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Nehmen wir den Faden wieder auf, den wir im 47. Kapitel fallen ließen. Es handelte sich um den Flugsand in den persischen Wüsten. Schon als ich mich Alem näherte, hatte ich einen Flugsandgürtel zur Linken, im Norden, und die Höhe der Dünen betrug hier 10 Meter. In Alem sagte man mir, daß der Gürtel sich noch 7 Farsach nach Norden fortsetze, dort auslaufe und in Kewir übergehe. Nach Nordwesten hin soll er 9 Farsach weit reichen, um dort ebenfalls immer niedriger zu werden und schließlich zu verschwinden. Die von Alem ostwärts führende Straße läuft längs der Südseite eines mächtigen Sandfeldes hin, das mit dem erstem in Verbindung steht. Es sind lauter zusammengewachsene Dünen, die eine ansehnliche Höhe erreichen und rotgelb und graugelb schillernde Sandmassen bilden. Die südliche Grenze des Sandfeldes ist bisweilen scharf markiert und von einem Saxaulgürtel begleitet. An andern Stellen verläuft es sich in immer niedriger werdenden Dünen, deren größte 8 Meter hoch sind. Eine andere Straße zwischen Alem und Tschupunun, im Norden der von mir benutzten, geht teils durch Flugsand, teils durch Kewirausläufer. Auf dem Wege von Tschupunun nach Dschandak hat man immer gewaltige Dünen zur Linken; sie sind bis zu 40 Meter hoch. Die große Südbucht der Kewir auf dem Wege nach dem Tscha-medschi fand ich von lauter Sand umgeben, dessen 30 Meter hohe Dünen teils mit dünnen Tamarisken und Saxaul bewachsen, teils kahl waren. Auf der Nordseite der Straße, der ich vom Tscha-medschi nach Tebbes folgte, soll dieser Sandgürtel sich noch weit nach Osten hinziehen. Als ein Teil dieses gewaltigen Sandgürtels läßt sich das Dünengebiet betrachten, das ich nach der östlichen Durchquerung der Kewir auf dem Weg nach Arusun passierte.
Ganz entschieden ist es ein südlicher Zipfel dieses Dünengürtels, den die Wüstenstraße von Jezd nach Tebbes, die uns die arabischen Geographen beschreiben, berührt. Diese Straße ist in elf Tagereisen eingeteilt und über die siebente, von Jezd an gerechnet, heißt es, daß sie nach »Rig«, dem Sande, einem Karawanserai und einer Zisterne führe, hinter welcher Station dann auf einer 7 Farsach langen Strecke Sanddünen folgten.
Am südöstlichen, südlichen und südwestlichen Rande des Beckens von Tebbes fand ich ebenfalls ansehnliche Flugsandanhäufungen. Unmittelbar hinter Perwadeh lag der hohe gelbe Sand zur Linken unserer Straße, rechts hatten wir die nördlich davon liegende Kewir. Im Süden konnte man sehen, wie der Sand immer höher wurde, steriler war und auf die dort befindlichen Bergabhänge hinaufkletterte. Bei Dagemaschi fand ich auf der Südseite des dort liegenden Kewirgürtels 25 Meter hohe Dünen. Nachher hatten wir die Rig-i-Iskender, »die Sandwüste Alexanders«, und im Nordosten von ihr die Do-rah-seh-rig, »die drei Sandgürtel der zwei Wege«, und nördlich davon eine weiße Kewir. Alle Dünen dieser Gegend waren nach Südsüdosten hin steil, was von vorherrschenden Nordnordwestwinden Zeugnis ablegte. An der Südseite des östlichen Hamunbeckens fand ich das Dorf Chamak versandet. Auf dem Wege zum Schela zwang uns hoher Sand zu einem bedeutenden Umweg. Am Südrande des God-i-Sirre-Beckens bildeten 10 Meter hohe Dünen einen ansehnlichen Gürtel. Im Süden des Lora-hamun passierten wir zwischen Karabuk und Jadgar-tscha einen Dünengürtel. Überall fand ich dieses eigentümliche Gesetz in Geltung.
Auf seinem Weg von Dschandak nach Südwesten kam Vaughan nach drei Tagereisen mit dem Sandgürtel Rig-i-tschitschagun in Berührung. Zwei Tagemärsche führten ihn hindurch, und er schätzt die höchsten Dünen auf 300 Fuß, was wohl übertrieben ist. Ich habe in Beispielen aus den Berichten anderer Reisender mehrfach die merkwürdige Regelmäßigkeit hervorgehoben, mit der der Flugsand in Persien am Südrande der Depressionen auftritt – falls nicht Terrain- und lokale Windverhältnisse gewisse Ausnahmen erzwingen. Das Dschas-morian-Becken war ein hübsches Beispiel einer größern Mulde mit einer mächtigen Sandwüste am Südwestrande. Aus dem südlichen Teile der Descht-i-lut kann ich keine Nachrichten als die bereits angeführten auffinden. Doch über die Südostecke der Wüste zwischen Neh und Bam sagt Curzon, indem er Galindo zitiert: »Hier haben die vorherrschenden Nordwestwinde den Sand zusammengefegt und ihn zu großen Sandhügeln aufgetürmt, die beständig wachsen und wirbeln.« Bei Reclus findet sich in der » Nouvelle Geographie Universelle« (IX, 174) folgende Stelle: »In den Wüsten Südostpersiens herrschen die Sandmassen vor. Der Wind ordnet sie in Hügel, die ihre Lage bei jedem Sturme ändern, wobei sie die Spuren der Karawanen verwehen und manchmal die Kulturen in der Nachbarschaft der Quellen und der Bäche wieder zudecken, ja sogar die Dörfer und Städte bedrängen.« Ohne Zweifel ist der Südostteil der Descht-i-lut von Flugsandfeldern eingenommen.
Im Nordnordwesten des Hamun-i-Seïstan liegt eine Wüste, deren Name Descht-i-neumid, »die hoffnungslose Wüste«, ihren Charakter verrät. Sie dehnt sich im Süden des Salzsumpfes Dak-i-petirgun aus und scheint zum großen Teil seinem Becken anzugehören. Im Süden, wo Bellew diese Wüste zwischen Har-rud und Dorah durchquerte, enthielt sie jedoch keinen Sand. Wenn es in ihr einen Sandgürtel gibt, liegt er weiter nordwärts, am Südrande der Depression. Auf dem Wege nach dem Har-rud passierte Bellew einen Hügel namens Rig-rewan, »der wandernde Sand«, so genannt nach den dort befindlichen roten Sanddünen, von denen Bellew sagt (» From the Indus to the Tigris«, S. 284), daß sie einen sausenden Ton hören lassen, wenn man auf ihnen geht.
Was die Stadt Jezd in Mittelpersien betrifft, so könnte man schon aus ihrer Lage vermuten, daß sie vom Flugsand bedroht sei. Die Stadt liegt am Südrande eines langgestreckten Beckens, und der nordwestliche Wind treibt zwischen zwei Bergketten hindurch den Flugsand ungehindert in der Richtung der Stadt vor sich her. Der berühmte Mönch Odorico di Pordenone, der erste Europäer, der Lhasa besuchte und von 1316–1330 das ganze westliche, südöstliche und östliche Asien durchwanderte, war am Anfang seiner Reise auch in Jezd und gab von dem Sandgürtel in der Nähe der Stadt folgende drastische Beschreibung (vgl. Yule, » Cathay and the way thither«, I, 52):
»Ich reiste nach einer gewissen Stadt namens Jezd, die Persiens entfernteste Stadt in der Richtung nach Indien ist und von der das Sandmeer nur eine Tagereise entfernt liegt. Nun ist aber dieses Meer eine seltsame Erscheinung und recht gefährlich. Und unter uns war keiner, der gewünscht hätte, in dieses Meer einzudringen. Denn es besteht aus lauter trocknem Sand ohne die geringste Feuchtigkeit. Und es rückt, wie das Meer es bei Sturm tut, bald hierhin, bald dorthin, und im Weiterrücken macht es gerade solche Wellen, wie das Meer es tut, so daß schon unzählige Menschen, die hindurchreisen wollten, davon überwältigt wurden und in jenen Sandmassen ertrunken und begraben sind. Denn wenn ein Wind geht, fliegen diese Sandmassen umher und werden von den Winden vorwärtsgeschoben und bald hier, bald dort, je nachdem der Wind gerade weht, zu Hügeln aufgeschichtet.«
Ungefähr in demselben Sinne wird die Gegend im Nordwesten der Stadt Jezd etwa fünf und ein halbes Jahrhundert nach Odoricos Reise beschrieben. So sagt General A. Gasteiger Khan in seiner Schrift »Von Teheran nach Belutschistan«, S. 40: »Die Station Hymmetabad liegt in einem Meere von Flugsand, aus dessen Mitte zahlreiche menschenleere Dörfer ihre Ruinen gegen den Himmel erheben. Wer sich des Nachts hier verirrt, findet sich erst im Jenseits zurecht … Die ganze Gegend bis jetzt besteht aus lauter Sandbergen, in deren Wellen man, knietief eintauchend, oft die Wegspur verliert … Es soll früher die Gegend ein Meer gewesen sein, welches ausgetrocknet dieses Sandbett hinterlassen.«
In demselben Jahre wie Gasteiger Khan, 1881, besuchte Stack die Stadt Jezd. Wie Odorico, spricht er in seinem Werk » Six months in Persia« von Flugsand erst auf der zweiten Tagereise nordwestwärts von der Stadt, wo es (a. a. O., II, 4) heißt: »Wir wanderten 6 englische Meilen weit durch ein Sandhügelmeer und verloren zweimal unsern Weg. Dies ist der Sand, der nach Prophezeiung eines Tages die Stadt Jezd überschwemmen wird. Er hat das alte Askizar überschwemmt. Die Moschee, die die Mitte des alten Dorfes bezeichnete, steht jetzt zur Hälfte begraben inmitten einer Menge Hügel, die sich über den Dächern der Häuser erheben. Das Dorf ist weiter nach Osten verlegt worden. Bei heftigem Wind, der in dieser Jahreszeit (im Mai) oft herrscht, gehen alle Landmarken verloren, und die Reisenden müssen da, wo sie sich gerade befinden, so lange lagern, bis die Luft wieder klar geworden ist. Ganze Sandhügel können von einem Platze nach einem andern getragen werden, wenn der Wind stark ist. Wir hatten in Askizar eine Probe eines solchen Schirokko, der nachmittags den Hof mit Sandwolken anfüllte.«
Auch Macgregor beschreibt das Vorrücken des Sandes gegen Jezd: »Natürlich geschieht das Vorrücken langsam, aber es scheint sehr beständig zu sein.« Sykes sagt: »Als wir Jezd verlassen hatten, ging unser Weg durch ein sandiges, aber stellenweise trotzdem angebautes Gebiet nach Hujetabad, wo kürzlich ein hübsches Karawanserai und ein Wasserreservoir erbaut worden waren. Ringsumher war ein Meer von Sand.«
Im südlichen Afghanistan liegt im Südosten des Hilmend und seines großen Nebenflusses Dori die Rigistan. Rigistan bedeutet »Sandwüste«. Wir haben hier ein Beispiel, daß der Sand in Ostiran sich nicht nur im Süden der Depressionen, sondern auch auf der Südseite der Flüsse anhäuft. In weit größern Dimensionen finden wir dieselbe Anordnung in Turkestan wieder, wo die Sandwüste Mujun-kum im Süden des Flusses Tschu, die Kisil-kum im Südwesten des Sir-darja und die Kara-kum auf der Südwestseite des Amu-darja liegt. Dasselbe Verhältnis ist in Indien, wo die große Indische Wüste sich im Südosten des Indus und Satledsch ausbreitet. In diesem Gebiet herrschen wenigstens im Winter nördliche Winde. Walther meint, daß diese Sandmassen von dem sandhaltigen Schlamme an den flachen linken Ufern der großen Flüsse kommen. Von ihnen wandert der Sand in Gestalt breiter Sandwüsten nach Südwesten und rückt wie ein übergreifendes Meer über die flachen Ebenen vor. Er schätzt die Geschwindigkeit des Vorrückens auf 6 Meter im Jahr. In seinem Werk, »Das Gesetz der Wüstenbildung«, S. 119, sagt er: »Eine weitere Quelle des Wüstensandes sind der Boden und die Küsten von Seen mit wechselndem Wasserstand und der Boden von Trockenseen.«
Auch in Ostturkestan finden wir die großen Sandmassen im Süden und Südwesten von Flüssen und Seen, dem Tarim und dem Lop-nor. Roborowskij beschreibt die Sandwüste Ak-bel-kum, die sich am Südufer des Bagrasch-köl ausdehnt. Die Sandwüste Kum-tag, die, nach Obrutscheff, durch die vorherrschenden nordöstlichen und östlichen Winde angehäuft worden ist, liegt im Südwesten des Kalatschi-nor, gerade da, wo der Fluß Buluntsir mündet. Derselbe Forscher fand die alten Betten des Hwang-Ho südlich von Chara-narin-ula mit Flugsand bedeckt und meint, daß die weiter südöstlich liegenden Sandfelder ihre Sandmassen unter dem Einflüsse des herrschenden Westnordwest- und Nordwestwindes teils aus der mittleren Mongolei, teils gerade aus jenen ausgetrockneten Betten erhalten. Potanin spricht die Vermutung aus, daß der in Ordos herrschende Südwestwind den Flugsand vom Nan-schan bis nach dem Chingangebirge und Kerulen treibe.
Besonders interessant ist Potanins Beobachtung, daß in der nördlichen Hälfte des Wüstengürtels Asiens die Sandmassen sich beinahe ausnahmslos rings um die Seen herum angehäuft haben, folglich um die niedrigsten Teile der Depressionen, wo diese vorkommen. Im ersten und zweiten Bande der » Scientific Results of a journey in Central Asia 1899–1902« habe ich die zentralasiatischen Sandmeere ausführlich beschrieben und ich weise diejenigen, die Interesse daran nehmen, auf dieses Werk hin. Ich habe dort auch in englischer Übersetzung die Resultate, zu denen russische Forscher gelangt sind, aufgeführt. Die ausführlichen historischen Angaben findet man im zweiten Bande, S. 380; wo ich u. a. anführe: »Ferner finden wir auch, daß diese Sandmassen immer an den westlichen oder südwestlichen Ufern der Seen anzutreffen sind; dies ist der Fall bei den Seen Balkasch, Alakul, Ebi-nor, Ajar-nor, Orku-nor, Saisan, Ulungur, Ubsa-nor, Durga-nor und Chara-nor, der im Osten des Kirgis-nor liegt.«
Aus Tibet, das sehr arm an Flugsand ist, will ich nur ein Beispiel anführen. Am Südufer des Basch-kum-köl und des Flusses, der sich in diesen See ergießt, zieht sich ein besonders mächtiger Gürtel absolut vegetationsloser, hoher Dünen hin. Bände könnte man mit solchen Beispielen füllen, und zwar nicht nur aus Asien, sondern auch aus Afrika und den übrigen Weltteilen.
Es ist zu bekannt, als daß man es noch wiederholen möchte, daß die Dünen eine Funktion der Verwitterung und der Tätigkeit der Winde sind. Ein trocknes Klima und ein unfruchtbares Gelände sind ebenfalls Bedingungen zur Dünenentstehung. Wenn alle Bedingungen erfüllt sind, wenn die Verwitterung in einer nicht durch Vegetation gebundenen Wüstengegend ungehindert weitergeht, so muß die Anhäufung und Bewegung des Flugsandes je nach dem Charakter der Winde verschiedenartig sein. Wenn, wie im russischen Turkestan, der Nordostwind vorherrscht, so wandert die ganze Sandwüste nach Südwesten. Ebenso ist es mit den ungeheuern Dünenmassen, die ich aus Ostturkestan beschrieben habe. Wenn die Winde in verschiedenen Jahreszeiten aus verschiedenen Richtungen wehen, so verändert dies nur das Relief der Dünen, das Sandfeld aber bleibt stationär. Aus Nordafrika kennt man Dünen, die so lange, wie die geschichtlichen Urkunden zurückreichen, was sich aus den Namen der Brunnen schließen läßt, immer an derselben Stelle gelegen haben. In seiner vortrefflichen Beschreibung der großen Erg in der Sahara sagt Foureau in den » Documents scientifiques de la Mission Saharienne« (I, 224):
»In allen Fällen vollzieht sich das Vorrücken der Dünen oder, um es besser zu bezeichnen, die Vermehrung ihres Volumens nur mit außerordentlicher Langsamkeit, und diese Langsamkeit kann nur von der Veränderlichkeit der Herrschaft der Winde herrühren. Denn wenn man es mit einem regelmäßigen, konstanten Winde zu tun hätte, würden das Vorrücken und das Anwachsen sich sehr schnell zeigen. Es gibt also Kampf zwischen mehreren Windrichtungen, und ihre Resultante hat eine nur geringe Intensität, was dadurch klar bewiesen wird, daß ein Wind die Arbeit des andern verschiebt und das Ergebnis der Anstrengungen des andern modifiziert.«
Foureau gelangt zu dem Resultat, daß in dem afrikanischen Wüstengebiet, das er besucht hat, die Winde des südlichen Quadranten stärker sind als alle andern und daß daher die Bewegung der Dünen nach Norden geht, wenn auch ungeheuer langsam.
Gebiete mit sehr schneller Dünenausbreitung finden wir in Ostturkestan, wo ich im Jahre 1896 zwei vollständig durch Flugsand überschwemmte und seit Jahrhunderten verlassene Städte entdeckte, die nachher Gegenstand der gründlichen Untersuchungen M. A. Steins geworden sind. Huntington ist der Ansicht, daß die Dünen am Sehkuha höchstens 100–200 Jahre alt seien. Walther spricht von einzelnen kleinen Dünen in Turkestan, die bei heftigem, anhaltendem Sturm an einem Tag um 20 Meter vorrücken können.
Oft genug ist es recht schwer, festzustellen, ob ein Sandfeld sich bewegt oder nicht. Weil nördliche Winde über der Kewir herrschen, glaubt man, daß der Sandgürtel an ihrem Südrand allmählich weiter nach Süden rücken müsse. Dem ist aber augenscheinlich nicht so. Auf beiden Seiten des Dorfes Alem ist der Sandgürtel scharf gegen Süden abgegrenzt, und dort wachsen im Schutze hoher Dünen Saxaulsträucher auf ebenem Lehmboden. Im Norden sollen die Dünen unmittelbar da beginnen, wo die ebene Fläche des Kewirbodens anfängt; dies war auch auf der Nordseite von Arusun der Fall. Doch wenn man sich auf der Leeseite befindet, d. h. auf der Südseite dieses Sandgürtels, fühlt man, wie einem der Sand direkt ins Gesicht schlägt. Daher vermute ich, daß ein Sandgürtel wie dieser nur unter ganz bestimmten Wind- und Terrainverhältnissen entstehen kann und daß der Sand nicht länger imstande sein wird, sich zu Dünen anzuhäufen, wenn jene Bedingungen nicht mehr vorhanden sind. Mag dann auch das Feld von Norden her beständig gespeist werden und mag der Wind den Flugsand über die Dünenkämme fegen, sie werden trotzdem nicht erwähnenswert an Höhe zunehmen. Denn sobald die Dünen eine gewisse Höhe erreicht haben, trägt der Wind jeden Überschuß wieder ab. Und der Sand, der von der letzten Dünenreihe fortgeweht wird, geht nach Süden hin weiter, ohne eher wieder Dünen zu bilden als in vielleicht 100–200 Kilometer Entfernung, falls dort zufällig wieder die notwendigen Bedingungen vorhanden sind.
Daß hingegen ein solches Dünenfeld, wie das im Nordwesten der Stadt Jezd liegende, auf der Wanderung begriffen ist, scheint mir keinem Zweifel zu unterliegen. Es wird durch die bereits erwähnten Ruinen bewiesen, die jetzt unter Sand begraben liegen. Hierüber hat Floyer folgendes in » Unexplored Baluchistan«, S. 354, berichtet:
»Nachdem ich Jezd verlassen hatte, stieß ich ungefähr 10 englische Meilen weiter nordwärts auf die sehr weit ausgedehnten Reste des alten, im Sande begrabenen Jezd. Man schien allen Grund zu der Annahme zu haben, daß das jetzige Jezd drauf und dran sei, ebenfalls Stück für Stück begraben zu werden; aber der Prozeß geht so langsam vor sich, daß mir, vorausgesetzt, daß er überhaupt stattfindet, kein Mensch genaueres darüber sagen konnte.«
Große Gebiete um die Stadt Jezd herum sind, wie Curzon sagt, voller Ruinen, und seiner Ansicht nach dringt der Sand von der Ostseite her vor. Es scheint jedoch, als ob dieser Dünengürtel sich, der Hauptrichtung des Tales folgend, nach Südosten bewege, obgleich lokale Windverhältnisse den Sand zwingen können, sich an der Ostseite der Stadt zu lagern, und zwar vielleicht gerade aus dem Grunde, weil ihm die Mauern dort Schutz gewähren. Das Vorhandensein der Ruinen braucht jedoch noch nicht zu beweisen, daß die Stadt einstmals viel größer gewesen ist. Die Häuser sind aus in der Sonne getrockneten Ziegelsteinen und Lehm erbaut. Wenn die Sandmassen einen Stadtteil überschwemmen, wird er verlassen, und die Bewohner bauen sich auf sandfreiem Boden in der Nachbarschaft neue Häuser und neue Hütten. Jezd ist eine wandernde Stadt, die der Sand treibt und vor sich herjagt.
Marco Polo sagt über Jezd folgendes: »Yasdi ist auch im eigentlichen Persien; es ist eine gute, edle Stadt und hat eine große Menge Handel. Dort werden Massen eines gewissen Seidenbrokats gewebt, der Yasdi heißt und den die Kaufleute nach vielen Gegenden zum Verkauf bringen.« 50 Jahre später findet Odorico, daß Jezd »die drittbeste Stadt« sei, »die der Kaiser der Perser in seinem ganzen Reiche besitzt«. Nach Curzon hatte die Stadt am Anfang des 19. Jahrhunderts 100 000 Einwohner; in den Jahren 1860–1870 nur 40 000 und im Jahre 1890 ungefähr 70- oder 80 000. Über 600 Jahre lang kann man kaum irgendwelche fortschreitende Verminderung merken, wohl aber Perioden der Blüte und des Verfalls. Wenn der Flugsand hier beständig Land an sich risse, wie er es einst im Innern Ostturkestans getan hat, müßte die Stadt ebenso beständig zusammenschrumpfen, um schließlich ganz zu verschwinden. Erst die späte Zukunft wird erweisen können, ob dies das Schicksal ist, das der Stadt Jezd bevorsteht.
Wenn also ein Dünensystem in einer bestimmten Richtung vorrückt, so geschieht dies unter dem Einfluß der vorherrschenden Windrichtung. Ist es stationär, so gibt es die Resultante mehrerer verschiedenartiger Windrichtungen wieder. In Steppengegenden, die in der Nähe eines Flugsandfeldes liegen, sieht man oft, daß sich an der Leeseite jedes Grasbüschelchens kleine Sandrücken anhäufen. Selbst das kleinste Hindernis genügt, um eine rudimentäre Düne entstehen zu lassen. Auf einer solchen Steppe findet man eine unabänderliche Regelmäßigkeit in der Anordnung des Sandes. Alle die kleinen Rücken laufen miteinander parallel.
Doch wie merkwürdig und unerwartet ist es, daß man dieselbe Regelmäßigkeit in beinahe ganz Asien wiederfindet! Natürlich gibt es Ausnahmen, die ihren Grund in lokalen Windverhältnissen haben. Die Winde des innersten Asien sind wenig bekannt. Wenn man aber im Westsüdwest des Lop-nor-Beckens die Takla-makan, die gewaltigste Sandwüste unserer Erde, findet und weiß, daß dort der Ostnordostwind vorherrscht und wenn man im Süden der Depression des Hamun – i – Seïstan mächtige Dünenanhäufungen erblickt und weiß, daß dort ein ungeheuer starker Nordnordwestwind herrscht, so kann man es als gegeben ansehen, daß die Lage der Sandwüsten auch in andern Gegenden das Auftreten vorherrschender Winde anzeigt, von denen zwar direkt nichts bekannt ist, auf deren Charakter man aber gerade aus der Lage des Sandes schließen kann.
Da wir in Ostiran den Sand am Südrande der abflußlosen Becken finden, könnten wir daraus schließen, daß dort nördliche Winde vorherrschen. Aus A. Buchans Windkarten der Erde (» Report of the Scientific Results of the Voyage of H. M. S. Challenger 1873–1876«, Bd. II) findet man in Iran folgende herrschende Winde.
Januar | Nordost oder Nord. | ||
Februar | Nord oder Nordwest. | ||
März | Nord. | ||
April | Nordwest. | ||
Mai | Nordwest. | ||
Juni | Nord. | ||
Juli | Nord oder Nordwest. | ||
August | Nordwest. | ||
September | Nordnordwest. | ||
Oktober | Nordwest. | ||
November | Nordwest. | ||
Dezember | Nord. |
Das ganze Jahr hindurch herrschen also im östlichen Persien Winde aus dem nördlichen Quadranten vor, und die Ursache der Wanderung des Flugsandes ist demnach über jeden Zweifel erhaben. Was besonders die große Kewir betrifft, so ist es kaum anders denkbar, als daß die Flugsandgürtel an ihrem Südrande durch Material von den verwitternden Gebirgen am Nordrande der Salzwüste und durch den Sand, der in reichlicher Menge ein Bestandteil des Kewirbodens ist, genährt werden müssen. Dieser Sand wird indessen nur in der trocknen Jahreszeit vom Winde fortgetragen, denn der feuchten Kewir gegenüber ist der Wind vollkommen machtlos. Man kann annehmen, daß seit unendlichen Zeiten dieselben Winde wie heute hier vorgeherrscht haben. Das Verwitterungsmaterial zur Ernährung der Sandwüsten hat nie gefehlt. Das was die Verbreitung der Sandfelder bestimmt, ist der dritte Faktor, die plastischen Verhältnisse des Landes. In ebenem Flachland, wo sie auf kein Hindernis stoßen, wandern die Dünen weiter, und neue Dünenbildungen folgen ihnen. So ist es in der Kisil-kum, der Kara-kum, der Takla-makan und der Rigistan der Fall. Wo sich im Süden der Sandgürtel Berge erheben, entsteht ein Hindernis, das der Ausbreitung des Sandes eine Grenze zieht. So verhält es sich auch in allen Depressionen Ostpersiens. Der halbmondförmige Sandgürtel am Südrande des Beckens wird unaufhörlich durch neuen Flugsand gespeist, den der Wind über den ebenen Grund des Beckens hinweg dorthin trägt. Doch ebensoviel Sand wird fortgetragen, um weiter südwärts an andern Stellen zu fortschreitenden Beckenfüllungen beizutragen. Die Dünengürtel, die wir jetzt am südlichen Rande der Depressionen finden, werden also für immer dort liegen bleiben, wo sie jetzt liegen, denn dort, und allein dort, sind alle ihre Entstehungsbedingungen erfüllt. Einzig und allein in dem Maße, wie die Verwitterung fortschreitet und Gebirge, die jetzt den Wind und das fortgesetzte Wandern der Dünen hemmen, an Bestand verlieren, läßt sich eine weitere Terraineroberung durch Sanddünen denken. Die Dünen an der Küste von Belutschistan sind heutzutage ganz gewiß nicht merklich größer als zu jener Zeit, da Alexanders Krieger ihre Troßwagen im Stiche ließen, weil die Wagenräder sich in dem losen Sand festsogen.