Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Bevor wir hinsichtlich einer Veränderung des Klimas innerhalb der geschichtlichen Zeit zu einem endgültigen Schlusse gelangen können, müssen wir versuchen, einen Einblick in die wahrscheinlichen Veränderungen zu erhalten, die das ganze Iran während der langen, seit der Eiszeit verflossenen Periode erlitten hat.
Eine unschätzbare Handhabe, ja einen Schlüssel zur Lösung dieses Rätsels gibt der wechselnde Wasserstand des Kaspischen Meeres, und ich erlaube mir, einige der Resultate anzuführen, zu denen Professor Eduard Brückner in seinem epochemachenden Werk »Klimaschwankungen seit 1700 nebst Bemerkungen über die Klimaschwankungen der Diluvialzeit« gelangt ist. In dieser Arbeit hat Brückner alle vorhandenen Berichte und Beobachtungen des Wasserstandes des Kaspischen Meeres vereinigt.
Natürlich werden die Nachrichten um so zahlreicher und zuverlässiger, je näher sie unserer eigenen Zeit liegen. Monteith sagt, in der Zeit von 1811 bis 1828 sei das Kaspische Meer gesunken und habe wie alle andern Seen in Persien an Tiefe verloren. Sokoloff verlegt den Anfang der Rückgangsperiode in die Jahre 1810–1814, und Lenz behauptet, daß der Spiegel des Meeres von 1816 bis 1830 um 3 Meter gefallen sei. Brückner veranschlagt das Sinken des Meeresspiegels vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum Jahre 1830 mindestens auf 2 Meter. Im Jahre 1844–1845 trat, nach Chanikoff, ein Minimum ein; darauf folgte ein Steigen, das seit der Mitte der sechziger Jahre an allen Küsten des Kaspischen Meers deutlich wahrnehmbar gewesen ist.
Durch alte Bauwerke, die noch vorhanden sind, und durch geschichtliche Nachrichten erhalten wir allerlei zuverlässige Daten aus einer vergangenen, bis zu tausend Jahre zurückliegenden Zeit. Eine an den Mauern von Derbent vorgenommene Messung setzte Chanikoff instand, zu zeigen, daß der Meeresspiegel zu Istakris Zeit, also in den Jahren 915–921, um 9,28 Meter höher lag als im Jahre 1847. Noch auffallender ist die Tatsache, daß man sowohl an der östlichen wie an der südlichen und auch an der westlichen Küste unter dem jetzigen Spiegel des Meeres Häuserruinen gefunden hat. An der Ostküste liegt ein Karawanserai unter Wasser, bei Rescht mehrere Gebäude. Vor der Stadt Baku gibt es auch ein solches Serai, dessen einer Turm allein noch aus dem Wasser hervorragt. Eine Untersuchung hat festgestellt, daß es im 12. Jahrhundert erbaut worden ist. Der Meeresspiegel lag damals 5 Meter unter dem Niveau, das er im Jahre 1852 einnahm. Man muß diese Tatsache, daß das Kaspische Meer vor 750 Jahren soviel niedriger lag als jetzt, wohl beachten, denn sie zeigt deutlicher als alles andere, daß die Austrocknung des zentralasiatischen Klimas und der Seen durchaus nicht in einer regelmäßigen Kurve fortschreitet.
Dann tritt wieder ein energisches Steigen ein, das in den Jahren 1306 und 1307 sein Maximum erreicht und um ganze 10,7 Meter über den Wasserstand des Jahres 1852 hinausgeht. Um die verschiedenen Werte miteinander vergleichbar zu machen, hat Brückner sie auf einen gemeinsamen Pegel bezogen und stellt folgende Tabelle auf:
Jahr | Meter | |
915–921 | +8,8 | |
12. Jahrhundert | -4,2 | |
1306–1307 | +11,2 | |
1638… | +4,9 | |
1715–1720 | +0,3 |
Darauf folgt ein Jahrhundert vergleichsweise hohen Standes, dann eine Periode des Rückgangs und schließlich ein erneutes Steigen.
Nun geht Brückner dazu über, die Abhängigkeit des Kaspischen Meers von den in seinem Entwässerungsgebiet fallenden Niederschlägen zu zeigen. »Es spiegelt sich der Gang des Regenfalls genau in den Schwankungen des Kaspischen Meers wider.« Nach Wojejkow wird dem Kaspischen Meer alljährlich im Durchschnitt eine Wassermasse zugeführt, die sein Niveau um 109 Zentimeter heben würde – wenn sie nicht durch Verdunstung verloren ginge; das Meer erhält demnach in 5 Jahren 545 Zentimeter Zuschuß. Wenn es sich nun zeigt, daß der Spiegel des Meeres sich von der Periode 1861–1865 bis zur Periode 1866–1870 um 38 Zentimeter gehoben hat, so muß dieser Wert den Überschuß der Zufuhr über die Verdunstung angeben, einen Überschuß, der der Zunahme der Niederschläge entspricht.
Brückner zeigt, daß seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts feuchte Kälteperioden mit trocknen Wärmeperioden im ganzen europäischen Rußland miteinander abgewechselt haben und daß diese klimatischen Veränderungen nicht ohne Einfluß auf die Flüsse geblieben sind, insofern als sie die Dauer der Eisbedeckung und die Höhe des Wasserstandes jener Flüsse bestimmt haben; indirekt wirkten sie auch auf das gewaltige Kaspische Meer ein, indem sie seinen Spiegel bald hoben, bald senkten.
Am Schlusse seines Werkes betont Brückner den Umstand, daß die Größe der abflußlosen Seen ebenso wie die Ausdehnung der Gletscher in jeder Hinsicht eine Funktion der Niederschläge ist, denn von den Niederschlägen werden beide gespeist. Jede in dem Verhältnis zwischen Zufluß und Abfluß eintretende Veränderung muß bei den Seen wie bei den Gletschern ein Anschwellen oder ein Abnehmen verursachen. Während der Diluvialzeit vertraten im Innern der Kontinente Seen die Stelle der Gletscher. Da wo sich keine Gletscher bilden konnten, bildeten sich statt ihrer Seen. So war während der Diluvialzeit der Große Salzsee in Nordamerika siebenmal so groß wie heute, und es ergibt sich aus Gilberts und Russells sorgfältigen Untersuchungen, daß sein Wasserstand wiederholt geschwankt hat. Brückner hat nachgewiesen, daß die heutigen Seen und Gletscher sich parallel miteinander verändern; man kann infolgedessen auch davon überzeugt sein, daß die Schwankungen im Great Basin in Nordamerika wie in allen andern Seen parallel mit dem Vorrücken und dem Zurückgehen des großen Eises gerechnet haben.
Während der Eiszeit stand ein Teil der Wüsten Kisil-kum und Kara-kum unter Wasser, und es »steht fest, daß das Areal des Kaspischen Meeres in der Diluvialzeit etwas mehr als doppelt so groß war wie das heutige, dasjenige des Aralsees gar mindestens dreimal so groß, und daß Aralsee, Kaspisches Meer und Pontus miteinander in Verbindung standen. So bestätigt es sich in den verschiedenen Teilen Asiens, daß die der gegenwärtigen unmittelbar vorausgehende Periode durch eine große Ausdehnung und einen hohen Stand der abflußlosen Seen ausgezeichnet war« (Brückner, a. a. O., S. 299). Einige dieser Seen hatten sogar eine Zeitlang Abfluß. »Wo wir uns hinwenden, überall treten uns Spuren einer früher sehr viel bedeutendem Wasserbedeckung gerade in jenen Gebieten entgegen, welche für die Gletscherbildung zu kontinental gelegen sind. Es hat in der Tat den Anschein, als wenn dieselben klimatischen Schwankungen, welche die Eiszeit heraufbeschworen, in den kontinentalen Gebieten die Becken der abflußlosen Seen zum Teil bis zum Überfließen füllten« (Brückner, a. a. O., S. 300).
Brückner gelangt zu folgendem Schluß (a. a. O., S. 304): »Die Analogie zwischen den Gletscherschwankungen und den Seespiegelschwankungen der Diluvialzeit ist eine so vollkommene, daß an sich schon jeder Zweifel an der Gleichzeitigkeit ausgeschlossen scheint, um so mehr, als der Parallelismus zwischen den Bewegungen der Gletscher und Seen in der historischen Zeit durch Siegers und meine Ausführungen nachgewiesen ist.« Das Klima der Eiszeit war also überall kälter und auf dem größern Teile der Ländermasse der Erde auch feuchter als unser jetziges Klima. Brückner glaubt auch an Klimaperioden, die hinsichtlich ihrer Dauer zwischen seinen Perioden von 35 Jahren und den Klimaänderungen der Diluvialzeit liegen.
In Verbindung mit dem Problem, das uns in den vorhergehenden Kapiteln beschäftigt hat, haben die Worte, mit denen Brückner seine Arbeit schließt, großes Interesse. »Eine Änderung des Klimas, wie sie seit Schluß der Eiszeit eingetreten sein muß, ist in historischer Zeit noch nicht mit Sicherheit erwiesen und noch wird über die Frage hin und her diskutiert; gerade die hydrographischen Phänomene, welche unsere kurz dauernden Schwankungen so trefflich widerspiegeln, scheinen nichts von einer solchen Änderung anzuzeigen, ein Beweis dafür, daß dieselbe sich unendlich langsam vollzieht« (a. a. O., S. 323).
Im Winter 1903–1904 durchreiste Ellsworth Huntington den östlichsten Teil Persiens in der Nähe der afghanischen Grenze zwischen Aschabad und Seïstan. In der wertvollen Beschreibung, die er in » Explorations in Turkestan. Expedition of 1903 under the direction of Raphael Pumpelly« (S. 219 fg.) gibt, beweist er mit unübertrefflichem Scharfsinn, daß das betreffende Land sich während der letzten geologischen Periode unvergleichlich viel reichlicherer Niederschläge erfreut hat als heutzutage.
Huntington betont zunächst das trockne Klima Persiens und die Armut dieses Landes an Flüssen, deren Erosion nicht kräftig genug gewesen sei, um mit der Gebirgsbildung gleichen Schritt halten zu können. Daher bildeten sich dort abflußlose Becken, wo die Wasserläufe noch heute in Salzseen enden und in denen sich die mitgeschwemmten Verwitterungsprodukte der Gebirge anhäufen. Diese Becken seien überall eine Folge der Gebirgsbildung, ihr Weiterbestehen aber beruhe auf einem trocknen Klima. Ferner meint er, daß die gleichartigen Terrassenbildungen in Westasien sich nur durch die Annahme einer Aufeinanderfolge wechselnder Klimaperioden, den Eiszeiten nördlicherer Länder entsprechend, erklären lassen dürften. In Seïstan lasse das Abwechseln roten Tonbodens mit grünem auf ein Abwechseln trockner und feuchter Perioden schließen, und Huntington nimmt sogar 14 oder 15 Schwankungen an. In Seïstan sucht er den Schlüssel zum Verständnis der Schwankungen des Kaspischen Meeres. Die quartären Ablagerungen und Terrassen in Persien deuten seiner Ansicht nach eine Reihe immer kräftiger werdender Klimaschwankungen an, denen eine Reihe abnehmender Schwankungen folgt. Er glaubt, daß diese letztere Reihe der Eiszeit in nördlichern Gegenden entspreche. Auch meint er, daß die letzte dieser Oszillationen noch in geschichtlicher Zeit Fortschritte gemacht haben könne. In der spätern Tertiärzeit sei Iran in Becken geteilt worden, in denen sich auf den regelmäßigem Schichten, die sich im Wasser abgesetzt hätten, der vom Winde dorthin gewehte Staub und die Verwitterungsprodukte der Gebirge anhäuften. »In Seïstan und wahrscheinlich auch anderwärts scheint während der Eiszeit eine Seenreihe das Becken ausgefüllt zu haben. Trotzdem charakterisiert den allgemeinen Verlauf der Ereignisse eine schrittweise vor sich gehende Veränderung großer Becken in kleine Becken und der Übergang von Sedimentbildung zu Lößbildung.« Die Erosionsgebiete verkleinern sich immerfort, eine Folge des trocknen Klimas. »Die äolischen Ablagerungen bestehen zum großen Teil aus feinem Sand, der die trockneren Ebenen bedeckt und sich bisweilen im Windschatten der Hügel anhäuft. Ihre größte Entwicklung erhalten sie in Seïstan, wo die heftigen Winde den Sand mit überaus großer Geschwindigkeit vor sich hertreiben und ihn zu Dünen von bedeutender Höhe anhäufen, die sich heutzutage schnell über Schutt- und Schlammgebiete ausbreiten. Die Beckenablagerungen scheinen fast immer in derselben Schichtfolge wiederzukommen, nämlich Schlamm oder anderes feines Material auf dem Grund, darüber Schutt und zu oberst angewehter Sand. Es ist wahrscheinlich, daß diese Anordnung der Schichtfolge in einem Lande, wo Beckenbildung und Austrocknung fortschreiten, dem gewöhnlichen Laufe der Dinge entspricht.«
Die lakustren Ablagerungen in Ostpersien beweisen entweder, daß die Regenmenge früher reichlicher gewesen ist als jetzt, oder auch, daß das Klima damals kälter, die Verdunstung infolgedessen geringer und eine größere Wasseranhäufung in den Becken möglich war. Am Kognehsee fand Huntington Fluß- und Seeterrassen, die zeigen, daß fluviatile und lakustre Perioden mit interfluviatilen und interlakustren abgewechselt haben, und er erklärt diese Erscheinung mittels der klimatischen Theorie, d. h. daß wir es hier mit Veränderungen in einem Lande, das nicht vom Eise bedeckt gewesen ist, zu tun haben, also mit Veränderungen, die den glazialen und interglazialen Perioden entsprechen. An der Chaf-nemeksar und andern abflußlosen Becken fand Huntington Terrassenbildungen und am Becken von Kulberendsch stieß er auf drei 50 und 25 Fuß hohe Strandterrassen und eine vierte kleinere und niedrigere. Sie sind durch einen See in drei verschiedenen Niveaus gebildet worden. Sie beweisen, daß die Seen West- und Mittelasiens in einer sehr späten geologischen Zeit größer gewesen sind als heute. Da die Terrassen überall gleichartig sind, muß ihr Entstehen auf eine gemeinsame Ursache zurückgeführt werden, nämlich auf das Klima. »Die Terrassen verdanken ihre Entstehung einer Reihe von Klimaschwankungen, die den Epochen entsprechen, die man in andern Ländern die Eiszeit nennt. Wenn diese Theorie allseitige Zustimmung findet, so wird sie wahrscheinlich die notwendige Grundlage zur Erklärung der spätern physischen Geschichte des Kaspischen Beckens und anderer Teile der Erde unmittelbar vor und vielleicht auch nach dem Auftreten der Menschen liefern.«
Bei Bereng gibt es zwei Terrassen 25 und 15 Fuß über dem Wasserstande des Hamun, der im Januar 1904 etwa 5 Fuß niedriger war als während der Hochwasserperiode. Am Nordwestufer des Sees sieht man also die Spuren zweier fluviatiler oder lakustrer und zweier interfluviatiler Perioden, und man hat zwei Niveaus höhern Wasserstandes vor dem jetzigen niedrigen anzunehmen.
Huntington sieht es als wahrscheinlich an, daß die Dünen am Seh-kuhah sich während der letzten zwei oder drei Jahrhunderte gebildet haben. Er sagt: »Das unbedeutende Alter der Sanddünen und die Frische der Seeterrassen lassen mich glauben, daß der See auf dem Niveau der Seh-kuhah-Terrasse zu einer Zeit stand, die eher nach Jahrhunderten als nach Jahrtausenden zu rechnen ist und die gewiß in die geschichtliche Zeit fällt.« Nach Vredenburg ist dies auch beim Lorahamun der Fall gewesen, der früher drei- oder viermal so groß war wie jetzt und einen Wasserstand gehabt hat, der 50 Fuß über dem gegenwärtigen Seegrunde lag. Ferner sagt Huntington über die Zusammengehörigkeit des physisch-geographischen und des geschichtlichen Dokuments: »Es ist klar, daß die Seen in Seïstan und Sirra und die Flüsse Hilmend und Schela eine Reihe Veränderungen erlitten haben, die mit der Geschichte des Menschen jener Gegend in enger Verbindung stehen. Diese Veränderungen scheinen nur durch die Theorie, daß Ostpersiens Klima in geschichtlicher Zeit schrittweise trockner geworden ist, erklärbar zu sein.«
Man folgt Huntington gern, wenn er sagt, daß Persiens neueste geologische Geschichte mit einem trocknen Klima am Ende der Tertiärzeit beginne; darauf trete eine fluviatile Periode ein, die aus einer Anzahl Unterabteilungen mit verlängerten Flüssen und erweiterten Seen bestehe und deren Unterabteilungen wieder durch interfluviatile Epochen mit kurzen Flüssen und eingeschrumpften Seen voneinander getrennt seien. Alles spreche dafür, daß es in der Vorzeit reichlichere, ergiebigere Niederschläge gegeben habe als jetzt. Selbst Geschichtsdaten, Legenden und Überlieferungen stimmten hiermit überein. Die letzte Periode ergiebiger Wasserzufuhr scheine die Zeit Alexanders, 300 v. Chr., und die des Istakri, 900 n. Chr., umfaßt zu haben. Der Übergang von dem großen Wasserzufluß während des Altertums in die Austrocknung der neuen Zeit bedeute offenbar den Übergang der letzten fluviatilen Periode in die gegenwärtige interfluviatile. Die Frage, ob es irgendeinen selbständigen Beweis dafür gebe, daß sich das Klima während der geschichtlichen Zeit verändert habe, bejaht Huntington, denn Alexander und Istakri beweisen ihm, daß das Klima jetzt trockner ist. Er erinnert auch daran, daß die Mitglieder der Bellew- und der Goldsmidexpedition von Hungerjahren und mehreren aufeinanderfolgenden regenlosen Jahren sprechen. »Bedenkt man die periodische Wiederkehr solcher Hungersnöte, so scheint es nicht glaublich, daß Persien eine viel größere dauernde Bevölkerung als seine gegenwärtige zu ernähren imstande wäre.«
So weit Huntington. Ehe wir das von ihm gewonnene Resultat mit den in andern Teilen Persiens erhaltenen vergleichen, erscheint es mir angebracht, einige Worte über Blanfords und Richthofens Ansicht zu sagen. Unter der Benennung quartäre oder rezente Bildungen faßt Blanford alle oberflächlichen Schutt-, Sand- und Tonhäufungen auf Persiens Ebenen, in seinen Tälern und an den Abhängen seiner Berge und Hügel zusammen. Sie bedecken eine enorme Fläche des Landes; wahrscheinlich ist mehr als das halbe Land mit rezenten Ablagerungen bedeckt. In dieser Beziehung ähnelt Persien andern großen Teilen Zentralasiens; Turkestan, Afghanistan und Tibet leiden an derselben Dürre, derselben unbedeutenden Regenmenge, demselben Mangel an Flüssen. Die zentralen Teile der Wüstenebenen bestehen gewöhnlich aus hellen Tonablagerungen, die oft Flugsand bedeckt. »Diese feinkörnigen Ablagerungen können lakustren Ursprungs sein, denn es ist wahrscheinlich, daß in den abflußlosen Becken, die jetzt Wüste sind, einst Seen existiert haben. Die Oberfläche wird glattgefegt, aber ein unmerkliches Gefäll nach der Mitte der Ebene hin ist wahrscheinlich überall vorhanden.« (S. Eastern Persia, II, 465.) Blanford schließt die Möglichkeit nicht aus, daß der in den höhern Regionen vorhandene grobe Schutt glazialen Ursprungs sein könne. Dagegen läßt sich anführen, daß Tietze und auch andere Geologen jede Spur einer Eiszeit in Persien bestreiten.
An einer andern Stelle, die Sykes im » Journal of the Manchester Geogr. Soc.«, XXIII, anführt, sagt Blanford mit Recht: »Es bleibt uns noch die Entstehung der ausgedehnten Ablagerungen zu erklären, die die Ebenen ausfüllen. Die einzige wahrscheinliche Erklärung scheint zu sein, daß diese umfangreichen Becken einstmals Seen gewesen sind, und zwar meistens wahrscheinlich schwach oder stark salzige Seen, wie das Kaspische Meer und der Aralsee, der Wan-, Urmia- und Nirissee, da die feine Erde der Ebenen aus dem Schlamme besteht, der sich in solchen Seen absetzt … Doch damit ein Binnenmeer und Binnenseen das Innere Persiens einnehmen konnten und es möglich war, daß sich in ihnen große Ablagerungen bildeten, hätte das Klima entschieden viel feuchter sein müssen, als es jetzt ist.«
Gegen Blanfords Theorie, daß die iranischen Depressionen mit ihren alluvialen Ablagerungen infolge der Hebung der Bergketten und des Eintretens eines trocknern Klimas während des letzten Teils der Tertiärzeit geschlossen worden seien, tritt F. von Richthofen in seinem Werk »China« (I, 174) auf: »Daß der Niederschlag aus Süßwasserseen das letzte Oberflächengebilde hervorgebracht hat, können wir aber nach frühern Auseinandersetzungen nicht annehmen. Selbst wenn zu Ende der Tertiärperiode noch Seen existierten, welche dann allmählich austrockneten, so waren doch die subaërischen Agentien in den langen, seitdem verflossenen Zeiten fortwährend tätig, durch chemische und physikalische Prozesse feinere Teilchen und größere Bruchstücke von den Felsen loszulösen und durch Wind und spülendes Wasser in die Becken hinabzutragen. Die Seen konnten höchstens bis zu dem niedrigsten Paß in jedem Becken heranreichen; aber die Ablagerungen erstrecken sich weit höher an den Seiten hinauf, und dort konnten sie sich aus den Seen sicherlich nicht absetzen …
»Alle Theorien, für die Ablagerung in abflußlosen Becken sowohl wie für die Entstehung des Löß, welche wir erwähnt haben und noch zu erwähnen haben werden, gründen sich ausnahmslos auf die Annahme ehemaliger allgemeinerer Wasserbedeckung und eines regenreichern Klimas, während beide Erscheinungen nach unserer Darstellung im Gegenteil auf der Voraussetzung eines trocknen Klimas und, was insbesondere den Löß betrifft, eines das gegenwärtige an Trockenheit weit überragenden, beruhen.«
In dieser Kontroverse muß unbedingt Blanford rechtgegeben werden; denn das außerordentlich feine Material in den persischen Kewirbecken ist entschieden in Seen, die durch zahlreiche schlammführende Flüsse gespeist wurden, abgelagert worden. Während der jetzigen trocknen Periode sind dagegen die äolischen Kräfte tätig, um mit Hilfe der Verwitterung und des Windes subaërische Überlagerungen über den ältern lakustren Ablagerungen zu bilden. Denn heutzutage werden diese Becken nur zu einem verschwindend kleinen Teil durch zeitweilige Seen eingenommen; jetzt sind sie Wüsten, und in einer Wüste ist die wichtigste destruktive Kraft die Insolation und die wichtigste denudierende Kraft der Wind. (Vgl. Supan, »Grundzüge der Physischen Erdkunde«, S. 532.)
Blanfords Theorie ist, wie ich schon erwähnt habe, auch von Dr. Emil Tietze angefochten worden. Soweit es sich um die geschichtliche Zeit handelt, ziehe ich es vor, mich Tietzes Auffassung anzuschließen, weil ich nicht glaube, daß während eines so kurzen Zeitraums, wie 2000 Jahre es sind, durchgreifende klimatische Veränderungen vor sich gehen können. Handelt es sich aber um geologische Perioden, so bin ich von der völligen Berechtigung der Blanfordschen Auffassung überzeugt. In seiner Abhandlung: »Zur Theorie der Entstehung der Salzsteppen« im »Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt«, Bd. 27 (1877), S. 341 fg., sagt Tietze: »Es gibt gar keinen irgendwie stichhaltigen Beweis dafür, daß die persischen Salzsteppen in geologisch jüngster Zeit vom Meere bedeckt gewesen seien.« Die Salzlager haben sich auf andere Weise bilden können. Das Wasser hat nur einen geringen Anteil an der Bildung und Ablagerung der Massen, die die Zwischenräume zwischen den parallelen Bergketten ausfüllen. Denn Flüsse sind hier außerordentlich selten. Tietze vergleicht die persischen Salzebenen mit Richthofens »Lößmulden« in der Mongolei und sagt, die eingesenkte Beckengestalt schließe schon den Gedanken daran aus, daß man es mit einem Meeresgrund zu tun haben könne. Die Ablagerungen seien daher auf dieselbe Weise entstanden wie in China. Aus den Detritusmassen schauten die Gebirge wie aus ihren eigenen Ruinen heraus. Er gibt zu, daß die Flüsse gelegentlich bis nach den tiefsten Teilen der Depressionen gelangen und dort Salzlager bilden können. Schon dies erscheint ihm genügend, um jede Hypothese von abgeschnürten Meerbusen oder Binnenseen überflüssig zu machen. Auch brauche man nicht wie Blanford große Veränderungen des Klimas anzunehmen.
Durch Brückners und Huntingtons Untersuchungen haben inzwischen Blanfords Theorien eine großartige Stütze erhalten. Das Resultat, zu dem ich auf meiner letzten Reise gelangt bin, bestätigt ihre Beobachtungen in allen Teilen. Da eines der Ziele, die ich mir gesetzt hatte, darin bestand, die Grenzen der Kewirwüsten in so großem Umfang wie nur irgend möglich auf der Karte einzutragen, und da ich deshalb teils ihrem Rande folgte, teils sie durchquerte, hatte ich wenig oder gar keine Gelegenheit, das Vorhandensein oder Fehlen alter Seeterrassen festzustellen. Die jüngsten Terrassen und Uferlinien sind bereits mit äolischen Überlagerungen, dem flachen Schuttkegel vom Fuße des nächsten Gebirges, bedeckt. Die ältern befinden sich in der Regel in größerer Entfernung vom Kewirrand.
Dagegen macht Vaughan im » Geographical Journal«, VII (1896), S. 166, folgende interessante Mitteilung: »Ich sammelte verschiedene Meermuscheln, darunter Austernschalen, zwischen der Tscheschme-gauhir und Baba-Chalet in 100 oder 200 Fuß Höhe über dem Kewirbett und 2 bis 3 englische Meilen von ihm entfernt. Ich zeigte sie Herrn Stahl, einem deutsch-russischen Geologen, der mir sagte, daß sie aus gestorbenen Arten angehörten und daß während einer acht bis zehn Jahrtausende langen Periode hier kein Meer gestanden habe.«
Bei einem solchen Beweis braucht man nicht, wie Vaughan, es seltsam zu finden, daß keiner der alten Geschichtschreiber ein Binnenmeer erwähnt, und man braucht nicht in den unzähligen Erzählungen und Legenden von einem einstigen Meer, die noch in der um die Wüsten herumwohnenden Bevölkerung leben, weitere Stützen zu suchen. Derartige Legenden geben Goldsmid und seine Begleiter, Schindler, Curzon, Huntington u. a. wieder. Es ist ja unbestreitbar von Interesse zu wissen, daß das Dorf Junsi denselben Namen trägt wie der Prophet Jonas und daß dieser, der Ortssage nach, gerade dort von dem Walfisch ans Land gespien worden ist, daß die Türfüllungen der Festungstore von Dschandak aus dem Wrack eines Schiffes, welches das Kewirmeer befahren hat, hergestellt sind und daß Husseinan und mehrere andere am Kewirrande liegende Orte ehemalige Hafenstädte sein sollen. Wissenschaftlichen Wert besitzen diese Legenden nicht, und man darf aus ihnen keine Schlüsse ziehen. Wahrscheinlich sind sie einfach infolge der unbestreitbaren Ähnlichkeit des Kewirbeckens mit einem Binnenmeer entstanden. In Verbindung damit sei erwähnt, daß die Perser den Kewirrand, d. h. die eigentliche Grenzlinie zwischen festem Schutt- oder Sandgrund und tückischem Kewirboden, beinahe immer mit dem Ausdrucke »Leb-i-kewir« bezeichnen. Das Wort »Leb« bedeutet eigentlich »Lippe« und wird auch angewandt, um ein Seeufer zu bezeichnen; so hörte ich stets Leb-i-Hamun, Hamunufer, sagen. Das Wort wird also benutzt, um das Ufer eines Sees zu bezeichnen, er enthalte nun Wasser oder nicht.
Es wäre von großem Wert gewesen, wenn man über Vaughans Muscheln Genaueres erfahren hätte. Vorausgesetzt, daß sie wirklich eine Lage des ehemaligen Kewirsees angeben, erfahren wir wenigstens, daß sie in einer 100–200 Fuß betragenden Höhe über dem »Leb-i-kewir« gefunden sind. Die Mittelhöhe des Kewirrandes ist nach vier von mir angestellten und von Dr. Nils Ekholm ausgerechneten Beobachtungen, die alle vier am Südrande der Kewir angestellt worden sind, 735 Meter. Der tiefste Punkt, den ich im Innern der Kewir maß, hatte 685 Meter absolute Höhe. Der Höhenunterschied zwischen dem Rand und dem tiefsten Punkt beträgt demnach 50 Meter. Wenn wir den Mittelwert der 100–200 Fuß Vaughans annehmen, so erhalten wir ebenfalls etwa 50 Meter. In der Zeit, als das Binnenmeer bis an den Punkt reichte, wo er die Muscheln fand, muß es also gegen 100 Meter Maximaltiefe gehabt haben.
Über das vertikale Profil der persischen Beckendepressionen sagt Blanford: »Die Randgebiete der Ebenen bestehen gewöhnlich aus einem langen Abhang aus Schutt und Blöcken mit einem Gefäll von 1 bis 3 Grad. Derartige Abhänge erstrecken sich oft 5 oder gar 10 englische Meilen weit von dem Fuße der Hügel an, die die Ebene begrenzen, und der Höhenunterschied zwischen dem höchsten Punkte des Abhanges und seinem niedrigsten macht oft 2000 Fuß und bisweilen noch mehr aus.« Hier spricht Blanford also von einem Gefäll des Schuttkegels von 600 Metern auf einer Länge von höchstens 17 Kilometern. Er hätte hinzufügen können, daß die Abdachung mit der zunehmenden Entfernung von dem Randgebirge immer unbedeutender wird. So fand ich auf der Strecke Teheran-Weramin, die 55 Kilometer beträgt, nur 215 Meter Gefäll, und von Dschandak bis an den Rand der Kewir 240 Meter auf 30 Kilometer. Von Turut nach den: Kewirrand betrug die Abdachung 109 Meter auf 15 Kilometer, aber vom Rande der Kewir nach Sadfe nicht weniger als 218 Meter auf ungefähr 10 Kilometer.
In dem Randgebiete unmittelbar außerhalb der großen Kewir haben wir es also mit einem sehr unbedeutenden Gefäll zu tun. Trotzdem ist es überall scharf ausgeprägt, und die Höhenmessungen beweisen, daß der feste Boden um ein Kewirbecken herum stets nach dem Rande dieses Beckens hin abfällt. Die feinkörnigen Schlammablagerungen, die man Kewir nennt, charakterisieren auch stets die tiefste Einsenkung eines Beckens. Tietze führt, wie wir gesehen haben, die eingesenkte Beckengestalt als Beweis gegen Blanfords Theorie an, daß früher in diesem Becken Seen gestanden hätten. Ist es denn aber ganz gewiß, daß der Abhang im Randgebiete, von dem Blanford spricht, sich auch quer über das ganze Becken erstreckt, d. h. daß die Abdachung auf der ganzen Strecke dieselbe ist (600 Meter auf 17 Kilometer), bis sie den tiefsten Teil des Beckens erreicht, von wo aus dann sofort wieder eine ebensolche Steigung beginnt?
Folgende Höhenbestimmungen geben einen klaren Begriff von der Bodengestaltung auf einer süd-nördlichen Linie, von Dschandak nach Sadfe:
Seehöhe in Metern | ||
Dschandak | 998 | |
Haus-i-Hadschi-Ramasan | 779 | |
Kewir | (3. Febr., 7 Uhr morgens) | 758 |
" | (3. Febr., 1 Uhr mittags) | 722 |
" | (3. Febr., 9 Uhr abends) | 685 |
" | (4. Febr., 3 Uhr nachmittags) | 709 |
" | (4. Febr., 9 Uhr abends) | 718 |
Sadfe | 936 |
Wir finden also, daß das Land im Süden wie im Norden stark nach dem Rande der Kewir abfällt. Sobald wir aber auf die Kewir hinausgelangen, wird der Boden fast horizontal, und die kleinen Unterschiede in den Barometerablesungen können sehr wohl auf atmosphärische Störungen zurückzuführen sein. Die Kewir ist hier 110 Kilometer breit, und die größte Höhendifferenz, die man innerhalb dieser Strecke feststellen kann, beträgt 73 Meter.
Auf der östlichen Linie, wo die Durchquerung einige Tage später vorgenommen wurde, diesmal von Norden nach Süden, sind die Verhältnisse auch nicht anders:
Seehöhe in Metern | ||
Turut | 814 | |
Kewir, | 9. Febr., 1 Uhr mittags | 705 |
" | 9. Febr., 9 Uhr abends | 717 |
" | 10. Febr., 1 Uhr mittags | 723 |
" | 10. Febr., 9 Uhr abends | 746 |
" | 11. Febr., 1 Uhr mittags | 736 |
" | 11. Febr., 9 Uhr abends | 761 |
Arusun, | 12. Febr. | 1047 |
Hier haben wir auf einer 120 Kilometer langen Strecke einen Höhenunterschied, der nur 56 Meter beträgt. Während wir jedoch auf der westlichen Linie den tiefsten Teil der Kewir ungefähr in der Mitte der Salzwüste finden, liegt der tiefste Teil der östlichen Linie am Nordrand. Nehmen wir den Durchschnittswert der fünf in der Kewir selbst auf der westlichen Linie vorgenommenen Messungen, so erhalten wir 718 Meter, während es auf der östlichen Linie 725 Meter werden. Jedenfalls finden wir, daß der Boden der Kewir außerordentlich flach ist, ja, bis auf ein paar Meter horizontal genannt werden kann. Eine solche Ebenheit ist ohne Mitwirkung eines großen Sees undenkbar. Es ist genau derselbe ebene Boden, den ich in mehreren tibetischen Seen gelotet habe, z. B. in dem großen unbenannten, seichten Salzsee im östlichen Tibet im Jahre 1900 und im Ngangtse-tso im Jahre 1907. Auch dort fand ich einen nahezu ganz horizontalen Grund und sehr langsames Ansteigen des Bodens nach den Seeufern hin.
Ein schönes und regelmäßiges altes Seebecken ist auch das, welches man am besten nach der Oase Tebbes benennt. Während der Diluvialzeit hat es gewiß einen bedeutenden See enthalten, wie man an den deutlich erkennbaren Doppelterrassen sieht, die man auf dem Wege nach Perwadeh beständig zur Linken hat. Sie sehen wie eine Reihe ununterbrochen gleichhoher Hügel aus, die eine abgerundete Front haben und durch Einschnitte und Erosionsfurchen voneinander getrennt sind. Ich hatte ja auch im tiefsten Teile des Beckens einen kleinen seichten Salzsee, den Ab-i-kewir, entdeckt; er ist der letzte Rest des diluvialen Sees. Von der außerordentlich flachen Form der Becken erhält man aus der folgenden Tabelle der Höhenziffern einen Begriff:
Seehöhe in Metern | ||
Kurit | 687 | |
Fahanuntsch | 682 | |
Muessinabad | 622 | |
Kewirsee Ab-i-kewir | 647 | |
Lager Nr. 42 | 622 | |
Punkt südlich dieses Lagers | 615 | |
Perwadeh | 622 | |
Kewir hinter Perwadeh | 617 |
Je weiter abwärts man gelangt, desto größer wird der Abstand zwischen den niedrigsten Teilen des Beckens und den Terrassen.
Daß das Becken der Descht-i-lut während eines feuchtern Klimas ebenfalls ein Seebett gewesen, ist um so mehr unzweifelhaft, als es an Seïstan grenzt und nur durch ein ziemlich niedriges Gebirgssystem von diesem Landesteil getrennt wird. Die Ursachen, die den Hamun zu unvergleichlich viel größerer Tiefe und ausgedehnterem Areal gelangen ließen, müssen auch auf die Descht-i-lut eingewirkt haben, die ein abflußloses Becken ist und aus den umliegenden Bergen eine große Anzahl Wasserläufe empfängt. Auf dem Wege längs ihres Nordrandes passiert man mannigfache Abflußrinnen, deren ansehnliche Dimensionen zu der jetzigen Niederschlagsmenge des Landes nicht in angemessenem Verhältnis stehen. Auf dieselbe Weise sind alle die unzähligen abflußlosen Becken, die es in Persien gibt und die zum Teil noch temporäre Seen oder in Seen abgelagerte Salzschollen enthalten, einst die Betten größerer oder kleinerer Seen gewesen. Ohne Zweifel haben viele von ihnen über Schwellen, die sich nur wenig über den Boden der Kewirbetten erheben, direkt miteinander in Verbindung gestanden.
Auf der dem ersten Bande beigegebenen Übersichtskarte von Persien sind die Grenzen der großen Kewir so gezeichnet, wie ich, Vaughan und andere sie gefunden haben. Doch als das Becken noch mit Wasser gefüllt war und der See sein Maximum erreichte, hatte sein Ufer eine ganz andere Lage, als der jetzige Kewirrand einnimmt. Im großen und ganzen sind die Umrisse des Sees mit dem Kewirrande parallel gewesen, waren aber außerhalb dieses Randes gelegen; der See hat ein größeres Areal gehabt als die Kewir in unserer Zeit. Die umgestaltenden Kräfte auf der Erdoberfläche arbeiten an der Vergrößerung des Abstandes zwischen jenen beiden Linien. Die Schuttkegel und die Verwitterungsprodukte der Gebirge schieben sich vor und rücken über den ebenen Kewirgrund weiter. Es sind noch ganz dieselben Kräfte wie in der feuchten Periode, als der große See existierte, aber während der jetzt herrschenden Trockenperiode sind sie unvergleichlich viel schwächer als damals. Das gröbere Material, das Bäche und Sturzfluten nach starken Regenfallen mitschwemmen, setzt sich auf dem Schuttkegel ab; das feinste Material, der Schlamm, wird wie einst der Kewir zugeführt. Daher ist es auch natürlich, daß der Grund der Kewir am Rande höher liegen muß als in der Mitte.
Es ist klar, daß eine solche horizontale Beckenfüllung wie der plastische, salzhaltige Lehm in der Kewir keine Lößbildung sein kann. Noch heute trägt sie alle Kennzeichen des Bodens eines Salzsees. Sie ist auch im Winter feucht, und das Grundwasser steht ganz dicht unter ihrer Oberfläche. Die völlig horizontalen Salzschichten schließen jeden Gedanken an äolische Entstehung aus. Doch wie mir scheint, stehen die Verhältnisse in Persien keineswegs mit Richthofens Erklärung der bis zu 700 Meter mächtigen Lößlager in China und der Mongolei in Widerspruch. Richthofen fand freilich nicht einmal auf Chinas höchsten Bergen Gletscherspuren und meint, daß die diluvialen Eiszeiten an China spurlos vorbeigegangen seien, der Trockenheit des Klimas wegen. Das trockne Klima hat die Folge, daß die feinen, vom Winde weiter getragenen Verwitterungsprodukte alle Becken in solchem Grad ausfüllen, daß alle Unebenheiten verschwinden und sogar Hügel und kleinere Berge darunter begraben werden. So entsteht eine flache beckenförmige Salzsteppe, die ringsum Gebirge umgeben. Wenn sich dann das Klima verändert und feucht wird, verwandelt sich die Salzsteppe in ein Lößbecken; die Niederschläge sammeln sich zu Flüssen, die sich tief in die Lößlager einschneiden.
Während der trocknen Periode, die der Eiszeit vorherging, ist wahrscheinlich in Persiens abflußlosen Becken dieselbe äolische Ablagerung vor sich gegangen. Die einzigen deutlichen Spuren wirklicher Lößablagerungen, die ich am Rande der Kewir gefunden habe, sind bei Turut. Das Dorf ist, wie ich schon erwähnt habe, teils auf der Höhe, teils am Fuße einer Lößterrasse erbaut, die senkrecht oder wenigstens sehr steil zu dem flachen, gleichmäßig abgedachten, bis an den Rand der Kewir reichenden Abhang abfällt. In dem gelben Lößbett, dessen Oberfläche nach Regen so glatt und schlüpfrig wie Kewirboden ist, hat sich der Turutbach eine Rinne eingeschnitten, die auf beiden Seiten durch jähe, teilweise senkrechte und 12–15 Meter hohe Lößwände eingeschlossen wird. Die Grenze des Lößbettes nach der Salzwüste ist in ihrer Kontur sehr regelmäßig und bildet Vorsprünge und Blöcke zwischen eingeschnittenen Buchten. Über ihre Fortsetzung nach Osten und Westen hin ist mir nichts bekannt. Im Norden sieht man ihre gelbe Fläche in etwa 10 Kilometer Entfernung in die graue Farbe des jetzigen Schuttkegels übergehen, und diese graue Farbe erstreckt sich bis an den Fuß des nächsten Gebirges. Auf der Strecke bis an den Bergfuß kann man wenigstens mit bloßem Auge nirgends eine höhere, ältere Uferlinie sehen.
Dagegen unterliegt es keinem Zweifel, daß die scharf abgeschnittene Lößterrasse von Turut eine ältere Lage des Sees bezeichnet. Nur ein großer See mit genügend langem Stillstand auf ein und demselben Niveau und kräftigem Seegang hat ein so ausgeprägtes, deutliches Kennzeichen hinterlassen können. Ohne Zweifel gibt es ähnliche äolische Ablagerungen auch an andern Stellen um das Kewirbecken herum, wenn sie auch durch das kältere und feuchtere veränderte Klima der Diluvialzeit, das in nördlicheren Ländern die große Vereisung hervorrief, entstellt worden sind.
In seiner interessanten Abhandlung » Archeological and physico-geographical reconnaissance in Turkestan« in » Exploration in Turkestan«, S. 28 fg., beschreibt R. Pumpelly die von ihm untersuchten alten kaspischen Uferlinien bei Baku. Die höchste dieser Linien erreichte 600 Fuß, erhob sich also fast 200 Meter über den jetzigen Meeresspiegel, während andere in 500 und 300 Fuß Höhe lagen. Wir brauchen nicht die höchste in Verbindung mit dem feuchten Klima der Eiszeit heranzuziehen; denn ein Wasserstand an der 600 Fuß-Marke würde gleichbedeutend mit einer Überschwemmung beinahe ganz Rußlands, Finnlands und Südschwedens sein. Überdies sind alle derartigen Niveauvergleichungen wertlos, wenn man nicht den Betrag kennt, um den die Bergketten mit ihren alten Seemarken sich infolge der Gebirgsbildung gehoben oder gesenkt haben. Wenn wir uns aber, wie Brückner, mit der Annahme begnügen, daß das Kaspische Meer seinem Areal nach doppelt so groß wie jetzt gewesen ist, und wenn wir, wie Huntington, die fluviatilen und lakustren Ablagerungen Ostpersiens und Seïstans als gleichzeitig mit der Eiszeit annehmen, so können wir es a priori als gegeben ansehen, daß die Temperaturherabsetzung und die Feuchtigkeitssteigerung, die zur Anhäufung so großer Wassermassen im Gebiete nördlich der Kewir und in den östlich und südöstlich von ihr liegenden Gegenden Veranlassung gegeben haben, auch im Kewirbecken selber in derselben Richtung hin tätig gewesen sind. Die Schwankungen zwischen trocknem und feuchtem Klima sind in ganz Westasien einander gefolgt, wie es auch natürlich ist. Das Gegenteil wäre ebenso unnatürlich wie physisch unerklärlich.
Im großen Kewirbecken finden wir dieselbe Schichtenfolge, die Huntington in Seïstan gefunden hat: 1) Schlamm und anderes feines Material auf dem Grunde; 2) Grus; 3) Flugsanddünen. Doch gilt dies nur bis zur Quartärzeit zurück. Denn vor ihr haben wir ein trocknes Steppenklima angenommen mit äolischen Lößbildungen, das sich über ganz Asien erstreckte.
Als die letzte Eiszeit ihr Maximum erreicht und das Klima sich dann langsam zu wachsender Trockenheit und Wärme verändert hatte, sanken und schrumpften das Kaspische Meer und die iranischen Seen, darunter auch der große Kewirsee, zusammen. Schließlich trat letzterer in das Stadium ein, von dem Johannes Walther in seinem Werk »Das Gesetz der Wüstenbildung«, S. 116, sagt: »Ist nun ein Wüstenbecken soweit mit klastischem Material zugeschüttet, daß die Unebenheiten des Bodens ausgeglichen, tiefe Mulden ausgefüllt und der Boden eingeebnet ist, dann muß jede Veränderung des Wasservolumens eine sehr beträchtliche Änderung des Seeumrisses veranlassen. Meilenweit rückt der Strand vor, große Flächen werden wieder trocken gelegt.« Man kann sich eine Periode denken, in der das flache Kewirbett nur während des Winters eine papierdünne Wasserschicht enthielt, die im Sommer verschwand. Schließlich trat der Zeitraum ein, da nur heftige Regengüsse imstande waren, in der tiefsten Mulde des Bettes kleine Salzsümpfe zu bilden. Dieser Zeitraum dauert noch an. Wann er begann, ist nicht festzustellen; jedenfalls vor der geschichtlichen Zeit, vielleicht vor 10, 15 oder 20 Jahrtausenden.
Während meiner beiden meridionalen Wanderungen durch die große Kewir und nicht zum wenigsten bei der Durchquerung des Kewirarmes zwischen Abbasabad und Chur erhielt ich auch den deutlichen Eindruck, daß die ganze Kewirscholle nur in geringem Maße beweglich ist, wie eine zähflüssige Masse, die danach strebt, die horizontale Lage einzunehmen, oder mit andern Worten, es erschien mir als dasselbe Phänomen, das J. Gunnar Andersson »fließende Erde« nennt und das auch in Tibets unfruchtbaren Gegenden etwas ganz Gewöhnliches ist. Eine derartige Bewegung wird tatsächlich durch die kaum bemerkbaren, flachgewellten Wälle angedeutet, die am nördlichen und südlichen Rande mit dem Ufer parallel laufen und anzudeuten scheinen, daß hier neuangehäuftes und angeschwemmtes Schlammmaterial einen Druck ausgeübt oder eine Verschiebung verursacht hat.
Im großen betrachtet, schließe ich mich Huntingtons Auffassung völlig an. Nur in einem Punkt muß ich mich von ihm trennen und, wie Brückner, betonen, daß die Klimaänderung so langsam fortschreitet, daß ihr Vorhandensein sich innerhalb der geschichtlichen Zeit nicht mit Gewißheit nachweisen läßt. Wenn also Huntington Alexander und Istakri, 300 Jahre vor und 900 Jahre nach Christi Geburt, in die letzte Periode ergiebiger Wasserzufuhr einschließt, so kann ich ihm hier nicht folgen. Ich habe gezeigt, daß Alexander durch ein genau ebenso erbärmliches, unwegsames Wüstenland zog, wie wir es heute an der Küste der Ichthyophagen finden. Was Istakri betrifft, so haben wir aus jener und der unmittelbar darauf folgenden Zeit einen Anhaltspunkt an dem hohen Wasserstande des Kaspischen Meers, der in den persischen Wüsten nach dem, was man aus den Schriften der arabischen Geographen schließen kann, keine Verbesserung herbeigeführt hat. In das 12. Jahrhundert fällt eine Ebbe, die den Meeresspiegel auf ein Niveau herabbringt, das 4 Meter niedriger ist als sein gegenwärtiges. Im Jahre 1306 tritt ein Maximum mit einem Wasserstande ein, der 11 Meter über den jetzigen hinausgeht. 30 Jahre früher zog Marco Polo durch die Wüste und gibt uns eine Beschreibung jener Gegend, wonach die dort herrschenden Verhältnisse damals eher unvorteilhafter denn günstiger als heute waren. Die Schwankungen des Kaspischen Meers, die, wie wir gesehen haben, eine Funktion der Niederschläge innerhalb seines hydrographischen Gebietes sind, scheinen also, soweit die letzten 1000 Jahre in Frage kommen, nicht merkbar auf die persische Wüste einzuwirken, jedenfalls nicht in dem Grade, daß man aus geschichtlichen Daten Aufklärungen darüber erhalten könnte.
Die Tatsache, auf die Huntington hinweist und die auch meine Aufmerksamkeit erregte, nämlich daß in Sirre und am Schela viele Ruinen liegen, ist kein Beweis einer beständig fortschreitenden Wasserverminderung während der mohammedanischen Zeit. Hier wie im allgemeinen in Seïstan und in vielen andern Teilen Persiens lassen die zahlreichen Ruinen nicht ohne weiteres auf etwas anders als auf eine Veränderung der alten Lage der Flüsse und Seen schließen. Ich habe im zweiten Bande meiner » Scientific Results of a journey in Central Asia« eine derartige Erscheinung am alten und neuen Lop-nor ausführlich beschrieben, wo die Bevölkerung gezwungen war, ihre Dörfer und Gehöfte zu verlassen, als der Fluß und der See sich nach Süden hinzogen. Aber diese Ortsveränderung hatte nichts mit einer Klimaänderung und einer Verringerung der Bevölkerungszahl zu schaffen.
Es ist wahr, daß besonders der östliche Teil Persiens sehr ruinenreich ist. Die allermeisten sind mohammedanische Gebäude gewesen, also vergleichsweise aus jüngerer Zeit. Wurden doch Weramin und ganz Nordpersien von den Mongolen verheert, und stehen doch noch aus jener Zeit unzählige Ruinen! Und es gibt wohl auch noch andere Ursachen, die eine Bevölkerung zum Verlassen ihrer Stadt oder ihres Dorfes zwingen können. Es bedarf ja nicht mehr als einer Ebbe in einer Brücknerschen Periode, damit ein Kanal das Dorf, dessen Felder er bisher bewässert hat, nicht mehr erreicht. Das Dorf wird dann verlassen und höher aufwärts ein neues angelegt. Wie oft stoßen wir nicht auf die Namen Kala-no, Deh-no, »die neue Festung«, »das neue Dorf« usw. Die alten zerfallen und bleiben als Ruinen stehen, und die Anzahl solcher Ruinen wird im Laufe der Jahrhunderte immer größer. In Indien gibt es um Dehli herum einen ganzen Friedhof ehemaliger Lagen dieser Stadt. Man erhält den Eindruck eines ungeheueren Ruinenfeldes und einer in unsern Tagen auf ein Geringes zusammengeschrumpften Bevölkerung. Und doch ist es immer noch dieselbe Stadt, die nur weitergewandert ist.
Gerade in Seïstan, das nach Lord Curzon reicher an Ruinen ist als irgendein anderer ebenso großer Teil der Erde, hat man keine Veranlassung, an eine Austrocknung des Klimas während der geschichtlichen Zeit zu denken. Curzon gibt selber die einzig richtige Erklärung: »Im Gegensatz zu den Jeremiaden der Kritiker, die Seïstan so darstellen, als ob es aus zwei Teilen, einer Wüste unter Wasser und einer Wüste über Wasser bestehe, muß hervorgehoben werden, was sowohl die Geschichte als auch die bestehenden Tatsachen dartun. Wenn jene Behauptung richtig ist, wie kommt es dann, daß diese Provinz einst wegen ihrer großartigen Fruchtbarkeit, ihrer dichten Bevölkerung und ihrer prachtvollen Städte so berühmt war? Was sollen wir von den Quadratmeilen alter Ruinen sagen, die noch seinen Boden bedecken? In Persien hängt die Fruchtbarkeit fast ausschließlich vom Wasserzufluß ab; und in den persischen Provinzen ist hier allein nicht nur Wasser genug vorhanden, um große Kanäle, mächtig wie Flüsse, nebst einem Netzwerk kleinerer Kanäle und Gräben zu füllen, sondern auch noch so viel, um oft nutzlos in Morasten und Lagunen zu verrinnen.« Curzon zitiert in » Persia«, I, 242, einige Aussprüche englischer Reisender, die Seïstan besucht haben, und gelangt zu dem Ergebnis, daß das Land eine enorme Fruchtbarkeit besitze, wenn dort ein wissenschaftlich ausgeführtes Berieselungssystem in Kraft trete.
Dieselbe Ansicht hat Bellew in dem Werke » From the Indus to the Tigris« ausgesprochen. Er sagt über Bust (a. a. O., S. 176), daß dieser Ort durch Nadir Schah auf seinem Zuge nach Kandahar und Indien zerstört worden sei. »Es hat den Anschein, als ob bei allen diesen Belagerungen nur das Fort als ein strategischer Punkt okkupiert worden sei; die Stadt und die Vorstädte waren Trümmerhaufen geblieben und hatten schon seit Dschingis-Chans verheerender Invasion im Jahre 1222 in ungefähr demselben Zustande dagelegen, in dem man sie jetzt sieht.« Über die Zeit, als Krateros durch das Land zog, heißt es: »Damals muß das Land viel mehr bebaut und in viel blühenderem Zustand gewesen sein als heute.« Über die Germselgegend, das Land am unteren Hilmend, sagt Bellew: »Das Tal trägt überall Spuren ehemaligen Wohlstands und dichterer Bevölkerung in alten Zeiten. Sein Boden ist überall fruchtbar, und Wasser ist dort in unbegrenzter Menge vorhanden. Es bedarf nur einer starken, gerechten Regierung, um den verlorenen Wohlstand schnell wiederherzustellen und das Land zu einem fruchtbaren Garten voller Städte und Dörfer in ununterbrochener Reihenfolge auf dem ganzen Wege von Seïstan nach Kandahar zu machen. Die jetzige Verwüstung dieses von Natur so fruchtbaren Landes verschärft die Dürre und die Hitze seines Klimas. Mit neuem Aufblühen des Ackerbaues und dem Aufwachsen aller Art Bäume würden diese klimatischen Nachteile auf ein Minimum reduziert, und Germsel würde dann bewohnbar sein, wofür man es in seinem gegenwärtigen Zustand kaum halten kann. Es unterliegt keinem Zweifel, daß Germsel unter einer zivilisierten Regierung seinen früheren Wohlstand bald wiedererlangen würde, und dann würde dieser Teil des Hilmendtales sich hinsichtlich eines guten Klimas mit dem Tigristal bei Bagdad messen können.«
Dazu kommen noch die großen Schicksalsschläge, die in Gestalt der Hungersnot und der Pest von Zeit zu Zeit verschiedene persische Provinzen in derselben Weise verheeren wie die Teile Indiens, in denen der Monsun ausbleibt, oder Rußlands, wenn kein Regen fällt oder die Cholera auftritt. Ich bin selbst Zeuge des Wütens der Pest in Seïstan gewesen, als im April 1906 ganze Dörfer buchstäblich ausstarben und die leeren Häuser stehenblieben, um in Trümmer zu fallen. Wahrscheinlich ist es nicht das erstemal gewesen, daß die Pest in dem unglücklichen Lande wütete. Dr. Kelly in Nasretabad sprach auch die Vermutung aus, daß der Ansteckungsstoff dort in latenter Form versteckt liege und zu gewissen Zeiten auf irgendeine unbekannte Veranlassung hin von neuem zum Ausbruch gelange. Wenn eine solche Seuche eine ganze Bevölkerung dezimiert und die Menschen in panischem Schrecken massenweise aus dem Lande fliehen, ist es natürlich, daß dort leicht Ruinen entstehen können. Wenn das Land sich nachher allmählich wieder erholt, werden neue Wohnstätten gebaut. Ein noch wichtigerer Faktor ist, besonders in Seïstan, der Umstand, daß die Flußarme ihre Lage verändern. Das Hilmenddelta, das Seïstans Lebensbedingung ist, hat sich unzähligemal weiter bewegt. Unter solchen Umständen müssen ganze Städte und Dörfer verlassen werden, und ihre Bewohner sind gezwungen, sich an den neuen Wasserläufen anzusiedeln. Da, wo in Seïstans dürren Wüsten leere Mauern stehen, täuscht man sich oft über ihr Alter. Sie werden von dem ungeheuer heftigen Sommerwind aus Nordnordwesten zernagt und abgefeilt und sehen infolgedessen älter aus, als sie in Wirklichkeit sind. In relativ kurzer Zeit werden sie schließlich ganz zerstört.
Da so deutliche, schlagende Gründe zur Entstehung solcher Ruinen in Seïstan vorhanden sind, ist es überflüssig, ihr Dasein durch Verschlechterung des Klimas während der geschichtlichen Zeit erklären zu wollen. Der Boden ist jetzt nicht weniger fruchtbar als in alten Zeiten, und die Wassermenge des Hilmend, mag sie sich vergrößert oder verringert haben, ist noch so kolossal, daß sie ausreichen würde, Millionen Menschen zu ernähren. McMahon schätzt die Bevölkerung Seïstans auf 205 000 Seelen; ihnen steht ein größerer Wasserreichtum zur Verfügung als irgendeinem andern ebenso großen Teil der Bevölkerung Persiens. Nach McMahon führt der Hilmend in der Niederwasserzeit 2000 Kubikfuß Wasser, in der Hochwasserperiode 50–70 000 Kubikfuß in der Sekunde. Er glaubt, daß Seïstan unter einer guten, klugen Regierung sich in ein neues Ägypten verwandeln könne. (Vgl. » Geographical Journal«, XXVIII [1906], S. 209.)
Daß man einzelne geschichtliche Angaben nicht immer kritiklos hinnehmen kann, ergibt sich aus folgendem Ausspruch des berühmten Chardin, der um 1660 herum mehrere Jahre in Isfahan lebte; im Bericht über den Sende-rud sagt er in » Voyage en Perse« (III, 4): »Dieser Fluß ergießt sich unterirdisch zwischen Isfahan und Kirman, wo er wiedererscheint und von wo er dem Indischen Ozean zufließt.« Und dennoch zeigt diese sonderbare Auffassung, daß das Klima um Isfahan herum vor 250 Jahren dem jetzigen ähnlich war. Wenn der Gaw-chaneh dazumal ein großer See gewesen wäre, hätte kein Perser auf die Idee verfallen können, Chardin einzureden, daß der Fluß unter der Erde verschwinde. Er verlor sich damals ebenso wie heute in einem temporären Salzsee.
Wenn die arabischen Geographen erzählen, daß im 10. Jahrhundert eine Straße der Länge nach gerade durch die Descht-i-lut, von Deh-i-salm nach Bam, geführt habe und wenn diese Straße nach allem, was ich darüber habe erkunden können, nicht mehr benutzt wird, so könnte man sich freilich dadurch versucht fühlen, den Schluß zu ziehen, daß die fortschreitende Austrocknung das Bereisen dieser Straße unmöglich gemacht habe. Doch auch hierbei spielen andere Faktoren mit! Im westlichsten Teil der Kewir war oft von einer Straße zwischen Kaschan und Semnan die Rede, einem zur Zeit des Schah Abbas viel begangenen Wege, der aber jetzt nicht mehr benutzt wird. Ebenso erzählte man mir von einem direkten Wüstenweg zwischen Dschandak und Semnan, der seit einigen Jahrzehnten aufgegeben worden ist. Gerade so hat auf der alten Straße zwischen Nakschir und Dschandak jeglicher Verkehr aufgehört. Weshalb aber? Wegen fortschreitender Austrocknung? Nein, gerade die Feuchtigkeit fürchtet man in der Kewir. Die Straße wurde aufgegeben, weil sich eben da, wo sie sich hinzog, in einer bisher trocken gewesenen Gegend vorübergehend ein Wintersee gebildet hatte. Wäre das Klima in der Descht-i-lut vor 1000 Jahren feuchter gewesen als jetzt, so hätte man aller Wahrscheinlichkeit nach die westlichen Teile dieser Depression, die größtenteils aus Kewirboden bestehen, nicht durchqueren können. Als Kuriosität sei auch nach Tomaschek die Behauptung des Makdisi angeführt, daß es innerhalb der Mauern der Stadt Chabis niemals regne. In unsern Tagen, also 1000 Jahre später, heißt es von derselben Gegend, daß es dort »selten regnet«.
Was von der großen Kewir gilt, das hat auch hinsichtlich der kleineren Depressionen im östlichen Persien Geltung. Die Kewirwüsten, die in der Nähe der großen Kewir liegen, also die Kewir-i-Badschistan, und die im Süden der Chorassanstraße liegenden Kewirmulden, lassen sich als Zweige der großen betrachten, obwohl das Niveau nicht immer dasselbe ist. Die große Kewir hat in ihrem östlichen Becken 500 Kilometer größte Länge und 240 Kilometer größte Breite. Das Areal beträgt in abgerundeter Zahl 55 000 Quadratkilometer, ist also etwas größer als Böhmen.
Wir haben gefunden, daß das Becken von nackten, ziemlich niedrigen Bergen umgeben wird, deren anstehende Gesteine aus ihren eigenen Trümmern hervorschauen. Es gibt hier nichts, was eine schnellfortschreitende Verwitterung hindern könnte. Die Temperaturunterschiede zwischen Winter und Sommer und zwischen Nacht und Tag sind sehr groß. Eine schützende Pflanzendecke ist nicht vorhanden. Im Winter regnet und schneit es, und der Frost in den Kapillarrissen sprengt immer mehr die äußeren Teile der Berge ab. Die Verwitterungsprodukte bilden Block- und Gruskegel am Fuß des Gebirges; diese Kegel sind sehr flach, und ihr Material wird mit der zunehmenden Entfernung immer feiner, bis schließlich feiner Ton das Kewirbecken füllt. Dieser Ton ist am Kewirrand stark mit Sand vermengt.
Rings um die Kewir finden wir unzählige trockne Erosionsrinnen, die wie Radien nach dem Mittelpunkt der Wüste streben. Nach heftigen Regengüssen können sie sich mit großen Wassermengen füllen, wie ich es in dem regnerischen Winter 1905–1906 mehrmals beobachtet habe. Daß der Abfluß auch sonst sehr reichlich sein kann, sieht man an Erosionsbetten wie dem, welches von der Quelle Dom noch der Kewir hinabgeht und bei 20 Meter Breite 10 Meter tief ist. Der feine Schlamm, den das Regenwasser mitschwemmt, gelangt früher oder später in die Kewir; da aber die Kewir dessenungeachtet so gut wie horizontal ist, muß dies entweder an ihrer beständigen Durchtränkung mit Wasser liegen oder auch seinen Grund darin haben, daß sich das Verwitterungsmaterial, einschließlich des feinen Schlammes, wie ein übergreifender Mantel über den Kewirgrund schiebt. Infolge der Form der Verwitterungskegel ist das Kewirufer gewöhnlich einer Zackenkante vergleichbar, deren runde Bogen durch die miteinander abwechselnden Buchten und Vorsprünge hergestellt werden. Bei Turut liegen einige kleine isolierte Klippen oder Gipfel, die sich, Inseln vergleichbar, aus der Kewirfläche erheben. Der Kuh-i-gugird scheint ein kleinerer Gebirgsarm zu sein, den zum größten Teil Kewirboden umgibt und der in Kewirmaterial eingebettet ist.
Auch die allerneuesten Karten von Persien geben hinsichtlich der Kewir manche verkehrte Darstellungen. Auf der Karte Nr. 61 in Stielers Handatlas finden wir drei Salzsümpfe mit punktierten Konturen, deren Dasein mehr als problematisch ist. Der kleine Bergrücken, der von meinen beiden Routen gekreuzt wird, existiert überhaupt nicht. Auf der Karte in Andrees Handatlas liegen zwei recht ansehnliche Bergmassive auf je einer Seite der Straße von Turut nach Arusun; sie sind auch nicht vorhanden, und es ist schwer ausfindig zu machen, wie sie auf die Karte gekommen sind. Auf der Karte in Johnstons Atlas liegt unmittelbar auf der Nordseite von Dschandak ein See, und dorthin verirrt sich der Kal-mura auf mystische Weise.
Der Reisenden, die die Beckengestalt der Kewirwüsten, ihre temporären Seen und ihre großen Salzlager hervorgehoben haben, sind viele. Blanford ist der erste, der ihre Entstehung verstanden hat. Sie haben in Tibet, Zaidam und Zentralasien viele Verwandte und bilden einen ebenso eigentümlichen wie charakteristischen Wüstentypus. Walther behauptet, daß folgende fünf Ursachen verändernd auf einen Wüstensee einwirken: 1) die Menge der Niederschläge; 2) der Umfang der Verdunstung; 3) das Einsickern des Wassers in den Boden; 4) die Menge der dem See zugeführten Sedimente, und 5) der Salzgehalt des Wassers. Da die Niederschlagsmenge während der postglazialen Zeit abgenommen hat, ist der Kewirsee verschwunden oder jedenfalls in ein Stadium eingetreten, in dem er an der Grenze der Vernichtung steht. Die Wassermenge, die dem Becken jetzt, direkt durch Regen oder indirekt durch Flüsse, zugeführt wird, reicht nicht aus, um die Sedimente zu bedecken, die infolgedessen offen zutage liegen. Die großen Salzschollen, die wir im Innern der Wüste finden, lassen auf Perioden reichlicherer Niederschläge in allerneuester Zeit schließen. Da, wo sich in solchen feuchten Zeiträumen größere Oberflächenseen als gewöhnlich gebildet haben, hat sich, als eine neue Trockenperiode die Seen verschwinden ließ, das Salz in ihren Betten abgesetzt. Ohne Zweifel sind derartige Wechsel während eines ziemlich langen Zeitraums eingetreten. Das ergibt sich schon daraus, daß man an bestimmten Stellen der Kewir überall, wo man einen Stock durch den die Oberfläche bildenden Ton stößt, bereits in etwa zwei Fuß Tiefe auf ein steinhartes Salzlager stößt. Diese Salzschicht hat sich entschieden in einem recht ansehnlichen See abgesetzt und ist im Laufe der Zeiten mit neuem Schlamm bedeckt worden. Ein Bohrloch durch den Kewirboden würde ohne Zweifel eine ganze Reihe abwechselnder Schlamm- und Salzschichten an den Tag bringen. Die Schlammschichten bezeichnen das Ende einer feuchten Periode, die Salzschichten eine neue Periode mit ungefähr demselben Klimacharakter wie heute.
Walther nennt die forttragende Tätigkeit des Windes »Deflation« und hält diese Kraft für die Hauptursache des Reliefs der Wüste. Dieses Gesetz hat jedoch auf eine Kewirwüste keine rechte Gültigkeit. Schon die horizontale Gestalt der Oberfläche beweist, daß der Wind hier auf die Dauer machtlos ist. Wir vermissen die tief ausgeschnittenen Windfurchen, die das Lopland und Seïstan charakterisieren, wo die ungeheuer heftigen Winde den Tonschichten ein so phantastisches Relief verleihen. Daß es nicht an Wind fehlt, merkt man auf einer Reise am Südrande der Kewir sehr bald. An einigen Geröllabhängen findet man auch Massen muschel- und tetraëderförmig vom Wind ausgemeißelter Steine. Die Winde, die es vermocht haben, diese Steine zu schleifen, sind auf der Oberfläche der Kewirwüste machtlos gewesen. So heftig es auch stürmt, sie verändert ihre ebene Flächenform in Jahrtausenden nicht. Die Ursache ist nicht schwer zu finden: Im Winter, wenn der Boden feucht und zäh ist, sind Deflation und Korrasion unmöglich. Im Sommer ist der salzhaltige Ton zu einer steinharten Masse zusammengetrocknet, und wenn der Wind dann vielleicht auch imstande ist, schädigend auf diese einzuwirken, so wird das Resultat seiner Tätigkeit in der nächsten feuchten Jahreszeit sofort wieder vernichtet. Dazu kommt die Konsistenz der ganzen Beckenfüllung, das dicht unter der Oberfläche stehende Grundwasser, das lockere, zähflüssige Material, das infolge des Gravitationsgesetzes stets danach strebt, eine horizontale Lage einzunehmen.
Man gewahrt also an der Oberfläche keine durch den Wind verursachten Veränderungen. Dieser Umstand tritt im Lopland sehr deutlich hervor, wenn man von dem in süßem Wasser abgelagerten Ton zu den trocknen »Schor«-Betten geht, in denen einst salzhaltige Seen gestanden haben. Das erstgenannte Gebiet durchfurchen Rinnen, die der Wind mehrere Meter tief ausgehöhlt hat und die mit der vorherrschenden Windrichtung parallel laufen; das letztere aber ist gleichmäßig eben, vom Winde unbeeinflußt und weist keine Spuren irgendwelcher Windfurchen auf. Es muß also eine Konsistenz besitzen, die den ausmeißelnden und abhobelnden Kräften des Windes größeren Widerstand entgegensetzt.
Persiens einstige, von Zoroaster gestiftete Religion kann, so verwunderlich dies erscheinen mag, als Beweis für die Unveränderlichkeit des Klimas in 2500 und mehr Jahren dienen. Denn nach den wahrscheinlichsten Angaben lebte Zoroaster nicht sehr lange vor der Herrschaft der Achämeniden. Nach Justi trat diese Religion, wie sie in dem Zendavesta niedergelegt ist, an die Stelle der alten medischen Magie. Justi sagt in seiner »Geschichte des alten Persien«, S. 70 fg.: »Die Zoroastrische Lehre hat zuerst im östlichen Iran ihre vollständige Anerkennung und Ausbildung erhalten, und ist in den westlichen Ländern mit fremden Elementen versetzt worden. Das echt iranische Wesen hat immer in Ostiran seinen Hauptsitz gehabt, während der Westen babylonischem und griechischem Einfluß offen stand.« Nacht und Schlaf sind feindliche Mächte. Durch den Aufgang der Sonne wird die Macht der Dämone gehemmt. Dank der Sonne können die Bewässerung, der Ackerbau und andere Arbeiten betrieben werden, wodurch die Ausdehnung der Wüste aufgehalten wird. »Wenn die Wüste mit ihren Stürmen die Wege verweht, so daß bei Nacht nur die klaren Sterne der Karawane den Weg zeigen, wenn durch die Glut des Sandes sich Dünste erheben, welche die Sonne in einen dichten Schleier verhüllen, so sind dies die Wirkungen der bösen Geister, welche dort hausen, ja der Sturm selbst ist der Diw, welcher gegen die von Gott geschaffnen Bäume ankämpft. Der Gegensatz zwischen Wüste und Fruchtland wiederholt sich überall in Iran; zahlreiche Flüsse, welche weite Landschaften mit ihrem segnenden Gewässer durchströmen, verrinnen plötzlich im Sand, das fruchtbare Land grenzt oft unmittelbar an dürre Strecken, und der Vernachlässigung der Wasseranlagen folgt alsbald ein Vorrücken des Sandmeeres.«
Ein so scharf ausgeprägter Kampf zwischen Leben und Tod, zwischen den guten und den bösen Mächten um die Herrschaft über die Welt hätte kaum ausbrechen können, wenn nicht die Naturverhältnisse in dem alten Iran dazu Anlaß gegeben hätten. In diesem Sinn spricht sich auch H. Kiepert in seinem »Lehrbuch der alten Geographie« (S. 52) aus. »Die Wirkung dieser Landesnatur auf das Gemüt der Bewohner spricht sich auch aus im altiranischen Volksglauben an eine wohltätige und eine dem Menschen feindliche Schöpferkraft (Ormuzd und Ahriman); als Geschöpfe des letztern werden die heißen Sandstürme, die Luftspiegelungen der Wüste, die Winterfröste, die Fieberluft, die schädlichen Insekten und Schlangen usw. angesehen: daher die dem Zarathustra (Zoroaster) zugeschriebenen praktischen Religionsvorschriften der Vertilgung dieser Tiere, dagegen der Pflanzung von Bäumen, Anlegung von Wasserleitungen, des Grabens von Brunnen usw.«
Kiepert betont auch, daß die großen Wüstengebiete in der Mitte Irans verantwortlich seien für das Fehlen eines gemeinsamen Namens dieses Landesteiles und für die Schwäche der Staatsbildungen, die seit urältesten Zeiten auf diesem Boden entstanden sind. »Nur auf kürzere Perioden haben kräftigere Herrscher oder Dynastien, wie die ersten Achämeniden, Alexander und der erste Seleukos, das Ganze zusammenzuhalten vermocht; die Regel ist in den weit längeren Zwischenzeiten das Nebeneinanderbestehen von wenigstens zwei, durch die große Wüste getrennten Reichen: des Medopersischen und des Baktrischen.«
Da Kiepert auch nachweist, daß der schmale Kulturstreifen am Südfuß des Elburs von alters her die einzige, für große Heerscharen gangbare Straße zwischen dem Westen und dem Osten gewesen ist und daß seine Bedeutung in jeder neuen Periode der Kriegsgeschichte hervortritt, so finden wir darin einen indirekten, aber sehr sprechenden Beweis dafür, daß die Ausdehnung der Wüsten im Altertum denselben Umfang hatte wie jetzt. Die Politik, die Kriege, die Religion, alles ist von der Geographie des Landes abhängig gewesen, überall finden wir den Einfluß der großen Wüste auf das Leben der Völker. Soweit die Urkunden in der Zeit zurückreichen, hat die große Wüste da gelegen, wo sie jetzt liegt, und im großen und ganzen dieselben Eigenschaften gehabt, die sie noch heute besitzt.