Adolf Glaßbrenner
Neuer Reineke Fuchs
Adolf Glaßbrenner

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Dreiundzwanzigstes Capitel.

                   

Und immer weiter, immer weiter
    Im Trabe ritten nun die Reiter,
Bis daß man deutlich liegen sah
    Die Residenz im Mondgold da!
Mild strahlte das Marieenthor
    Und's schöne Rosenschloß hervor.

Johannes hatte heft'ge Schmerzen
    In seinem Leibchen und im Herzen,
Doch, um in diesem zu gesunden,
    Noch jene immer überwunden.
Der Arzt gab ihm die besten Pillen,
    Sie wollten seinen Schmerz nicht stillen;
Ihm sah der Tod aus der Geberde;
    Kaum hielt er sich noch auf dem Pferde,
Doch raffte er die letzten Kräfte
    Zusammen nun zu dem Geschäfte.

Durch einen Wink ließ er vom alten
    Obristen Brumm' die Reiter halten,
Und ritt heran, erklärend ihnen,
    Wie sie ihm jetzo sollten dienen.
»Ihr müßt,« sprach er, »behutsam schleichen,
    Bis wir das Rosenschloß erreichen;
Dann aber geht es rasch hinein.
    Bald werden sie gefangen sein!
Zwei Diener bleiben bei den Rossen!
    Und nun an's Werke, unverdrossen!«

Da plötzlich tönte Feldgeschrei:
    »Der Feind ist da! Herbei, herbei!
Es gilt dem Tempel! Auf, ihr Brüder,
    Haut die verfluchten Ketzer nieder!«
Und wohl an dreißig, vierzig Mann,
    Bewaffnet, sprengten nun heran.
Im Mondschein funkelten Gewehre,
    Die Büchsen, Säbel und die Speere.

Nun ging's an eine heiße Schlacht
    In dieser wundervollen Nacht.
Piff, paff! los blitzte das Gewehr!
    Das Gras erbebte ringsumher!
Und Gnitz und Gnatze: piff, paff, puh!
    Und Schuß auf Schuß, und immerzu!
Bald sah man's bei den braven Gnitzen
    Pardauz! los von der Pfanne blitzen;
Bald donnerte es bei den Gnatzen!
    Es knallte, als ob Schoten platzen!
Der Arzt thät gar nicht sich bedenken,
    Ließ schnell zurück den Wagen lenken,
Damit es ihm zuerst gelinge,
    Daß er die Siegesnachricht bringe.
Der Obrist aber fluchte schrecklich
    Und haute um sich ganz erklecklich,
Ließ rufen durch's Hornissenhorn
    Die aus der Graseswand da vorn,
Und schrie: »Getrost, ich hab' gesorgt!
    Nur zwei Minuten noch, Soldaten!
Wie gut ist's doch – Gott's-Kreuz-Granaten! –
    Wenn man die Fürsten nicht gehorcht!«

Johannes kämpfte todesmuthig,
    War schon am ganzen Leibe blutig;
Er fühlte keinen Schmerz, er war
    Ein Kriegesheld so ganz und gar!
Die Feinde, wohl zum Kampf bereit,
    Erstarrten ob der Tapferkeit;
Zehn lagen schon dahingestreckt
    Von seiner Hand, und schweißbedeckt
Flog wieder er in ihre Reih'n,
    Und immer gold'ner ward sein Schein!

Drei Gnitzen waren auch schon todt.
    Erbarme sich der liebe Gott!

Und auch die schmucke Adjutante,
    Die man die lust'ge Fliege nannte,
Die war nun traurig immerdar,
    Und todtgeschossen ganz und gar.
Die Edle glänzte, ach wie schade!
    Nun nimmer mehr auf der Parade,
Noch bei dem Faro, noch beim Soff!
    Aus ihrer Flaschentasche troff
Der Wein, den sie sich mitgenommen,
    (Um den sie schnöde mußte kommen!)
In reichen Thränen um sie her,
    Als ob's die letzte Fliege wär'.

Ach, hätte sich die lust'ge Fliege
    Bis jetzt gehalten in dem Kriege
Und wäre nicht geschossen todt:
    Nunmehro hatt' es keine Noth,
Nun stürzten wüthend jene neunzig
    Reserve-Gnitzen auf den Feind sich,
Und metzelten in seinen Reih'n,
    Und metzelten so furchtbar drein,
Und metzelten so nach und nach,
    Bis daß das letzte Auge brach.

Bei dieser Schlacht sind von den Gnitzen
    Gefallen nur fünf wackre Schützen,
Doch Gnatzen vierzig Mann geblieben:
    Wenn der Bericht nicht übertrieben.

Und nun der Feind war abgefunden,
    Nun tobte wie aus tausend Wunden
In Prinz Johanniswurm der Schmerz;
    Schon war's, als bräche ihm das Herz!
Nun blieb dem Leidenden kein Zweifel,
    Nun rief er stöhnend: »Alle Teufel!
Ach rettet, helft! Ich habe Gift
    Vom Weibe aus dem heil'gen Stift!«

Der Arzt war frisch und unversehrt
    Hier zu den Siegern rückgekehrt;
Er thät nun sehr gelehrt quacksalbern,
    Doch das bleibt bei dem Gifte albern,
Deß die Fuchsiten sich bedienen,
    Genannt »das letzte Wort« bei ihnen.

»Ich sterbe!« seufzte Prinz Johann;
    »Schon faßt der Tod mein Herze an!
So hoffnungsreich, so sündenjung,
    Und muß schon zur Veredelung!
O du mein lichter goldner Schein,
    Bald wirst du nun erloschen sein!
Gott! ob Dein Hauch auch Milde ist:
    Wenn Du der Spinne gnädig bist,
So sage ich von Dir mich los,
    So stoße mich aus Deinem Schooß!
Fluch und Verderben diesem Orden
    Mit seinem Seel- und Körpermorden!
Fluch! Fluch auf diese Höllefrommen,
    Die mir mein süßes Fleisch genommen!«

Die Krieger stützten auf's Gewehr,
    Und schauten ernst und weinten sehr,
Und schwuren innerlich ihm Rache,
    Noch eh' der neue Tag erwache.

»Schleppt mich – zum Rosenschlosse hin!
    Mein letzter Blick – mein letzter Sinn –,
Mein letzter Hauch auf Erden hie,
    Mein erster – jenseits– sei: Marie!«

Mit Der war's auch am letzten Tage!
    Sie lag wohl ohne Schmerz und Klage
Auf ihrem harten Dornenbett
    Und lächelte so hold und nett.
Es flackerte, wie's Lampenflämmchen,
    Noch ein Mal auf das Gotteslämmchen;
Es fühlte schon der Engel Glück,
    Und in der Himmelssprach' begann es
Zu flüstern, halb Musik, halb Blick:
    »Komm, Liebster! Komm, mein Prinz Johannes!«

Da flog die Thüre auf! Er war es!
    Ihr Auge sah ihn noch, ihr klares,
Und schloß sich dann auf ewig, als
    Der Buhle fiel an ihren Hals.
Er rief noch schmerzlich auf: » Marie!«
    Und war hinüber dann wie sie;
Mit seines Scheines letztem Golde
    Bestrahlte er sein Lieb, das holde.

So hatte Bräutigam und Braut
    Der stumme Priester Tod getraut.

Johannis- und Marieenwurm!
    Geknickt von einem gift'gen Sturm
Ward hier Dein schuldlos Blüthenleben.
    Dort aber brauchst Du nicht zu beben!
Im Himmel muß es anders sein!
    Gott kann vergessen und vergeben:
Fuchsiten läßt er nimmer ein.


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