Adolf Glaßbrenner
Neuer Reineke Fuchs
Adolf Glaßbrenner

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Sechsundzwanzigstes Capitel.

                       

Sie beteten nun lange, lange.
    Der Fuchs rief, wie in heißem Drange:
»O Herr, der Du voll Gnade bist,
    Und dessen Macht nicht zu ergründen,
Du sagst mir: wahre Freiheit ist,
    Frei sein von Fehlern und von Sünden,
Und an dem Quell der ächten Lehren
    All unrein irdisch Gut entbehren.
Du sagst mir, daß Religion
    Alleine schützt der Fürsten Thron,
Den Deiner Gnade Pfeiler tragen,
    Und den kein Volk darf frech benagen.
Du sagst mir: Deine Ewigkeit
    Ermesse nicht so kurz die Zeit
Wie wir in Jahren, Monden, Tagen,
    Und wenn die Thiere sich beklagen
Ob Zwangs und Noth, sei's ihre Schuld,
    Denn Frömmigkeit nur und Geduld,
Sie sind die Pforten,
    Durch welche aller Orten
Ein Volk, das nicht mehr speculirt,
    Nicht grübelt, forscht und nicht im Glauben schwankt
Und keine revolutionären Werke schmiert,
    Zur Erden-Freiheit endlich einst gelangt.«

Der König betete voll Gluth,
    Doch war ihm nicht um's Herze gut,
Nach dessen schöner Trunkenheit
    Der böse Jammer schon bereit.
Er dachte: bin ich denn noch Ich?
    Der edle Freiheitsschwärmer? Nein!
Als Prinz war meine Seele königlich.
    Als König fühl' ich selbstisch und gemein.
O Gott, laß nicht den Glanz erblinden
    Der Kron', zu der Du mich erkoren!
Laß mich den hohen König wiederfinden,
    Den ich im Königspurpur schon verloren!«
Der Fuchs sah seine Traurigkeit,
    Und sprach nun listig und gescheidt
Vom Pöbelviehe: wie's das Höchste,
    Das Klügste, Edelste und Reinste
Mit Hohn belohne, wie das Nächste
    Ihm immerdar sei das Gemeinste;
Wie sich das Thiervolk immer sperre,
    Das aufzunehmen, was ihm nütze,
All neue That mit Koth bespritze,
    Und Herrliches zu sich hinunterzerre.

»Komm' ich zur Residenz zurück,«
    Sprach drauf der Stier, »will ich dem Glück
Des Volkes meine Kräfte weihen,
    Doch keinem Frevelnden verzeihen,
Auf daß sein Beispiel an nicht stecke
    Und Demagogenthum erwecke.
Doch denk' ich, daß die Frechheit schweige,
    Sich nicht mehr bläht,
Nicht kräht
    Und schmäht,
Wenn ich in voller Majestät
    Als königlicher Herr mich zeige.«

»Erlaubt,« sprach Reinke, »daß ich Euch
    Erzähle aus dem Menschenreich,
Derweil wir wandern, eine Fabel,
    Die hier möcht' dienen als Parabel:

»»Ein König hatte einst gehört,
    Ein wildes Volk leb' ungestört,
Von Zwang und aller Herrschaft frei
    Auf einer Insel Haitahai,
Die mitten in dem Weltenmeer
    Da oder dort gelegen wär',
Und reich an Gold und Edelstein
    Und süßen Weinen sollte sein.

Da aber Gold und Edelstein
    Gehören darf, wie süßer Wein,
Nur den gebildeten Nationen,
    Die unter Stock und Scepter wohnen,
So wollt' der König, im Int'resse
    Der Politik und Politesse,
Sich Allerhöchst dazu bequemen,
    Höchstselbst die Insel sich zu nehmen,
Ordnung und Steuern einzuführen,
    Und gänzlich sie civilisiren.

Man rieth dazu Soldaten an,
    So gegen fünf, sechs Tausend Mann,
Doch thät den Rath er von sich stoßen:
    »Wir,« rief er, » Wir von Unsern Großen
Umgeben, Wir sind Manns genug!
    Soldaten! Was? Ihr seid nicht klug!
Wir sind bewahrt vor jedem Schaden,
    Wir sind der Herr von Gottes Gnaden!
Rebell, wer so noch ein Mal räth
    Der hohen, heil'gen Majestät!
Wir zeigen, Wir an Gottes Statt,
    Was Majestät zu sagen hat!«

Darob die Großen Alle schwiegen,
    Wie immer, wenn sie Nasen kriegen.
Schnell ward das Ankerwerk gelichtet,
    Zum fernen Ziel das Schiff gerichtet.
Kaum war ein halbes Jahr vorbei,
    Da lagen sie vor Haitahai.
Der König zog den Purpur an,
    Und setzt' die Krone auf sodann,
Nahm seinen Scepter in die Hand,
    Trug auch ein großes Ordensband
Und einen wunderschönen Stern,
    Den alle Fürsten zeigen gern,
Damit ihr Herz als Himmel gelte,
    Und sie als Gott auf dieser Welte.

So nun inmitten seiner Großen,
    Die ihn begleiteten im bloßen
Kopfe, die Hüte in der Hand,
    Schritt nun der Fürst hinein in's Land.
Zwölf Pagen trugen seine Schleppe
    Durch Feld und Wald und manche Steppe
Bis zu der Wilden heil'gen Hain,
    Und hinten trugen sechs Lakai'n
'Nen großen Koffer mit Gesetzen,
    Und Orden wohl an sieben Metzen,
Und Ketten, Ringe, goldne Dosen,
    Und Uhren und noch andre Chosen.

Ein Wilder, der die Fremden sah,
    Der wußte nicht, wie ihm geschah,
Und was sie führten wohl im Schilde;
    Er rief herbei noch viele Wilde,
Und bald sah man viel hundert Wilden,
    Die nun der König wollte bilden.

»Hört,« rief er, »hört, Ihr Haitahaier.
    Wir sind der König der Owaiher;
Wir kommen, um Euch zu regieren
    Und eiligst zu civilisiren,
Weil ohn' Civilisation
    Glücklich ist keine Nation!
Wir, Bumms der Erst' von Gottes Gnaden,
    Wir thuen Allerhöchst Euch laden:
Von nun an Steuern uns zu zahlen
    Von allen Euern Mineralen
Und Früchten, Gütern und so weiter;
    Zwei Tausend Fußvolk, tausend Reiter
Von Euren Kindern Uns zu stellen,
    Und flugs zu bauen Citadellen,
Damit Wir Euch im Zaume halten
    Und nach Belieben mit Euch schalten.
Denn Ihr seid fortan nur Owaiher,
    Und nennt Euch nicht mehr Haitahaier!
So hat in höchster Dignität,
    Daß Ihr ihr schwört und darnach thut,
Euch zu befehlen nun geruht
    Hier Bumms des Ersten Majestät!«

Dabei gab er sich eine Miene,
    Als ob die ganze Welt ihm diene.

Die Haitahaier standen Alle
    Mit offnem Maul bei'm fremden Schalle;
Sie konnten nur ihr Haitahaiisch,
    Verstanden nicht ein Wort Owaihisch;
Sie sahn nur aus des Königs Zügen,
    Daß er nicht ihnen möcht' sich fügen.
Das aber war den Wilden schon
    Genug zu wildem Lärm und Hohn.

Doch als nun erst der Ihren Einer,
    Der einst vor Jahren als gemeiner
Schiffsknecht durch Unglück mancherlei
    Gekommen nach dem Land Owaih,
Die Rede ihnen übersetzte:
    Da war's, als ob man Tiger hetzte!
Da trat in jedes Auge Blut,
    Da schrien sie so in Hohn und Wuth,
Daß alle Vögel sonder Säumen
    Fortflogen von den bunten Bäumen,
Ringsum die heiße Luft erbebte,
    Und Alles zitterte, was lebte.
Und als ihr Führer schrie: cki, cki!
    Przskmovohtrnmiaszo rinthf i-i!

.   .   .   .   .   .   »Auf, auf, ihr Brüder!
Reißt diese bunten Puppen nieder!«
Es war vom Fuchse sehr galant,
Daß in der Ursprach' er's genannt.
D. Verf.

Da rissen sie mit grauser Lust
    Den Stern von König Bummsens Brust
Und ihm vom Leibe alle Kleider,
    So daß ganz nackt er dastand leider.
Und gleicher Art verfuhren sie
    Auch mit den Großen allen, die
Den Wilden warfen sich zu Füßen,
    Um nicht des Königs Schuld zu büßen.
Die Wilden aber, Mann für Mann,
    Sie zogen nun die Kleider an,
Und thäten mit den bunten Stücken
    Sich wunderlich und närrisch schmücken,
Und ahmten nach, was erst geschehen,
    Was von den Fremden sie gesehen.

Besonders der den König machte,
    Der war so spaßig, pudelnärrisch,
So komisch-stolz, gespreizt und herrisch,
    Daß die Versammlung brüllend lachte.
Und als er gar die Rede hielt,
    Vor Lachen sie zur Erd' sich warfen,
Und, küssend ihren Pfeil, den scharfen,
    Aufjauchzten, daß der so gespielt.
Es war solch' fürchterliches Lachen,
    Daß aus der fernen Thiere Rachen
Ein widerliches Echo tönte
    Und durch die Palmenwälder dröhnte.
Die Affen auf den Bäumen schlangen,
    Schnell kletternd, ihren Arm, den langen,
Um einen vorgestreckten Ast,
    Der kaum ertrug die schwere Last,
Und schrieen Alle mit und fletschten
    Die Zähne wild dabei und quetschten
Die Fratzen durch das Laub und guckten,
    Wie wir dramatischen Producten,
Voll Neugier jenem Schauspiel zu,
    So sie gestört aus ihrer Ruh'.

Das Lachen doch war kaum vorüber,
    Da, wie in einem Wollustfieber,
Warf sich das Volk der Haitahaier
    Nun auf die nackenden Owaiher,
Und thäten sie zu Boden strecken
    So rasch, kaum ahnten es die Bloßen,
Die Majestät und ihre Großen:
    Ihr Tod war eins mit ihrem Schrecken!««


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