Adolf Glaßbrenner
Neuer Reineke Fuchs
Adolf Glaßbrenner

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Sechszehntes Capitel.

           

Die Spinne aus dem heil'gen Stift
    War schlau und innerlich voll Gift,
Und deshalb aufgenommen worden
    Vom Fuchse in dem heil'gen Orden
Der finstermächtigen Fuchsiten,
    Die aller Orten Commanditen
Für ihren Zweck errichtet hatten,
    Und Flöhe, Läuse, Wölfe, Ratten
Und Spinnen, Geier und so weiter,
    Als furchtbare geheime Streiter
Sich durch ihr Sündengold erwarben,
    Die für sie lebten, für sie starben;
Die durch den schrecklichsten der Schwüre
    Sich opferten dem Fluch der Thiere,
Die durch Spione, durch die Beichte
    Und das Vertrauen, das erschleichte,
Auch die geheimsten Dinge wußten,
    Und bis in's Und berichten mußten;
Die allerorts, auf allen Plätzen
    Gier lauerten nach Macht und Schätzen,
Und durch die scheußlichsten Verbrechen,
    Von denen Menschen kaum gern sprechen,
Vermächtnisse und Gold in Masse
    Erwarben für des Ordens Kasse,
Und die nur Einen Willen kannten:
    Nur den Befehl des einst Verbannten.

Mariens Beicht'ger, eine Motte,
    Gehörte auch zu dieser Rotte,
Und hätte längst es unternommen,
    Die Seele dieser kindlich frommen
Prinzessin fuchsisch zu verderben,
    Um für den Orden zu erwerben
Auch hier in diesem Rosenland
    Für seine Habsucht freie Hand;
Jedoch sogar bei Schurkerei'n
    Tritt oft das Schicksal störend ein.
Beim alten Fürst, Freigeist, gewitzt,
    War jene Motte abgeblitzt,
Und wollte nun dem jungen Weibe,
    Dem schönen Gotteslamm zu Leibe.
Doch seit dem Tode des Regenten
    Ward dieser Beicht'ger zum Patienten
Und lag, wie ein Gespenst so mager,
    Voll Schmerzen stets auf seinem Lager,
Und so entging Prinzeß Marie
    Annoch dem Gift der Hierarchie.

Jedoch seit eines Mondes Tagen
    War er befreit von seinen Plagen,
Und da die Liebe er bemerkte,
    Er schnell für seinen Orden werkte.
Er schrieb an Reinhard, wie es war,
    Und stellte ihm den Zustand dar,
Und wie, käm' Hilfe ihm herbei,
    Das Reich noch nicht verloren sei. –
»Doch ich,« schrieb er, »bin viel zu schwach
    Für diese Arbeit mannigfach;
Drum lasset sonder Rast und Pausen
    Hinsenden nach Groß-Unkrautshausen,
Wo man daselbst im heil'gen Stift
    Die Kreuz-Aebtissin Spinne trifft.
Dies ist die allerfeinste Frau
    Und zieht die Fäden überschlau,
In deren Netzen, deren Schlingen
    Sich schon viel lust'ge Fliegen fingen.
Das Kleinste kann ihr nicht entgehen,
    Da sie acht Augen hat zum Sehen,
Von denen sie nur eins drückt zu,
    Gilt's einen raschen, kräft'gen Coup,
Den wir als »letztes Mittel« kennen,
    Und Andere Verbrechen nennen.
Auch ist, so arg ihr Herz belastet,
    Doch noch ihr Ruf unangetastet;
Allüberall, in Stadt und Land,
    Schützt sie ihr hoher, frommer Stand,
    Auch ist Marieen sie verwandt,
Und so wird's ihr und mir gelingen,
    Das Möglichste rasch zu vollbringen.«

Reinhard besann sich gar nicht lange,
    Und sandte seine schnellste Schlange
Mit der geheimen Zeichenschrift
    Nach Unkrautshausen in das Stift,
Wo sie, 'ne Fliege in der Hand,.
    Die Priorin beim Fasten fand.

Die alte Dame nahm vier Brillen,
    Und las dadurch des Fuchses Willen;
Drauf schrieb sie augenblicks am Schrein
    Dem Ueberbringer einen Schein,
Daß sie den Hochbefehl erhalten,
    Ließ dann der Schlang' von ihrem alten
Madeira geben zweeen Flaschen
    Und etwas Backwerk noch zum Naschen,
Und rief dann kreischend nach Johann.
    Das war ein junger, kräft'ger Mann,
Der stets in ihren Diensten war
    Und sie bediente ganz und gar.
Dem sagt' sie, daß sie reisen wolle,
    Und daß er sie begleiten solle,
Daß er sich zwei Pistolen beisteck',
    Und sattle ihren schnellsten Heuschreck.

Und balde war auch Alles fertig,
    Der Diener unten schon gewärtig;
Auf einen Heuschreck stieg die Spinne,
    Warm eingehüllt bis an das Kinne,
Und auf den anderen sodann
    Der junge Spinner, Knecht Johann.

Kalt, stürmisch, finster war die Nacht,
    Daheim zu bleiben wie gemacht;
Denn so bei tollem Wind und Regen,
    Da ist das warme Bett ein Segen.
Doch mildert es wohl Scheu und Graus,
    Muß man zu gutem Werk hinaus;
Jedoch mit pochendem Gewissen:
    Brr! davon mag ich gar Nichts wissen.

Der Kammerknecht, das treue Thier,
    Ritt immer dichte neben ihr
(Die Spinne war zu ihm nicht stolz!)
    Durch Sumpf und Moor und finstres Holz,
Die Kreuz und Quer, bergauf, bergab,
    Bald im Galoppe, bald im Trab.
Sie ritten in befohlner Eile,
    In zehn Minuten eine Meile,
Drei Nächte und vier Tage fast
    Und sonder Ruh' und sonder Rast,
Als ritte der Lord Klapperbein,
    Nach ihnen langend, hinterdrein.

Die Heuschrecken, sie mußten laufen,
    Trotz allem Keuchen, allem Schnaufen!
Bis endlich nun am vierten Tag
    Das Rosenland vor ihnen lag.


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