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Wenn das Minimum in der Nacht 21,3 Grad betragen hat, kann man vom Tag nicht viel Gutes erwarten. Die Sonne ging strahlend klar auf, versteckte sich aber schon um 7 Uhr hinter Wolken – man segnet diese natürlichen Sonnenschirme und wünscht nur, daß sie so lange halten möchten, bis man das nächste Bungalow erreicht. Sie dämpfen auch die Beleuchtung; im Sonnenschein werde ich selbst mit doppelter Schneebrille durch die ungeheuer starken Reflexe vom Boden beinahe geblendet.
In Begleitung Newenks, der die Karawane während der Nacht verlassen hatte und zu mir zurückgekehrt war, brachen wir um 6 Uhr auf und ritten gerade nach Osten. Rechts haben wir einen niedrigen Kamm, links einen etwas höhern, aber das Terrain fällt nach Norden ab, und die Erosionsrinnen aus dem südlichen Gebirge durchbrechen das nördliche. Der Boden ist ein wenig kupiert und mit grünviolettem Grus aus Kalkstein, Tuff und schlackigem, verwittertem Porphyr bedeckt, alles Gesteine, die in einiger Entfernung anstehend vorkommen.
Wie ist dieses Land doch so trostlos einförmig! Ganze Stunden weit verändert sich sein Aussehen nicht, und ich kann ruhig auf meinem Dromedar sitzen und lesen. Was mich am meisten interessiert, ist das Wetter; im Osten regnet es auf einem kleinen Fleck, aber im Süden ist der Himmel klar geworden. Wenn wir doch die Station noch erreichten, ehe die Wolken über uns ebenfalls verschwinden! Ich freue mich über jeden Tag, den ich auf dieser endlosen Straße nach Osten hinter mir habe. Es summt in den Telegraphendrähten neben dem Wege, politische Geheimnisse laufen durch diesen Draht hin und her.
Schon vor 9 Uhr ist es im Zenit ganz klar, und um 1 Uhr sind es 33,2 Grad im Schatten. Dann und wann fliegt eine Bremse wie ein Pfeil durch die Luft, saust einmal um das Dromedar herum und verschwindet wieder. Wir reiten an einem ziemlich hohen, isolierten, auf der Nordseite der Straße liegenden Bergstock vorüber, der Kuh-i-delil heißt. Links wird das Land offener, mit vereinzelten kleinen Bergen. Hier senkt sich das Gelände nach Süden; wir befinden uns also auf einer Anschwellung der Erdoberfläche, die nordwärts nach dem God-i-Sirre und südwärts nach dem Hamun-i-Maschkil entwässert wird.
»Dort haben wir das Bungalow der Station Humei«, diese langersehnte Ankündigung des Führers läßt sich endlich hören. Kaum sind wir vor der Tür dieses in 1002 Meter Höhe gelegenen Zufluchtsortes angelangt, als ich auch schon nach dem Badezimmer eile. Das Haus war kleiner als die, welche ich bisher besucht hatte, wurde aber außerordentlich in Anspruch genommen, denn bald nach mir traf Mr. Ogilvie mit sechs Soldaten und einem Transport von 25 Dromedaren aus Quetta ein. Er war ein sehr sympathischer, liebenswürdiger junger Mann, der in seiner Eigenschaft als Großbritanniens »erster Konsul« in Bam dorthin reiste, um sein neues Amt anzutreten, eine richtige Deportation, denn in Bam sollte er als einziger Europäer hausen.
Noch ein dritter Reisender hielt sich in Humei auf, der Kaufmann Suliman Dschi, der auf 100 Dromedaren indische Waren nach Seïstan beförderte. Er hatte gerade einen Brief von Aschref Chan erhalten, der ihn vor der Pest warnte und ihm mitteilte, daß die Bewohner von Seïstan entweder tot oder geflüchtet seien. Ogilvie riet ihm, mit seinen Waren lieber nach Bam und Kirman zu gehen.
Am 1. Mai wurde später als gewöhnlich aufgebrochen. Wir waren noch nicht weit gelangt, als ich merkte, daß Newenk fehlte; als wir ihn riefen, kam einer der Leute der Station und brachte ihn; er lief aber nur eine kleine Strecke mit uns. An einem schattenspendenden Strauche kratzte er den Sand auf, legte sich in die Grube und gehorchte nicht, als wir ihn riefen. Er mußte also seinem Schicksale überlassen werden; er fühlte wohl selbst am besten, daß er noch einen so glühenden Tag nicht würde überstehen können. Am Morgen hatte ich ihn zum letztenmal mit Brot und dem Besten meines Frühstücks traktiert, und nun mußte mein treuer Hund, der mich von Kerim Chan an begleitet hatte, andern Schicksalen entgegengehen, dachte ich, als ich ihm noch einen Abschiedsblick zuwarf.
Der Tagemarsch führte durch ebenso ödes Land wie bisher, zwischen roten und schwarzen Bergen aus graugrünem Diabas, Kalkstein und Granit, öden Dünen, dunkelm Grus und spärlichen Steppenpflanzen hin (Abb. 273). Bei der Quelle Meschki-tscha in 938 Meter Höhe gibt es eine Windmühle, einige Palmen – ein ebenso außergewöhnlicher wie belebender Anblick – und ein treffliches Bungalow. Die Palmen wachsen neben einem Wallfahrtsorte namens Siaret-i-Sultan, mit einer Steinmauer, zwei Grabmälern und den üblichen flatternden Lumpenwimpeln. Übrigens hat der Ort Meschki-tscha Post und Telegraph, und ich erhielt einen freundlichen Gruß von Major Benn in Nuschki, der mir mitteilte, daß die »Tanadare«, die Stationsvorsteher, auf dem Wege Befehl erhalten hätten, mir in jeder Weise zu Diensten zu stehen. Es gibt dort auch ein Serai und einen Laden; wir konnten Schafe, Hühner, Eier, Milch und Zucker kaufen und lebten herrlich und in Freuden. In der Umgegend gibt es mehrere Quellen, die aber alle mehr oder weniger salzhaltig sind. Bei einer dieser Quellen, die beim Siaret-i-Sultan entspringt, betrug die Temperatur im Quellenmunde 22 Grad; sie bildete ein natürliches Becken, aus dem die Dromedare zu trinken pflegen. In einiger Entfernung liegt auf der Nordseite des Bungalow auch eine Quelle mit gutem, süßem Wasser, aus der wir vier Gummischläuche für meinen persönlichen Bedarf füllten; die Belutschi stört es nämlich durchaus nicht, auf den beiden folgenden Stationen salziges Wasser trinken zu müssen, aber Reisende, die nicht an den Genuß salzhaltigen Wassers gewöhnt sind, sollen sich dadurch recht unangenehme Verdauungsstörungen zuziehen.
273. Auf dem Weg nach Nuschki. (S. 363.)
Wer erschien am Morgen in der Tür? Newenk, der so unbefangen hereinspazierte, als ob nichts vorgefallen sei. Mit dem Schwanze wedelnd, schien er mir zu raten, ja im Schatten zu bleiben, bis es wieder Winter und kalt sei. Die Freude des Wiedersehens war beiderseits sehr groß, und der Hund, der während der Nacht unserer Spur gefolgt war, erhielt gleich eine ordentliche Mahlzeit und Wasser. Ich sah es als selbstverständlich an, daß er uns künftig nachts nachlaufen werde. Doch als wir am Morgen des 2. Mai aufbrachen und er im Bungalow liegen blieb, wurde es mit der Trennung Ernst; ich habe ihn nicht wieder gesehen. Ich ordnete vor meiner Abreise noch an, daß die Leute der Station ihn, falls er dort bleibe, gut behandeln und ihn mit einer Karawane nach Persien zurückschicken sollten.
Bei Meschki-tscha geht es über ein tiefes Erosionsbett, das Rud-i-roghane heißt, aus dem Damudimgebirge kommt und sich nach Südsüdosten hinzieht. Am Morgen wehte es ein wenig, und der Himmel war betrübend klar, obendrein haben wir die Sonne gerade im Gesicht. Zwischen Osten und Westen ist der Horizont so gleichmäßig gerade wie ein mit dem Lineal gezogener Strich, und so weit der Blick reicht, läuft die Straße schnurgerade nach Ostsüdosten. Man hat freilich sein Bestes getan, um den Grus beiseite zu räumen, damit der Weg gangbar bleibe, aber der Boden ist hart und bedeckt sich immer von neuem mit scharfkantigem Grus, der die Fußschwielen der Dromedare stark mitnimmt. Einer unserer Leute ging barfuß, aber auch seinen gegerbten Fußsohlen war der Boden doch zu reibeisenähnlich, und er zog seine Schuhe wieder an.
So bleibt die Landschaft eine Stunde um die andere. Auf der rechten Seite der Straße zieht sich ein schmaler Dünengürtel hin, der sich langsam von ihr entfernt. Infolge einer Luftspiegelung scheint er am Ufer eines Sees zu liegen, in dessen ruhiger Wasserfläche die Dünen sich spiegeln – jedoch so, daß die Spiegelbilder mehrfach höher sind als die Originale.
Wieder vergehen zwei Stunden. Die Landschaft ist unbeweglich dieselbe. Die niedrige, gelbe, pyramidenförmige Spitze des Kuh-i-Sultan thront auf einer roten, scharfgipfligen Kette mit sanft abfallendem Schuttkegel. Im Süden dehnt sich in immer größer werdender Entfernung die endlose Wüste mit ihren Dünen aus. Saatkrähen sitzen auf den Isolatoren der Telegraphenstangen und fliegen vor uns von einer Stange zur andern. Hin und wieder stoßen wir auf den vertrockneten Kadaver eines mit zurückgebogenem Halse verendeten Dromedars – gescheiterte Wüstenschiffe!
Noch zwei Stunden; es ist 1 Uhr, und das Schleuderthermometer zeigt 36,9 Grad im Schatten! Man sieht die Luft vor sich in dieser Glut zittern. Hin und wieder ein seichtes Bachbett mit einigen verdorrten Grasbüscheln. Zweimal geht es an kleinen, dachlosen Moscheen oder Bethäusern einfachster Art vorüber. Ringsherum ein Kreis schwarzer Steine und an der Mekkaseite ein niedriger Steinhaufen oder Altar, das ist alles; ein kleiner, mit Steinen eingehegter Pfad führt von der Straße in das Rondell hinein, wo Wanderer ihre Andacht verrichten können, ehe die Sonne untergegangen ist.
Dort hinten in der Ferne zeigt sich das Bungalow der Station Kundi (753 Meter Seehöhe); es scheint ein wenig über dem Horizont zu schweben – die Luftspiegelung macht sich wieder geltend. Noch immer tote Dromedare, die auf dem Heimweg zusammengebrochen sind; zwei Raben halten bei den verwesenden Resten Wache.
Die nächste Tagereise bringt keine Abwechslung. Die Landschaft bleibt, wie sie gestern war; der einzige Unterschied besteht darin, daß die Telegraphenstangen jetzt an der rechten Seite der Straße stehen! Im Norden haben wir niedrige Berge, im Süden fällt das Terrain außerordentlich langsam nach dem Hamun-i-Maschkil ab. Wir reiten nordostwärts; es ist völlig windstill, und wir reiten schnell, um wenigstens das Gefühl leichter Zugluft zu erzielen. Und doch ist die Luft so ruhig, daß man eine brennende Kerze in der Hand halten könnte. Um 1 Uhr sind es in 766 Meter Höhe im Schatten 39,9 Grad; man kann sich einbilden, geradewegs in einen Ofen hineinzumarschieren, und es wird einem schwarz vor den Augen. Die große Hitze ist mit einem Schlag über uns gekommen, und wir haben von den uns noch bleibenden Reisetagen nicht viel Gutes zu erwarten. Die Frühstücksrast unterbricht die Einförmigkeit des Tages ein Weilchen. Aber eine ungetrübte Auffrischung ist auch sie nicht. Ein Mantel wird auf der Erde ausgebreitet, aber der Boden ist so glühend heiß, daß man ebensogut auf einem geheizten Kochherd sitzen könnte. Das Wasser ist schal, und sein unangenehmer Beigeschmack macht sich geltend; aber mit Hilfe der Kakes und der Marmelade bringt man es hinunter und kann nachher transpirieren.
Wir sind im Bungalow der Station Trato in 777 Meter Höhe angelangt. Ihr Brunnen ist 2,48 Meter tief; die Temperatur des Wassers beträgt 22,4 Grad. Um 7 Uhr beginnt es heftig aus Nordnordwesten zu wehen, aber noch um 9 Uhr haben wir 27,4 Grad. In der Badewanne sind es 23 Grad, aber im Bungalow kann man in dieser trocknen, drückenden Hitze ersticken, und ich ließ deshalb mein Bett ins Freie bringen und lag beinahe nackt darin, um vom Winde gekühlt zu werden. Doch der Wind war trügerisch; lange vor Mitternacht war die Luft wieder ruhig, ich wurde von den Mücken angegriffen und mußte unter die Filzdecke kriechen. Man hätte an diese Stationshäuser Treppen anbauen sollen, die zu einem flachen Dache hinaufführen, wo man im Sommer besser der Zugluft ausgesetzt sein und sich ein wenig über dem erhitzten Erdboden befinden würde.
Weshalb bereisen die Engländer diese Handelsstraße nicht mit Automobilen? In rasender, ungehemmter Geschwindigkeit würde man über die ebene Wüste hin in einigen Stunden von Nuschki nach Rabat fahren können.
Schon kurz nach Sonnenaufgang ist es glühend heiß; keine Wolken, kein Wind, aber ein leichter Dunstnebel schwebt über der Erde. An diesem südlichen Himmel klettert die Sonne so hoch, daß der Nebel die Hitze nicht zu dämpfen vermag; nur die Landschaft wird durch ihn undeutlicher, und die kleinen Gebirge in der Ferne verschwinden.
Grau, unfruchtbar und öde! Man kann sich eine so von Gott verlassene Gegend wie diese kaum denken. Nach zwei Stunden überschreiten wir einen magern Steppengürtel (Abb. 274), wo auf jedem Büschelchen grünlichgelbe Heuschrecken in dicken Trauben aufeinander sitzen und eine kleine Strecke weiter hüpfen, wenn wir sie in ihrer Ruhe stören. Bremsen verfolgen die Dromedare, und Stechfliegen plagen und kitzeln sie in der Nase, so daß sie beständig schnauben und keuchen, um diese eigensinnigen Quälgeister loszuwerden.
274. Ein magerer Steppengürtel. (S. 367.)
Ein Gürtel außerordentlich regelmäßiger Dünen kreuzt unsere Straße. Sie sind 3–4 Meter hoch, stehen etwa 100 Meter voneinander und sind nirgends zusammengewachsen. Die Zwischenräume zwischen den einzelnen Dünen sind völlig sandfrei; nur hier und dort ist ein Dromedarskelett in Flugsand eingebettet. Die Dünen sind halbmondförmig, aber ihre Hörner ziehen sich sehr lang nach der Leeseite hin, und ihre ganze Lage läßt den Einfluß des Nordnordwestwindes erkennen. Die Dünengesellschaft ist also auf der Wanderung nach Südsüdosten begriffen. Wahrscheinlich bilden sie sich in einiger Entfernung von hier irgendwo im Norden, und weiter südwärts werden sie sich irgendwo auflösen und verschwinden. Aber gerade in der Gegend, wo sie die Heerstraße kreuzen und zufällig alle Bedingungen ihrer Entstehung vorhanden sind, werden sie vom Winde modelliert. Es sind vorübergehende Bildungen; sie ziehen wie Märchenschiffe über das Meer der Wüste hin. Wenn es ruhig ist, liegen sie still und regungslos wie Holzklötze; wenn es heftig weht, umwirbelt sie ihr eigener Sand, und sie setzen dann ihren Zug nach Südsüdosten fort.
Eine der größten Dünen lag jetzt gerade mitten auf der Straße und versperrte den Weg; infolgedessen zweigte sich dort ein Pfad von der Straße ab, der links um die Windseite der Düne herumführte. Der Pfad war so ausgetreten, daß man sah, daß die Düne sich schon seit langer Zeit nicht in erwähnenswertem Maße weiterbewegt hatte. Zwanzig Meter seitwärts von diesem Pfade war noch ein zweiter, älterer Pfad, der deutlich erkennen ließ, daß die Düne um eben diese Meterzahl vorgerückt war. Es bedarf nur der Stürme eines einzigen Sommers, um diesen Sandhaufen wieder von der Straße hinunterzubringen.
Eine andere Düne kreuzte die Telegraphenlinie gerade zwischen zwei Stangen. Der höchste Teil ihres rundgebogenen Kammes würde den Draht berührt haben, wenn man nicht mitten auf dem Kamm einen provisorischen Galgen errichtet hätte, um den Draht zu heben.
Wir zogen durch drei Dünenstreifen. Sie scheinen insofern von der Gestalt des Bodens unabhängig zu sein, als sie, ohne nennenswerten Sandverlust zu erleiden, 2 Meter tiefe Erosionsrinnen kreuzten. Es weht ein wenig, und hin und wieder segelt eine dichte Trombe gelben Sandes lautlos wie ein Gespenst nach Ostnordosten. Eine solche Trombe stand einen Augenblick mitten auf dem Kamm einer Düne still, drehte sich dort wie ein Kreisel um sich selbst und zog wie eine Saugpumpe den Sand aus der scharfen Kammlinie heraus. Es sah genau so aus, als ob aus der Düne Rauch aufsteige, und in der glühenden Hitze konnte man beinahe erwarten, Flammen herausschlagen zu sehen. Ein anderer Zyklon wirbelte mit solcher Heftigkeit gerade über uns hinweg, daß die Dromedare zu laufen begannen, um seiner Umarmung zu entrinnen; man mußte die Knie sehr fest anstemmen, um nicht vom Dromedar hinabgeweht zu werden.
Beinahe unheimlich still, hell und heiß umgibt die Wüste auf allen Seiten das kleine Bungalow Tscha-sindan, das in 933 Meter Höhe liegt. Man konnte auf dieser Station nur Milch erhalten, aber man zürnt ihr wegen ihrer Armseligkeit nicht, wenn man an ihr vorzügliches Wasser denkt, das beste, das ich seit dem Hilmend getrunken habe. Der Brunnen ist etwas tiefer als 9 Meter, und das Wasser hatte eine Temperatur von 23,1 Grad. Auch andere Brunnen gibt es in der Nähe. Man trinkt große Mengen, man transpiriert ungeheuer, man nimmt den ganzen Tag ein kostenloses Dampfbad, und die Poren werden nur zu sehr offen gehalten, es tropft förmlich aus ihnen. Das erste Bad nach der Ankunft ist der schönste Augenblick des ganzen Tages; daß man diesen Genuß haben kann, ist beinahe die stundenlange Qual wert. Hierauf sitze ich im Lehnstuhl, und um 7 Uhr gehe ich hinaus, um die Karawane, die Riza stets begleitet, abmarschieren zu sehen.
Aus schwedischen Zeitungen habe ich mir einen Stanleyhut gemacht, der mehr praktisch als hübsch ist. Ich habe Zeitungsblätter in lange Bahnen gefaltet, sie spiralförmig gerollt und, eine Schicht über der andern, zu einem Bienenkorb zusammengenäht.
Stundenlang kann ich den großen Käfern zusehen, die draußen auf dem Hofe Kugeln aus Dromedarmist nach den Aufbewahrungsstellen rollen, die diese ausdauernden kleinen Arbeiter in dem harten Lehmboden ausgekratzt haben. Sie gehen rückwärts und rollen die Kugeln mit den Hinterbeinen; bei kleinen Unebenheiten des Bodens gleiten die Kugeln wieder zurück, aber die Käfer machen sich sofort von neuem an die Arbeit und versuchen es immer wieder, die Kugeln über die höckerige Stelle hinüberzurollen, bis es ihnen gelingt. Sie lehren mich Geduld; einmal werde auch ich aus dieser Wüste herauskommen. Es gibt im südwestlichen Afghanistan eine Gegend, die »Höllenwüste« heißt. Der Name würde für Nordbelutschistan ebensogut passen.
Im Osten von Tscha-sindan führt ein großes Schwemmbett nach dem Hamun-i-Maschkil hinab. Es kommt aus der Gebirgsgegend Melk-naru, die im Norden unserer Straße liegt, und ruft ein wenig Vegetation hervor, die aus Tamarisken und Steppengras besteht. An der Ostseite des Bettes tritt wieder Kiesboden auf, auf dem wir auf eine ganze Völkerwanderung hellgrüner Heuschrecken stießen, die in dichtgedrängten Scharen quer über den Weg wanderten oder vielmehr hüpften. Wir begegneten noch zwei solchen Wanderzügen. Ein unaufhörliches Sausen geht über den Boden hin, wenn wir quer durch diese lebenden Ströme schreiten, in denen verschiedene Wanderer zu Brei zertreten werden.
Jenseits einer größern Mulde mit Tamarisken, deren Wurzeln zum reichlich vorhandenen Grundwasser hinabreichen, zeigt sich bei einer kleinen Gebirgsschwelle die Oase Maligat-i-barut, wo zwei ziemlich tiefe Süßwasserbrunnen in den Kiesboden eingesenkt sind. Das Erstaunlichste und Anziehendste dieses Ortes ist sein aus fünfzig oder sechzig Palmen bestehender Hain, dessen zum Teil ziemlich hohe, schlanke und schöne Bäume in die gelbe, brennendheiße Wüstenei eine entzückende Abwechslung bringen. Sie trugen wenig Früchte und sahen schlecht gepflegt aus; Menschen weilten jetzt hier nicht, aber auf den Blättern wimmelte es von Heuschrecken, und eine Schlange entwischte in ein Loch unter einer Wurzel.
Wir gelangen in ein Tal zwischen schwarzen, verwitterten Hügeln aus Quarzit. Die Steine des Bodens sind so erhitzt, daß man sie nicht in der Hand halten kann. Als wir um 1 Uhr eine Weile rasten, kann man sich nicht direkt auf die Erde setzen – man springt unglaublich schnell wieder auf; auch durch einen Mantel hindurch fühlt man die Gluthitze. Seltsam, daß die Dromedare es aushalten, die diesen Boden beständig mit ihren Fußschwielen berühren! Es sind 41,1 Grad im Schatten! Aber die Gummischläuche sind eine segensreiche Erfindung; durch die starke Verdunstung, der sie ausgesetzt sind, wird das Wasser auf 22,1 Grad abgekühlt.
Jenseits eines kleinen Bergvorsprungs tritt das Bungalow der Station Merui (929 Meter Seehöhe) hervor, das auf allen Seiten von sandigem Boden mit »Pisch«, einer Zwergpalmenart, umgeben ist. Die Station hat eine schöne Lage im Tal, aber die nackten Felswände strahlen erhöhte Wärme aus, und Schlangen und Skorpione gibt es in Hülle und Fülle.
Hier ist eine Telegraphenstation, deren Vorsteher meinem Riza bei der Bereitung eines hindostanischen Gerichts aus Schaffleisch half; auch ein »Deffadar«, ein Chef der reitenden Post, wohnt in dem Ort, der eine eigene Poststation hat, deren Postmeister meine Briefe befördern wollte. Die Herren waren Mohammedaner aus dem Pendschab, liebenswürdige, angenehme Menschen. Die Familie des Deffadar wohnte in einem schwarzen Zelt aus Ziegenhaar. Nur er ist ein Patane oder Afghane; die Belutschi heißen hier Brahui.
Mehrere Brunnen gaben süßes Wasser, und auch in den Bergen ringsumher soll es Quellen geben, an denen sich Nomaden aufhalten; an einigen Stellen habe man auch Kanate nach persischem Muster gegraben. Man erzählte mir, daß es hier manchmal im Winter sehr kalt sei; es sei tatsächlich vorgekommen, daß Leute, die der durcheisende Wind überfallen habe, unterwegs erfroren seien. Die Jahreszeit vom November bis zum März heißt hier »Bahar«, weil dann das Gras grün ist; Bahar ist der persische Name des Frühlings.
Am 6. Mai ritten wir durch kupiertes Land, zwischen kleinen Gebirgen und Hügeln, durch Schluchten und Kiesbetten, um welche herum sehr häufig Tamarisken standen, die oft so groß wie Bäume waren. Die Wärme stieg auf 38,5 Grad, und ein starker, aber trockner, heißer, erstickender Wind wehte aus Süden. In dem Bungalow von Sotag (871 Meter Höhe) befand sich nur ein Mann mit einem Burschen als Stationswächter; die Brunnen waren salzhaltig und das Gastzimmer während der Nacht voller Mücken.
Der Weg nach Tschakul (966 Meter) führte teils durch kupiertes Gelände, wo üppige Tamarisken durch ihr frisches Grün sehr auffielen, teils über offenes wüstes Land, über harten Boden mit schwarzem Grus.
In der Nacht auf den 8. Mai sank die Temperatur auf 19,2 Grad, und als ich bald nach 4 Uhr geweckt wurde, war es ordentlich kühl. Die Mücken hatten mich nachts regelrecht belagert, und ich hatte nichts dagegen, ins Freie zu kommen, wo ich sie mir mit Hilfe einer indischen Zigarre fernhalten konnte. Mustafa Chan, der Anführer meiner Leibwache (Abb. 276) und mein Faktotum, erinnerte mich daran, daß der Weg nach Dalbendin lang sei (30 Kilometer) und daß wir rechtzeitig aufbrechen müßten. Ich hätte mich jedoch durchaus nicht so zu beeilen brauchen, denn als ich ins Freie trat, stellte es sich heraus, daß meine Dromedare durchgebrannt waren; es waren schon Leute auf die Suche nach ihnen ausgeschickt, aber bisher noch nicht zurückgekehrt. Nun verschwand auch Mustafa, und ich setzte mich einstweilen in einen Lehnstuhl, der auf der Veranda stand, las und freute mich der frischen Luft. Die Gegend ist sehr still, nur die Mistkäfer sind bei der Arbeit, und die Heuschrecken zirpen auf allen Seiten.
276. Mustafa Chan und meine Belutschileibwache. (S. 371.)
Erst um 9 Uhr kamen die Leute wieder; sie hatten die Dromedare 10 Kilometer von hier gefunden. Doch als eines der beiden, die mein leichtes Gepäck trugen, beladen werden sollte, hatte das Tier es sich in den Kopf gesetzt, darauf nicht einzugehen. Nachdem die Leute vergeblich versucht hatten, es wieder einzufangen, machten wir uns mit zwei Dromedaren auf den Weg und ließen einen Mann bei dem erbosten Tiere zurück.
Kieshügel und vegetationsreiche Täler folgen einander wie bisher. In einem der letztern gab es so viele Heuschrecken, daß man sie mit den Händen abwehren mußte, damit sie einem nicht ins Gesicht sprangen. Es ist ruhig und still, manchmal kommt aber von irgendeiner Seite her ein Windstoß. Zur Rechten des Weges verläuft ein großes Längental mit einem nicht unbedeutenden Dünengürtel. Hier und dort sehen wir Nomaden (Abb. 275, 277, 278) mit Dromedaren, Ziegen und Schafen; die Ziegen verstecken sich während der heißesten Stunden des Tages unter den schattigen Zweigen üppiger Tamarisken.
275. Nomadenzelt. (S. 372.)
277. 278. Nomadenlager. (S. 372.)
Nachdem wir eine Weile zwischen Hügeln bergauf und bergab geritten sind, gelangen wir wieder auf eine Ebene, die sich vor uns unermeßlich weit nach Osten erstreckt. Das Bungalow in Dalbendin, das 888 Meter hoch liegt, war das beste aller bisher gesehenen; es war sauber, geräumig und gut imstande.
Der nächste Tagemarsch führt nach Karabuk (875 Meter), und am 10. Mai reiten wir nach Jadgar-tscha, ebenfalls in 875 Meter Höhe – die Höhenunterschiede sind auf diesem Wege ganz unbedeutend. Rechts ist wieder ein Gürtel ziemlich hohen Sandes, südlich von ihm aber gibt es anbaufähigen Boden, Weizenfelder und am Fuße des Gebirges auch Dörfer mit Obstbäumen. Der Weg läuft in Zickzackbiegungen, um alle vorspringenden Ausläufer der Sandberge zu umgehen. Die Hitze ist nicht so schlimm; es sind nur 35,6 Grad nach einem Minimum von 16 Grad in der Nacht. Kaum aber ist die Sonne aufgegangen, so regen sich auch schon die Käfer und die Heuschrecken; vor drei Jahren hatten die letztern die ganze Weizenernte vernichtet.
Das Bungalow der Station Jadgar-tscha liegt in einer kleinen, flachen Mulde mit ganz ebenem Schlammboden; durch diesen Schlamm ist der 7,65 Meter tiefe Brunnen gebohrt. Das Wasser ist trübe, aber ganz süß und hatte eine Temperatur von 23,2 Grad. Der Ort bot einen sehr belebten Anblick dar, denn die Nomaden waren gerade angelangt, um ihre Herden zu tränken. Es waren wohl 500 Dromedare, ein paar hundert Schafe und eine ganze Anzahl Esel. Die Nomaden waren bärtige, kupferbraune Männer; sie hatten sich weiße Binden turbanartig um den Kopf gewunden und trugen im übrigen nur ein einziges Kleidungsstück, ein Paar weiße Hosen. Mit Hilfe einer auf zwei Pfosten ruhenden Rolle wurde das Wasser in Lederschläuchen aus dem Brunnen heraufgewunden und in ein flaches Lehmbecken gegossen. Wenn dieses einigermaßen voll ist, dürfen die Dromedare dorthin und drängen sich um einen Platz, damit sie mit ihren langen Hälsen auch nach dem Wasser hinabreichen können. Dieser Anblick war viel zu malerisch, um nicht auf einem kinematographischen Film verewigt zu werden.
Nur noch vier Tage bis Nuschki! Die Nacht ist herrlich gewesen, ich schlafe jetzt immer im Freien. Aber noch immer scheint uns während der ersten Marschstunden die Sonne gerade ins Gesicht, und schon sehr bald, nachdem sie aufgegangen ist, brennt sie wie Feuer. Am 11. Mai ist die Temperatur wieder auf 40,4 Grad gestiegen. Nach einem ersten Hügelgürtel sind wir draußen auf ebener, grünender Steppe, wo der Weg sich, so weit das Auge reicht, schnurgerade nach Osten erstreckt. Die nördlichen Berge treten mit ihren kahlen, höckerigen Abhängen deutlich hervor (Abb. 279), und ganz in der Nähe wachsen auf der Südseite des Weges große Tamarisken, zwischen denen sich Nomaden mit ihren Herden aufhalten; man sieht sie zwar nicht, aber man hört die Dromedarweibchen nach ihren Jungen brüllen.
279. Landschaft in Belutschistan. (S. 373.)
Heute ist es heißer als je, und das einzige schwache Zuglüftchen, das man spürt, wird durch den schnellen Ritt verursacht. Milliarden feiner Teilchen, die durch die aufsteigenden heißen Luftströmungen vom Boden emporgehoben werden, verunreinigen die Luft. Nicht das winzigste Wölkchen gleitet am Himmel dahin, um der Sonne auch nur einen Augenblick ihre Kraft zu rauben. Man schwitzt entsetzlich und sehnt den Abend und die Nacht herbei; dann liegt man eine Stunde wach und fühlt den schwachen Windhauch nach und nach in dem Maße frischer werden, wie die Nacht fortschreitet. Dann denkt man mit Behagen an die Ausstrahlung der Hitze des Tages in den nächtlichen Luftraum und genießt die Abkühlung wie einen Becher eiskalten Schaumweins. Am Tage weilen meine Gedanken oft bei den kristallklaren Flüssen in den Tälern des Himalaja und bei den Gletscherenden, von denen das Schmelzwasser tropft und plätschert.
Nach sechsstündigem Ritt treffen wir den ersten Schatten längs der Straße, den zwei Tamarisken spenden (Abb. 280); hier wird haltgemacht, um zu frühstücken, wie gewöhnlich Wasser und Kakes. Ich will mit meiner kleinen Veraskopkamera ein paar Aufnahmen machen, lasse sie aber beinahe fallen; sie ist glühend heiß, und ich muß sie mit meinem Taschentuch umwinden. So wenig erfrischend ist dieses Ausruhen im Schatten, daß man sich bald wieder auf den Rücken des Dromedars hinaufsehnt, wo man sich wenigstens 2 Meter über dem Boden befindet. Auf sturmverkündende Tromben und auf das Sausen gelber Winde wartet man vergeblich.
280. Lager im Schatten der Tamarisken. (S. 374.)
Auch heute krochen die Heuschrecken zu Milliarden auf der Erde umher. In den Sanddünen sah man ihre Spuren wie feine, nach einem verwickelten Muster geklöppelte Spitzen, in den Tamarisken saßen sie in dichten Klumpen, und man glaubte zu sehen, wie die Pflanzen unter ihrem unersättlichen Appetit dahinschwanden und verkümmerten. Man haßt diese Quälgeister der Pflanzenwelt ebenso aufrichtig, wie man die Käfer liebt, die bei Tag in einem fort arbeiten und die man bei Nacht im Mondenschein wie Orgelton durch die Luft brausen hört.
Noch um 9 Uhr abends waren es 32,9 Grad, und in dem Bungalow und dem Badezimmer der Station Padek (876 Meter hoch) befanden sich schon Gäste – ganze Schwärme jener dreisten Heuschrecken.