen Nadelwald vor. In Wuchs, Belaubung, Blüte und Frucht unterscheidet sie sich bedeutend von den beiden vorigen Arten, denn sie ist ein niedriger Halbstrauch, der viele Ausläufer treibt und dadurch große, zusammenhängende Rasen bildet; ihre Blätter fallen im Herbste nicht ab wie bei der Bick- und Moorbeere, sondern sind immergrün, lederartig und glänzend, ihre Blüten stehen in Scheintrauben und haben keine geschlossene, sondern eine offene Krone, und ihre Früchte sind nicht blau, sondern scharlachrot.

Ihre wirtschaftliche Bedeutung ist noch viel größer als die der Heidelbeere; sie ist so groß, daß der Staat sich veranlaßt sah, für die beiden Erntezeiten Aufgangspunkte festzusetzen und, um der Zerstörung der Sträucher vorzubeugen, das Pflücken mit dem Kamme zu verbieten. Die großen Nadelholzwaldungen unserer Tiefebene beherbergen gewaltige Bestände der Kronsbeere, und in Unmassen gehen ihre Früchte im Herbste nach auswärts. Die Früchte werden größtenteils als Kompott, und zwar zum Teil allein, teils mit Birnen und Äpfeln gekocht, verwandt; als frisches Kompott ißt man sie selten, obgleich es, besonders von den Früchten der letzten Ernte, ganz vorzüglich ist, wie denn auch der davon gewonnene Saft ebenso erquickend ist wie Himbeer- und Johannisbeersaft.

Unsere vierte und unbekannteste Heidelbeerart ist die Moosbeere, ein zierliches, rankendes Sträuchlein mit feiner, myrtenähnlicher Belaubung, zierlichen, denen der Türkenbundlilie ähnlichen Blumen von großen, rötlichen oder rotbäckigen, sehr saueren Beeren. Das Sträuchlein wächst in unseren Hochmooren und sowohl in der Ebene wie in den Bergen und liegt eng angepreßt auf dem feuchten Torfboden und dessen Moosbedeckung, so daß es wenig auffällt, obgleich seine Ranken sich viele Fuß weit erstrecken. Wenn, was allerdings nur in Abständen von mehreren Jahren vorkommt, die Moosbeeren reichlich tragen, so sehen die damit bestandenen Torfmoosflächen herrlich aus; auf den hellgrünseidenen Torfmoospolstern liegen dann, wie geschliffene Korallen auf einem Kissen, die zierlichen Früchte in solchen Mengen, als wären sie dort ausgeschüttet.

Da die Früchte mühsam zu sammeln sind, denn man muß sie förmlich von dem Moose abkämmen, so werden sie bei uns fast gar nicht genutzt, obgleich der daraus gewonnene Saft bei reichlichem Zuckerzusatze eins der besten Erfrischungsmittel ist. In Rußland nimmt man den unversüßten Saft statt des Zitronensaftes, dem er in seinen Eigenschaften fast gleichkommt, zum Tee, und in Schottland gilt das Cranberrygelee als feinste Füllung für Kuchen und Omelette, und England verbraucht alljährlich ungeheuere Mengen schottischer und skandinavischer Moosbeeren.

Außer diesen vier einheimischen Arten hat man noch die aus Nordamerika stammende großfrüchtige Moosbeere hier und da bei uns angesiedelt. In Amerika hat diese Heidelbeerart aber sehr große wirtschaftliche Bedeutung, und in den Staaten Wisconsin, Neu-Jersey und Michigan wird sie sogar angebaut, und der aus dem Anbau erzielte Erfolg ist so groß, daß das nasse Moorland, das sie verlangt, dem besten Ackerboden an Wert gleichkommt. Dort legt man in den Mooren Abfuhrwege, hölzerne Geleise und Wirtschaftsgebäude an, mäht die Moorgräser tief ab, lockert die Grasnarbe und pflanzt im Abstande von fünfzehn Zentimetern die Stecklinge ein, die bald anwachsen. Die aufschießenden Sauergräser und sonstigen Gewächse, die die Moosbeeren ersticken, walzt man nieder, überschwemmt im Oktober die ganze Anlage und läßt erst im Mai das Wasser ab, wodurch man die Pflanzen vor dem Auswintern schützt.

Unsere Heidelbeerarten haben nicht nur für den Menschen, sondern auch für die Vogelwelt eine große Bedeutung, und das Vorkommen von Birkwild ist fast ganz an das der Moor- und Moosbeere geknüpft. Der Jäger trifft im Spätherbst und Winter stets das Birkwild in den Mooren und lichten Birkenbeständen an, die die Moosbeere beherbergen.

Der Forstmann dagegen sieht die Bickbeere und die Kronsbeere nicht gern im Walde, wenn erstere auch eine gute Äsung für das Wild abgibt; aber diese beiden Halbsträucher, wie auch die Heide besitzen in ihren Blättern so viel Gerbsäure, daß die Blätter nur sehr langsam verrotten, und so bildet sich unter der den Sauerstoff der Luft abhaltenden Schicht trockener Blätter eine eigenartige, von ihrer Farbe Bleisand genannte Erdschicht, die fast ganz undurchdringlich für die Wurzeln der Bäume ist, und die an feuchteren Stellen zu der Bildung des Ortssteines führt, der dem Forstmanne so viel Schwierigkeiten bei Aufforstungen bereitet.

Das ist aber auch die einzige unangenehme Eigenschaft der Bickbeere und ihrer Geschwister.


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