Jean Paul
Palingenesien
Jean Paul

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Dritter Reise-Anzeiger

Fata: mein Traum – und ein fremder – der Brief
Werke: ob nicht dem Mangel an Selbstrezensionen der Ablauf der empfindsamen Kraftdekade schuld zu geben?

Vor dem himmelblauen Ostermontage erwacht' ich mit verschleierten Augen des innern Menschen, gleichsam als trüg' ich die weggezogene Nacht in der Brust. Ein kurzer, aber harter Traum hatte sein Trauerspiel vor mir gegeben. »Hermina« (träumte mir) »saß in einer hellen Sakristei, worin Mondschein und Sonnenschein nebeneinander strahlten – das Sonnenlicht lag wie Morgenrot auf ihrer weißen Stirne und auf dem Herzen, aber um Wangen und Lippen war bloß Mondschein – und ihr Gesicht und ihre Hände waren ganz naß. – Da ich sie fragen wollte, warum, so wuchs Mond- und Sonnenlicht so blendend auf ihr, daß ich das Auge weg- und in eine dunkle lange Kirche wenden mußte, worin die steinernen Mönche und alten Fürsten sich von der Wand losmachten und losrangen und in ihre offnen Erbbegräbnisse hineinzogen. Plötzlich kam der Taufengel hernieder und hatte die goldnen Flügel wie Arme um die Gipsbüste Herminens geschlagen und sank damit in den offnen Fußboden hinein. Ach, sagt' ich, ich weiß es schon, du bist gestorben, und man hat dein Angesicht mit Öl befeuchtet, um die Büste davon abzulösen. Jetzt wurd' es noch heller, und ein langer Blitz stand hinter mir, aber ich konnte mich nicht mehr umwenden und erwachte unter der Arbeit und vor Qual. – –«

Dieser Traum und das abgelösete Blech auf dem Tisch hielten mir das Entfliehen des Menschen und das häßliche Verschieben unserer Liebe so strafend vor, daß ich mich entschloß, heute die strengsten Reflexionen über mich – und darum eine kürzere Tagreise (nur bis Streitberg) – und um frei zu sein, mein satirisches Tagewerk der zweiten Auflage schon im Gasthofe zu machen. Der Verfasser dieses Buchs ist an jedem Tage, an den Regentagen unsers Lebens, an den Sterbetagen des Herzens, zu Satiren, wenigstens zur Ironie, wenn auch nicht zur Laune aufgelegt. – Doch mag er (das bekennt er) lieber bei elendem Wetter im Winter satirische Dornenhecken und im Frühjahr lieber idyllenartige Blumenparterre setzen, so wie umgekehrt der Stachelschweinmensch in London seine Stacheln bloß im Winter abwarf und deswegen nur in dieser Mausezeit seine Frau umhalsete.

Ich hob aus der besten Satire der Teufels Papiere – dem Vorschlage und Lobe der Selbstrezensionen S. 295 – folgende Stelle um so lieber aus, da sie mehr ab- als umgeschrieben zu werden braucht. Die blechenen Reimtafeln in Eremitage hatten mir die wählende Hand geführt.


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