Adolf Glaßbrenner
Neuer Reineke Fuchs
Adolf Glaßbrenner

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Drittes Capitel.

         

Nun ist geraume Zeit vorbei.
    Herr Grimbart hatte Mancherlei
(Wie oben angedeutet worden,)
    Erzählt vom Fuchs und seinem Orden;
Er hatte hier und dort gepredigt,
    Und manches Lobes sich entledigt
In Büchern, Heften und Journalen,
    (Die Honorar zuweilen zahlen),
Bis daß der Fuchs es durfte wagen,
    Sich selber wieder anzutragen
Der Thierwelt, die in Despotiee
    Versunken war bis an das Kniee.

Doch war's so nobel nicht wie einsten,
    Wo sich die Feinsten und Gemeinsten
Nur in des Nobels Reich befanden.
    Und sonst kein König war vorhanden.
Durch Noth und Krieg und Wanderungen
    Und sonstige Verwandelungen
War's Thierreich ganz und gar zerspalten;
    Nicht mehr den Löwen sah man schalten,
Der, wenn auch räubrisch ganz und gar,
    Doch edel, stark, doch Löwe war:
Nein! Esel, Geier, Schweine, Affen
    Sah man das Wohl des Volks beschaffen
Selbst Hund und Rindvieh trug die Kron'
    Jetzt in der viehischen Nation.

Man würde in der Menschheit lachen,
    Könnt' man ein Bild sich davon machen,
Wie viel in jenen dummen Horden
    Damalen ist regieret worden!
Wohin auch Einer kroch und ging:
    Gleich war's ein Reich, das ihn umfing,
Bemilitärt und bepalastet,
    Beherrscht, besteuert und belastet,
Und doch so klein, daß ohne Paß
    Kaum Eines Tatze wurde naß;
Denn kam durch Zufall er in's Holpern,
    Sah man in's nächste Reich ihn stolpern.

Man denke sich den Zustand nur
    In Wald und Wüst, auf Berg und Flur!
Wenn eine Taube wollte reisen,
    Um Erbsen (ohne Bökelfleisch) zu speisen,
So mußte sie beim Marder Theuer
    Den Paß sich lösen für zwei Eier!
Und wenn dem Dichter Schmetterling
    Die liebste Blume zurief: Trink',
Du buntes, reizendes Gesellche,
    Trink' Schaumwein hier aus meinem Kelche!
Sogleich belauschte in der Nähe
    Ihn eine alte Nebelkrähe:
Ob vom berühmten Schmetterlinge,
    Wenn er der Blume summ' und singe,
Für die geheime Polizei
    Nicht etwas zu erschnappen sei.

Das brachte sie dann im Galoppe
    Zum Staatsrath Kröte, Gift von Schoppe,
Im Fall, auf Criminal-Beschwerden,
    Der Falter aufgespannt sollt' werden.

Und wenn die Nachtigall wollt' singen,
    Die Lerche auf sich wollte schwingen,
So mußten sie die süßen Töne,
    Und ihre Melodie, die schöne,
Dem Maulthier erst zu Ohren bringen,
    Ob Alles dürfe auch erklingen
Vor allen Thieren, groß und klein,
    Auf Feld und Au, in Busch und Hain,
Und oft trat dieses Maulthier nieder
    Den höchsten Sang, die schönsten Lieder.

Dagegen schrieen Frösch' und Unken
    Aus ihren Sümpfen und Spelunken
Mit officieller Wuth und Galle
    Ganz ungehindert gegen Alle,
So sich in freier Luft ergötzten,
    Und Kriechereien widersetzten.

Und jeder arme Grashalm-Schäfer,
    Der rothe, grüne, schwarze Käfer,
Der sich ernährte am Geheck
    Ganz kümmerlich von Staub und Dreck:
Der mußt', konnt' er auch selbst kaum leben,
    Dem Staate etwas Dreck abgeben.

Der Pudel Wallheim im Ardenn'schen
    Hielt zum Vergnügen sich 'n Menschen,
Der bei ihm liegen mußt' und stehen,
    Spazieren immer mit ihm gehen,
Auch Kunststückchen konnt' viele machen,
    Worüber alle Thiere lachen:
Und dafür gab er zwanzig Dreier
    Quartaliter an Menschensteuer.

Der Vogel zahlte für sein Nest,
    Die Fliege etwas Zuckerrest,
Die Spinn' für ihre vielen Augen,
    Der schlanke Egel für das Saugen,
Für's Capern Schwertfisch, Hai und Hecht,
    Der Täuber für sein Täuberrecht,
Der Zobel zahlte für's Bepelzen,
    Das Schwein, wollt' sich's im Kothe wälzen,
Blut zahlte Wanze, Floh und Laus,
    Die Schnecke Miethe für ihr Haus;
Ja selbst die Ameise, die arme,
    Daß sich der liebe Gott erbarme!
Schweißtriefend, hastig, sorgenvoll,
    Sie zahlte dennoch harten Zoll
Für ihre ungeheuren Säcke
    Und für das andere Gepäcke.

Das Schlimmste aber soll noch kommen:
    Es waren Welche ausgenommen
Von allen Pflichten und Beschwerden
    In Luft und See und auf der Erden;
Nur deshalb, weil seit Nobels Reich'
    Sich ihr Geschlecht blieb immer gleich
Und sie bewahrten ihren Stempel,
    Und weil die Esel zum Exempel
Schon Esel vor Zweihundert Jahren,
    Und auch noch heute Esel waren.

Die Andern waren alle Knechte;
    Die Noblen hatten große Rechte,
Auch keine Steuern, keine Pflichten,
    Und nur der König durft' sie richten.
Und also kam's – so hart es klingt,
    Wenn man's zur Menschenkenntniß bringt, –
Daß Eine Maus fand Speck in Masse,
    Die Andre darbte auf der Gasse;
Der Eine Ochs wurd' gleich Minister,
    Der Andre immer blieb Magister;
Daß man zu Hofe lud Geschmeis,
    Und draußen ließ Genie und Fleiß!
Es war daselbsten manches Schwein,
    Die Lerche aber zu gemein;
Auch hielten die bezahlten Krallen
    Zurück die holden Nachtigallen.

Und kurz und gut, es war ein Treiben
    So dumm, es läßt sich kaum beschreiben!
Ihr werdet, wollt Ihr weiter lesen,
    Kaum glauben, daß es so gewesen.
Denn Ihr seid Menschen, klug, verständig,
    Und jene Thiere, dumm, unbändig,
Die nicht so Viel wie wir studiren,
    Und drum sich auch so sehr blamiren.
Hört nun, wie Reineke gekommen
    In die verschiednen Thierereiche,
Und wie er dorten unternommen
    Die allerschlausten Fuchsenstreiche.


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