Heinrich Lersch
Hammerschläge
Heinrich Lersch

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Störungen

Mit der Erfindung des umgekrempten rechteckigen Bodens für Wasserbehälter hatten wir wohl weniger, aber dafür um so härtere Arbeit. Das kostete Muskelschmalz und Schweiß, wenn der Boden auf die schwere gußeiserne Richtplatte gespannt und umgehämmert wurde; gehauen erst von oben, dann von der Seite, mit ausgestreckten Armen, links über Mau, rechts über Mau, drei, vier Stunden an einem Stück. Wir richteten es so ein, daß wir nicht alle Böden hintereinander machten, sondern jeden Tag einen. Anstatt daß wir jetzt den Vorhammer, das Marterinstrument an die Seite setzen konnten, bekamen wir ihn nicht mehr aus den Händen. Ein Trost, denn wir verdienten wenigstens wieder Geld bei der Arbeit. Wenn es schlechtes Wetter, neblig und regnerisch war, atmete ich wie eine puffende Dampfmaschine. Davon wurde ich müder als vom Arbeiten selbst. Darum spekulierte ich immer auf eine mechanische Antriebskraft. Wir hatten weder Gas noch Wasserleitung, der elektrische Strom war jenseits der Eisenbahn, der Stromkabel konnte der hohen Kosten wegen nicht gelegt werden. Wir hatten uns schon eine Dampfmaschine aufgestellt, aber die brauchte zuviel Vorarbeit beim Anheizen und verschlang unglaublich viel Kohle. Da wurde mir ein Petrol-Motor angeboten. Die fünfundsiebzig Mark kriegten wir mit vieler Mühe dennoch zusammen; endlich stand er auf dem Fundament, er lief wie ein Spulrädchen. Als wir jedoch die Bohrmaschine anhingen, blieb er stehn. Wir steckten unsere Nasen zuerst in die geheimnisvollen Vergaser, Zündkerzen und Zylinderhöhlungen, dann in die verschiedenen Lehrbücher der Explosionsmotorenkunde, verschwendeten eine Unmasse Zeit und Geld – indessen wir wie in alten Zeiten die Bohrmaschine von Hand drehen mußten; anstatt des Ventilators kam wieder der Blasbalg zu Ehren, es blieb, wie es war. Die Werkstatt selber, ein Holzgebäude, hielt die gelegentlichen Kraftproben beim Hochziehen von Böden nicht aus, die Balken versetzten sich, das Dach sank, wir mußten Stützen aufrichten, nach jedem Regen mit Teer und Asphalt das Dach dichten und dennoch tröpfelte es an allen Enden.

Als die Konjunktur vorbei war, hatten wir nichts verdient; ich ging öfter, den Unmut zu versaufen, in ein Wirtshaus. Als es zu spät war, merkte ich, daß ich das schwarz-zigeunerwilde Frauensmensch Adelgunde liebte. Sie war Dienstmagd, die von allen möglichen Burschen poussiert wurde. Als die Kameraden das merkten, bekam ich den Spott zu spüren; ich war der kleinste und ungeselligste der Freier, der die wenigsten Chancen hatte.

Wenn ich am Morgen in eine Fabrik ging, nahm ich den Weg an der Schenke vorbei, sie war schon um sechs Uhr früh mit Putzen beschäftigt, ich war vor sieben Uhr allein mit ihr. Ich wurde – nicht ihr Geliebter, wohl ihr Vertrauter – denn so unglücklich wie ich in sie – war sie in den Schullehrer verschossen.

Lange Nächte schrieb ich wilde Gedichte und romantische Träumereien in meine Kladden; sie interessierte sich nicht dafür. Das war mir im Grunde gleichgültig, denn sie konnte kaum Gedrucktes lesen. Eines Morgens traf ich einen großen, blonden Menschen bei ihr, den ich von der Schule her kannte. Es war der Musiker Baumgarten. Wir trafen uns regelmäßig dort. Er grüßte mich von seinen Brüdern, Konrad, der Geiger und Lambert, der Flötist war. Am Tage gingen sie ihrer Arbeit nach, abends und Sonntags machten sie Musik. Jede Woche traf ich jetzt mit ihnen zusammen; sie hatten im Elternhaus ein eignes Musikzimmer. An den Abenden spielten sie mir vor; bald hatte ich eine Reihe Namen und Bezeichnungen von Musikstücken im Kopf, nur langsam klärten sich diese wirren Bilder von Fugen und Sonaten, Komponisten und Bearbeitern. Von den kleinen Kabinettstücken aus lernte ich die Meister kennen, Beethoven und Schubert, Bach-Fugen und Haydns Quartette. Sie nahmen mich mit in Konzerte und Opern, es war eine neue Welt.

Nach der ersten Wagner-Oper Lohengrin, fragte ich das Schenkmädchen, ob es einmal mitgehn wollte. Unter dem Gespött der Herrschaft bekam sie den Urlaub.

Ich sah die Oper nun schon zum zweiten Mal; Adelgunde aber hatte noch nie dergleichen, nicht einmal eine Dilletanten-Theater-Aufführung gesehen. Für sie war es kein Theater, es war eine Wirklichkeit, wie die unbekannten Wirklichkeiten der neuen Kaufhäuser und der großen Vergnügungsstätten. Sie sah die Dinge auf der Bühne wirklich, sah sie wie einen Ausschnitt aus einem durch einen Vorhang vom alltäglichen Leben getrennten Dasein; das Leben auf der Bühne war für sie wirkliches Leben. Sie erzitterte unter den Posaunenstößen, weinte und lachte, – bis sie endlich merkte, daß es Spiel war. In der großen Pause wollte sie an die Luft. Draußen angekommen, lachte sie unmäßig, fand die ganze Sache ein Amüsement für total Verrückte. Wenn die Leute wüßten, daß es Spiel sei, warum gingen sie in diese komische, oft unverständliche Sache hinein, oder sie wüßten es nicht, nun, da wären sie schön dumm. Sie hätte es gleich durchschaut. Nun wollte sie wissen, ob ich ein so Verrückter oder ein so Dummer sei?

Ich konnte ihr keine Antwort geben, wir gingen nicht mehr hinein, sondern in eine Wirtschaft, und weil wir grade gut angezogen waren, in eine vornehme. Sie hatte mehr Freude an der Bedienung, die sie wie eine Dame behandelte, an dem Her und Hin, als an dem Getränk, daß sie auch zu Hause haben konnte. »Alles echt, alles echt!« sagte sie ein über das andere mal, »wer Geld hat, ist der Herr, der befiehlt, wer keins hat, ist der Mann, der arbeitet.«

Die Freunde lachten über die Erzählung des Mädchens, dem natürlich mit der Oper nicht gedient sei. Ich war der Blamierte, weil ich Bildung ins Volk bringen wollte. Ich diskutierte nicht darüber, denn im Herzen gab ich dem Mädel recht. Was mich zur Oper zog, war die Musik. Zuerst war auch mir die Spielerei dumm vorgekommen, ich aber hatte gelernt, Spiel für Wirklichkeit zu nehmen. Ich beneidete das Mädchen, weil sie so hart und unangerührt von den Menschen und Geschehnissen ihre Arbeit mit Lachen tun konnte und liebte es noch mehr.

Eines Tages verschwand sie aus dem Hause: sie sollte die Tochter eines reichen Mannes gewesen sein, der nun gestorben war und ihr ein großes Vermögen vermacht hatte. Sie mußte bis zu ihrer Großjährigkeit bei Verwandten bleiben, bei denselben, die sie ins Waisenhaus gesteckt und von dort zu fremden Leuten getan hatten. »Du bist mein Freund,« sagte sie, »du bist der einzige, der mir vertraute. Wir treffen uns nochmal wieder, das weiß ich bestimmt.«

Nun ging ich jeden Abend mit den Musikern. Ihr Haus lag zwischen den beiden Flügelbauten einer Fabrik, rechts waren die Spinnsäle, links die Weberei. Solange es Tag war, konnte man das Brausen der Maschinen hören; punkt Sieben, wenn die Maschinen aussetzten, stand der Geiger Konrad schon am Klavier, der Bläser saß auf dem Stuhl vor dem Notenpult und der Klavierspieler saß mit breitem Buckel vor dem Instrument. Manchmal brannte nur die Lampe über dem Notenheft, das Licht fiel auf die Seiten, die Tasten und die weißen Hände des Spielers. Wenn sie sich an den langen Stücken von Bach begeisterten, nahm ich mein Heft heraus und schrieb Gedichte, die ich mir in einzelnen Zeilen unterwegs notiert hatte. Um elf Uhr mußte, wegen der Nachtruhe, aufgehört werden. Dann gingen wir noch spazieren. Ich lernte viel von den beiden, die außer den Musikstücken auch noch das Leben der Komponisten kannten und ihre Geschichte erzählten. Konrad, der Geiger war Buchbinder in einer Geschäftsbücherfabrik, seine Werkstatt lag im Keller, wo er den ganzen Tag unter Gaslicht arbeiten mußte. Darum lief er gern ins Freie. Einmal sagte er, daß ich nicht nur dichten, sondern auch lesen müsse. Das ging nicht anders. Er brachte aus der Fabrik den gebundenen Jahrgang einer Zeitschrift, den Kunstwart, mit, der seinem Bruder gehörte. Durch die Bildbeilagen interessierte ich mich mehr für Malerei, als für die Dichtung, von der ich sehr wenig verstand. Jakob bestellte wieder die Hefte, die wir jeden Monat eifrig diskutierten.

Ein Gedicht blieb mir lange im Gedächtnis haften: Es schilderte einen zugefrorenen See, in dem ein Baum wuchs, an dem eine Nixe heraufklomm und an der Eisdecke des Sees umhertastete. Ich sagte es den andern nicht, aber mir war es genau so: ich fror, wie die Nixe im Eiswasser des erbärmlichen Lebens und tastete nach einem Loch, um herauszukommen.

In der Werkstatt wurde die Arbeit getan, wie sie kam. Vaters alte Schulden ließen uns keine Ruhe, wir bekamen nicht mehr so viel zusammen, um größere Mengen Eisen auf Vorrat zu legen. Oft lebten wir in der Woche auf Kredit und waren froh, am Samstag den Betrag einer kleinen Rechnung in bar zu bekommen. Wenn wir Arbeit bekamen, so mußten wir sie, so fix es ging, fertig machen, um an Geld zu kommen. Auch der Bruder ging mit traurigem Widerwillen ans Werk.

An einem Herbstmorgen bekamen wir eine Destillierpfanne zu eiliger Reparatur. Es mußte der Boden abgeschlagen werden, der mit dreihundertfünfzig Nieten befestigt war. Auf jede Niete kamen ungefähr dreißig bis vierzig schwere Schläge mit dem Vorhammer. Einer hielt die Zange, der andere schlug auf das Stück Stahl, welches die Köpfe abtrieb. Nach sechs bis acht Nieten wechselten wir uns ab; ich konnte manchmal blos vier abschlagen, weil der Atem zu kurz ging.

»Achtzehn Jahre und schon invalid?« brüllte ich auf einmal in die Bude hinein. Paul sah mich an, schüttelte mich an den Schultern und sagte: »Laß doch die dummen Gedanken. Man kann alles, was man will! Drei Wochen hab ich geübt, vorgestern könnt ichs noch nicht, heut – da, gut!«

Er ging an das lange Brecheisen, das er als Reckstange zwischen zwei Balken geklemmt hatte und – zeigte den Riesenschwung. Das war eine Leistung für den Siebzehnjährigen. Ich hätte gern auch etwas gezeigt. »Runter vom Reck! jetzt zeig ich dir, was ich kann. Ich schlag jetzt zehn Nieten hintereinander ab, entweder hau und schlag ich mich gesund – oder ich verreck am Hammer, ran!« Paul schüttelte nichtbilligend den Kopf, nahm aber das Werkzeug und hielt zu.

Ich schlug! Härter wie sonst, eine, zwei, drei, vier Nieten, fünf, sechs – bis der Bruder den Abtreiber sinken ließ: »Drauf, drauf!« schrie ich und hielt mich dabei. Die Lunge schien den toten Punkt überwunden zu haben, schneller konnte sie wohl nicht atmen, ich spürte keine Anstrengung mehr, wie eine Maschine regelmäßig, unbeirrt schwang ich im Rundschlag weiter, sieben, acht Nieten, es gab einen Knax im Gehirn, im Rückenknochen lief ein wohliges Gefühl, ich schlug, als schlüge ich alle Mächte der Welt zu Schanden, als stände ich über den feindlichen Mächten und zertrümmerte mit jedem Schlag einen Teufel der unsichtbaren Satansbande, die da verdiente, ohne zu arbeiten, die die Preise diktierte, die Geld einziehen konnte mit Staatsgewalt. Ich schlug in Trümmer die Welt, die die Macht über uns hatte. Zehn Nieten hatte ich mir vorgenommen, ich schlug eine elfte und setzte den Hammer hin!«

»Her mit ihm!« schrie Paul »Ich schlag zwanzig!« Bei jedem Schlag zog er am Hammer, der wie auf einen Amboß, sprang; bei jedem Rundschlag preßte er den Atem mit lauten Gepuch aus, der schlanke, sehnige Turnerleib reckte sich, stand auf den Zehenspitzen, um alle Kräfte seines Körpers auszunützen. Er brauchte jetzt nur noch zwölf, dann nur zehn Schläge für eine Niete, wie die Speichen in einem Schwungrad sausten die Arme an meinem Kopf vorbei: »Zweiundzwanzig Stück Nieten!« Er setzte den Hammer ab. Stand still, als ob er nur einen Nagel eingeklopft hätte.

Da kam der Vater. »Donnorjungens, was klopft da für eine Schlagmaschine? Was? die Nieten schon halb abgehauen?.«

»Komm her, Vater, halt du den Abtreiber, jetzt hauen wir zu zweit!« sagte Paul. Der Vater kniete an der Erde, legte die Zange an und schrie: »Drauf!«

In langsamen, tastenden Schlägen suchte sich jeder den besten Standort, so daß wir dem halbblinden Vater nicht zu nahe kamen, und wir unsere vollen Kräfte richtig anbringen konnten. Rumbum, rumbum, rumbum! Das krachte und hieb, saß und prallte, in halber Zeit flogen die Köpfe knallend an die meterweit entfernte Bretterwand, wie Geschosse schlugen sie ein. In einem Gang hielt der Vater Niet um Niet, bis an das Ende der Naht.

Wir nahmen uns zum Mittag kaum Zeit, aßen uns nur halbsatt, um leicht zu bleiben, um vier Uhr wollten wir den Boden von der Pfanne abschlagen. Er fiel nicht herunter, trotzdem alle Nieten gelöst waren. Einen Fuß dick saßen die Rückstände von Teer darin. Wir schmissen die Pfanne auf den Hof, warfen eine Schaufel glühender Kohle hinein und in dickqualmenden Dampfwolken wälzte sich Feuer und Rauch, vom Wind getrieben, gegen die Stadt. Wir stießen mit langen Stangen die Pechbrocken los, prasselndes Geflamme, zehrende Glut schlug mit dröhnend wildem Feuer in die Höhe. Das wütende Element saß gebändigt in dem vier Kubikmeter großen Kasten, ein Flammenfanal, eine Rauchwolke wie bei einem Fabrikbrand. Auf fünf Meter grellte die Glut uns ins Gesicht.

Da kam der Vater wieder und schimpfte, er hätte die Rückstände immer fein säuberlich herausgemacht und das Dach der Werkstatt damit abgedichtet, es sei tatsächlich das Beste, was es gäbe.

Uns aber machte das Feuer und das Schlagen, das wütende Element um und in uns mehr Freude als das Geld, das wir für das Pech hätten sparen können. Ich geriet in eine rasende Lust am Brennen und Zerschlagen und schrie den Vater an: »Nun feuern wir auch noch deine alte Holzbude in die Luft! Fort, Alter, das Alte wird verbrannt, es muß verbrannt werden, in Feuer und Rauch aufgehn, flackern, brennen, leuchten, damit es Platz für Neues gibt!«

»Mensch, das hat doch keinen Zweck!« Mein Bruder lief mir nach und riß die Schaufel zur Seite, die ich mit brennendem Pech gefüllt, an die Bretterwände schmeißen wollte.

»Recht hast du ja«, sagte er, »ich wollt auch, wir wären den alten Dreck los und könnten neu anfangen. Aber das hat keinen Sinn, für's Abbrennen kriegten wir sicher ein paar Monat Gefängnis, denn die Bude gehört doch dem Advokaten!« Wir stellten uns wieder vor die nun hochschlagende Flamme und sahen dem Rauch nach, der in schwarzer Wolke schon bis an den Rand der Stadt geflogen war. Da gellte eine Schelle, immer tönender, wir sahn uns an, lachten und riefen wie aus einem Mund: »Die Feuerwehr!«

»Prrrr!«

Die Pferde standen, die Männer sprangen ab. Kamen an.

Stumm standen wir uns gegenüber.

»Unfug?« sagte der Brandmeister.

»Ne, das machen wir immer so!« sagte ich. »Haben wir schon oft gemacht. Wenn es ein Unglück war, hätten wir sie schon angerufen. Wir brennen die Pfanne rein, den Teerrückstand kann man weder rausklopfen noch scharren, der sitzt.«

»Man hat uns alarmiert!«

»Wir nicht!«

»Warum haben Sie uns nicht telephoniert, daß kein Brand entstanden ist?« »Es brennt tatsächlich!« sagte mein Bruder.

»Es brennt nicht in unserm Sinne!« meinte der Brandmeister.

»Was sollen wir machen? Die Bude anstecken, damit sie was zu löschen haben? Oder die ganze Stadt anzünden?« Ich wurde übermütig:

»Ihr löscht wohl gern?« fragte ich.

»Waaas?« dehnte der Brandmeister eine lange Frage: »Wie meinen Sie das?«

»Nu, ich meinte nur so. – Wie wir auch gern unsere Arbeit haben.«

Der Brandmeister sah mich von oben bis unten an, warf hochmütig den Kopf in den Nacken und ging. Pfiff, Hufgetrampel, Abfahrt. Erledigt.

»Den hast du auf die Zehen getreten!« sagte Paul.

»Mir ist allerhand dabei eingefallen. Weißt du noch, wie in einem Dorf in der Umgegend eine Scheune abbrannte, und nachher kams heraus, daß ein Feuerwehrmann sie selbst angesteckt hatte? Erinnerst du dich, wie der Dachdecker hier auf dem Dach die ganze Bedeckung herunterreißen wollte, weil eine Bahn Dachpappe kaputt war: Arbeit finden ist nichts, aber Arbeit behalten. Nun reden die Leute vom Krieg. Das kommt, davon, sagen die Sozialisten, daß wir mehr als eine halbe Million Soldaten haben. Das Kriegsvolk will Arbeit haben. Onkel Louis, der bei Krupp in Essen ist, sagt immer: »Wenn es erst einen Krieg gibt, dann kriegen wir erst richtig zu tun.«

»Aber du wirst totgeschossen!« habe ich ihm darauf geantwortet.

»Unsinn!« sagte da Onkel Louis, »wir bleiben in Essen und machen Kanonen, Kanonen wie noch nie! Totgeschossen werden bloß die Soldaten!«

»Wir müssen doch auch Soldat werden!« meinte Paul.

»Ja, aber das hat noch Zeit.«

»Paul erwiderte: Ich wollte mich schon bald freiwillig zum Militär melden, damit ich es hinter mir habe: einmal müssen wir doch zu den Preußen. Der Walter stellt sich auch mit achtzehn freiwillig, der Bergkötter, und der Stahl auch. Sie wollen sich dann selbständig machen.«

Ich entgegnete ihm: »Ich will nicht Soldat werden. Die Arbeit ist Schlachtfeld genug. Die Zeitung steht voll von Unglücksfällen. Die Bergleute fahren jeden Tag mit dem Totenhemd in die Grube. Im Krankenhaus liegen zu Dutzenden die armen Teufel, denen Maschinen und Räder die Knochen zerschlagen haben. Ich habe schon genug Krieg geführt, ich bin schon Soldat der Arbeit.«

Die Pfanne brannte aus, wir kippten die glühendheiße Kiste um, da sprang von der Spannung getrieben, der Boden an einer Seite von selber los. An der andern Seite saß noch eine einzige Niete fest. Daran hing der ganze Boden; zwei gute Hammerschläge und wir waren für heute fertig.


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