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Die Oase Tebbes liegt ganz isoliert und von der Außenwelt abgeschieden; nach der nächsten Stadt sind es volle 130 Kilometer. Bei den Gastmahlen, zu denen ich eingeladen wurde, waren alle Teilnehmer Bewohner von Tebbes. Fremde kommen nur selten hierher und nur dann, wenn sie einen besondern Zweck damit verbinden, z. B. Kaufleute und Karawanenbesitzer. Nach allen Seiten hin dehnt sich die endlose Wüste aus, und eine Reise nach einer Nachbarstadt, sei es Tun, Birdschan, Jezd oder eine der Städte Chorassans, ist ein richtiges Unternehmen. Die kleine Stadt lebt ihr eigenes Leben; eingeschlossen in ihren engen Mauern, unberührt von äußeren Einflüssen, die große Heerstraßen und Karawanen mit sich bringen, hat sie ihre uralten Charakterzüge und Eigentümlichkeiten ziemlich unverfälscht bewahrt. Daher macht die Oase Tebbes den Eindruck solider Echtheit. Aber ihre Bewohner bedauern ihre abgeschiedene Lage sehr und sagen, daß es sich hier angenehmer leben ließe und der Wohlstand zunehmen würde, wenn nur ein einziger großer Karawanenweg über ihren Ort führte.
Ganz von der Welt abgeschnitten ist die Stadt jedoch nicht; ich habe ja selbst die Straße von Chur kennengelernt, und andere Straßen führen nach Chorassan, Jezd und Naibend. Die Oase Tebbes steht sogar in regelmäßiger Postverbindung mit der großen Welt. Die Poststraße nach Mesched führt über Tun und Turbet-i-Haidari und ist in 14 Stationen eingeteilt; man rechnet 93 Farsach auf die ganze Strecke, und zwölfmal werden auf ihr sowohl die Leute wie die Pferde gewechselt; ein Brief wird in vier oder fünf Tagen befördert. Es ist freilich nicht der kürzeste Weg nach Mesched, seine längere Farsachzahl ist auf Rechnung der Orte Tun und Turbet zu setzen, deren Postsäcke derselbe reitende Bote abholt. Der gerade Richtweg verläuft westlicher und beträgt nur 80 Farsach. Die nach Jezd führende Poststraße ist in 11 Stationen eingeteilt, von denen einige sehr lang sind. Die Straße nach Seïstan wird zu 79 Farsach gerechnet und die nach Halwan ist 20 Farsach lang. Die Naibendstraße zählt 30 Farsach; auch nach Birdschan gibt es eine Straße.
Dazu kommt noch eine Straße nach Baabad, die meines Wissens noch niemals von einem Europäer benutzt worden ist. Sie führt über Kurit, Belutscha und Risab. Die Angaben, die ich über die Entfernung erhielt, wechselten zwischen 48 und 53 Farsach.
Es war für mich eine große Versuchung, bei meinem Vordringen nach Süden gerade diese Straße als nächste Etappe zu wählen. Ich beriet mich auch mit einem Kamelbesitzer, der den Weg kannte; augenblicklich wollte er mir keines seiner Tiere zu einer Reise südwärts vermieten, weil die Wüste nach den letzten Regengüssen »gel«, glatt, sei; wenn ich aber warten wollte, bis die Wüste wieder trocken sei, werde er mir gern zu Diensten stehen. Vor zwei Tagen sei eine Karawane von 300 Kamelen aus Sebsewar angelangt; ihr Ziel sei Jezd, und sie beabsichtige, über Baabad zu gehen, müsse aber in dem vor Tebbes liegenden Dorfe Kurit warten, bis die Wüste trockne. Wenn wir es so einrichteten, daß wir unmittelbar hinter ihr aufbrechen könnten, würden wir den Wüstenweg in ihrer Spur trocken finden. Natürlich wäre es interessant gewesen, diesen Teil der Wüste zu sehen, eine neue Kewirdepression, die ganz von ihresgleichen isoliert zu liegen scheint, zu durchqueren und die Fortsetzung der kleinen Bergkette, die ich bei Rabat-gur durchzogen hatte, zu erforschen; aber alles dieses hätte mich von meiner Richtung abgeführt und mich gezwungen, den Besuch in der merkwürdigen Oase Naibend, von der mich ebenfalls wenig bekannte Wüstengegenden trennten, ganz aufzugeben. Daher beschloß ich, nach Naibend zu gehen. Unterwegs hörte ich aber so viele interessante Dinge von der Baabadwüste, daß ich, um beide Pläne nach Möglichkeit miteinander zu verbinden, einen weiten Bogen nach Westen machte, ehe ich Naibend erreichte.
In Tebbes gibt es 200 große Palmengärten und mindestens ebenso viele kleine. Man zählt hier gegen 100 000 »Mader«, weibliche Palmen, und in jedem Garten gibt es zwei männliche, »Nähr«, drolligerweise dasselbe Wort, dessen man sich zur Bezeichnung eines Kamelhengstes bedient. Erst nach 15 oder gar 20 Jahren trägt die Palme Frucht; es gibt hier Palmen, die 200 Jahre alt sind. Sie sollen immer wachsen; infolge der von Zeit zu Zeit eintretenden Stürme und der im Winter über der wärmeren Luftschicht des Erdbodens herrschenden Kälte überschreiten sie aber nie eine bestimmte Höhe. Die höchsten Palmen, die ich in Tebbes sah, waren 15 und 16 Meter hoch; gewöhnlich sind sie bedeutend niedriger und nur 7 oder 8 Meter hoch. Allerdings befinden wir uns hier an der Nordgrenze der Dattelpalme; im Norden der großen Kewir gibt es keine Palmen mehr.
Die Perser sagen, daß die Palme ganz wie der Mensch sei; sie verkümmere und sterbe, wenn eine Kugel sie getroffen habe, sie ersticke, wenn Wasser sie überschwemme, und erfriere in der Kälte. Die männliche Palme hat, wie der Mohammedaner, mehrere Frauen; sie ist vornehm, zart und empfindlich; sie muß mit der größten Sorgfalt gepflegt werden; sie gleicht einem Haustier, das dem Menschen die unschätzbarsten Dienste leistet. Ganz Tebbes lebt ja nur vom Ertrag der Dattelpalmen, und es gibt keinen Teil des Baumes, der nicht zu irgend etwas zu gebrauchen wäre. Die Tiere können sich von einem Ort zum andern begeben, aber die Palme bleibt an ein und demselben Platze wie festgenagelt. Dort wächst sie aus ihrer Wurzel auf, und dort muß sie dereinst auch vermorschen und sterben. Ein alter Perser sagte mir, daß die Palme sich von andern Bäumen dadurch unterscheide, daß sie Leben und Seele habe, denke, trauere und sich freue. Werde sie liebevoll gepflegt, so empfinde sie Dankbarkeit und lasse die Datteln in großen, reichen Trauben unter der Blätterkrone reifen, vernachlässige man sie aber, so werde sie verdrießlich und unterlasse es, Früchte zu tragen.
Der Seïde, der Herr mit der grünen Leibbinde, erzählte mir, daß man während der Festtage des Moharrem gewöhnlich eine oder die andere Palme schlachte und seinen Gästen Dattelkäse vorsetze. Unnötigerweise werde jedoch keine Palme geopfert; es geschehe nur, wenn man einen besondern Grund dazu habe, wenn sie z. B. zu dicht ständen und einander erstickten oder wenn sie zu alt geworden wären; andernfalls wäre es dasselbe, als wollte man ein zinsentragendes Kapital wegwerfen. Müsse man eine Palme umhauen, so verschiebe man es gern bis zu den Festtagen des Moharrem.
Zu einem solchen Fest war ich an einem meiner letzten Tage in Tebbes bei dem Seïden eingeladen. Von einem Rasenplatze im Garten aus sahen wir uns das Schlachten an. Das Opfer war eine fünfzigjährige Palme männlichen Geschlechts, die zum Tode verurteilt worden war, weil sie zu verkümmern begann. Ein Mann bindet um sich und den Stamm einen Bastring und klettert mit großer Gewandtheit in den Gipfel des Baumes hinauf; die Unebenheiten des Stammes bieten seinem Fuße Haltpunkte, und er zieht den Bastring mit sich in die Höhe. Mit einem scharfen Beil haut er die Blätter bis an den Stamm ab; eines nach dem andern fällt herunter, und schließlich steht die Palme geköpft, ihrer Krone beraubt, zwischen ihren alten, noch lebenden Gefährten da. Dann werden alle schützenden Faserhüllen am obersten Ende des Stammes, aus denen das Strahlenbündel der Blätter hervorwuchs, entfernt, und die weiche, süße, saftige Masse herausgeholt, die Pänir-i-chorma genannt wird. Ich schaue dem ganzen Vorgang zu. Man merkt bald, daß der Besitzer des Gartens und seine Leute, die mit dieser Palme aufgewachsen sind und sie von Kindheit an kennen, so ernst und feierlich gestimmt sind, als ob sie eine böse, treulose Tat gegen eine alte Freundin begingen. Doch ihre Bedenken verlieren sich schnell, sobald ein gedeckter Tisch gebracht wird, auf dem man den Dattelkäse in würfelförmige Stücke schneidet, um ihn zu verspeisen.
Der Seïde zeigte mir in seinem Palmengarten ein Palmenpaar, das 60 Jahre alt war. Beide standen nur anderthalb Meter voneinander entfernt; während die eine hoch und üppig war, sah die andere niedrig und verkümmert aus. Er sagte, daß die verkümmerte sich sofort aufrichten und stolz in die Höhe wachsen würde, wenn man ihre hohe Nachbarin fälle. Ihre Wurzeln sollen in eine Tiefe von 35 Metern reichen, wo das Grundwasser steht.
Gewiß ist, daß Tebbes in all seiner vergessenen und abgeschiedenen Einsamkeit und Kleinheit ein Perle unter den Städten Irans ist. Entzückend und paradiesisch erscheint diese Oase dem Wüstenwanderer, der auf einem langen, einsamen Weg hierher kommt; gar mancher Pilger hat mit heiteren Träumen unter ihren Palmen geschlafen, manch ein Wanderer hat seine Kehle, die das Wasser salziger Brunnen zugeschnürt hat, mit dem abgeklärten Quellwasser aus den Bergen gelabt, und wieviele haben ihren Hunger mit den süßen, saftigen Datteln von Tebbes gestillt! Und von der Höhe des Minarets aus kann der müde Reisende einen letzten Blick werfen auf die letzte Strecke des schweigenden Wüstenlandes, das er durchzogen hat, auf den Schauplatz seiner in glühender Sonne und heißer Dürre langsam zurückgelegten Schritte.
Als ich unter den Palmen von Tebbes lagerte, hatte ich zwei Monate Wüste hinter mir; wie gern wäre ich ebensolange im Schatten der Oase geblieben! Mit echt persischer Liebenswürdigkeit hatte der Emad-ul-Mulk mich dazu zu überreden versucht. Die ganze Oase sei mein Eigentum, alle seine Untertanen seien meine Diener! Aber ich hatte keine Zeit zu verlieren. Zwischen den Palmen schimmerten wie eine Luftspiegelung die hohen Schneegebirge, die im fernen Osten meiner warteten (Panorama V, Abb. 1), und zwischen denen ich während der folgenden Jahre in so vielen kalten Nächten der Ruhetage in der herrlichen persischen Oase gedenken sollte.
Mit einem gewissen Respekt blickte ich nach Süden über das öde Wüstenland hin, über dessen Boden unsere Glocken während der nächsten Tage wieder hinläuten würden und in welchem die Temperatur Grad um Grad steigen mußte, um schließlich an der Grenze Indiens in erstickende Hitze überzugehen. Dort zitterte schon die Sonnenwärme über Sand, Schutt und Kewirboden wie über einem Ofen. Auf der großen englischen Karte, die mir Oberst Douglas in Teheran gegeben hatte, stand im Südwesten von Tebbes das Wort » unexplored«, ebenso wie auf gewissen Gebieten der neuesten Tibetkarte. Doch hier in Persien bedeckte das verführerische Wort nur einen kleinen Fleck, den Teil des Landes, den ich in Ermangelung eines bessern Namens Baabadwüste nenne, weil die Straße nach Baabad ihn durchschneidet.
Welchen Weg ich auch wählte, ich mußte immer sechs Kamele mieten. Am 6. März stellte sich ein Mann bei mir ein, der sich bereit erklärte, seine besten Kamele zur Verfügung zu stellen; nach Baabad verpflichtete er sich, mich in zehn Tagen zu bringen. Er verlangte täglich 8 Kran für jedes Kamel; bei diesem Preise sollte es auch dann bleiben, wenn ich unterwegs eine andere Straße einschlüge.
»Haben Sie Ihre Kamele hier in Tebbes?« fragte ich.
»Nein, Sa'ab, sie weiden 3 Farsach von hier; aber morgen, wenn die Sonne aufgeht, können sie hier sein.«
»Ihr Preis ist viel zu hoch. Für ein Kamel, das 50 Toman wert ist, 8 Kran den Tag zu bezahlen, ist ja wahnsinnig!«
»Sa'ab, bedenken Sie, daß ich ohne Rückfracht denselben Weg zurück muß, daß ich Stroh und Baumwollensaat für meine Tiere mitzunehmen habe und daß ich während der Reise von ihren Kräften zehre. Ich diene Ihnen auch als Führer und kenne die Gegend ganz genau.«
So dringenden Gründen gegenüber blieben mir weiter keine Einwendungen, und ich nahm das Anerbieten an.
Um 11 Uhr am Abend desselben Tages brach ein außerordentlich heftiger Nordsturm los; es knackte und pfiff im Garten, und Karten, Briefe und Papierblätter, die im Zelt umherlagen, begannen einen Angst erregenden Tanz, bevor sie schleunigst in die Kisten gesteckt wurden. Wie gewöhnlich folgte dem Wind ein Regen, der während der Nacht stärker wurde; am Morgen des 7. März hatte er ganze Tümpel um das Zelt herum und richtige Pfützen im Zelte selbst hinterlassen. Die Chiaban hatte sich in lauter Morast verwandelt, und alle Sachverständigen erklärten, daß der Weg durch die Kewir in der Richtung nach Baabad jetzt absolut unpassierbar sei – wieder dasselbe Pech, das ich schon damals gehabt, als ich die große Kewir durchqueren wollte.
Am 7. März, meinem letzten Tage in Tebbes, war die Luft schwül und drückend, und aus dicht zusammengeballten Wolken fielen dann und wann schnell vorübergehende Regenschauer. Um 1 Uhr betrug die Temperatur 18,1 Grad; man fühlte, daß eine neue atmosphärische Revolution bevorstand. Sie kam auch mit verblüffender Plötzlichkeit um ½5 Uhr in Gestalt eines Sturmes erster Klasse aus Südsüdost. In meinem Garten wurde jedoch das Tosen des Windes durch die Mauern und die Palmen, deren Blätterbüschel wie Besen nach Nordnordwesten gekehrt waren, bedeutend verringert. Da der Eingang gerade nach der Windseite lag, füllte der erste Windstoß mein Zelt; es wurde wie ein Ballon aufgeblasen und wäre beinahe fortgeflogen. Mirza und Awul Kasim sperrten mich so gut ein, wie es nur ging, und verstopften alle Ritzen; ich zündete mir dann ein Licht an und konnte mich mit nichts anderm als Lesen beschäftigen.
Ich hatte dem Emad-ul-Mulk meinen Abschiedsbesuch gemacht, ihm einige kleine Geschenke überreicht und ihm für seine großartige Gastfreundschaft gedankt. Ich hatte die sechs neuen Kamele besichtigt, die sich, von ihrem Besitzer geführt, zu rechter Zeit eingestellt hatten. Tebbes hatte ich allerdings noch lange nicht zur Genüge genossen, aber die Moharremfeste hatte ich doch mitgemacht, und ich wußte, daß die Bewohner der Oase jetzt bis zum No-rus, dem 26. Moharremtage, an dem neue Festlichkeiten stattfinden, ein faules Leben führen werden; erst dann, wenn diese Feste vorüber sind, geht es wieder an die Arbeit.
Abends 9 Uhr hatten wir dieselbe Temperatur wie mittags um 1 Uhr, 18,1 Grad. Der Sturmwind wurde ein wenig schwächer. Gleich nach 10 Uhr aber verstärkte sich das Unwetter wieder und war von Blitz und Donner begleitet – in dieser Gegend eine ungewöhnliche Erscheinung. Ich war zu Bett gegangen und hatte meinen Lichtstumpf ausgelöscht, lag aber noch wach, lauschte dem Toben und sah, wie das Zelt von außen her beleuchtet wurde und es in ihm so hell war wie mitten am Tage, denn das bläuliche Licht der Blitze war stark und blendend. Es zuckte und zitterte und flammte und hielt merkwürdig lange an, manchmal ein paar Sekunden, ehe wieder pechfinstere Dunkelheit eintrat.
Am Morgen des 8. März sah das Wetter nicht gerade verlockend aus; das Minimum hatte +8,7 Grad betragen, aber die Luft war naßkalt und feucht, blauschwarze Wolken drohten noch mehr Regen zu spenden und führten mich durchaus nicht in Versuchung, diese kleine Palmeninsel im Wüstenmeer zu verlassen.
In sanften, schmachtenden Tönen sang meine Nachtigall eine weiche, einschmeichelnde Melodie in einer der Palmen über meinem Zelt, ein freundschaftliches Abschiedslied. Es tat mir wirklich leid, von diesem liebenswürdigen Vogel, der mir neun Nächte hindurch Gesellschaft geleistet hatte, Abschied nehmen zu müssen.
Die Schakale waren doch pfiffige Tiere. Eines Tags hatten wir einige von ihnen oben am Bassin im Garten gehört; sie benutzten das Toben des Sturmes und näherten sich uns gegen den Wind, um die Hunde zu überlisten. Es gelang ihnen auch, unsern besten Hahn, der auf einer Kamellast vor meinem Zelt eingeschlafen war, wegzuschnappen.
Der Hof war voller Leute. Hier sah man den Besitzer des Gartens, einen Hadschi, Polizisten, Krämer, die Waren geliefert hatten, Wasserträger und Landleute, die unsere Kamele täglich mit ganzen Schobern grünen, duftenden Heus versorgt hatten. Alle erhielten ihre Bezahlung. In Tebbes verproviantierte ich mich auch auf längere Zeit; sämtliche Kosten beliefen sich auf 710 Mark.
Noch einmal zogen wir die endlos lange Chiaban hinunter, von deren Mauern das Echo das Glockengeläute zurückgab. Am Rud-chaneh-i-kale-bagh, der aus einer Talmündung in N 63° O kommt und unmittelbar an der Südseite von Tebbes entlang fließt, saßen wir alle auf. In den engen, schattigen Gassen und in der gelben Lehmerde des angebauten Terrains ist der Boden schlüpfrig und tückisch; die Kamele schlenkern mit den Beinen, als ob sie Schlittschuhlaufen lernten. Doch bald verlassen wir diese kleine Oase. Sie hatte durch den Regen einen ordentlichen Überguß erhalten, und hier und dort sah man Landleute provisorische Bewässerungskanäle graben, um das Wasser zu verwerten. In den höhern Regionen der Gebirge hatte es geschneit, und ihr Kamm sah weißer aus als sonst.
Nachdem wir den letzten Flußarm hinter uns zurückgelassen haben, wird das Erdreich ganz unfruchtbar und besteht aus Sand und feinem Grus. Aber das Wasser strömt in seinen unterirdischen Galerien weiter nach den Dörfern Sadetabad, Mohammedabad, Sadikabad und Deh-no, die alle auf der rechten Seite unterhalb unseres Weges liegen, während Chosroabad am Fuße einiger kleiner Hügel, gut in einer Schlucht zwischen ihnen versteckt, sich zu unserer Linken befindet.
Zwei Farsach entfernt zeigt sich auf der rechten Seite die weiße Oberfläche der Kewir, einem großen See vergleichbar, in dessen ruhigem Wasser sich die Berge spiegeln. Die Führer sagen auch, daß diese Kewir jetzt nach dem letzten Regen größtenteils mit einer dünnen Wasserschicht bedeckt sei. Eine Kewir bezeichnet stets die tiefste Senke eines Beckens, und von ihrem Rande steigt das Gelände auf allen Seiten, wenn auch noch so langsam, nach Schuttkegeln und Gebirgen hin an. Daher sammelt sich in ihr alles Abflußwasser, und nach so heftigen Niederschlägen wie den letzten ist es wahrscheinlich, daß eine kleine Kewir wie diese von Wasser bedeckt sein wird.
Zwischen unserer Straße und der Kewir liegt eine Reihe Dörfer: Kerimabad, Kasimabad, Hemetabad und Aliabad. Kurit, ein ziemlich großes Dorf mit dichtgedrängten Häusern mit Kuppeln, liegt an der Straße, und zwischen den grauen Häuserkomplexen erfreuen Palmen durch ihr Grün das Auge. Unmittelbar unterhalb des Dorfes dehnen sich weitgestreckte Weizenfelder aus, deren Frühlingssaaten herrlich in frischem Grün glänzen. Die Karawanen, deren Ziel Baabad ist, brechen von Kurit aus zum Zuge durch die Wüste auf.
Die große Landstraße ist streckenweise bis zu 5 Meter tief in gelben Lehmboden eingeschnitten, der an ihren Seiten gleichsam Wände bildet. Sie wird, wenn sie sich wieder in gleicher Höhe mit den Feldern befindet, von einer Menge Bewässerungskanäle durchkreuzt, die in erhöhten Lehmrinnen fließen. Die Gegend ist reich angebaut, und man ist erstaunt, mitten in der Wüste so viel fruchtbaren Boden zu finden. In ununterbrochenem Zusammenhang mit Kurit stehen die Dörfer Ibrahimabad-i-bala und Ibrahimabad-i-pain oder Ober- und Unter-Abrahamstadt und auf der linken Seite Waliabad. Vor uns erheben sich die Palmen des Dorfes Fahanuntsch, von dessen Gehöften uns ein Gürtel unfruchtbaren, harten Bodens trennt.
Wir ziehen durch die engen Gassen des Dorfes und lagern im Lager Nr. 41 auf einem Acker neben einem Palmenwäldchen (Abb. 180, 181). Auch die elendesten Dörfer wirken vornehm und anmutig infolge ihrer Palmen, und selbst die ödeste, graueste Gasse wird malerisch, wenn über ihr die Kronen der Palmen schwanken. Hier in der Gegend spielt jedoch die Dattel eine weniger wichtige Rolle als Weizen, Gerste und Hirse. Auch Baumwolle wird hier gebaut.
180. Dorf Fahanuntsch. (S. 81.)
181. Lager Nr. 41. (S. 81.)
Fahanuntsch hat 140 Häuser, Kurit 250. Die Straße von Kurit nach Baabad geht auch durch Fahanuntsch, und die Dorfbewohner versicherten mir, daß dieser Weg jetzt nicht zu gefährlich sei, um zurückgelegt werden zu können. Ein Karawanenbesitzer beabsichtige, in zwei Tagen aufzubrechen. Er sagte, daß die Wildesel in der Baabadwüste sehr zahlreich seien.
»Kann mir einer einen vollständig fehlerlosen Hengst verschaffen, so gebe ich dem Jäger 10 Toman«, erklärte ich.
»Zehn Toman!« rief ein Mann aus, nachdem die Umstehenden einander eine Weile ganz verblüfft angesehen hatten. »Für 10 Toman können Sie fünf Wildesel erhalten, wenn Sie sie haben wollen.«
»Ich brauche nur einen einzigen.«
»In der Biaban auf dem Wege nach Baabad sind sie sehr zahlreich. Freilich sind sie nach dem Regen schwerer aufzufinden, da sie jetzt überall Wasser haben können; aber in einem der Nachbardörfer wohnt ein Jäger, der ihre Gewohnheiten ganz genau kennt und nie auf die Jagd geht, ohne mit vier bis fünf Häuten nach Hause zu kommen.«
Dieser Meisterschütze wurde geholt und erhielt den Auftrag, während der Nacht vorauszugehen und mich unterwegs mit seinem Wildesel zu treffen. Ich vermute, daß er sein Bestes getan haben wird, aber einen Wildesel vermochte er mir doch nicht zu verschaffen. Und dabei hatte der Mann wohl zweihundert Wildesel erlegt und ließ sich die Haut mit zwei Toman bezahlen. Obgleich er seinen eigentlichen Zweck nicht erfüllte, war er uns doch sehr nützlich, da er das Land gut kannte.
Auch Fahanuntsch in 682 Meter Höhe war ein herrlicher Ort mit frischem, rieselndem Wasser und rauschenden Palmen; aber mit Tebbes ließ es sich nicht vergleichen. Die Schakale sind hier dreister als sonst. Sobald es dämmerig wird, tauchen sie in Scharen auf, und ihr lautes, seltsames Gebell erfüllt die Luft. Ich frage mich, wo sie bei Tage hausen mögen; denn so lange, als die Sonne am Himmel steht, streifen sie nie umher. Fragt man Leute aus dem Volke, so erhält man die Antwort, daß die Schakale sich den Tag über in Schluchten und zwischen den Hügeln verstecken, aber sobald es dämmert, wie Pilze aus der Erde wachsen. Eigentlich müßte man sie aber doch auch während der langen Tagesstunden gelegentlich einmal erblicken können! Tatsächlich huscht an uns nie der Schatten eines Schakals vorbei, und nie kommt es vor, daß die Hunde plötzlich stehenbleiben, um ihre nächsten Verwandten anzubellen. Es ist, als ob die Schakale verzauberte Geisterwesen wären. Im Spätherbst pflegen sie unter den Palmen nach heruntergewehten Datteln zu suchen.