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Vierzigstes Kapitel.
Marco Polo.

In dem bewunderungswürdigen Werke » The book of Ser Marco Polo« von Sir Henry Yule über die Reise des berühmten Venezianers, das Henri Cordier 1903 in dritter Auflage herausgegeben hat, befindet sich eine Karte von Westasien, auf der Marco Polos Reise angegeben ist. Seine Route durchschneidet ganz Ostpersien, von Hormus gerade nordwärts über Kirman, Cobinan und Tebbes nach der Gegend zwischen Sebsewar und Schahrud, von wo aus seine Straße in rechtem Winkel nach Osten geht, über Sebsewar und Mesched nach Zentralasien hinein.

Marco Polo gibt folgende, ebenso kurzgefaßte wie zutreffende Beschreibung der persischen Wüste (s. Yule, a. a. O., I, 123 fg.):

»Wenn man die Stadt Kirman verläßt, findet man den Weg sieben Tage lang sehr ermüdend; und ich will erzählen, wie es sich damit verhält. Die ersten drei Tage findet man kein Wasser, oder fast gar keines. Und das bißchen, das man antrifft, ist eine bittere, grüne Flüssigkeit, so salzig, daß kein Mensch sie trinken kann … Dasselbe gilt von dem Salz, das sich aus diesen Strömen bildet; keiner wagt, es zu verwenden … Darum ist es notwendig, daß man für die Leute Wasser mitnimmt, und zwar genug für die drei Tage; was die Tiere angeht, so müssen sie notwendigerweise von dem. schlechten Wasser, von dem ich gesprochen habe, trinken, denn es gibt keinen andern Ausweg, und ihr großer Durst zwingt sie dazu. Dies reibt sie aber so sehr auf, daß sie zuweilen daran sterben. In allen diesen drei Tagen stößt man nirgends auf eine menschliche Wohnung; es ist dort lauter Wüste und die allergrößte Dürre. Nicht einmal wilde Tiere leben dort, denn es gibt dort nichts für sie zu fressen. – Nach diesen drei Tagen Wüsten kommt man an einen Bach frischen Wassers, der unter der Erde fließt; aber an ihm entlang sind hier und dort Löcher im Boden, vielleicht vom Strome unterminiert, und durch diese Löcher kann man diesen sehen. Er hat reichlichen Zufluß, und Reisende, die nach den Anstrengungen der Wüste müde sind, ruhen hier aus und erquicken sich und ihre Tiere. – Dann kommt man in eine zweite Wüste hinein, die sich vier Tage weit erstreckt; sie ist der vorigen sehr ähnlich, mit der Ausnahme, daß man hier Wildesel sieht. Und am Ende dieser vier Tagereisen durch die Wüste hört das Königreich Kirman auf, und man findet eine andere Stadt, die Cobinan heißt. – Wenn man diese Stadt Cobinan verläßt, befindet man sich wieder in einer Wüste von ungeheurer Trockenheit, die etwa acht Tage weit reicht; hier sind weder Feldfrüchte noch Bäume zu schauen, und das Wasser, das es hier gibt, ist bitter und schlecht, so daß man sowohl Lebensmittel wie Wasser mitnehmen muß. Die Tiere müssen infolge ihres großen Durstes das schlechte Wasser trinken, ob sie wollen oder nicht. Nachdem die acht Tage vorüber sind, gelangt man in eine Provinz, die Tonocain heißt. Sie besitzt eine ganze Menge Städte und Dörfer und bildet das äußerste Ende Persiens nach Norden hin.«

Die drei Namen Kirman, Cobinan und Tonocain gibt es noch heute auf der Karte von Persien, und der einzige Unterschied gegen früher ist, daß Kirman kein Königreich, sondern eine Provinz ist, Kuh-benan nicht eine große Stadt, sondern ein von Maulbeerbäumen und Gärten umgebenes Dorf ist und die Provinz Tun-o-Kain jetzt Tun-we-Tebbes genannt wird. Was die dazwischenliegenden Wüstengebiete betrifft, so paßt Marco Polos Beschreibung heute noch ebenso gut auf sie wie im Jahre 1272. Der Bach mit einer Reihe Löcher und Brunnen, den er erwähnt, ist ein gewöhnlicher Bewässerungskanal oder »Kanal«. Das Wasser der natürlichen Brunnen ist für den Magen heute noch ebenso gefährlich wie dazumal.

Aus der kurzgefaßten Beschreibung ergeben sich nur drei geographische Punkte; aber welchen Weg Marco Polo zwischen Kuh-benan und Tun-o-Kain eingeschlagen hat, ist schwer zu sagen. Yule nimmt an, daß er über Tebbes in Tun-o-Kain eingetreten sei. Lord Curzon in seinem Werk » Persia« (II, 248) ist der Ansicht, daß Marco Polos Route östlicher liege und er den nördlichen Teil der Descht-i-lut durchquert habe.

Sir Frederic Goldsmid spricht in den » Proceedings of the Royal Geographical Society«, XII (1890), S. 586, die Vermutung aus, daß Marco Polo auf seiner Reise von Kuh-benan nach Tebbes und weiter nach Norden »wahrscheinlich wohl einen Teil der Kewir berührt haben werde«. Er findet, daß Marco Polos Beschreibung der achttägigen Wüstenreise den Erfahrungen, die Reisende neuerer Zeiten in der großen Kewir gemacht haben, gar nicht unähnlich ist.

Major Sykes in seinem Werke » Ten thousand miles in Persia«, sagt (S. 273): »Dieser Teil der Lut ist noch nicht wieder besucht worden, aber ich weiß, daß er durch und durch Wüste ist, und es ist so gut wie sicher, daß Marco Polo seine letzten unangenehmen Erfahrungen in Tebbes, 150 englische Meilen von Kuh-benan, machte.«

Nach einer neuen Reise und einem Besuch in Tebbes hat Sykes seine Ansicht dahin geändert, daß er nun glaubt, Marco Polo sei von Kuh-benan über Naibend nach Tun gegangen. »Ich möchte behaupten,« sagt er im » Geographical Journal«, XXVI, S. 465, »daß diese Ansicht es fast als sicher erscheinen läßt, daß Marco Polo nach Tun reiste, da ja Tebbes westlich von der Hauptstraße liegt«. In der Beschreibung seiner fünften Reise in Persien spricht Sykes im » Geographical Journal«, XXVIII, S. 562, noch einmal die Vermutung aus, daß Marco Polo über Naibend gereist sei und auf der die interessante Abhandlung begleitenden Kartenskizze ist auch die Route des venezianischen Reisenden über Naibend gelegt.

Dieselbe Vermutung hatte schon Oberst C. E. Stewart in den » Proceedings of the R. Geogr. Society«, VIII (1882), S. 144, ausgesprochen, der auf seiner großen Reise durch Ostpersien ebenfalls Naibend besucht hat. Er sagt hierüber: »Es interessierte mich sehr, von Kuh-benan erzählen zu hören, da dies einer der Orte ist, den Marco Polo als auf seiner Route liegend erwähnt. Ich kann nicht umhin zu glauben, daß der Weg, den Marco Polo von Kirman nach Kain zurücklegte, die über Naibend führende Straße ist. Marco Polo spricht von Tun-o-Cain, was, wie Oberst Yule unwiderleglich nachgewiesen hat, ›Tun und Kain‹ bedeutet. Gegenwärtig gehört Tun nicht zum Distrikt Kain, sondern zu dem von Tebbes und wird immer Tun-o-Tebbes genannt; und wenn es, wie es meines Erachtens der Fall war, ehemals zum Kaindistrikt gehörte, so ist es damals auch Tun-o-Kain genannt worden, wie Marco Polo es nennt. Durch Naibend geht sowohl nach Tun wie nach Kain der kürzeste und beste Weg.«

Mehrere Reisende haben in neuerer Zeit Kuh-benan besucht. Marco Polos Beschreibung dieses Ortes (s. Yule, a. a. O., I, 125) lautet: »Cobinan ist eine große Stadt. Die Bewohner verehren Mohammed. Es gibt dort viel Eisen und Stahl und Ondanique, und sie machen Stahlspiegel von bedeutender Größe und Schönheit. Sie stellen auch Tutia und Spodium her.« Dann folgt eine Schilderung der Herstellungsmethode.

Hier brauchen wir auf Yules und Cordiers erschöpfende, gründliche Anmerkungen zu diesem Absatz nicht einzugehen. Houtum-Schindler, Sykes und andere haben wichtige Beiträge dazu geliefert. Über die Stadt selber sagt Yule: »Wir können sicher sein, daß es jetzt bei Kuh-benan keinen Ort gibt, der als große Stadt bezeichnet zu werden verdient, und es ist auch nicht recht glaubhaft, daß es zu Marco Polos Zeiten dort eine solche gab.« Daß es indessen sogar schon zweihundert Jahre vor jener Zeit dort wirklich eine Stadt gab, beweist folgendes Zitat aus Makdisi: »Koh-benan ist eine kleine Stadt mit zwei Toren und einer Vorstadt, in der sich Thermen und Gasthäuser befinden; bei einem der Tore ist die Moschee. Die Stadt ist von Gärten dicht umgeben, und das Gebirge ist nahe. Der Basar ist klein, und es gibt dort wenig Wissenschaft und Strenggläubigkeit. Auf zwei Tagereisen vor und nach Koh-benan sind viele Kuppeldächer und Zisternen.« Bei Jakut heißt es: »Kobenan ist eine Burg in Karman, zu der auch der Ort Behabadh gehört, wo man Tutia bereitet und verkauft«; und »Vehabadh ist ein Ort in Karman; hier und in Kobenan beschäftigt man sich mit der Erzeugung von Tutia, welcher Stoff in alle Welt verschickt wird …« (S. Tomaschek, Zur historischen Topographie von Persien, II, 47.)

Hier wird also Kuh-benan als dieselbe Industrie wie Baabad ausübend erwähnt, und es ist daher glaublich, daß die beiden Orte beständig miteinander in Verkehr standen und daß ein Reisender, der nordwärts gehen wollte, leicht auf den Gedanken verfallen konnte, von Kuh-benan die Straße nach Baabad einzuschlagen. Tomaschek glaubt nicht, daß Marco Polo über Serend reiste, da er sieben Tagereisen durch Wüste auf dem Wege nach Cobinan zurücklegte. Dieser Schluß erscheint mir jedoch vorschnell, da ja der Venezianer gerade von der erquickenden Rast auf der Hälfte des Weges spricht.

Da sogar Sykes, der Persien jahrelang nach allen Richtungen hin durchreist hat, trotzdem nicht mit voller Bestimmtheit entscheiden kann, ob Marco Polo auf der westlichen Straße über Tebbes oder auf der östlichen über Naibend gereist ist, so erkennt man leicht, wie schwierig die Wahl zwischen den beiden Wegen ist.

Die Gründe, die Sir Henry Aule zugunsten des westlichen Weges anführt, kann ich hier nicht aufzählen, es würde zu weit führen. Statt dessen will ich den Grund für meine Überzeugung, daß Marco Polo die direkte Karawanenstraße zwischen Kuh-benan und Tebbes benutzt hat, auseinandersetzen.

Der Umstand, daß die Hauptstraße über Naibend führt, ist kein Beweis; denn wir finden nicht nur in Persien, sondern auch in Zentralasien, daß Marco Polo alles, was bequeme, sichere Straße hieß, mit souveräner Verachtung betrachtete.

Die Entfernung zwischen Kirman und Kuh-benan beträgt in gerader Linie 165 Kilometer. Marco Polo hat diese Strecke in sieben Tagen zurückgelegt, ist also täglich kaum 24 Kilometer marschiert. Von Kuh-benan nach Tebbes beträgt die Entfernung 240 Kilometer, auf acht Tagereisen also 30 Kilometer. Von Kuh-benan über Naibend nach Tun sind es dagegen 330 Kilometer oder täglich 41 Kilometer. In jedem Fall merkt man an dem forcierten Marschtempo, daß Marco Polo von Kuh-benan an in eine Gegend gelangte, wo die Entfernungen zwischen den Brunnen bedeutend zugenommen haben.

Ist er auf der östlichen Seite gereist, so hat er bedeutend längere Tagemärsche gemacht als auf der westlichen. Auf dem östlichen Weg wären die Entfernungen zwischen den Brunnen am größten. Major Sykes ist selbst diesen Weg gereist, und aus seiner detaillierten Beschreibung dieser Reise erhält man nicht den Eindruck, daß auf dieser Straße besondere Schwierigkeiten zu überwinden gewesen wären. Mit Pferden ist es keine Kunst, acht Tage hintereinander täglich 41 Kilometer zu reiten; mit Kamelen tut man es nie. Daß ich zwischen dem Haus-i-Hadschi-Ramasan und Sadfe 68,5 Kilometer in einem Tag zurücklegte, geschah nur wegen der Gefahr eines Regens in der Kewir, und länger als zwei Tage ist ein so forcierter Marsch kaum denkbar. Ohne Zweifel hat Marco Polo auf seinen langen Wüstenreisen im östlichen Persien Kamele benutzt, und selbst wenn er mit solchen Tieren gereist wäre, die 330 Kilometer in acht Tagen hätte zurücklegen können, hätte er es doch niemals nötig gehabt, denn auf der Hauptstraße über Naibend und Duhuk nach Tun gibt es zur Genüge Wasser. Wäre er über Naibend gezogen, so hätte er sich jedenfalls nicht so schrecklich zu beeilen brauchen. Er würde dann wahrscheinlich dieselbe Marschgeschwindigkeit beibehalten haben, mit der er den Weg von Kirman nach Kuh-benan machte. Diese Strecke legte er in sieben Tagen zurück. Weshalb hätte er die Strecke von Kuh-benan nach Tun, die genau doppelt so lang ist, in nur acht Tagen zurücklegen sollen, anstatt in vierzehn, da es doch ganz unnötig war! Daß er von Kuh-benan nach Tun-o-Kain wirklich in acht Tagen gereist ist, ergibt sich schon daraus, daß er diese Zahl zweimal nennt.

Er sagt auch ausdrücklich, daß man während dieser acht Tage weder Bäume noch Früchte sehe und daß man auf dieser Reise Wasser und Lebensmittel mitnehmen müsse. Diese Beschreibung paßt durchaus nicht auf die Naibendstraße, denn in Naibend findet man das vorzüglichste Wasser, herrliche Datteln und andere Früchte. Dann kommt noch Duhuk, das nach Sykes ein sehr bedeutendes Dorf mit einer alten Festung und ungefähr 200 Häusern ist. Nach der Abreise aus Duhuk nach Süden sagt Sykes in seinem Werke » Ten thousand miles in Persia«, S. 35: »Wir setzten unsere Reise fort und waren entzückt zu hören, daß auch bei unserer nächsten Raststelle ein Dorf lag, was beweist, daß dieser Teil der Lut tatsächlich dicht bevölkert ist.« Dies stimmt gar nicht mit Marco Polos Beschreibung überein.

Ich sehe es daher als wahrscheinlicher an, daß Marco Polo, wie Sir Henry Yule angenommen hat, von Kuh-benan entweder direkt nach Tebbes gegangen oder mit einem kaum nennenswerten Bogen nach Westen über das mittelgroße Dorf Baabad dorthin gezogen ist. Denn von diesem Dorf führt eine direkte Karawanenstraße nach Tebbes, und zwar auf dem ganzen Wege durch lauter Wüste. Marco Polo hat dann 240 Kilometer in acht Tagen zurückgelegt gegen 165 Kilometer zwischen Kirman und Kuh-benan in sieben Tagen. Er hat seine Marschgeschwindigkeit also täglich nur um sechs Kilometer zu vergrößern brauchen, und mehr ist auf der in Rede stehenden Straße auch gar nicht nötig.

Baabad liegt von Kuh-benan 58 Kilometer entfernt, in der Luftlinie gemessen. Erst jenseits von Baabad beginnt die eigentliche Wüste.

Um zu zeigen, daß wirklich eine Karawanenstraße Tebbes mit Baabad verbindet, will ich die Angaben, die mir in Tebbes und Fahanuntsch gemacht worden sind, in die erste und zweite Spalte der folgenden Tabelle eintragen und in die dritte die Namen einfügen, die man auf der Sechsblattkarte » Map of Persia, compiled in the Simla drawing office Survey of India 1897« wiederfindet.

Tabelle

Diese Angaben rühren von verschiedenen Gewährsmännern her, stimmen aber vorzüglich überein. Daß die Summe der Entfernungen in den ersten beiden Spalten verschieden ist, hat seinen Grund darin, daß Fahanuntsch dem Dorfe Baabad näher liegt als Tebbes. Einige Abweichungen in den Namen spielen keine Rolle. Burtsch bedeutet Burg oder Festung; Belutscha ist augenscheinlich Tscha-i-Belutsch oder der »Brunnen der Belutschi«, und es ist sehr wahrscheinlich, daß man an diesem Brunnen, den wohl Belutschiräuber öfter besuchten, in frühern Zeiten ein kleines Fort erbaut hat. Ser-i-dschulge und Cheirabad können zwei verschiedene, einander ganz naheliegende Lagerplätze sein. Die Chashma-sefid, die »weiße Quelle«, der englischen Karte ist entschieden derselbe Platz wie Sefid-ab, das »weiße Wasser«. Ihr God Hashtaki ist eine Verdrehung des persischen God-i-schah-taghi, die »Senke des königlichen Saxaul«. Dagegen ist ihr Khudafrin sehr apokryph. Es ist anscheinend Chuda-aferin oder »Gott sei gelobt!«, ein Ausruf, der sehr passend für den ist, der gerade an einer » sweet spring« mitten in der Wüste anlangt. Wenn ein Engländer diesen Weg gezogen wäre, so hätte er einen solchen Ausruf irrtümlicherweise für den Namen des Platzes halten können. Aber dann würde wohl auf der englischen Karte kaum » unsurveyed« auf gerade diesem Teil der Baabadwüste stehen.

Die Angaben, die ich über die von Tebbes nach Baabad führende Straße erhielt, waren freilich nur summarisch, aber dennoch sehr interessant. Gleich hinter Kurit durchschneidet die Straße einen 2 Farsach breiten Streifen Kewir, der ein Flußbett enthält, das Ende Februar mit Wasser gefüllt sein soll. Die Sefid-ab liegt zwischen Hügeln, und Burtsch in gebirgiger Gegend; südlich davon folgt wieder Kewir, hier aber kaum einen Farsach breit; man kann sie auf einem Umweg umgehen. Im God-i-schah-taghi wachsen, wie schon der Name sagt, Saxaulstauden. Die drei letzten Rastorte vor Baabad liegen alle in kleinern Gebirgen.

Diese Wüstenstraße führt also durch ein verhältnismäßig bergiges Land, überschreitet zwei kleine Kewirdepressionen oder Ausläufer einer und derselben Kewir, hat wenigstens an einer Stelle Weide und bietet keine erwähnenswerten Schwierigkeiten. Die Entfernung beträgt in gerader Linie 182 Kilometer, den 51 Farsach der Perser entsprechend, so daß also der Farsach in dieser Gegend nur 3,6 Kilometer lang ist, gegen 4,6 Kilometer in der großen Kewir. Die Karawanen, die durch die Baabadwüste ziehen, machen die Reise gewöhnlich in zehn Tagen, worunter mindestens ein Rasttag ist; also marschieren sie wenig mehr als 20 Kilometer den Tag. Wenn es nicht an allen den acht Lagerplätzen mehr oder minder salzhaltiges Wasser gebe, würden die Karawanen nicht so kurze Tagemärsche machen können. Es ist auch sehr wohl möglich, daß es an einer Stelle süßes Wasser gibt. Wo Saxaul wächst, kommt gewöhnlich auch Flugsand vor, und im Sande begrabene Brunnen pflegen meistens süßes Wasser zu geben.

Während meines Aufenthalts in Tebbes langte dort eine aus etwa 300 Kamelen bestehende Karawane aus Sebsewar an. Die Tiere waren mit »Naft« (Petroleum) beladen; die Karawane blieb in Tebbes liegen, um dort so lange zu warten, bis der erste Kewirstreifen nach dem letzten Regen wieder trocken wurde. Dann wollte sie auf der bereits beschriebenen Wüstenstraße nach Baabad und von dort nach Jezd ziehen. Diese Karawanenstraße, die Sebsewar, Turschis, Badschistan, Tun, Tebbes, Baabad und Jezd berührt, gilt als viel weniger gefährlich als der etwas kürzere Weg durch die große Kewir. Ich bin selbst durch einen Teil der Baabadwüste gezogen, wo ich nicht einmal den von den Karawanen benutzten Wegen folgte, und ich habe gefunden, daß diese Gegend durchaus nicht zu den schlimmsten in Ostpersien gehört.

Durch diese Auseinandersetzung glaube ich es in hohem Grade wahrscheinlich gemacht zu haben, daß Marco Polo nicht über Naibend nach Tun, sondern über Baabad nach Tebbes und erst von dort nach Tun und Kain gezogen ist. Seine eigene Beschreibung stimmt in jeder Hinsicht mit dem jetzigen Aussehen und den gegenwärtigen Eigenschaften der in Rede stehenden Wüstenstraße überein. Die Zeit von acht Tagen, auf die er den Weg zwischen Kuh-benan und Tun-o-Kain veranschlagte, macht es ebenfalls wahrscheinlich, daß er die letztere Provinz in Tebbes erreichte, selbst wenn er ein wenig schneller gereist ist, als die Karawanen es heutzutage zu tun pflegen. Der Umstand, daß er den Namen Tebbes nicht nennt, ist bedeutungslos; er nennt nur den Namen der Provinz und fügt hinzu, daß sie eine Menge Städte und Dörfer habe. Eine dieser Städte war Tebbes.

Die beiden folgenden geographischen Namen, die wir in Marco Polos Buch finden, sind Sapurgan und Balc, d. h. die Städte Schibirchan und Balch im nördlichen Afghanistan. Bevor er nach Sapurgan gelangt, durchreist er in sechs Tagen ein Land mit »feinen Ebenen und schönen Tälern und lachenden Abhängen mit vortrefflichen Grasweiden und einem Reichtum an Früchten und allen andern Produkten«. Und er hat hier »eine hübsche Zahl von Dörfern und Städten, deren Bewohner Mohammed bekennen« gefunden. »Manchmal stößt man auch auf ein Stück Wüste, das sich acht bis zehn Meilen oder auch wohl etwas weniger weit erstreckt … Aber, nachdem man sechs Tage gereist ist, wie ich euch erzählt habe, kommt man nach einer Stadt, die Sapurgan heißt.«

Hieraus scheint deutlich hervorzugehen, daß die sechs Tagereisen in herrlichem Lande unmittelbar vor Marco Polos Ankunft in Sapurgan zurückgelegt worden sind. Dazu sagt Sir Henry Yule in einer Anmerkung a. a. O. I, 150: »Ob nun der wirkliche Weg, wie ich annehme, über Nischapur und Mesched führt oder, wie Chanikoff annimmt, über Herat und Badghis geht, so ist es doch sonderbar, daß nicht eine dieser berühmten Städte genannt ist. Wir sehen uns zu der Annahme genötigt, daß etwas beim Diktieren mißverstanden worden oder verloren gegangen sein muß.« Yule verlegt die sechs Tage herrlichen Landes in das Gebiet zwischen Sebsewar und Mesched und ist der Ansicht, daß Marco Polos Beschreibung wenigstens hinsichtlich des ersten Marschtages hinter Nischapur vortrefflich mit der übereinstimme, die Fraser und Ferrier gegeben haben.

Ich bin im Herbst 1890 auf der Straße von Sebsewar nach Mesched gereist und kann nicht finden, daß Marco Polos Beschreibung auf sie paßt. Er spricht ja von sechs Tagen durch schöne Täler und lachende Berge. Im Osten von Sebsewar kommt man in eine Einöde, die allerdings in eine fruchtbare Gegend mit vielen Dörfern übergeht. (Vgl. mein Werk » Genom Khorasan och Turkestan«, I, 123 fg.) Dann hat man im Süden eine grenzenlos öde Steppe. Bei dem Dorfe Seng-i-kal-i-deh tritt man in kupiertes Gelände mit gewaltigen Schafherden ein. »Die erste Strecke des Weges zwischen Schurab und Nischapur führte uns durch eine vollständige Wüste … Aber die Landschaft veränderte bald ihr Aussehen, die Einöde ging nach und nach in angebaute Gegenden über, und wir ritten an mehrern Dörfern vorüber, die von Feldern und Gärten umgeben waren … Wir traten hier in Chorassans fruchtbarstes und bevölkertstes Gebiet ein, in dessen Mitte die Stadt Nischapur liegt.« Über die Gegend im Osten von Nischapur sagte ich a. a. O.: »Hier gibt es unzählige Dörfer. Die Ebene und die Bergabhänge sind damit übersät. Diese Gegend ist außerordentlich reich bevölkert und gut angebaut.« Dann aber nahm die Herrlichkeit wieder ein Ende, und über die letzte Tagereise von Kademgah nach Mesched schrieb ich: »Das Terrain stieg, und wir traten in ein labyrinthisches Gewirr niedriger Hügel ein … Die Gegend war außerordentlich öde und kahl. Allerdings sah man mehrere Schafherden, aber es blieb mir ein Rätsel, wovon die fetten, dicken Schafe lebten … Die öde Landschaft wurde immer mehr durch Reisende belebt … Nach Osten hin erstreckt sich eine wellenförmige Steppe bis an die Grenze von Afghanistan.«

Die Straße zwischen Sebsewar und Mesched ist, mit einem Wort, so beschaffen, daß Marco Polos ungewöhnlich begeisterte Schilderung der sechs Tage nicht auf sie paßt. Wenn diese unmittelbar von Sapurgan aus zurückgelegt worden wären, ließen sich die erwähnten Wüstengebiete auch nicht mit den Wüsten identifizieren, die sich um den mittleren Murgab herum zwischen Mesched und Schibirchan ausdehnen. Zuerst muß die Wüste durchquert worden sein; sie läßt sich mit der Nemeksar, der Salzwüste östlich von Tun und Kain, identifizieren. Die sechs Tage muß er in den Bergketten des Paropamisus, Firus-kuh und Bend-i-Turkestan zugebracht haben. Marco Polo pflegt seine Leser sonst nicht mit Beschreibungen von Gebirgsgegenden zu verwöhnen, aber gerade hier redet er von Bergen, Tälern und reichen Weideplätzen. Da er sichtlich die Absicht hatte, seine Reise bis in das Herz Asiens auszudehnen, wäre ein Umweg über Sebsewar ebenso unnötig wie unangebracht gewesen. Wäre er nach Sebsewar, Nischapur und Mesched gereist, so würde er, selbst bei der nicht so genauen Feststellung der politischen Grenzen in jener Zeit, schwerlich die Provinz Tun-o-Kain »das äußerste Ende Persiens nach Norden hin« haben nennen können.

Von Balch geht seine wunderbare Reise nach Osten weiter, und wir verlassen ihn daher. Gerade über Ostpersien ist seine Beschreibung so knapp gefaßt, daß sie mancherlei Vermutungen freien Spielraum läßt. Ich habe hier nur einige neue Gesichtspunkte hervorheben wollen. Ihren großen Wert hat Marco Polos Schilderung der persischen Wüste stets schon allein dadurch, daß sie die physische Unveränderlichkeit dieser Wüste während eines über 600 Jahre langen Zeitraumes bekräftigt. Sie war damals ebenso arm an Oasen wie jetzt, und das Wasser der Quellen war damals nicht weniger salzig, als es in unsern Tagen ist.


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