Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebenundvierzigstes Kapitel.
Persische Senken.

Der vorhergehende historische Rückblick erhebt keinen Anspruch darauf, erschöpfend zu sein, aber er genügt, um einen Begriff zu geben von der Kewir genannten Wüstenform und von der Verbreitung der Kewirwüsten im östlichen Persien. Unzählige kleinere Kewirflächen gibt es auch in den Wüsten, die unter den Namen Lut und Descht bekannt sind. Sie haben alle möglichen Größen und oft nur einige zehn Meter Durchmesser. An Verbreitung und Umfang nehmen sie von Norden nach Süden und von Osten nach Westen hin ab. Die größten gehören den nordöstlichen und östlichen Teilen des persischen Hochlandes an. Dasselbe scheint von den Sandwüsten zu gelten. Sie nehmen auch von Norden nach Süden und von Osten nach Westen hin an Umfang ab. Wir brauchen ja nur die ungeheuern Wüsten Kisil-kum und Kara-kum mit den relativen kleinen Wüstenfeldern in Iran zu vergleichen.

Den gleichen Gesetzen unterworfen und ebenso abhängig von den klimatischen Faktoren, vor allem von den Niederschlägen und den Winden, sind Persiens Seen, ihre Verbreitung und ihre Eigenschaften. Nur im westlichen Persien gibt es permanente Seen, wie den Urmia, Wan und Goktscha, von denen die beiden letzten jedoch außerhalb der politischen Grenze liegen. Die Seen Mittelpersiens, z. B. der Gaw-chaneh, Niris und Mahalu, wehren sich noch mit wenig Erfolg gegen ihre Vernichtung. Im östlichen Persien sind die zeitweiligen Seen nur noch ein paar Monate imstande, ihre Becken zu füllen. Man kann sich nicht darüber wundern, daß dem so ist. Während der trocknen Jahreszeit versiegen alle Flüsse, und die Seen, die als papierdünne Wasserschichten die Salzkrusten der Wüstendepressionen bedecken, verdunsten sehr schnell und machen einer glühenden Dürre Platz. Der God-i-Sirre, der nur in gewissen Jahren Zufluß erhält, ist in der Regel trocken, und ich vermute, daß der Hamun-i-Maschkil und der Lora-hamun auch temporäre Bildungen sind. Nur der große Hamun in Seïstan ist eine Ausnahme; aber dieser See wird auch von dem gewaltigen Hilmend gespeist, der sein Wasser aus Gebirgen bezieht, denen die Niederschläge der Südwestmonsune zugute kommen. Trotzdem folgt auch der Hamun der allgemeinen Regel, indem er während der verschiedenen Jahreszeiten sehr verschiedenen Wasserstand hat.

In Ostpersien kann man also eigentlich nur von toten oder sterbenden Seen sprechen. Aus dem angeführten Umstand erklärt sich auch ihr Auftreten in inniger Gemeinschaft mit Flugsandfeldern. Das Vorkommen mehr oder weniger ausgedehnter Dünengürtel am Südrande aller Senken Ostpersiens ist mir auf meiner letzten Reise durch dieses Land sehr aufgefallen. Das Stadium, in dem der See sich befindet, scheint hierbei keine entscheidende Rolle zu spielen, denn an der Südseite des großen Hamunsees gibt es ebenso wohl Flugsand wie in dem südlichen Teil des Tebbesbeckens. Der See mag lebend oder tot sein, Flugsand gibt es in jedem Fall. Der God-i-Sirre ist wasserärmer als die Kewirseen, und dennoch hat diese Depression am Südrand ihren Flugsandgürtel. Mit etwas gutem Willen können wir dieses Gesetz auch in großem Maßstab auf den Aralsee und das Kaspische Meer übertragen, obgleich die Sandfelder dort ihren Platz mehr an den südöstlichen und östlichen Küsten haben.

Natürlich spielt auch die Gestaltung des Landes hierbei eine wichtige Rolle. Am Südufer des Aralsees erlaubt das beständig seine Lage verändernde Delta des Amu-darja das Entstehen normaler Dünen nicht, und an der südlichen Küste des Kaspischen Meers ist sowohl die Bodengestaltung wie das Klima der Dünenbildung so ungünstig wie nur möglich.

Bevor wir dazu übergehen, eine Erklärung dieser merkwürdigen Erscheinung in einer der verwittertsten, trockensten und heißesten Gegenden Asiens zu suchen, müssen wir noch einige erklärende Beispiele aus den Beobachtungen anderer Reisender anführen, besonders hinsichtlich des Verhaltens des Sandes zu den Seen.

Vor hundert Jahren, im Jahre 1810, unternahm der englische Leutnant Pottinger eine ebenso kühne wie verdienstliche Reise von Charan in Belutschistan nach Dschalk an der persischen Grenze. Auf dieser Reise ging er im Osten, Südosten und Süden um die große, flache Salzdepression und den See Hamun-i-Maschkil. Sir Thomas Holdich teilt in seinem Buche » The Gates of India«, S. 339 fg., allerlei über Pottingers Erlebnisse gerade in dieser Gegend mit. Daraus ersehen wir, daß der erste Teil der Reiseroute nicht so gefährlich war und daß die Schwierigkeiten erst weiter im Südwesten, in der Sandwüste, begannen. Pottinger beschreibt sie als ein Meer von rotem Sand mit 10–20 Fuß hohen Dünenwellen. Ihre steilen Leeseiten fallen nach Südosten ab, woraus hervorgeht, daß nordwestliche Winde vorherrschen. Vom Juni bis September weht dieser Wind, der Bad-i-simum, »der verpestete Wind«, genannt wird, weil er die Menschen tötet und die Vegetation versengt. Den Maschkilfluß fand Pottinger im April trocken. Holdich sagt, dieser Fluß habe ein außerordentlich langsames Gefälle nach dem Maschkilsumpfe hinunter.

Dieser Auszug genügt, um zu zeigen, daß das obenerwähnte Gesetz stichhaltig ist und daß sich immer im Windschatten, an der Südostseite, des Seebeckens ein Sandgürtel hinzieht.

Auf den neuern Karten von Persien finden wir im südöstlichsten Teil des Landes, in Mekran, eine langgestreckte Senke, die sich von Westnordwesten nach Ostsüdosten hinzieht, also mit dem Streichen der Bergketten parallel geht. Auf den Karten ist in ihr ein See oder Sumpf, Dschas-morian, eingezeichnet, aber es ist mir nicht gelungen, eingehende Beschreibungen dieser Depression zu finden.

E. A. Floyer reiste im Jahre 1876 sowohl an der westlichen und östlichen Seite dieser großen Bodensenke entlang, konnte aber ihren Charakter nicht feststellen. Von seiner Route aus war ein See nicht zu sehen, und er ist auf Floyers Karte, die 1882 herausgegeben wurde, nicht einmal angedeutet. Floyer nimmt sogar an, daß die Flüsse Halil und Bampur, die von Westen und Osten her in die Depression fließen, sich vereinigen, um unter dem Namen Saditsch in den Golf von Oman des Indischen Ozeans zu münden. Über die Straße zwischen Maschutan und Bampur, d. h. über das unmittelbar im Südosten des Sees liegende Land sagt er in » Unexplored Baluchistan« (S. 76 und 263), es sei »offenes Land mit lauter Sandhügeln. Wir überschritten einige große, die Allud Rig hießen.« Von der Gegend unmittelbar im Südwesten von Bampur heißt es, daß er dort »die hohen, anstrengenden Sanddünen überklettert« habe. Bei Geschkoh fand er im Sande Regenwassertümpel und hatte von dort aus noch 2 englische Meilen durch tiefen Sand zu marschieren. Auf seiner Karte liest man auch » High hills of loose sand« und gerade in der Gegend im Südosten des Sees » Sandy Desert«.

Dagegen hat Major P. M. Sykes in den Jahren 1893 und 1894 und 1898 sowohl die Nordseite wie die Südseite dieses zeitweiligen Sees bereist. Er gibt dem Dschas-morian eine Länge von 50 englischen Meilen und sagt in seinem Werke » Ten thousand miles in Persia« (S. 143): »In einem Jahr mit viel Regen ist sein Areal natürlich enorm; wenn aber der Sommer fortschreitet, trocknet er entweder ganz und gar oder doch größtenteils aus.« Nach seiner Beschreibung scheint ein Kewirring den eigentlichen Sumpfsee zu umgeben. Hinsichtlich der Straße zwischen Ifaka und Bampur sagt er: »Ein durchaus ebenso greulicher Sandgürtel wie in irgendeinem Teile der Lut lag zwischen uns und dem Bampurflusse.« Er bestätigt also Floyers Bericht von einem Dünengürtel, dagegen ergibt sich aus seiner Beschreibung nicht, ob dieser Gürtel sich längs des ganzen Südufers hinzieht. Hierüber teilt er uns nur (a. a. O., S. 308) mit, daß »im Norden der Baschakirdberge die offene Ebene sich nach dem Hamun hin abdache«.

Curzon sagt (Persia, II, 258), daß die Mekranwüste aus feinkörnigem, vom Winde zusammengetragenem Sande bestehe.

Bei der Lösung des Problems, das hier interessiert, kommt es nicht darauf an, ob der Dschas-morian wirklich ein See oder nur ein zeitweiliger Sumpf ist. Keith Abbott, der im Jahre 1850 im Westen davon reiste, erwähnt den Namen zuerst. Er sagt ( Journal of the R. Geogr. Soc., XXV [1855], S. 46), daß die Flüsse Rudchaneh-schur und Hali-rud sich zu einem Flusse vereinigen, der »durch Rudbar fließend nach Dschas-morian weitergehe, einer noch acht Tagereisen entfernten Ebene zwischen Rudbar und Bampur, wo das Wasser sich über das Land verteile und sich im Sand verliere«. Er bestätigt auch, daß die Regenzeit von Januar bis März daure.

Er deutet das Vorhandensein von Flugsand in dem Becken an. Noch klarere Auskunft gibt darüber Major Oliver St. John, der etwa zwanzig Jahre später auf der Nordseite des Dschas-morian von Bampur nach Rigan reiste. Er berichtet in seinem Werk » Eastern Persia, an account of the Journeys of the Persian Boundary Commission« (I, 79): »Die ersten fünf Tagereisen geht die Straße im Bampurtal weiter, das mit dem Rudbar- und dem Dschirufttal identisch ist. Seinen nördlichen Teil bedeckt Akaziendickicht, sein südlicher ist eine Sandwüste, die den Zwischenraum zwischen den Baschakirdbergen und den Flüssen Bampur und Rudbar ausfüllt. Diese fließen an einer Stelle zusammen, die nach Keith Abbott Dschas-morian heißt; aber es bleibt unentschieden, ob ihr Wasser von dort einen Abfluß nach dem Meere hat oder sich im Sande verliert. Major Lovett hörte das erstere, meine Gewährsmänner versicherten das letztere.« St. John spricht auch von Sandfeldern in der Nähe von Bampur und erwähnt, daß die Dünen durch die Nordwestwinde zusammengetragen werden. Besonders interessant ist jedoch seine Mitteilung, daß am Südrand des Dschas-morian eine Sandwüste liege. Es stimmt dies in jeder Weise mit dem Gesetze der Sandverteilung überein, auf das ich aufmerksam gemacht habe.

Gelegentlich der Angaben über die Verbreitung der Kewirwüsten in Persien erwähnt St. John auch ihr Verhalten zum Sand. Er sagt, daß der auffallendste Charakterzug der persischen Ebenen die Salzsümpfe seien, die in den nördlichen Teilen des Landes Kewir, in den südlichen Kafeh genannt werden. Wo der Zufluß nicht ausreiche, um Seen wie den Urmia und Niris zu bilden, entstehe in den tiefsten Depressionen ein schlammiger Morast, der im Winter mit Salzwasser, im Sommer mit einer dicken Salzkruste bedeckt sei. Die größte sei die große Salzwüste Descht-i-kewir, die bisher erst ein einziger Europäer, Dr. Buhse, gesehen habe. »Die gewöhnlichen Kewire sind unzählig. Die Kewir im Süden von Chaf ist eine der größten. Die Ufer des Sumpfes Gaw-chaneh, den der Sende-rud bildet, sind ebenfalls Kewir und lassen auf die Möglichkeit schließen, daß es ihre Fortsetzung gewesen ist, die Trézel zwischen Abadeh und Jezd überschritten hat.«

»Die Kirmanwüste, die Chanikoff Lutwüste nennt, die Charanwüste, die persisches Gebiet im Südosten begrenzt, und die kleinern Wüstengebiete bei Bampur sind trockner und daher sandreicher als die nördlichen Wüsten. Vielleicht ist der Boden dort der Kewirbildung auch weniger günstig.« ( Eastern Persia, I, 15.)

Vaughans Beschreibung des Sees Gaw-chaneh habe ich bereits mitgeteilt. Vergleicht man seine Schilderung dieses Sees mit der Beschreibung des »Cheirabadsumpfes« im Osten des Nirissees, die uns St. John liefert, so wird man finden, daß in Persien der Unterschied zwischen einem Salzsee und einem Salzsumpf tatsächlich nur minimal sein kann. Jener Cheirabadsumpf ist eine 9 englische Meilen breite »Kafeh«, eine Salzwüste, deren vier letzte Meilen über eine feste, weiße Salzkruste führen. Im Winter ist das Ganze mit Wasser bedeckt und dann sehr gefährlich zu überschreiten; denn der Ton wird außerhalb des ausgetretenen Pfades flüssig. »Dieser Salzsumpf zieht sich weit nach Norden hin, ist aber keine Fortsetzung desjenigen, in den sich der Sende-rud ergießt, obwohl er in demselben (Längen-) Tale liegt.« ( Eastern Persia, I, 106.)

Meines Wissens sind das südliche und südwestliche Ufer des Gaw-chaneh leider niemals von Europäern besucht worden, und wir sind infolgedessen noch in Unkenntnis darüber, wie es sich an diesem See mit der Dünenbildung verhält.

Direkt im Südosten von Schiras liegt ein See, den Abbott Darja-i-nemek nennt, St. John aber den Mahalusee. Nach Abbott beträgt seine Länge 6 Farsach bei 1 Farsach Breite. Er ist sehr seicht, und im Sommer trocknet sein südöstliches Drittel so vollständig aus, daß ein bis zu 3½ Fuß dickes Salzlager zum Vorschein kommt. Man kann ihn dann zu Fuß überschreiten. Das Salz wird nach Schiras und den umliegenden Dörfern verkauft. (Vgl. » Journal of the R. Geogr. Society«, XXVII [1857], S. 151.) Nach St. John stehen unmittelbar am südwestlichen Ufer steile Kalksteinfelsen, so daß die Gestaltung des Landes die Entstehung irgendwelcher Flugsanddünen unmöglich macht.

Auf seinem Weg von Seidabad nach dem Nirissee passierte Abbott die »Keffeh«, die St. John später auf demselben Wege überschritt. Über den Nirissee sagt er, daß er bald Darja-i-Niris, bald Darja-i-nemek genannt werde, sich in der Richtung Nordwest-Südost hinziehe und in regenlosen Sommern so vollständig austrockne, daß man über sein Bett gehen könne. Das Wasser sei salzig, klar und voller Flamingos. (Vgl. » Journal of the R. Geogr. Society«, XXV [1855], S. 71.) Von demselben See sagt St. John, daß er beim Dorfe Ehir eine englische Meile breit sei und sich im Sommer durchwaten lasse. Das Wasser sei weniger salzig als das des Sees bei Schiras.

Alle Reisenden, die diesen See bereist haben, erzählen von seiner Schönheit und der Schönheit der ihn umgebenden Landschaft. Hauptmann H. L. Wells hat im Jahr 1881 eine genaue Karte des Sees aufgenommen. An den Abhängen der südlichen Uferberge fand er ganze Wälder von Pistazienbäumen. Er wollte in dem See baden, aber obgleich er vom Ufer aus eine viertel englische Meile in den See hineinging, reichte ihm das Wasser noch nicht bis über die Knie. Wenn man im Uferschlamm rührte, entstand ein widerwärtiger Geruch. Alle Gewässer, die sich in den See ergossen, waren salzhaltig. (Vgl. » Proceedings of the R. Geogr. Society«, V [1883], S. 185.) Nach der Beschreibung und der detaillierten Karte, die Wells gegeben hat, ist es zu verstehen, daß sich Sanddünen am Südufer des Nirissees unmöglich bilden können. Sie haben dort keinen Platz dazu; der See ist zwischen bewaldeten Bergen eingeklemmt. Er hat einen ganz andern Charakter als die Seen Ostpersiens. Das Klima ist hier feuchter als im Osten. Urmia, Niris und Dschas-morian liegen auf ein und demselben Längentalbogen, und die Lage des Nirissees zu den beiden andern läßt es als ganz natürlich erscheinen, daß dieser See ein Mittelding zwischen ihnen sein muß: wasserreicher und konstanter als der Dschas-morian und wasserärmer und von kürzerer Dauer als der Urmia. Was die Ausdehnung des Sandes betrifft, so finden wir, daß sie ein besonderer Charakterzug der ostpersischen Seen ist.

In einem Land, das so reich an Wüsten und Wüstenbildungen in verschiedenen Formen und Entwicklungsstadien ist, muß die Sprache auch viele verschiedene Worte zur Bezeichnung dieses Begriffs haben. Dies ist auch der Fall. Das gewöhnliche, verallgemeinernde Wort, das keinen bestimmten Wüstentypus bezeichnet, ist »Biaban«, von bi = ohne, ab = Wasser und an = Pluralendung; also »ohne jegliches Wasser«. Ein Diminutiv von Biaban ist »Biabanek«, kleine Wüste, Halbwüste; dieses Wort ist mir im täglichen Gebrauch nicht vorgekommen, wohl aber habe ich es als geographischen Namen gefunden, als Namen der Umgegend von Chur, die Biabanek heißt.

Seltener hört man das arabische Wort »Sähra«, Plural »Sähara«, das in dem afrikanischen »Sahara« sowohl Flachland im allgemeinen, als auch Wüste im besondern bezeichnet. In Persien bezeichnet man nach Polak damit ein »unbewohntes Feld«. »Descht« läßt sich am besten mit öder Steppe oder öder Ebene übersetzen; es bezeichnet in jedem Fall eine Übergangsform zwischen Steppenland und Wüste, also eine Form, die noch nicht das Vorkommen von Vegetation ausschließt. Die Wortverbindung Descht-i-kewir enthält einen Widerspruch, denn »Kewir« schließt jede Vegetation aus, was in der »Descht« nicht der Fall ist. Die Zusammenstellung Descht-i-lut habe, ich nie gehört, aber man findet sie sehr oft auf den neuesten Karten, und es ist sehr wohl möglich, daß sie in einigen Gegenden vorkommt. Wenn man dagegen das Wort in der Form Mian-descht sieht, wie eine der Stationen der Straße nach Mesched heißt, so steht es gerade am rechten Platz, denn es bedeutet einfach »mitten in der Ebene«.

Das persische Wort »Schur«, das Salz bedeutet, wird hier nie in der Bedeutung Wüste gebraucht, ist aber in Zentralasien mit Kewir gleichbedeutend. In Persien kommt es nur in Verbindung mit Substantiven vor, z. B. Ab-i-schur, Rudchaneh-i-schur, Schur-ab, Schur-ges usw. Es ist also in Persien ein Adjektiv, in Zentralasien aber ein Substantiv. Polak erwähnt das Wort »Schurzar« in der Bedeutung Salzwüste und läßt es in seinem Werke »Persien, das Land und seine Bewohner« (II, 365) mit dem Worte Kewir gleichbedeutend sein.

Sand heißt auf Persisch »Rig«, und überall, wo man dieses Wort auf der Karte findet, kann man sicher sein, daß an jener Stelle ein Dünengürtel vorhanden ist. Rigistan = Sandplatz, Rig-i-dschin = die Sandwüste der Geister, Rigan = die Sanddünen.

Am häufigsten sind die beiden Bezeichnungen »Kewir« und »Lut«. Doch gerade über die Etymologie dieser Wörter sind die Meinungen geteilt. Morier spricht vom Darja-i-kebir, »dem großen Meere«, eine Übersetzung, die St. John in den »See des salzigen Schlammes« verbessert. Seiner Ansicht nach bedeutet »Kuweer« Salzsumpf. Richardson übersetzt das Wort »Caveer« mit »salzhaltigem Boden, auf dem nichts wächst«. Fraser gibt das Wort mit »Salzwüste, sie sei trocken oder feucht« wieder.

Lord Curzon zitiert Generalkonsul Houtum-Schindlers verschiedene Versuche, eine verständliche Ableitung zu finden. Schindler sagt, daß Kewir ein Salzsumpf oder eine Salzwüste sei. Einige Verfasser haben das Wort von dem persischen »gäw«, Senke oder Depression, einem Synonym des Wortes »göd« oder »gödal«, abgeleitet, »aber Senken können fruchtbar sein, während eine Kewir immer eine vollständig vegetationslose Salzwüste ist … Der Ursprung des Wortes Kewir ist vielleicht das arabische Kafr, Mehrzahl Kufur, das in Arabien und Afrika noch die gewöhnliche Bezeichnung der Wüsten ist. Bei altern Schriftstellern findet man das Wort selten.« (S. » Proceedings of the R. Geogr. Society«, X. [1888], S. 627.)

Major Sykes vermutet ebenfalls, daß das Wort von dem arabischen Kafr herkomme, und sagt, daß dieses Wort noch heute unverändert in einigen Teilen Persiens gebraucht werde, um eine Wüste zu bezeichnen. Gerade der letztere Umstand scheint mir die Ableitung unwahrscheinlich zu machen, denn wenn die Araber das Wort eingeführt haben, ist es schwer zu erklären, weshalb es in einigen Gegenden entstellt, in andern aber unverändert beibehalten worden ist. Wahrmund schreibt in seiner »Praktischen Grammatik der neupersischen Sprache« (II, 69) das arabische Wort »qoefr«, Mehrzahl »qyfär« und »qufur«. Noch unwahrscheinlicher wird diese Ableitung, wenn man bedenkt, daß Kafr »Wüste« im allgemeinen bedeutet, und zwar besonders eine des gewöhnlichen arabischen und afrikanischen Typus mit Sand, Steinen und außerordentlicher Trockenheit. In einer Kewir aber gibt es weder Sand noch Steine, sondern Salz und Wasser. Der Unterschied zwischen einer Kafr und einer Kewir ist ebenso groß wie der zwischen einer Kafr und einem Flußdelta.

Was mich betrifft, so war ich anfangs geneigt, mich für die alte Form Darja-i-kebir, »der große See«, zu entscheiden, die ja auch mit der allen Überlieferung von einem großen Binnenmeer übereinstimmte.

Das Wort »Darja« wird noch heute als Name mehrerer Salzwüsten mit zeitweiligen Seen gebraucht, z. B. des Darja-i-nemek oder Salzsees, der im Süden des Siah-kuh liegt. In Dschandak wie in Turut sprachen die Perser von »leb-i kewir«, eigentlich Kewirlippe; aber hier wurde das Wort »leb« in der Bedeutung »Ufer« gebraucht. Das arabische Wort »kebir«, groß, wurde natürlich gebraucht, um dadurch auszudrücken, daß diese nördliche Salzwüste die größte von allen sei. Noch eine Bestätigung der Richtigkeit dieser Ableitung glaubte ich in dem Namen eines Dörfchens zu finden, das aus zehn Häusern besteht und eine Tagereise im Norden der Station Dest-gerdun am Ostrande der Salzwüste liegt Es heißt Tscha-i-kebir, »der große Brunnen«. Man vergleiche damit den Namen der großen Moschee in Baiburt, die Dschamesi-kebir genannt wird.

W. Tomaschek hat mich durch seine verdienstvolle Abhandlung »Die Wege durch die persische Wüste« auf einen andern Gedanken gebracht. Er schreibt darin (s. »Zur historischen Topographie von Persien«, II, 24): »Den weitesten Raum, namentlich im nördlichen Teile, nimmt die ›Salzwüste und Salzsteppe‹ ein. Schon im Übergangsgebiete lernten wir mehrere Stellen kennen, welche diesen Charakter tragen; das Auftreten eines Kawir (ältere Form gawer, von gaw › cavitas‹) oder Kefeh (von kef › spuma, saliva‹) in der tiefsten Stelle der Mulde ist für diese Form typisch.« Diese Ansicht ist, wie wir gesehen haben, auch schon von Schindler geäußert worden, und da Tomaschek seine Schlußfolgerungen auf die arabischen Geographen des 10. und 11. Jahrhunderts, Istakri, Makdisi, Jakut und andere, stützt, die von den Reisewegen durch Ostpersien Kunde gegeben haben, so wiegt seine Autorität schwerer als die aller andern, und wir können ruhig seine Ansicht annehmen, daß das Wort Kewir von dem persischen Worte gawer oder gaw, das Senke oder Depression bedeutet, abgeleitet ist. Es wird dann auch klar, daß der Name »Gaw-chaneh« des Endsees des Senderud nicht, wie Vaughan annimmt, Kuhplatz bedeutet, sondern die Depressionsstelle oder die Kewirmulde, in der der Fluß verschwindet.

Nach Curzon bedeutet Descht-i-lut »die große Sandwüste«, und er lehnt mit Recht die phantastische Erklärung ab, daß das Wort Lut mit dem Lot der Bibel und seinem in eine Salzsäule verwandelten Weibe zusammenhänge. Hiermit muß man die arabische Bezeichnung Bahr Lut für Totes Meer vergleichen, sowie Bint Scheik Lut, »Scheich Lots Tochter« für eine Felsspitze am Ostufer dieses Meers. Bunge sagt, daß das Wort »kahl« bedeute; Schindler und Tomaschek schließen sich an und übersetzen Descht-i-lut mit »kahle Fläche«. Schindler erinnert daran, daß das persische »Luti« Vagabund oder Lümmel bedeutet, was auch Sykes wiederholt St John übersetzt das Wort mit »wasserlos«. Auf meine Frage, was das Wort eigentlich bedeute, pflegten die Perser mir zu antworten, daß jede Gegend, in der es an Wasser und Pflanzenwuchs fehle, eine »Lut« sei. Das Wort »Lut« ist demnach ein weiterer Begriff als das Wort Kewir.

Zwischen beiden Bezeichnungen macht Sykes in » Ten thousand miles in Persia«, S. 31, folgenden Unterschied: »Ich möchte behaupten, daß die Geographen die große persische Wüste ohne zureichenden Grund in zwei Gebiete geteilt haben, von denen das nördliche Descht-i-kewir und das weiter südlich liegende Descht-i-lut genannt wird.« Seiner Ansicht nach ist es richtiger, der ganzen Wüste den Namen Lut zu geben und jeden Salzsumpf Kewir zu nennen. Dies ist jedoch nur teilweise richtig. Denn Kewir ist für die große Salzwüste der einzig zutreffende Name, und jede andere Wüstendepression desselben Typus ist eine Kewir. Lut hingegen ist die südpersische Wüste, und man hört diese Bezeichnung erst dann, wenn man sich im Süden von Tebbes befindet. Eine Lut kann viele Kewirs enthalten, obgleich sie dort gewöhnlich Nemeksar oder Salzbehälter genannt werden. Descht-i-lut übersetzt Sykes mit »nackte Wüste«.

In der Beschreibung seiner fünften Persienreise im » Geographical Journal«, XXVIII (1906), S. 451, hat Sykes seine Ansicht über die Etymologie der beiden Wörter teilweise modifiziert. Er sagt, daß die arabischen Schriftsteller und in gewissem Sinn auch die Perser das Wort »mafaza«, Wüstenei, gebrauchten, das später durch die Worte Kewir und Kefe verdrängt worden sei. Kewir bedeute »Salz wüste«, aber seine Etymologie sei nicht festgestellt. Das Wort sei bis vor kurzem auf allen Karten von Persien gebraucht worden, um die ganze Wüste zu bezeichnen, sei aber durch das Wort Lut ersetzt worden; jetzt bediene man sich des Ausdrucks Kewir nur, um Salzgegenden zu bezeichnen. Sykes gibt zu, daß noch manche Perser das Wort von »lut«, nackt, ableiten; aber seiner Ansicht nach ist es jetzt über allen Zweifel erhaben, daß der Name von Lot, dem Neffen Abrahams, herkomme, denn in einer 1903 herausgegebenen arabischen Geographie ist der Name der Wüste genau so wie der Lots geschrieben, nicht wie lut, nackt. Er sieht daher die Namenfrage als endgültig entschieden an. Dieser Schluß scheint mir etwas voreilig zu sein, und ganz unangebracht ist es auf der den Aufsatz Sykes' begleitenden Kartenskizze, mit dem Namen Lut auch die ganze nördliche Wüste zu bezeichnen. Selbst dann, wenn eine arabische Geographie sich einer Schreibart bedient, die zu einer solchen Auffassung verleiten kann, steht doch fest, daß in der nördlichen Wüste der Name Lut nicht gebräuchlich ist, sondern daß man sie nur unter dem Namen Kewir kenne, ebenso wie alle andern Salzdepressionen, soweit sie nicht statt dessen Darja-i-nemek oder Nemeksar genannt werden.

Schließlich mag noch angeführt sein, daß Huntington Darja mit See, Hamun mit Sumpf oder teilweise offner, teilweise schilfbedeckter See übersetzt; er bezeichnet richtig ein Nemeksar als zeitweiligen Salzsee, was in gewissem Grad auch für die Kewir gilt, wenngleich diese trockner ist.


 << zurück weiter >>