Jean Paul
Palingenesien
Jean Paul

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Jean Pauls
Fata und Werke
vor und in Nürnberg

Zweites Bändchen

Frachtbrief vom Juden MendelIn der ersten Auflage steht er vor der Vorrede unter dem Titel: Nötiges Aviso vom Juden Mendel.

Als ich von der Frankfurter Herbstmesse nach Kuhschnappel heimkam, wurde mir gleich morgens früh die Hiobspost hinterbracht, daß der gelehrte Siebenkäs, dem ich einen alten Schlafrock von gekiepertem Zeuge vorgestreckt, Todes verfahren, und daß man ihm meinen Schlafrock ohne meinen Konsens nebst seinem Körper, der meine Hypothek war, mit in den Sarg gegeben. Da man mir nun den Schlafrock von gekiepertem Zeug nicht sowohl zum Versatz (denn das darf ich nicht) als zum Kaufe gebracht – doch so, daß ich ihn nach vier Wochen gegen einigen Reukauf wieder hergäbe –, so wußt' ich nicht, was ich dazu sagen sollte zu meinem eingesargten Schlafrock: denn ich bin blutarm. Ich lief daher sogleich, eh' der Schabbes anging, zu seinen Relikten und wollte mich seiner Effekten bemächtigen – es war aber nichts da als Papier, teils reines, teils anderes, mit Christendeutsch überschriebenes, welches mir die Wittib zu Geld zu machen anriet. Allein ich schämte mich, das überschriebene Papier, da es keine anderthalb Pfund wog, großen Häusern anzubieten zur Emballage; und ließ deswegen alles genau abdrucken und verlegen, damits einige Zentner gäbe und man es hiesigen Gewürzhändlern mit Ehren antragen könnte, nachdem es vorher von allen deutschen und polnischen Gelehrten aufmerksam durchgelaufen worden. Wahrhaftig, wer zusieht, wie ein armer Gelehrter seinen Sessel aussitzt und sich darauf abmergelt, um nur ein oder ein paar Pfund guter stilisierter Bücher zu schreiben, der preiset Handel und Wandel, es sei nun mit Schnittwaren oder mit Vieh.

Mein Gelehrter, der für mich das GesetzManche Juden leben davon, daß sie von Haus zu Haus gehen und zum Seelenheil des Einwohners eine Stunde am Talmud studieren. studiert, will mir dafür haften, daß im gegenwärtigen abgedruckten Christendeutsch, in das er an meiner Statt hier und da hineingesehen, fatale Stachelschriften leben und weben, die nach uns Menschen beißen und schnappen – welches mir leicht glaublich ist, da der lebendige Teufel das Werklein gemacht. Der gute Armenadvokat Siebenkäs mußte freilich die Finger und den Körper hergeben, wenn der böse Feind nachts darein wie in seine Schreibmaschine fuhrDie Meinung unsers Juden gründet sich auf die Lehre der Rabbinen, daß aus einem Schlafenden die Seele austrete und in den Himmel gehe – um da ein Haupthandelsbuch über ihre Handlungen zu führen und zu schreiben – und daß dann der Teufel den vakanten Leib besetze. Daher müssen sich die Juden nach dem Schlafe waschen. und mit dessen Leibe, während der gute Mann im Himmel war, oft bis der Nachtwächter abdankte, aufsaß und damit Sachen hinschmierte, die jetzt warm aus der Presse kommen und wodurch er jedermänniglich rauft und zwickt. Und wie die guten Engel sonst dem Adam, Isaak, Jakob und Abraham ganze Ballen schönster Bücher einbliesen, so verbraucht gewiß noch der Satanas den Leib mancher keuschen und sanften Gelehrten zu bitterbösen Werken, während sie im Schlafe und bei Gott sind, und setzet solche mit ihren Fingern auf, welches ja ein Kind begreifen kann und ein alter Cretin.

Mein Schuldner, Siebenkäs, bleibt ein gelehrter großer Schreiber und Gelehrter, und ich wußte oft nicht, was er haben wollte. Er hat zwar im Grabe meinen gekieperten Schlafrock an; ich glaube aber nicht, daß er verdammt ist – denn er hegte heimliche Neigung zum Judentum und ließ daher bei dem Bücherverleiher Eitzen nach der heiligen Schrift fragen, und er ging auch voll SchuldenNach den Rabbinen werden Insolvente nicht verdammt und Leute, die an einer Diarrhoe umkommen, und Männer böser Frauen. aus der Welt – er liebte den Talmud und die Judenschaft und trug ihr oft seine beweglichen Güter an – er sagte einmal: wozu Judenschutz? – er sagte, er sei offen und trage wie ein Embryon das Herz außen auf der Brust, welches gelehrte Wort ich nicht einmal verstand – er war so bescheiden, daß er gestand, sein Kopf hätte verdient, daß die Geographen den ersten Meridian durch solchen gezogen hätten, welche Operation meines Erachtens einem Kopfe nicht sanft tun kann – er war des festen Vorsatzes, das größte Licht nicht nur im großen Gehirn der Kuhschnappeler anzuzünden, sondern auch im kleinen und im Rückenmark bis ans Steißbein hinunter – er ließ sich rasieren, aber er bat Gott um einen ellenlangen Bart, wie ihn Philosophen und Rabbinen führen. Allein ich sagte zu ihm: »Menschenkind, warum willt du einen propern haben? Das Buch Rasiel besagt, daß der Bart Gottes eilftausend und funfzehnhundert rheinische Meilen misset – laß ab, da deine Kinnbacke doch keinen herausspinnet, der länger wäre als ein Sabbaterweg.« –

Gottlos ists vom Teufel, daß er sich, wie ich vom Gesetzleser höre, im ganzen Buch nichts merken lässet, daß ers geschrieben: er gedenkt mich um mein Geld und um den Schlafrock zu prellen, weil dann Bücherlustige, hofft er, aus dem Buch nicht viel machen würden, wenn er ungewiß gelassen, ob er der Verfasser ist. Welcher Menschenseele kann es aber überhaupt etwas verschlagen, wenn sie sichs kauft? – Mein Kontrakt zwischen mir und dem Herrn Verleger ist aber der, daß wir die Druckkosten zusammenschießen und abziehen von verkauften Exemplaren, worauf der Überschuß des Profits in meine Kasse fallen soll, und der Überschuß der Exemplare oder die Makulatur in seine. Da nun, wie ich höre, die Herren Redakteurs die Bücher ordentlich und quartaliter loben: so sprech' ich alle in großen Städten unbekannterweise um beste Empfehlung an, besonders da es ein Werk ist, wodurch ein blutarmer Jude wieder zu seinem Schlafrock und Gelde kommen will. Inzwischen werden gewiß einige Herren Rezensenten, die ich proper bedacht habe, das Werklein zu ihrer Zeit mit Beifall aufnehmen und belegen und den ZuzugZuzug ist der vom Hamburger Rat auf die Heringstonnen als Siegel der Güte gemachte dreifache Zirkel. auf meine Tonne setzen, zum Zeichen, daß gar kein Wrackswrack oder Stankhering darinnen ist; und das Publikum wird einen Begriff haben, was es von ihrem Lobe erwarten dürfe, wenn ich beteuere, daß ich dem einen Rezensenten einige Päckchen Studententabak gratis geschenkt, und der Frau des andern ein wenig taffetas de bonnes femmesSogenannter ehrbarer Frauen Taffent, der beste französische. darüber gemessen und ihr einen halben Stab gestreiften Batavia gegen wenige Steine BauernwolleDie schlechteste Schafwolle. gelassen – und ich könnte im Notfall beide gerichtlich zum Lobpreisen anhalten lassen. Auch versichert man mich, daß viele einem gedruckten Buche Weihrauch anzünden: ich ersuche gleichfalls um den Weihrauch und bitte, so viel TeufelsdreckNach dem Gesetz mußten die Juden in den Weihrauch auch assa foetida tun. beizulegen, als man verlangen kann nach der Thora, und dann so das Buch und den Dreck und den Rauch schön ineinandergewickelt anzubrennen. –

Der ich mich hiemit der gelehrten und kaufenden Welt empfehle, als ein sehr blutarmer und dato unbezahlter Jude, der gern lebte und leben ließe, aber nicht weiß wovon – denn sonst in Arabien trieben wir Juden Medizin, aber jetzt sind wir auf Jurisprudenz heruntergebracht und helfen mit urteln. – Und hab' ich nicht dreiundsechzig feine, sehr feine Steine vom dritten Wasser an einer vornehmen Hand allhier sitzen, die noch zu bezahlen stehen, und wovon ich noch nichts hatte als ebenso viele Gallensteine oder Gallenkrankheiten?Die Juden zählen dreiundsechzig Gallenkrankheiten. Voet. Select. disput. P. II. de judaism. – Hab' ich nicht das Ehepfand auf dem Halse, das mir leider nicht meine Frau, sondern der Konsistorialsekretär aufhing, und zwar zu teuer? – Und setz' ich nicht Söhne und ein paar Töchter in die Welt, die nach meinem Tode nichts werden können als Schnurrjuden, und nackt, aber schuldenfrei bin ich in diese Schofelwelt gekommen, und nackt werd' ich wieder aus ihr hinausfahren, aber mit passiven Schuldposten? – Und sind dergleichen Nöten nicht pressant genug, damit so viele hundert Leser und Käufer mir den Gefallen erzeigen und mir mein Buch abkaufen, es mag nun ein Werk des höllischen Teufels sein oder nicht? – –

Mendel B. Abraham


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