Adolf Glaßbrenner
Neuer Reineke Fuchs
Adolf Glaßbrenner

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Einundzwanzigstes Capitel.

                 

Es war ein Morgen voller Pracht,
    Wo Alles singt und Alles lacht,
Und jedes Käferchen im Kraut
    Voll Dank hinauf zum Schöpfer schaut;
Wo Myrth', Levkojen, Nelken, Rosen
    Und Alle schwatzen, singen, kosen
In Düften ohne Unterlaß,
    Und einzig nur beklagen, daß
Die Wurzeln ihnen nicht vergönnen,
    Daß sie spazieren gehen können.

Der Obrist Brumme saß noch immer
    Gewaffnet da in seinem Zimmer,
Studirend, wie's in ihren Schlachten
    Einst die berühmten Sieger machten;
Schlug öfter mit der Faust darein,
    Bis daß die Fliege nun trat ein,
Die lust'ge, seine Adjutante,
    Durch welche sporenstreichs er sandte
In die Caserne an dem Schilf
    Die Losung hin »Mariahilf,«
Und ihr Befehl gab, diese Nacht
    Bereit zu halten sich zur Schlacht
Mit hundert Mann der besten Gnitzen
    Zu Rosse, und mit zween Haubitzen.

Als nun die lust'ge Adjutante
    Durch all die grünen Straßen rannte,
Da dachte sie, der sie geschickt,
    Der sei in seinem Kopf verrückt.
Denn Ball und Soff, Concert, Theater,
    Das Alles schien ihr adäquater
Als Krieg! Der war ihr unerklärlich
    Und nicht im Mindesten begehrlich.

Und als am Schilf sie angekommen,
    Und es die Lieutenants vernommen,
Paradenmäßig angeputzt:
    Da standen bleich sie und verdutzt,
Mit starrem Aug' und offnem Maul.
    »Auf meiner Ehre, sie ist faul,
Die Nachricht!« rief der von Saladel,
    Ein Cavalier vom besten Adel.
»Ja, ja, das glaub' ich ebenfalls!«
    Sprach Ritter Speck von Fett und Schmalz;
'Ne Lüge ist's, das schau' ich durch!«
    Rief Lieutenant von Madenburg.
»Es ist bekannt, die Fliege ist
    Ein Schäker!« sagte Der von Mist.
»Auf Taille!« schrie mit seiner Fistel
    Der einst'ge Erbherr auf Groß-Distel.
»'S ist Witz! Ich wette meinen Schimmel!«
    Rief lachend Der von Käsewimmel.
»Ich meinen Türk, den Weltbezwinger!«
    Drauf Der von Dünkel auf dem Dünger.
»Ein Krieg, deß Ursach' man nicht kennt,
    Bei dem man uns den Feind nicht nennt,
Dem's officielle Welke-Blatt
    Noch nicht ein Wort gewidmet hat:
Das ist ein Unsinn!« schrie von Schwart,
    Und that, als strich er seinen Bart,
Von dem ihm sein Barbier versprochen,
    Daß, wär' er erst hervorgekrochen,
Der Held in längstens einem Jahr'
    Besäße ein Prachtexemplar.

Doch als die Fliege schwur auf Ehre,
    Daß Dem »wahrhaft'gen Gott!« so wäre,
Und als sie noch zum Pfande setzte
    Die Koppel Flöh', womit sie hetzte:
Da wurden die Gesichter lang!
    Doch Jeder rief: »Na, Gott sei Dank!
Cap'tain, nur schnell zur Ballotage!
    Ich habe schändliche Courage!«

In gleicher Art ließ die Gemeinern
    Die Kriegesnachricht schier versteinern,
Weil alle die Soldaten dachten
    Hier an nichts wen'ger als an Schlachten.
Sie kosteten verdammt viel Geld,
    Die Kriegerchen, millionenzähnig!
Doch schonten sie dafür das Feld,
    Und störten auch im Ganzen wenig.

Der Prinz Johannes war voll Harme.
    Bald ging er mit verschränktem Arme
In seinem Grimme auf und nieder,
    Bald sah er nach der Glocke wieder,
Und schien die träge Zeit zu hassen,
    Die sich nicht wollte treiben lassen.
Jetzt forderte er vom Lakai'n
    Ein großes Glas Wachholderwein,
Und trank's auf's Wohl der holden Braut,.–
    Und rief den süßen Namen laut,
Als wolle er sich selbst bethören,
    Sie könne seine Stimme hören.

Drauf ließ er seinen Leibarzt vor.
    Der hörte mit geneigtem Ohr,
Daß er in dieser Nacht Genosse
    Des Prinzen wäre nach dem Schlosse
Des Rosenlandes, um zu sehen,
    Was mit Marieen müss' geschehen,
Wie ihre Krankheit sei zu heben,
    Und welches Kräutlein ihr zu geben.
Eu'r Anblick, mein durchlauchter Prinz,
    Bringt schon Genesung ihr, ich bin's
Gewiß, jedoch zur Sicherheit
    Sei meine Apothek' bereit,
Enthaltend jed's Medicament,
    Vor dem der Tod erschrocken rennt.«
So sprach der Leibarzt, zwanzig Mal sich
    Sehr tief verbeugend, und empfahl sich.

Nun fuhr der Prinz in der Kalesche
    Schnell durch die Straße Eberesche
Um den Camillenplatz herum
    Direct in's Ministerium,
Im Staatsrath dort zu präsidiren,
    Und wieder ein Mal zu regieren.
Jedoch bei Politik und Recht,
    Da wurde ihm im Magen schlecht;
Er fand dabei noch wen'ger Ruhe,
    Als in dem Schlosse in der Fruhe;
Er blieb mißstimmig und zerstreut,
    Und herrschte gar nicht sehr gescheidt.

Als wieder er nach Hause fuhr,
    Da nahm er eine andre Tour,
Und thät sich über seinen Magen
    Zum Adjutanten sehr beklagen;
Fuhr über Bilsen in der Schnelle
    Nach seiner Erbbegräbniß-Zelle,
Vom Volk genannt das Heiligveilchen,
    Und betete daselbst ein Weilchen;
Doch blieb, trotz seines wahrhaft frommen
    Gebetes, seine Brust beklommen.

Am Marktplatz ließ er plötzlich halten,
    Und fragte einen würd'gen, alten,
Längst pensionirten Grenadier:
    »Sagt, guter Freund, was gibt es hier?
Sagt, was bedeutet dies Gedränge,
    Was steht und gaffet dort die Menge?«

Der Alte machte nun Parade,
    Stand vor dem Prinzen kerzengrade
Und sprach: »Drei fremde Priester kamen –
    Es weiß noch Niemand ihren Namen.–
Dort im Hôtel an zu den Trauben:
    Man weiß noch nicht von welchem Glauben.
Sie sehen aus, als ob sie grollen,
    Doch weiß man noch nicht, was sie wollen,
Auch nicht, ob's wirklich Pfaffen sind,
    Doch hält sie dafür jedes Kind.
Doch sind's vielleicht nur Handelsleute,
    Die unsern Markt besuchen heute.
Was mich betrifft, ich sah sie nur
    Von ihrer Kutsche bis zur Flur;
Ich halte sie für bös Gelichter,
    Denn widerlich schau'n die Gesichter.«

»Nun, Ihr seid nicht sehr schmeichelredig!«
    Sprach drauf der Prinz und nickte gnädig.
»Wie kann nur um drei fremde Kaufherrn
    Die Menge so die Mäuler aufsperrn!
Und wären's Pfaffen, sind's nur Drei!
    Was hat's für Noth, was ist dabei,
Was macht man drum solch unfein Wesen?
    Sie werden, ob sie nun die Messen
Beziehen mögen oder lesen,
    In keinem Falle uns gleich fressen.«

»Da, Durchlaucht, muß ich mich erfrechen,
    In Ehrfurcht Euch zu widersprechen,«
Sprach drauf der alte Bursche ehrlich.
    »Sind's Pfaffen, so sind sie gefährlich,
Und sind sie gar vom andern Glauben,
    So könnten sie die Ruh' uns rauben;
Es könnten Solche sein, wie Die
    Bei unsrer Braut, Prinzeß Marie!
Mein Prinz, mich überfällt ein Grausen,
    Denk' ich, daß Solche könnten hausen
Dereinst auch hier in unserm Reich!
    Denn« – fuhr er zögernd fort – »obgleich
Die Meisten auch bei uns nichts taugen
    Seit Kurzem, und mit ihren Augen
Gekrümmt und scheu die Erde suchen,
    Und ihre Freuden doch verfluchen;
Obgleich – verzeiht, mein Prinz!–wir Mucker
    Jetzt haben! sind sie immer Zucker
Noch gegen jenes Pfaffengift,
    Das dort die armen Würmer trifft!
Durchlaucht! mir ist, wer Gott verehrt,
    So oder so! gleich lieb und werth;
Die Freiheit will ich, voll und ganz,
    Für Schwarz und Weiß, für Kunz und Hans,
Für Herr und Weib und Domestik
    In Religion und Politik!
Doch wo sich läßt das Böse wittern,
    Hier oder dort, muß man nicht zittern!
Auf groben Klotz 'nen groben Keil,
    So nur bewahrt man sich das Heil!
Den Satan schreckt man nicht durch Zanken!
    Da hilft kein Mittelweg, kein Schwanken!
Derb werde er hinausgeschmissen
    Aus Kirche, Staat, Kopf und Gewissen!«

Der Prinz sah ihn befremdet an,
    Den kecken, alten, würd'gen Mann;
Der aber fuhr ohn' Aengsten fort:
    »Und nicht allein mehr spukt es dort!
Mein Prinz, es thät in beiden Ländern
    Seit Kurzem sich sehr Vieles ändern!
Es stinkt auch hier in diesem Land,
    Als sei der Fuchs hindurchgerannt.
Durchlaucht, ich bitt' Euch, kundet schnell –
    Schickt mich, ich riech' es auf der Stell'
Und bin, wenn auch schon alt, nicht blind –
    Was Jene wollen, wer sie sind.
Und sind es Fuchsische, so läßt
    Hinaus sie werfen wie die Pest!«

»Mein Wort, daß ich es morgen thue!«
    Sprach drauf der Prinz. »Heut schenkt mir Ruhe!
Ich bin an Leib und Seele krank,
    Und hab' noch einen schlimmen Gang.«
Dann grüßte er, und die Carosse
    Fuhr schnell hinüber nach dem Schlosse.

Vergebens rief der Alte noch:
    »Thut's heut! 's ist immer besser doch!«


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