Adolf Glaßbrenner
Neuer Reineke Fuchs
Adolf Glaßbrenner

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Vierundvierzigstes Capitel.

             

Und so viel Tausend gute Seelen
    Die Wellen uns des Meeres stehlen,
So vieles Edle sie auch haben
    Im Riesengrabe schon begraben,
Wenn sie wuthschäumend auf sich thürmen,
    Und gegen die Gestaltung stürmen:
Den Reinhard schaukelten sie heiter,
    Als wär's der Welt zu Frommen, weiter.

Denn der Natur fehlen die Gedanken!
    Sie bleibt im Wanken und Schwanken,
Sie ist, wie Herr Hegel geschrieben,
    In der Naivheit stehen geblieben.
Sie schafft so schön, so genialisch,
    Ist aber keineswegs moralisch! –
Nur die Fleischnatur muß sich bequemen,
    Die schöne Moral anzunehmen,
Weil die hohe Polizei sie sonst auffängt,
    Und sogar mitunter auch aufhängt.

Zwei Mal erwähnt' ich, daß Utopen
    Sehr fern gelegen von Europen.
Da aber Drei die heil'ge Zahl,
    So sage ich es noch ein Mal:
Das freie, glückliche Utopen
    Liegt äußerst ferne von Europen,
So daß der Fuchs drei Monat brauchte,
    So stark sein Schiff auch immer rauchte,
Bis er am fernen Horizonte
    Im Thränennebel eine Spur
Des kleinen Welttheils der Cultur
    Durch seinen Dollond sehen konnte.

Doch hob, als er das Land erreichte,
    Sich seine Brust nicht froh und leichte.
Verbißnen Grimms von Ort zu Ort,
    Des Tags sich bergend in den Wäldern,
Bei Nachte schleichend in den Feldern,
    Zog der Verräther fort und fort
Zurück in's feste Malpertaus:
    Denn seine Herrschaft war nun aus!

Doch rufe Keiner, der Dies liest,
    Voreilig schon sein Gott sei Dank! –
Denn eh' sich noch mein Epos schließt,
    Das ich am Wald zu Glambeck sang,
Eh' ich entlasse meinen Helden,
    Muß ich Euch Folgendes noch melden:

Zween Monde waren kaum vorbei,
    Seit Reineke von dort geschieden,
Wo er nicht stören konnt' den Frieden,
    Da schwamm an's Schiff der Räuber Hai,
Und brachte einen zweiten Brief
    Vom Dachse, der die Worte rief:

»Es ist vorbei, der Orden todt!
    Gott stärke uns in unsrer Noth!
Die fromme gottesfürcht'ge Frau,
    Baronin Matsch, die alte Sau,
Auf deren Schlosse, wie Ihr wißt,
    Das Hauptarchiv des Ordens ist,
Sie starb – und eh' wir's uns versahn,
    War das Verbrechen schon gethan!
Ein Mädchen, das seit einem Jahr
    Bei unsrer Sau in Diensten war,
War von den Ketzern angeworben –
    Ihr seht, sie thuen schon wie wir! –
Und als die Freifrau nun gestorben,
    Nahm sie vom Hals' die Schlüssel ihr
Und – doch das Weitre alles mündlich,
    Denn wir erwarten Euch hier stündlich.
All' unsre wichtigen Papiere,
    Es drucken sie die Ketzerthiere:
Was wir geraubt, wie wir vergiftet,
    Die feinsten, schrecklichsten Verbrechen,
Jed's Unheil, so wir angestiftet,
    Hört man von aller Welt besprechen,
Romane, Lieder macht man draus,
    Ja, daß ich's sagen muß, o Graus!
Ein populärer Bösewicht
    Schreibt für die Menschen ein Gedicht,
Das »Neuer Reinke Fuchs« betitelt,
    Euch ganz gehörig abcapitelt!
Zwar schont man dort noch die Fuchsiten,
    Wenn sie's nicht treiben gar zu arg;
Auch wird man wohl das Buch verbieten,
    Womit die Menschen niemals karg:
Doch hier im Thierreich, wo man klüger,
    Hier gelten wir als Seelentrüger,
Als Mörder, Diebe und Canaillen,
    Die, statt zu dulden am Altare,
In Schulen und im Seminare,
    Man lieber brächte an den Galgen!

Drum senkt all Hoffen in das Meer,
    Und eilt so schnell Ihr könnt hieher!
Doch nehmt Euch, Vetter, sehr in Acht,
    Schleicht still alleine durch die Nacht;
Denn eh' Ihr Malpertaus erreicht,
    Geschieht es sonsten Euch vielleicht,
Daß Ihr in Ketzerhände fällt,
    Und man Euch schnell in jene Welt
Des Aberglaubens expedirt,
    Wo aller Füchse Fuchs regiert. –
Mich selbst, eh' ich hiehergekommen,
    Hat man erbärmlich mitgenommen.
Ich lag beinah' vier Wochen lang
    An den erhaltnen Wunden krank.

Babba, der Ochse, läßt Euch sagen,
    Nichts mehr zu thun, Nichts mehr zu wagen,
Bis er herab von Siebenspitzen
    Kann wieder seine Bullen blitzen.
Denn jetzt! Ich kenn' das Thierreich kaum!
    Es ist mir wie ein schöner Traum,
Als wir voll Gier und bösen Lüsten
    Fett sogen uns an seinen Brüsten,
Ob seiner Dummheit höhnisch lachten,
    Und wacker uns zu Nutz sie machten.

Ob's uns noch ein Mal wird gelingen,
    Uns zu erheben, zu verjüngen?
O General, ich glaub' es nimmer!
    Versunken ist die alte Nacht,
Die goldne Freiheit ist erwacht,
    Und Babba's Stuhl, er sinkt in Trümmer!
Schon ist die Welt im Glauben lax:
    Dies Dasein ist ihr Großes und ihr Hohes!
So ruf' ich denn: Fuimus Troës!
    Und bleibe
                                    Euer Vetter Dachs.«


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