Adolf Glaßbrenner
Neuer Reineke Fuchs
Adolf Glaßbrenner

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Sechstes Capitel.

                 

Nun gingen Beide allzumal
   Zusammen über Berg und Thal.

Fürst Nashorn hatte an ein Kleid
   Zwar etwas kurz, jedoch sehr weit;
Die Farbe war ganz violett
   Mit ein'gen Flecken drin von Fett,
Und auf dem Kopf der rothe Hut,
   Der stand ihm auch sehr fromm und gut.

Der Fuchs, der ging als armer Mann;
   Zwar hatt' er einen Fuchspelz an,
Doch den umgab ein Pilgerrock,
   Und in der Hand hielt er den Stock.
Auch hatt' er seinen Schwanz alsbald
   Sich unterm Rocke festgeschnallt;
Ein breiter Hut in dem Costüm
   Verbarg auch das Gesicht von ihm.

So thäten sie die Reise machen
   Und sprachen von gelehrten Dingen.

Fürst Nashorn aß gewöhnlich Gras,
   Und auch vom Wald und Felde was;
Doch Reinke's Appetit und Magen
   Wollt' nicht die Hausmannskost behagen;
Er dachte, nimmt er mir's auch krumm,
   Ich schau' mich nach was Besserm um.

Da liefen schnell mit leichtem Trampen
   Quer über'n Weg zwei junge Lampen,
Sie waren sehr vergnügt und kamen
   Von ihrem Fähnerichs-Examen.

»Ei, ei!« sprach Reinke, »diesen Hasen
   Muß ich das Lebenslicht ausblasen!
Die schlimme Deutung müßt Ihr kennen,
   Wenn über unsern Weg sie rennen.
Da hilft ein Mittel nur geschwind:
   So sehr sie mir zuwider sind,
Der ich für Eure Wohlfahrt wache,
   Ich opfre sie der guten Sache.«

»He,« rief er, »he, Ihr jungen Leute!
   Wir müssen noch nach Waldburg heute.
Wo geht der Weg? O schenkt Euch Muße,
   Und thut für Eure Sünden Buße!
Wollt Ihr uns auf die Straße führen,
   So wollen wir Euch absolviren.«

Die Hasen stutzten. Doch sie sah'n
   Den Priester nur und den Kumpan;
Sie waren jung und glaubten leider
   Dem Teufel wen'ger als dem Schneider,
Und kamen deshalb sonder Arg
   Zum Priester, der den Fuchs verbarg.

Der Jüngste dem Rhinozeros
   Sein ganz Gewissen nun ergoß,
Der Aeltre beichtete kaum, als
   Ihn Reineke biß in den Hals.
Und eh' er noch konnt' schreien, war
   Bereits er aller Sünden bar;
Kaum konnte noch hinaus die Seele,
   So hatt' ihn Reinke bei der Kehle.

Drauf sprang er auf den Jüngsten zu,
   Und tödtete auch ihn im Nu,
Und soff das Blut begierig ein,
   Als wär' es Traubensaft vom Rhein,
Und schnitt so gräßliche Gesichter,
   Als stünd' er vor dem ew'gen Richter,
Weil er dem Fürsten wollte lügen,
   Es wäre ihm ein schlecht Vergnügen,
Er thät es nur zu dessen Ehren,
   Und um ihm Unheil abzuwehren.

Nachhero that er beide Leichen
   In seine Reisetasche streichen
Und rief: »O Himmel, das war häßlich,
   Solch junger Hase schmeckt doch gräßlich!«

»Wie seid Ihr nur so abergläubisch?«
   Sprach drauf der Andre. »Das ist weibisch!
Um Nichts zwei junge Leben nehmen,
   Und sich zu solchem Fraß bequemen!«

»Wie? was?« rief Reinke, »seid Ihr Freigeist,
   Und glaubt doch auch, daß Eins die Drei speist?
Nein, laßt das! Mit dem Aberglauben
   Könnt Ihr die Existenz uns rauben.«

So gingen sie nun immer weiter,
   Rhinozer ernst, der Reinke heiter,
Bis ihn sein gierer Appetit
   Zu einem neuen Streiche rieth;
Da faßt' er den Gedanken nun,
   Es schmecke auch sehr gut ein Huhn.

Kaum hatt' er dieses durchgedacht,
   War auch sein Plänchen schon gemacht.

»Nicht weit von hier, Herr Philosoph,«
   Sprach Reineke, »da ist ein Hof –
Schaut, dort guckt schon das Haus hervor –
   Drinn haben sie viel Zuckerrohr
Hochaufgespeichert an den Wänden,
   Das sie in alle Welt versenden,
Um – könnt' ich's ihnen nur verderben! –
   Um Ketzer für das Geld zu werben.«

»Wie!« rief das Nashorn ganz entrüstet.
   »Mich hat es lange schon gelüstet,
Von Rechtes und Berufes wegen,
   Das Handwerk solchem Volk zu legen!
Da hilft kein Schreien und kein Beten,
   Man muß das Zuckerrohr zertreten.«

»Jetzt wäre grad' die rechte Zeit;
   Die Morgensonne steht noch weit,«
Sprach Reineke. »Doch hielt ein Gitter
   Zurück noch jeden Glaubensritter.
Es ist ein starkes, äußerst festes,
   Nicht leicht sich niederreißen läßt es,
Doch setzt Ihr Eure Kraft daran,
   Zeigt sich's, was frommer Eifer kann.
Hier sind wir! Braucht nur Eure Tatzen!
   Schon zwitschern hier und dort die Spatzen!
Da ist der Speicher! seid Ihr drein,
   So schleiche ich mich leise ein
Zum Stall der Hühner, ihr Gegackel
   Macht einen scheuslichen Spektakel,
Und könnte hinter jenen Hecken
   Die Schläfer vor der Zeit erwecken.
Drum, Eure Sicherheit zu bürgen,
   Will ich die meisten schnell erwürgen.«

»Erwürgen? Kostet's Thiereleben,
   So woll'n wir uns der That begeben,«
Sprach drauf das Nashorn. »Herr Kumpan,
   Das wäre doch nicht wohlgethan.«

»Was muß ich hören! Ei, ich dächt',
   Der Zweck macht auch die Mittel recht!«
Sprach Reineke. »Die Hühner sterben,
   Den Ruhm der Märtyrer zu erben,
Und für des Tempels Heil zu bluten,
   Muß sich ein jeder Gläub'ge sputen.
Fragt solch ein hoher Gottesdiener
   Wie Ihr, nach einem Stall voll Hühner?
Bedarf es noch, daß ich berichte
   Euch aus dem Buche der Geschichte,
Wie unsrer Väter Eisenwille
   Oft um ein Nichts, um eine Grille,
Viel Hunderttausende von Thieren
   Ließ dulden, martern und crepiren.«

Fürst Nashorn wurde so beredet,
   Und drauf der Meierhof befehdet.
Knacks! brach das Gitter; Reinke schlich
   Nun in den Stall der Hühner sich
Und dachte: Du kannst lange suchen,
   Derweile es mir schmeckt wie Kuchen!
Bei Raps und Gerste, Klee und Flachsen
   Sah Niemand Zuckerrohr noch wachsen.
Wie dumm ist doch solch großes Vieh!
   Kennt nicht einmal Geographie,
Verwechselt seine heißen Zonen
   Schier mit dem Land der grünen Bohnen.«

Und unter solchem wilden Lachen
   Thät er nun seine Streiche machen,
Und mordete wie ein Barbar
   Jach Alles, was nur Hühnchen war,
Und thät sich wiederum die Leichen
   In seine Reisetasche streichen.


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