Adolf Glaßbrenner
Neuer Reineke Fuchs
Adolf Glaßbrenner

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Einundvierzigstes Capitel.

             

O schlauer Fuchs, hier bleibe ferne
    Mit Deiner neuen Blendlaterne!
Hier lassen sich die freien Seelen
    Für Deine Sklaverei nicht stehlen!
Schau', wie sich dorten sonnumstrahlt
    In Wolken Dein Omega malt!
Dreh' um mit Deinem Dampfe, wende!
    Denn hier ist Dein Latein zu Ende.

Doch Reinhard dachte gar nicht so;
    Er war vielmehr ohnmaßen froh,
Als er an ferner Küste da
    Das Reich des Glückes liegen sah.
Er krallte gierig schon die Tatzen,
    Und rief herbei die andern Fratzen
Von der Gesellschaft, seiner frommen,
    Die er bis hieher mitgenommen,
Auf daß das Höllenfeuer lodre
    Hier oder dort, wie er es fodre.

»Schaut!« rief der rothe General;
    »Dort, von der Abendsonne Strahl
Vergoldet, liegt der reiche Staat,
    Dem wir der Lehre Himmelssaat
In seine Seelen werden streuen,
    Uns, Gott und Babba zu erfreuen.
Auf denn, und thut, wie wir beriethen!
    Seid Eures Namens werth, Fuchsiten!
Utopia ist das reichste Land!
    Sein Ufer schmückt ein Perlenband;
Es liefert Silber Euch und Gold,
    So viel Ihr immer haben wollt;
Wollüstig feiner Blüthenduft
    Erfüllet rings die warme Luft;
Die Häuser sind von Elfenbein,
    Die Bäche schäumen süßen Wein;
Es drängen in den Mund bei'm Wandeln
    Orangen, Trauben sich und Mandeln;
Von Zucker sind die Felsenkanten;
    Vor Feigen, Honig, Ananassen
Und Musk weiß man sich kaum zu lassen,
    Und stolpert über Diamanten.

So sorgt denn mit Fuchsitenlist,
    Bis auch dies Reich das unsre ist.
Schaut dort den Wald von Purpur-Tropen!
    Schaut dort am hohen Schmelzgestein
Den grünen Tamarindenhain:
    Das ist das Wunderland Utopen!
Utopia, es wankt Dein Glaube!
    Der Fuchs verschlingt auch diese Taube.«

Man hörte hier von seidnen Schafen
    Ein fröhliches Geblök am Hafen.
Auf hohem Cactus saß die Möve,
    Und vor ihr lag der edle Löwe,
Der sich die nettsten Schiffgeschichten
    Vom fernen Meere ließ berichten.
Es küßte eine Klapperschlange
    Das Bergkaninchen auf die Wange;
Zwei wunderprächt'ge weiße Pferde,
    Sie sonnten sich auf blum'ger Erde.
Daneben stand ein Alligator
    Und übte sich als Declamator,
Und Kakadu's und Papageien
    Sah man ihm Lorbeerzweige streuen.
Dem Zebra legte ein galanter,
    Sehr angesehner junger Panther
Den überreichten Blumenstrauß
    In zierlichen Sonetten aus.
Man sah sehr kluge, alte Affen
    Behaglich ihre Pfeife paffen,
Und ihre Söhne unter Palmen
    Wohlduftende Cigarren qualmen.
Der Tiger am krystallnen Bach,
    Er spielte mit dem Adler Schach,
Daneben Domino der Hahn
    Mit einem reichen Goldfasan.
Gesänge hörte man erklingen
    Von farbenstrahl'nden Schmetterlingen;
Die weißen Mäusechen, die raschen,
    Sie spielten miteinander Haschen,
Viel junge Vögel Fangeball
    Am silberhellen Wasserfall,
Und unter blüh'nden Sykomoren
    Die Leoparden Whist mit Ohren.
Der Strauß las dem gelehrten Lama
    Bescheiden vor sein neustes Drama;
Im Haine sah man süße Schläfer:
    Goldbunte Käferinnen, Käfer,
Und unter lustigen Bekannten
    Bei'm Weine jubelnd Elephanten;
Daneben ihre Weiber tanzen
    Nackt um die hohen Purpurpflanzen,
Und über all' dem freien Vieh,
    Von Baum zu Baum sich schwingend
Und Liebeslieder singend,
    Die tausendfarb'gen Colibri.

Und als der Fuchs gelandet war,
    Bracht' man ihm Trank und Speise dar
Und lud ihn, ob er möchte wählen
    Ein Spielchen, oder ob erzählen,
Was ihn durch's weite Weltenmeer
    Wohl von den »Thränenländern« her
In's Land der Freiheit hier gebracht,
    Wo Sonne, Thier und Pflanze lacht.

Doch als der Fuchs all' Das verschmähte,
    Und niederfiel nun zum Gebete
Und sprach: er sei ein Gottesknecht,
    Zu bessern sündiges Geschlecht,
Dem er für irdisch eitle Dinge
    Die Seligkeit des Himmels bringe,
Und sprach und machte all' die Faxen,
    In denen krüpplig aufgewachsen
Die Thierewelt der Sklaverei:
    Da brach ein jubelndes Geschrei,
Ein wieherndes Gelächter los
    Von Baum und Strauch und Blüthenmoos.
»Ein Missionär! Ein Missionär!
    Ihr Freiheitsbrüder, auf, kommt her.
Laßt Euch in Angst und Ketten legen
    Der Todesseligkeiten wegen!«
Und all' die Colibri, sie lachten,
    Daß selbst die Käferchen erwachten.

Der Fuchs stand da erschreckt und stumm;
    Dann sattelte er plötzlich um
Und sprach: »Ihr Herrn, versteht mich recht!
    Ich war ein solcher Gottesknecht;
Doch mich erfüllte nicht mein Glaube,
    Drum eilte ich zu Eurer Taube,
Daß sie das Schöne in dem Wahren
    Mir gnädigst möge offenbaren.«

Und war es früher noch nicht groß:
    Jetzt brach erst ein Gelächter los,
Gen Das, ich schwör's auf Lieut'nants Ehr'!
    Ein Lächeln jenes im Homer.
»Ist's möglich,« hieß es, »um ein Bild?
    O Thränenthier, Du willst uns schrauben,
Da alle Thiere, zahm und wild,
    Im Grunde doch Dasselbe glauben!
Und was denn frommt das frommste Glauben?
    Trägt jeder Weinstock süße Trauben?
Nein, auf den Boden kommt es an,
    Auf Herz und Thaten, fremder Mann!
Bet' Du als Schuft, so viel Du willst,
    Schuft bleibst Du, Heide oder Christ!
Doch wenn Du Andrer Thränen stillst
    Und selber immer fröhlich bist,
Strebsam und wahr, gerecht und mild,
    Die Freiheit ehrst an jedem Orte:
Das ist gebetet ohne Worte,
    Der schönste Glaube ohne Bild!
Dann birgst Du in der eignen Brust
    Die Taube, dieser Erde Wonne,
Die einst, zu ew'ger Himmelslust,
    Sich aufschwingt zu der Wahrheit Sonne!«–

Dann trat zum Fuchs ein greiser Storch,
    Der sagte milde: »Fremdling, horch!
Ich kenn' die Länder, so Dich nährten,
    Die tief geknechteten, bethörten.
Utopen und manch andres Reich,
    An Freiheit, Glück und Tugend gleich,
Schickt jährlich mit der Lerche
    Zu Euch naturgelehrte Störche,
Daß hier die Wissenschaft sie mehren,
    Und negativ die Freiheit lehren.
Es zieht mit uns über Flur und Hain
    Utopiens Luft, der Frühling, ein.
So daß der kluge Volksverstand,
    Bei Euch so jammervoll verkannt,
Wenn wir hoch oben in der Luft
    Uns zeigen, voller Freude ruft:
»Gott Dank, nun sind sie wieder da!
    Ich fass' es nicht, doch fühl ich's, ja,
Wo Die herkommen, anderswo
    Ist's immer glücklich, immer froh!
Mir ahnt, mir ahnt,
    Daß Gott uns mahnt,
Dem Frühling gleich, in Fluß und Bächen
    Des Winters starres Eis zu brechen,
Das Graue blumig zu beleben,
    Und uns der Fesseln zu entheben!
Da sind unsre Beschirmer!
    Sie verfolgen die bösen Würmer,
Die Sumpfpietisten und Schlangen,
    Und bringen uns blühende Rangen!
Und wer ihr heilig Nest verletzt,
    Sei Kirchenräubern gleichgeschätzt!«

»Euer Volk hat viel gefragt, geplappert;
    Wir haben schon viel zu ihm geklappert
Von diesem Paradiese hier,
    Wie heiter, wie glücklich jedes Thier;
Und es halfen die lieben Schwalben
    Uns allenthalben.
Dann aber kamen Eure Peiniger,
    Und Eure schwarzen Seelenreiniger
Und schrieen: »Die Störche sind trunken,
    Gottvergess'ne Hallunken,
Wirr und verrückt im Verstand,
    Des alleinigen Glaubens Schänder!
Hier ist die Karte der Länder:
    Utopen ist ein Fabelland!
Es ist nur in der Einbildung,
    Es glaubt nur dran die Scheinbildung!«

»Und die geborenen Knechte, sie wagen
    Nicht zu bezweifeln, was Jene sagen,
Die alle Bürger und alle Bauern
    Verderben in ihren Kerkermauern.
Die Knechte! ohne Kraft, ohne Muth,
    Sie lieben uns noch, weil wir gut,
Aber sie glauben nicht,
    Was der Geist aus uns spricht;
Halten uns, weil wir Utopen preisen,
    Und hoch in den Lüften kreisen,
Einherschreiten stolz, ungebückt
    Ueber Wiese und Feld, um Schlangen
Und andere Schurken zu fangen:
    Für verrückt!
Und wollen uns belehren,
    Und wollen uns bekehren!
Und da unter allen Geschöpfen
    Einige mit kopflosen Köpfen:
Verloren auch Störche den Rechtssinn,
    Und wurden Opfer dem Knechtssinn.
Doch als der Herbst gekommen,
    Da ward ihr Herz beklommen,
Und wären gern mit uns gezogen,
    Als wir zur schönen Heimath flogen.
Wir aber, nach Staates-Gebot,
    Wir schlugen die Treulosen todt
Mit starken Flügelschlägen,
    Der Freiheit, der Freiheit wegen!
Denn Utopia muß rein
    Von Sklavenseelen sein;
Wer draußen vergißt sein seliges Glück,
    Vor Puppen sich beugt
Und vor der Willkür kreucht,
    Kehrt nimmer in unsere Fluren zurück!

Drum, Fremdling, feiert den Ruhetag
    Mit uns bei Spiel und frohem Gelag!
Legt ab das fromme Gesicht, –
    Mir scheint, es paßt Euch nicht, –
Und gebt Euch keine Mühe,
    Ihr und Eure Gesellen,
Die auch so fromm sich stellen,
    Hier bei dem glücklichsten Viehe!
Wollt Ihr morgen oder später
    Besuchen des Reiches Väter:
Wir führen Euch freundlich hin.
    Was Ihr wollt, könnt Ihr schreiben,
Was Ihr wollt, könnt Ihr treiben:
    Nichts, Nichts berückt unsern Sinn!
Wir schreiben und treiben dawider,
    Und warnen mit Weisheit die Brüder,
Und die Väter sprechen das Wort:
    »Die neue Lehre kommt von dort
Aus den Ländern der Thränen,
    So die klügsten sich wähnen,
Wo das Volk verschmachtet,
    Wo man die Arbeit verachtet
Und den Müßiggang preist,
    Wo in Banden der Geist,
Wo der üpp'gen Felder Erben
    In Hunger und Elend verderben,
Wo Alles Einem gehört,
    Das Vorrecht die Eintracht stört,
Und sich die Glaubenshorden
    Um Wörter und Zeichen morden!« –
Und im ganzen Utopenlande
    Wird Euch kein anderer Lohn,
Als der Witzigen Hohn
    Und der Erfolglosigkeit Schande.«

Der Fuchs, der war fast menschengrimmig,
    Als nun ein Bravo tausendstimmig
Des Storchen Rede folgte, und
    Er balde ganz verlassen stund.
Denn Alles spielt' und tanzte wieder,
    Und flatterte und sang sich Lieder,
Und trank und liebte, küßte sich,
    Und freute sich herzinniglich,
Und sah nicht hin mehr auf die Fremden
    In ihren eklen schwarzen Hemden.


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