Adolf Glaßbrenner
Neuer Reineke Fuchs
Adolf Glaßbrenner

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Eilftes Capitel.

                 

Herr Reineke sah balde ein,
    Gefährlich müßt's dem Tempel sein,
Wenn in dem Land der Ketzerei
    Die klugen Bürger würden frei,
Weil alsobald der hell're Geist
    Sich los von jeder Fessel reißt,
So ihm die List hat angelegt,
    Und blöder Glaube ruhig trägt.
»Dünkt sich, wo Babba dominirt,
    Und unsre Lehre noch florirt,
Auch frei ein Volk in solchen Landen;
    Wir halten es in sichren Banden. –
Hier aber, deckend unser Treiben,
    Muß fort und fort die Knechtschaft bleiben,
Bis durch Gewalt und Trotz und List
    Verbannt der letzte Ketzer ist.«
So dachte er und sandte stracks
    Zu Grimbart, seinem Vetter Dachs,
Den, weil derselbe auch nichts taugte,
    Er zum Spione nur gebrauchte,
Und dafür aus des Staates Kasse
    Sich Gold entnahm in großer Masse.

Der Grimbart lief nun stets herum,
    Aufregend alles Publikum,
Daß es recht laut begann zu fordern,
    Erinnernd an die schönen Ordern.
Durch manchen Kniff und manche Finte
    Bracht' manches Thier er in die Dinte.
Und bald erschien auch ein Verbot,
    Drohend mit Haft und Qual und Tod,
Wenn sich die Thiere so verbänden,
    Daß Sechse sich zusammenfänden,
Weshalb zum Beispiel wilde Enten
    Sich augenblicks im Fluge trennten.

Inzwischen nun der Staatsrath sandte
    Die Eule, seine alte Tante,
Zur Nachtzeit heimlich im Cariole
    Hin zu den Alpen von Tyrole,
Zu holen Nanny dort, die Gemse,
    Die von der Donau bis zur Themse
Berühmt war und noch weiterhin
    Als äußerst flinke Tänzerin.

Der Bär, er hatte gern den Tanz;
    Ihm selbst war nicht geläufig ganz
Das Springen, denn er war ergraut,
    Und lag schon auf der Bärenhaut;
Doch ehrte er die Himmelsgaben,
    Und thät sich innig daran laben,
Und drum, als er die Nanny sahe,
    Vergaß er schon, was erst geschahe.

Kaum dachte er der Völker Schmerz;
    Ganz Wonne war sein gutes Herz;
Er lächelte hochgnädig drein,
    Sobald sie stand auf einem Bein;
Er leckte Honig, lauschte, spähte,
    Wenn sie die Füßechen verdrehte,
Und schlug sie erst den Wadenkreis,
    So wurde Allerhöchstihm heiß,
Und endlich bei dem Entrechat
    Rief er sogar persönlich: Ha!

Doch aber fiel's ihm öfter ein:
    Die armen Völker harren Dein;
Sie haben Dir ihr Glück und Leben,
    Du ihnen nur ein Wort gegeben;
Hält'st Du daher nicht dieses Wort,
    So . . . ach, wen seh' ich dort?
O wär' ich doch Don Giovanni!
    Das ist die wunderholde Nanny!

Der Reinke war sehr aufmerksam,
    Daß sie zu rechter Zeit stets kam;
Auch sorgt' er noch durch andre Dinge,
    Wie ihm sein schlechter Plan gelinge.

Früh Morgens in dem Bärenschloß
    Stand einst ein ganzer Gänsetroß;
Daraus schrie kreischend eine Gans:
    »Man hört jetzt nur von Spiel und Tanz!
O hüt' Dich, Braun, daß Du den Ernst
    Der Fürstenpflichten nicht verlernst!
Jag' Deine schöne Gemse fort,
    Und halt' Dein Wort, und halt' Dein Wort!«

'Ne andre Gans schrie: »Schwerenoth,
    Bricht nie der Freiheit Morgenroth
Durch diese lange Fürstennacht?
    Wird nun das arme Volk verlacht,
Dieweil es Gut und Blut und Leben
    Für ein Versprechen hingegeben?
Wird bald ein einig Thierreich sein?
    Das Donnerwetter schlage drein!«

Das hörte nun mit Angst und Graun
    Der so geliebte König Braun,
Und ließ sogleich den Reinke kommen,
    Der sich, als hätt' er Nichts vernommen,
Verstellte und mit heitrem Sinn
    Vor Seine Majestät trat hin.

»O Reinke,« rief ihm Der entgegen,
    »Ich ärg're mich des Volkes wegen,
Das hier mit schlecht verhalt'nem Grimme,
    Und mit der widerlichsten Stimme
Mich höhnet und um Freiheit schreit,
    Als wäre jetzo schon die Zeit!
Als wenn ich nicht der König Bär
    Und kein Gefängniß offen wär'!
Ihr, Reineke, tragt das Verschulden!
    Wie durftet Ihr solch Toben dulden?
Wenn ich nun jede Freiheit gebe,
    Die grade nicht, so wahr ich lebe!
Bei allem Brüllen, Sang und Schrei'n
    Setzt mir den strengsten Vormund ein!«

Und Reineke fiel vor ihm nieder
    Und rief, als meint' er's ernst und bieder:
»Dem Himmel Dank, daß ich's verbrochen,
    Da Ihr im Zorne ausgesprochen
Das größte Wort in Ewigkeit:
    Als wäre jetzo schon die Zeit!
Der Genius der gekrönten Häupter,
    Der höchste ist er doch und bleibt er!
Denn was uns quält in tausend Stunden,
    Hat er im Augenblick gefunden,
Das Wort, so Ruhe uns verleiht:
    Als wäre jetzo schon die Zeit!
Nun komme, ernste Männertugend,
    Nun komme, thatenkräft'ge Jugend,
Zu fordern, was wir jüngst versprochen!
    Statt Fleisches reich' ich euch den Knochen:
Gemach! Der König wär' bereit,
    Doch ist es jetzo noch nicht Zeit!
Ich schwöre Euch bei meinem Schweif:
    Das Bärenvolk ist noch nicht reif!«

Der König Braun 'ne Miene machte,
    Man wußt' nicht, ob er weint', ob lachte;
Dem Reineke wurd' beinah bange,
    Jedoch besann er sich nicht lange;
Er hüpfte schnell zur Thür hinaus
    Zur Tänzerin in's Nebenhaus.
Die mußte dort, des Staates wegen,
    Den üppigschönsten Staat anlegen,
Wobei der Staatsrath selber wählte
    Und half und schnürte und sich quälte,
Und sie so luftig leicht behing,
    Wie einen bunten Schmetterling.
Darauf, als sie sich parfümirte,
    Lief er in's andere Gevierte
Der Residenz, zu Grimbart hin,
    Sprach diesem eiligst von Gewinn,
Den er alsbald beziehen sollte,
    Wenn er ein Keckes thuen wollte,
Was er ihm flüsternd rasch erklärte,
    Und dann zurück zur Gemse kehrte.

Er brachte sie nun so zum König,
    Der überraschet war nicht wenig;
Er fand von Reizen sie umflossen,
    Und wie mit Zauber übergossen;
Er ließ sie tanzen hin und her
    Und hatte keine Sorge mehr.

Da ward die Thüre aufgerissen
    Und gen die Marmorwand geschmissen,
So gar gewaltig und so plötzlich,
    Daß Reineke schrie ganz entsetzlich,
Und Braun, der König, wurde bleich
    Und zitterte mit ihr zugleich
Der Gemse, die in Ohnmacht lag,
    Und gar nichts wußt' vom hellen Tag.
Sie fiel beinahe auf den Thron
    Beim Anblick jener Mannsperson,
Die eben eingetreten war
    Mit bloßem Hals und langem Haar.

Das war, wie ich mir schon gedacht,
    Der Dachs in einer Studiotracht,
Mit einem überlangen Bart,
    Nach aller freien Männer Art;
An jedem Stiefel einen Sporn,
    Und einen Dolch im Busen vorn,
Auf seinem Kopf 'ne freche Mütze,
    Im Munde eine Pfeifenspitze,
Dran eine Pfeife, furchtbar lang,
    Die merkenswerth nach Taback stank.

Er kam so eben vom Verschwören
    (Zum Schein!) und ließ, wie folgt, sich hören:

»Das Donnerwetter schlage drein!
    Wann werden endlich frei wir sein?
Pest, Schwefel, Bomben, Paraplui!
    Wird's Thierreich denn vertreten nie!
Potz Himmel tausend Element!
    Wann hältst Du endlich Wort, Regent?«

Der König ward fast ängstiglich;
    Die Gemse kam noch nicht zu sich.

Als Die der Dachs nun wurd' gewahr,
    Da schüttelte er wild das Haar,
Und rief: »Aha, nun seh' ich schon!
    'Ne saubere Constitution!
Die würd', trotz aller Dissonanzen,
    Nur stets nach Eurer Pfeife tanzen!«
Der König konnt' es nicht vertragen;
    Der Fuchs, der packte ihn beim Kragen,
Das heißt den Grimbart, warf zur Erde
    Ihn hin mit zorniger Geberde,
Und rief die Kammerherrn, die Affen,
    Um nach der Wache ihn zu schaffen,
Und ihn zu knebeln und zu binden,
    Bis sich das Weitre würde finden.

Der König holte wieder Athem
    Und sprach nun: »Mit solch desperatem
Und niederträcht'gem Demagogen,
    Da finden Wir uns nicht bewogen
Prozeß zu machen noch sehr lange.:
    Wir wollen, daß er morgen hange!«
Doch kaum nach wenigen Minuten
    Rief mürrisch er: »Nein, sich nicht sputen!
Dem Fürst geziemet Ueberwindung!
    Verführt wahrscheinlich durch Verbindung!
Die Richter mögen klug entscheiden,
    Wie lang Gefängniß er zu leiden.«
So sprach sein Herz; ein Seufzer sagte,
    Daß selbst er seinen Zorn beklagte.

Inzwischen netzt' mit Wohlgeruch
    Der Reineke sein Taschentuch
Und rieb der holden Gemsendirne
    Damit die Wangen und die Stirne,
Hielt ihr auch etwas von dem Gase
    Vor ihre wohlgeformte Nase,
Bis aus der Ohnmacht sie erwachte
    Und lächelnd süß: Wo bin ich? dachte.


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