Karl Gjellerup
Die Weltwanderer
Karl Gjellerup

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Vierzehntes Kapitel

Die Wege der Weltwanderer trennen sich

Nicht der Minister Kala Rama: – Kala Rama der Sannyasin. – Ein großes baumwollenes Tuch umhüllte ihn von den Schultern bis über die Kniee hinunter, beide Arme freilassend. Ein kleiner weißer Turban schützte den Kopf. In der rechten Hand hielt er ein langes Rohr als Wanderstab. Über der rechten Schulter hing ein tönerner Krug an einem langen Seil, das zum größten Teil um eine Einbuchtung in der Mitte des Kruges gewickelt war. Und nichts sprach so beredt von der zukünftigen Lebensweise dieses Mannes, der noch vor einer Stunde über Hunderte von Millionen verfügt hatte, als dieser seilumwundene Krug, der jetzt seinen einzigen Besitz darstellte. Sollte er ihm doch dazu dienen, aus den tiefen Brunnen Wasser zu schöpfen, um so dem Wanderer das unerläßlichste Mittel zur Lebenserhaltung zu sichern.

Übergroß, wie die Autorität Kala Ramas war, selbst solchen gegenüber, die unversöhnliche Feinde seiner Regierung waren, ist es dennoch sehr fraglich, ob sein Dazwischentreten die beiden gerettet hätte, wenn er in Purpur und Diamantenschmuck erschienen wäre. Diese Rasputen wußten, daß sie ihre Köpfe verwirkt hatten, sie waren verraten und verkauft; das heiße indische Blut war im Kochen und wollte das Blut der Rache fließen sehen, bevor es selber vergossen wurde. Aber so tief eingewurzelt war in ihre indischen Herzen die von den Vedazeiten her vererbte unbedingte Ehrfurcht vor dem religiösen Leben, daß diese Männer, die das Kind im Mutterleibe nicht geschont hätten, um ihre Rache zu befriedigen, bei dem plötzlichen Erscheinen des Pilgers zurückwichen und bald im Dunkel des Haines verschwanden.

So blieben denn die beiden mit Kala Rama allein zurück.

Amanda war erschöpft auf die Bank niedergesunken. Aber dem leidenschaftlichen Ausbruch Edmunds und der ruhigen Stimme und leise über ihren Kopf streichenden Hand Kala Ramas gelang es sofort, sie zum Bewußtsein zurückzurufen.

– Die Gefahr ist vorüber, mein Kind! und kehrt nicht wieder. Sei ruhig und getrost.

Amanda erkannte die Stimme und die Gesichtszüge, begriff aber nicht, wie es zuging, daß der Minister, der vor kaum einer Stunde sie in voller orientalischer Pracht verlassen hatte, nun in dieser mehr als einfachen Kleidung eines Bettlers oder Pilgers vor ihr stünde.

Eines aber begriff sie: daß dieser edle Greis, den sie wie einen Vater liebte, sie beide aus dem Rachen des Todes herausgerissen hatte, ihnen das Leben wiedergegeben, in dem Augenblick, wo es erst anfing, eine tiefere Bedeutung zu erhalten.

– Sie haben uns gerettet, Exzellenz!

– Nicht Exzellenz mehr, mein Kind, nur Kala Rama.

Er setzte sich neben sie und erfaßte ihre Hand:

– Sagte ich dir nicht, mein Kind, wir würden uns noch einmal wiedersehen – und zwar bald?

– Noch einmal wiedersehen? Ach, Kala Rama, warum denn nicht mehr? Muß es denn wirklich so sein, daß ich Euch nicht mehr sehe?

– Vielleicht nicht – wer weiß? Aber ich denke doch, es ist höchst wahrscheinlich, daß sich unsere Wege nicht mehr begegnen.

– Und wo geht denn der Eure hin?

– Ich gehe, um den vollkommenen Frieden zu suchen, den man hier in dem bewegten Weltleben schwerlich erreicht. Du selber, liebe Amanda, hast mir ja den Gruß meines Guru gebracht; nun wirst du auch verstehen, warum ich dich die Überbringerin einer guten Botschaft nannte. Denn in jenem Augenblicke wußte ich ja, daß die Stunde für mich gekommen sei. Und es wird mir immer ein lieber Gedanke sein, daß es deine Stimme war, die gleichsam zu mir sagte: »So, guter Alter! nun hast du dich dein Lebtag lang ordentlich abgemüht, jetzt wollen wir Feierabend machen.« Denn längst war es ja bestimmt, daß ich zu dieser Zeit meine Ämter niederlegen sollte, wozu in der Tat schon alles vorbereitet war, und mein Guru hatte mir versprochen, daß er bei dieser für mich so wichtigen Angelegenheit seinen erhabenen Aufenthalt verlassen wollte und ausnahmsweise sich im Fleische hierher begeben, um mich abzuholen.

– O, so geht Ihr doch nicht ganz allein! rief Amanda, in naiver Freude, weil der alte Mann nicht ohne Hilfe und Beistand unterwegs sein würde, wiewohl er nicht aussah, als ob er dessen bedürftig sein würde – noch mehr vielleicht aber, weil die absolute Einsamkeit immer für das weibliche Gemüt etwas Schauriges hat: – Ihr werdet in der Gesellschaft jenes Fremden weilen, dessen Äußeres mir gleich solches Vertrauen einflößte, und dessen bloße Anwesenheit mich so sonderbar beruhigte.

– In Gesellschaft dessen, vermute ich, der einst Fürst Narada hieß, sagte Edmund.

Amanda blickte ihn verwundert und fragend an: dann leuchtete ihr Gesicht mit plötzlichem Verständnis auf:

– O, jetzt weiß ich auch, wer dir die Augen geöffnet hat!

– Ja, ja, Amanda, der war es, sagte Kala Rama. Du siehst also, ich bin in guten Händen! – Und in seinem Ton klang es fast wie eine leise, liebevolle Neckerei: – »da du mir ja nun einmal nicht zutraust, für mich selber sorgen zu können.«

Amanda errötete: –

– Und sein erhabener Aufenthalt, von dem Ihr spracht – wo ist denn der?

– Irgendwo im Hochgebirge des Himalaya – ein einsamer Ort, ein Ort, gut zur Gedenkenruhe, gut zum Schauen, gut zum Verweilen in Gesellschaft Gleichgesinnter, so ein Ort, wie uns der alte tibetische Einsiedler Milaraspa so poetisch schildert:

Dies ist Mil'raspas Bergeinsamkeit:
oben starken Gottes Gletscherschnee,
vor mir dichter Wäldermassen Pracht,
Rasengrunde, grüne Wiesenmatten;
um die bunten düftereichen Blüten
summen Bienen, flattern Schmetterlinge;
Wasservögel an des Teiches Strand
steh'n und dreh'n den Hals und schau'n sich um;
in der Bäume weitem Laubgezweig
singet lieblich bunter Vögel Schar;
glänzend weißem Seidenvorhang gleich
schließen Berge rings den Hintergrund.

– Kein so ganz zu verachtendes sans souci, alles in allem, für einen alten, ruhebedürftigen Staatsmann, fügte er lächelnd hinzu.

– Ei, da möchte ja auch ein neuvermähltes Paar gleich hin! scherzte Amanda, auf seinen schalkhaften Ton eingehend.

– Nun freilich, stimmte Kala Rama zu, gar keine üble Hochzeitsreise, wie sie ja bei Engländern üblich ist – zumal sie gerne nach den Alpen gehen. Aber ich vermute, daß die Eurige in eine andere Richtung führt, fügte er in ernsterem Ton hinzu, Edmund bedeutungsvoll in die Augen blickend.

Edmund nahm die Hand Amandas in die seine: –

– Wenn ich gestern meinen guten Genius recht verstand, dann geht unsre Hochzeitsreise nach Afghanistan.

Amanda blickte mit einem freudigen und mutigen Blick zu ihm empor.

– Ich dachte mir es so, nickte Kala Rama.

– In meiner Jugend, Kala Rama. hatte ich einen Freund, den man mit Recht »meinen guten Genius' genannt hat. Ihr kennt den Namen, den Namen eines Unsterblichen: – Shelley, ein gottbegnadeter Poet, wenn es je einen gab, ein ewiger Jüngling, voll von Feuer und Begeisterung – »das Herz der Herzen' setzten wir auf seinen Grabstein, denn er blutete mit allem, was hier auf Erden blutet, und jauchzte mit allem, was in edler Freude leuchtet, und jeder, der ihn kannte, sagte, er sei der einzige, der nie an sich selber dachte. Wie seine Poesie, so war sein Leben, eine sich selbst verzehrende Opferflamme auf dem Altar der Gerechtigkeit und der Liebe im Tempel höchster Menschlichkeit: Sehet, an ihn wurde ich gestern erinnert: Einmal durch einen Brief von seiner Frau, die mich mahnend hören ließ, sie merke es mir an, daß mein guter Genius mich verlassen habe, und doch das Vertrauen aussprach, ich könne seinem Geiste nie ganz untreu werden. – Dann aber durch Amanda, als sie mir von dieser Sendung nach Afghanistan sprach, – als sie leuchtenden Blicks ausrief: – »O, wenn ich mir denke, daß es jemand gegeben wird, der Menschheit zu dienen, Segen zu verbreiten und Greueltaten zu verhindern, und bliebe er auch selber ganz unbekannt: welch' seliges, erhebendes Gefühl müßte das sein!« – denn das war ja, o Kala Rama, der unverfälschte Klang meines Jugendfreundes! Und in der Tat, daß jetzt wieder mein guter Genius an meiner Seite steht, das habe ich wohl hier erfahren. Wie könnte ich also im Zweifel sein, wo mein Weg hingeht? Irrfahrten habe ich genug hinter mir – bei der letzten, kaum beendeten, wäre ich fast zugrunde gegangen: – jetzt aber werde ich den rechten Weg nicht mehr verfehlen – möge er durch tödliche Gefahren gehen – ich weiß, sie wird auch vor solchen nicht zurückschrecken ...

– Gefahren werden da sein, sagte Kala Rama mit ernstem Kopfnicken. – Ihr nennt ja diese erste Zeit »den Honigmonat«: – nun, der afghanische Honig wird würzig, schmackhaft und gesund sein, aber diese wilden Felsbienen sind ein reizbares und gefährliches Volk. Ginget Ihr allein, würde ich Euren Wagemut fürchten: aber nun ist auch dafür gesorgt. Und so hoffe ich, daß Ihr heil durchkommt und Segenbringendes vollführt, wodurch uns der kostbare Frieden erhalten wird.

Er schwieg und erhob lauschend den Kopf, mit der Bewegung des Dschangeljägers, der er in seiner Jugend gewesen, und dessen scharfes Gehör er bewahrt hatte, denn die anderen vernahmen nichts.

– Dort höre ich die Stimme deines Vaters, Amanda. Er wird hier die Asche einer längst verlohten Liebe finden – und diese Liebe selbst, wie einen aus der Asche auferstandenen Phönix, die jungen Schwingen zu einem neuen, dreisten Flug ausbreitend. Seine »höchste Wandergans« wird er aber nicht mehr finden – du wirst ihm ihren Scheidegruß bringen – den Gruß eines Bruders, denn das waren wir einst dem Blute nach und sind es noch im Geiste.

– So könnt Ihr nicht länger hier weilen? fragte Amanda ängstlich.

– Der Wandervogel merkt das so in den Flügeln, Kind, wenn die Zeit zum Davonfliegen kommt, und mich zieht es jetzt nach jenen Höhen, wo es mir gehen möge, wie jener längst zur Rüste gegangene Weltwanderer Milaraspa singt: –

Wenn auf meinem weithin sichtbaren
Prachtgebirg ich alles dieses schaue:
die vergängliche Erscheinungswelt
wird zum Gleichnis mir; der Wünsche Lust
seh ich an wie Spiegelbild der Lust, –
dieses Leben wie ein Traumgebild,
der drei Weltgebiete Kreiseslauf
wird zum Nichts vor mir – o Wunder groß! –

– So segne du unseren Bund, Vater, bat Amanda einfach.

Keine priesterlichen Hände streckte Kala Rama über die Köpfe des Paares aus; er legte seine Hände auf ihre Schulter wie ein alter Freund und sagte:

– Ich habe jetzt sich jenen Wunsch erfüllen sehen, den der, dem ich nun folge, als er einst Fürst Narada hieß, mit längst in Asche zerfallener Hand hier einmeißelte: – »Möge in ihrem nächsten Erdendasein ein günstigerer Stern ihrer Liebe leuchten« – und so scheide ich in Freude von dieser Stelle.

Und die beiden fühlten sich feierlicher eingesegnet, als wenn der ganze Hochzeitsprunk einer Kathedrale sie umgeben hätte ...

*

– Und hier, hochehrwürdigster Sahib, kommen wir zum letzten Werke jenes Baku, dem Grabmal für seine Tochter – – –

Die Worte blieben dem braven Panditen in der Kehle stecken: – zwischen den schwarzen Orangestämmen hindurch entdeckte er in dem erleuchteten Tempelchen die schreckliche Gestalt des »großen Sahib«. Man hatte seinen Gelehrtenverstand so gering geschätzt, daß man ihm ebenso wenig alles verheimlicht, wie alles anvertraut hatte: und so wußte er wenigstens, daß dieser Fremde die zentrale Person sei, in dessen Nähe gewiß Gefahr wäre, dessen Nähe er also entschieden zu meiden habe, wollte er nicht zum zweitenmal den Zorn des Brahmanen-Löwen wecken, was einem armen, lendenlahmen Pandit-Kameel teuer zu stehen kommen könnte.

So strengte er denn verzweifelt seine Erfindungskraft an, um durch irgendeinen Ausblick nach einem verlockenden Weideplatz den Bullen der Sanskritwissenschaft von weiterem Vordringen in dieser gefährlichen Richtung abzulenken.

– Aber zuerst, Verehrungswürdigster! – wollen wir vielleicht lieber eine sehr schwer zu deutende Inschrift –

– Nein, nein – das Grabmal über Bakus Tochter Amara, sagt Ihr? – das wollen wir uns sofort ansehen.

Und der Professor zog den vergebens widerstrebenden Panditen unwiderstehlich mit – – –

Amanda und Edmund wandten sich nicht den Kommenden entgegen.

Ihre Blicke folgten Kala Rama, der jetzt gerade in die jenseitige Lichtzone des Parkes hinaustrat, wo seine Gestalt, die sich im Schatten des Orangenhaines hell abgehoben hatte, sich alsbald in Glanz aufzulösen schien – wie ein weißer Vogel, der in sonnenleuchtendem Gewölk entschwindet – – –

– ein höchster Wandervogel.

Bemerkungen und Anmerkungen

Die Sage vom Schlangenstein ist ebenso frei von mir erfunden wie die moderne Erzählung. Nicht, weil ich mich darauf versteifte, daß alles aus meiner eigenen Phantasie herkommen solle. Im Gegenteil: ich las noch einmal das ganze Jatakawerk daraufhin durch, ob nicht doch für den altertümlichen Teil meiner »Weltwandererdichtung« etwas zu finden wäre, aber vergeblich. Nachdem ich zu diesem negativen Resultat gekommen war, ging ich abends mißmutig in die Oper, um mich zu erholen. Als ich nach Hause kam, erfand ich die Geschichte vom Schlangenstein. Etwa sechs Jahr später teilte ich einem englischen Freunde die nunmehr längst ausgearbeitete altertümliche Schlangensteingeschichte mit. Er gab mir dann einen orientalischen Märchenroman von George Meredith » The shaving of Shapgat« zu lesen; hierin fand ich nun, zu meinem nicht geringen Erstaunen, eine große, in einem See wohnende Schlange, die einen Diamanten an der Stirn trägt, einen Helden, der diese Schlange tötet, den Stein aus ihrem Kopfe herausnimmt und ihn seiner Geliebten schenkt, die ihn dann an ihrem Stirnband befestigt trägt – wo die Ähnlichkeiten aufhörten. Das Buch trug die Jahreszahl 1903 – war aber eine » revised edition«, so daß Merediths Erzählung möglicherweise vor der meinen geschrieben ist, jedenfalls habe ich sie erst vor einem Jahre kennen gelernt, als »Der Schlangenstein« – wenn auch nicht die berühmten Horazischen neun Jahre, so doch den weitaus größeren Teil derselben in meiner Schublade gelegen hatte.

Was meinen Helden betrifft, wird jeder Kenner der betreffenden Periode in der englischen Literatur sofort sehen, an wen ich gedacht habe, oder vielmehr, wen ich zum Modell genommen habe. Die »poetischen Freiheiten«, die ich mir dem Betreffenden gegenüber herausgenommen habe, sind allerdings sehr groß. Jedenfalls ist aber der Charakter gewahrt und der berühmte Verfasser der » Records of Shelley, Byron and the autor« kommt besser weg bei mir als in dem Byronschen Roman » The castaway« von Hallie Rives, wo er in einer scheußlichen Karikatur figuriert.

Fünftes Kapitel. Zu dieser Schrift in verschlossenen Briefen verweise ich auf A. P. Sinnet: » The occult world« pass., besonders aber auf folgende Stellen: »In zwei oder drei Fällen habe ich kurze Mitteilungen von Koot Hoomi quer über die leeren Teile von Briefen von anderen Personen geschrieben gefunden, die durch die Post zu mir kamen, wobei die Schreibenden keine Kenntnis von diesen Hinzufügungen hatten ... Mr. Hume ... erhielt eine Mitteilung von Koot Hoomi in einem Brief, den er durch die Post bekam, und zwar von einer Person, die in gar keiner Verbindung mit unseren okkulten Bestrebungen stand und ihm gelegentlich eines Munizipal-Geschäftes schrieb.« – (Angef. Werk p. 97 S. 120.) – Die Ehrenhaftigkeit und subjektive Glaubwürdigkeit Sinnets, eines hohen englischen Beamten, die auch von denen nie bestritten worden, die seine okkulten Erlebnisse verwerfen – freilich ohne eine andere und rationellere Erklärung von ihnen geben zu können. Übrigens soll mit dieser Hinweisung ebensowenig eine Überzeugung von der Realität solcher Vorgänge wie das Entgegengesetzte ausgesprochen sein. Sie ist lediglich für Leser bestimmt, die von solchen Sachen nie gehört haben, und soll nur, ihnen gegenüber, als Beleg dienen, daß es sich hier nicht um willkürlich ersonnene Dichterphantasien handelt. Das hier Gesagte gilt auch vom achten Kapitel des zweiten Buches (»Der große Bruder«).

S. 57. Cankara. Indischer Gelehrter und Reformator (geb. 788 n. Chr.). In seinem weitschweifigen Kommentar zu den Brahma-Sutras errichtete er ein theologisch-philosophisches Lehrgebäude, das für alle indische Philosophie orthodoxer Richtung maßgebend wurde. Da er die heilige Schrift (den Veda) als unfehlbare Autorität anerkannte, mußte er die Widersprüche derselben dadurch aufheben, daß er eine exoterische Lehre für die Menge und eine esoterische für die Weisen annahm; nur auf dem ersteren Standpunkt kann, durch Akkomodation, von Welt, Gott und Seele die Rede sein; während seine eigene Philosophie in einem abstrakten Monismus und schroffen aber auch leeren Idealismus gipfelt, für den es nur ein Absolutum (Brahman-Atman)gibt, während alle empirische Realität für Illusion erklärt wird.

S. 58. Die sieben Prinzipien. Hauptlehre der Theosophisten. Sie sind: 1) Körper, 2) Lebenskraft, 3) Astralkörper, 4) Tierseele (Manas, Vernunft), 6) Geistseele (Buddhi: die höchsten, nicht bei allen entwickelten geistigen Kräfte), 7) Geist (Atma, das höchste göttliche Selbst). – Daß ich im Jahre 1834 von diesen Prinzipien reden lasse, kann man allerdings als einen bösen Anachronismus bezeichnen. Ebenso, daß ich zu dieser Zeit eine theosophische Gesellschaft in Kalkutta bestehen lasse. – Indessen, die Theosophen behaupten alle, daß ihre Lehre alt, sogar uralt sei, und schließlich, wer wird mir beweisen, daß es zu der Zelt keine solche geheime (sehr geheime!) Gesellschaft gegeben habe?

Sechstes Kapitel. Einige Einzelheiten (z. B. die Spitzaxt) nach Richard Garbe: »Beiträge zur indischen Kulturgeschichte«. G. hat Einsicht in ein wichtiges Quellenwert gehabt.

Zweites Buch. Erstes Kapitel. Wenn es jemand übertrieben finden sollte, daß Edmund für den wiedergeborenen Râm gehalten wird, erinnere ich daran, daß es dem unsterblichen Helden des Sepoyaufstandjahres General John Nicholson, ebenso gegangen ist. Als Kommissar (faktisch Regent) im westlichen Pendschab, imponierte er den Eingeborenen dermaßen, daß eine Sekte sich bildete, die ihn für einen Gott erklärte, und zwar, wenn ich mich recht besinne, für Râm. Nicholson war ein ebenso frommer wie strenger Herr. Er übergab seine Anbeter dem Profoß zur Prügelstrafe. Sie beteten ihn nur um so mehr an. Als er gefallen war, indem er Delhi eroberte, versammelte sich die Nichalsainsekte zum letztenmal; das Oberhaupt der Sekte erklärte, man könne nicht mehr in der Welt leben, in der es keinen göttlichen Nichalsain gibt, und durchbohrte sich auf der Stelle mit seinem Schwerte.

Zweites Kapitel. Die Piratenepisode ist in ihren die Personen nicht angehenden Hauptzügen einem gleichzeitigen Reisewerk entnommen: » First Impressions and studies from nature in Hindostan, by Thomas Bacon, Lieut. of the Bengal horse artillery. Lonodon 1837.«

S. 228. Fifteen men usw. –

Bei der Benutzung dieser Verse ging ich von der Voraussetzung aus, daß Stevenson (in » The treasure island«) sie nicht selbst erfunden, sondern aus einer alten Buccanier-Ballade genommen habe. Ein englischer Freund hatte mir versprochen, mir eine Sammlung von Buccaneer ballads zu verschaffen, hat aber nicht Wort gehalten, und so mußte ich diese nehmen.

Der Satibericht des Obersten, der, wenn er frei erfunden wäre, wertlos sein würde, ist fast wortgetreu einem anderen gleichzeitigen Werke entnommen: Cutch, or Random Sketches taken during a residence on one of the Northern Provinces of Western India, by Mrs. Postans.

Zehntes Kapitel. Die Chorstrophen der Nonnen lehnen sich an die Strophen 894–74 in Theragatha an (» Die Lieder der Mönche und Nonnen Gotamo Buddhos« übersetzt von Karl Eugen Neumann).

Schlußkapitel, Milaraspa. Mi-la-ras-pa (oder einfach Mi-la) war ein wandernder buddhistischer Mönch, der ganz Tibet durchstreifte, Wunder verrichtete, Andersgläubige bekehrte und das Volk durch seine Improvisationen erbaute (geb. 1038). Die Verse sind vom Missionar Häschke übersetzt (von mir nur an ein paar Stellen ein wenig geändert) und angeführt in Albert Grünwedels »Mythologie des Buddhismus«, der ich auch diese Notiz entnehme.


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