Karl Gjellerup
Die Weltwanderer
Karl Gjellerup

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Dreizehntes Kapitel

Der siegreich hervorgegangene Garuda

Und noch einmal war es wie das langsame Blinzeln eines ungeheuren Auges – das Blinzeln des Weltauges.

Edmund sah wieder die Kobra, die sich langsam vor ihm wiegte, und den kauernden Schlangenzähmer daneben und hörte die einförmigen Töne seiner primitiven Pfeife – und sah und hörte es dennoch nicht; denn vom Zentrum seines Gemütes bis zum Rande seines Bewußtseins war er von dem einzigen Gefühl-Gedanken »Amara-Amanda« erfüllt. Wo war sie jetzt, seine Amanda? hier im Park irgendwo, von Gefahr umgeben, die er selber in seiner Blindheit heraufbeschworen hatte?

Was war ihm jetzt diese ganze Palastrevolution? Dieser Kampf um ein indisches Rajatum? Was dem Erwachsenen die papierne Krone ist, nach der der Knabe haschte. Nur dies war ja Realität: jene unausschöpfliche, unwandelbare Liebe, die er einst in seinem früheren Dasein besessen und zu spät erkannt hatte, um erst mit dem letzten Atemhauch ihre Süßigkeit zu kosten – die er auch in diesem Leben besessen hatte, ohne ihrer zu achten, erst jetzt – zu spät – sie entdeckend, und noch einmal vielleicht, nur um ihren Verlust zu erleben.

Könnte nicht durch einen dieser unvorhergesehenen Irrtümer, die bei solchen gewagten Unternehmen immer auf der Lauer liegen, in diesem selben Augenblick die Revolte ausbrechen? und würde dann nicht eine blinde Fatalität es so fügen, daß Amanda gerade mitten in das Gemetzel hineingeriete, oder daß eine verirrte Kugel ihre Brust durchbohrte? Wo aber könnte das geschehen? Aller Wahrscheinlichkeit nach dort oben auf der Gandharven-Terrasse, am Pfauenpavillon; und dort durfte er ja nicht hinaufstürmen – sein Erscheinen wäre ja gerade das unfehlbare Signal für das Feuerwerk und damit für die Sprengung der ganzen Mine!

Er mußte sie schützen – und er durfte sie dort nicht aufsuchen, wo sie sich unzweifelhaft befand. – So stand er von Höllenqualen zerrissen, untätig und verzweifelt da. Nein – er sah weder die Kobra noch den Schlangenzähmer, aber etwas anderes wurde er jetzt plötzlich gewahr.

Wenige Schritte von ihm entfernt stand Garuda.

Ja, da stand Amandas Liebling, ebenso sehr wie er selbst von streitigen Gefühlen zerrissen. Der Kampf zwischen Pflicht und Neigung, der schon in dem Tempelchen der Ruhestätte bei dem Anblick des Korbes unter dem Arm des Schlangenzähmers und bei dem Geruch der verborgenen Kobra Garudas Seele zum Schauplatz seines Wütens gemacht hatte, war jetzt, tausendfältig verschärft, erneuert worden durch den Anblick der Schlange selbst, der größten Kobra, die Garuda je gesehen hatte – in der Tat ein würdiger Gegner, der dort, spiralförmig aufgerichtet, mit geblähter Haube und glänzenden Giftfangen sich wenige Schritte von ihm wiegte, gar zu verzaubert durch die Flötentöne, um die Gegenwart ihres Todfeindes zu ahnen.

So stand denn das Tierchen da, jedes Haar und jedes Härchen gesträubt, als ob es nun sofort explodieren müsse, um bei dem Zerplatzen seine beiden hervorspringenden Augen als zwei rotglühende Projektile in den verhaßten Kobraleib hineinzuschießen.

Bei diesem Anblick leuchtete für Edmund ein Hoffnungsstrahl auf: – Ihr getreues Tier war da – durfte er nicht schließen, daß sie selbst nicht weit entfernt sei? Aber wo? in welcher Richtung sie suchen? Auch das würde ihm Garuda zeigen, wenn er erst aus seinem Banne herauskäme.

Edmund machte eine ungeduldige, abwinkende Handbewegung. Augenblicklich setzte der Schlangenzähmer die Flöte ab und stieß einen rauhen Kehllaut aus. Die Kobra sank in sich zusammen und glitt nach dem Korb hin, wo ihr Kopf mit der geblähten Haube sofort unter den Blättern verschwand.

Ein elektrischer Stoß durchzuckte Garuda. Noch ringelte der halbe Schlangenleib sich draußen – jetzt oder nie! Ein Schrei der Verzweiflung entrang sich dem Zaun seiner winzigen, spitzen Zähne, aber die Pfötchen blieben standhaft in die Erde festgekrallt. Nun war nur noch die Schwanzspitze sichtbar – nun klappte der Korbdeckel zu. Die Versuchung war vorüber.

»Siegreich hervorgegangen«, war das Lob, das Garuda gebührte. Und er wußte es.

Nun entdeckte er auch mit freudigem Piepsen, daß ein guter Bekannter als Zeuge seiner Selbstüberwindungstat sich ganz in seiner Nähe befände, und vergnügt hüpfte er auf Edmund zu.

Dieser ergriff das Tierchen, drückte es zärtlich an seine Brust, als ob es ein Liebespfand wäre, und setzte es dann behutsam auf den Boden nieder, um sofort seine Hoffnung erfüllt zu sehen. Denn Garuda schlug mit großer Entschiedenheit eine bestimmte Richtung ein.

Diese führte bald in einen dunklen Baumgang hinein, an dessen Ende Edmund, der fast laufen mußte, um seinem eifrigen Führer zu folgen, ein hellerleuchtetes Tempelchen gewahrte. Und seine frohe Ahnung bestätigte sich, als er nahe genug kam, um zwischen den Säulen, im Glanze der herabhängenden Lampen, die ersehnte Gestalt zu erkennen.

*

Amanda hielt in den zitternden Händen die letzten Blätter von Kala Ramas Manuskript und las mit brennenden Augen: – – –

Aber mitten aus diesem Wirrsal von Schreckensrufen und Angstgeschrei ertönte wie eine Kriegsdrommete die Stimme Mahimsasas, dessen hohe Gestalt wie ein Turm im Wogenschwall emporragte:

– Zu mir, wer treu zum Fürsten steht! Besetzt den Ausgang! Fackeln her! Ergreift den Gaukler!

In einem Augenblick hatten die meisten Männer sich um ihn versammelt. Das Schwert gezogen – das auch beim Fest den Krieger nicht verläßt – nahmen sie seine Befehle entgegen; die nächsten schlossen einen Kreis um den Fürsten; einige eilten nach der Stupa, andere in die Halle hinein, deren Vorhänge zurückgezogen wurden, so daß wieder Licht über den Vorplatz strömte. Auch erschienen schon Diener mit Fackeln.

Der Lichtschein beleuchtete Ajatasattu, der die leblose Gestalt Amaras in seinen Armen hielt und bald das Gift aus der Bißwunde am Halse auszusaugen versuchte, bald mit gestammelten Worten sie seine Geliebte nannte, sie beschwor, ihm nicht zu sterben, er sauge ja das Gift aus, und möge er selber daran sterben, wenn sie nur lebte! – Ja – stirb, Verräter! rief die hinter ihm stehende Mahamaya. Blitzschnell entriß sie einem Hofmann den Dolch und stieß ihn mit aller Macht dem Prinzen in den Nacken.

Ohne einen Laut von sich zu geben, stürzte er mit Amara zu Boden.

– Mahamaya, was tust du? rief der entsetzte Fürst Narada. Aber die Fürstin war auch schon besinnungslos in die Arme der Nächststehenden gesunken.

Da erklang leise, wie aus der anderen Welt herübertönend, die Stimme Amaras, den Namen Ajatasattus rufend.

Der Prinz richtete sich ein wenig auf, sich auf die rechte Hand stützend, so daß er sich über ihr Gesicht beugen konnte:

– Hört ihr! Mit meinem Namen auf ihren heiligen Lippen – für mich geopfert – selbstgeopfert! Sieh, Amara, ich folge dir... dir? – ich?... Wo bist du? Fern – entflohen –

Und mit der linken Hand wie abwehrend um sich schlagend, rief er:

– Hinweg Fratzen – Teufelskrallen – hinweg! Brahmanen-Priester, wo sind jetzt deine Götter? Hilf mir!

Als er aber anstatt des Priesters Isidasi gewahr wurde, die über ihm und Amara stand, keuchte er, sie mit weitaufgerissenen Augen anstarrend:

– Ja, Nonne! sag du es wieder: Niemand ist da, um mir zu helfen. Die mir helfen könnte, habe ich ja selbst getötet – sie entschwand in Himmelssphären – mich zerren die Höllenwächter in die Tiefen.

Da schlug Amara die Augen auf, deren himmlischer Glanz das dämonische Lichtzucken des Steines an ihrer Stirn zu überstrahlen schien, und mit einer letzten Anstrengung ihren Arm um seinen Nacken schlingend, hauchte sie die Worte aus:

– Geliebter, fürchte nicht – ich bin bei dir – mich dürfen die Dämonen nicht anrühren.

– Amara!

– Ich verlasse dich nie!

– Nie? Seine Stimme brach wie sein Auge, und er sank auf ihren entseelten Leichnam nieder.

– Amara, Kind! – schluchzte der unglückliche Vater, an ihrer Seite niederknieend.

Narada aber verhüllte sein Gesicht und murmelte:

– Mein Bruder und mein Weib –!

In diesem Augenblick schleppten einige Krieger Bharadvaja, den Hauspriester, aus der Halle heraus; und Mahimsasa, dessen Herz vielleicht im Stillen tiefer blutete als das seines Bruders, das sich sichtbar durch die Augen ergoß, trat mit beherrschter Ruhe, ja in strenger Diensthaltung vor den Fürsten hin.

– Mein Fürst, die Herrscherpflicht gebeut der Trauer. Ein tief geplanter Anschlag hat sich vor unseren Augen bloßgelegt, durch den Opfermut dieses frömmsten Wesens noch vor dem Hafen scheiternd. Wir wissen nicht, ob die Gefahr vorüber ist. Hier aber bringen sie den Hauptpriester des Prinzen gefangen, den wir heute früh in geheuchelter Entrüstung seinen Dienst kündigen hörten. Gewiß weiß er um alles.

Zitternd warf sich Bharadvasa dem Fürsten zu Füßen.

– Gebrochenen Herzens meines bitteren Amtes waltend, will ich milde aber gerecht richten, sagte Narada, denn gegen alle Ordnung menschlicher und göttlicher Natur ward ja hier gefrevelt. Dies sehe ich schon, wenn ich sonst auch in Rätseln tappe.

– Mir klärten sich die Rätsel auf, sprach Isidasi, – denn wisse, Fürst, daß ein Eid die Lippen dieses frommen Mädchens verschlossen hat, und nur so wußte sie das schreckliche Verbrechen des Geliebten zu hindern, daß sie den Blitz auf ihre reine Jungfrauenstirne hinleitete und so sich für ihn opferte. Das war ein Wahn, denn sein Verbrechen blieb. Doch eine solche Liebe wahrlich ist kein Wahn. Sie zeugt Früchte, die, der Zeit enthoben, ewiger Wahnlosigkeit entgegenreifen.

– Und auch für meinen armen Bruder, sagte der Fürst, werden die Früchte ihrer Tat reifen, denn eine Liebe wie die ihre irrt sich nicht. Sie sah, was im Grunde seines Wesens uns verborgen blieb: den Keim des Guten, der, gewaltsam durch sie geweckt, im letzten Augenblick die rauhe Hülle durchbrach und dem Licht entgegensproß. Die der Tod jetzt so innig vereint hat, tragt sie nun fort, daß sie als Ehegatten auf dem Scheiterhaufen beisammen ruhen, und eine Urne sammle ihre Asche!

Und mit einer segnenden Handbewegung über die jetzt mit einem Mantel verhüllten Leichname sprach er:

– Frieden mit euch!

Aber mit einer sanften, warnenden Gebärde entgegnete ihm Isidasi:

– Nicht Frieden, König! nein –: Kampf – neuer Kampf, denn nur der Kämpfer siegt.

*

Amanda war aufgesprungen. Die letzten Worte las sie laut in großer Erregung.

Ja, sie waren zu neuem Kampf erwacht – sie beide waren es. Aber wie sollten sie Sieger werden? Wie wenig hatte sie selbst getan! und was blieb ihr denn noch übrig zu tun? »O, wie glücklich war doch Amara, die hier ruht!« Amara? Aber das war sie ja selbst – nur ihr eigenes abgelegtes Kleid war es, dessen Reste hier aufbewahrt wurden. – Und er? – Ahnte er denn gar nichts? Wie tief war er doch in die Täuschung eingetaucht! Wollte denn niemand ihn aufklären, wie man sie aufgeklärt hatte? Wo war er? Welche Gefahren umgaben ihn jetzt? Wenn sie doch wenigstens zu ihm könnte – – – –

– Amanda – Amara!

*

Sie war in seinen Armen – in dieser Umarmung, die sie einst – noch bevor sie ihn gesehen – in der Sturzwelle festgehalten und sie dem atlantischen Meer entrissen hatte, und die sie jetzt in einer noch grausigeren »See von Plagen« festhielt und sie nie mehr lassen würde! »Amanda – Amara! Meine Amanda – meine Amara!« Was bedurfte es mehr als dieses Doppelnamens, mit dieser vor Erregung tonlosen Stimme, hervorgestammelt mitten zwischen Küssen und Seufzern und halb schluchzenden, halb jauchzenden Ausrufen? Welche Erklärungen, welche Versicherungen, welche Fragen und Antworten hätten hier noch etwas sagen können? So wußte er denn alles, verstand alles, war völlig erwacht – aus dem Rausche dumpfer Sinneslust, aus den wüsten Fieberphantasien abenteuerlicher Machtgier zur Liebe erwacht! Wie er so rätselhaft plötzlich zur Einsicht gekommen sei, wer ihm den Schleier von den Augen gezogen habe – das waren Fragen, die sich später regen mochten. Jetzt gab es keine Frage, nur selige Gewißheit.

Gefahr? Ob Gefahr drohte? Ihm? Ihr? ihnen beiden? Wer dachte an Gefahr, nun sie beieinander waren, in einer nicht endenwollenden Umarmung? Woher Gefahren, die ja der Welt angehören? Wie konnten Gefahren hierherdringen in dieses weltfremde Asyl? in den Zauberlichtkreis, der das Dunkel ihrer eigenen Vorzeitliebe umstrahlte, eingehegt, wie er war, von dem Schattengürtel des duftenden Orangenhains – und draußen wiederum der stilleuchtende, schweigende Palastgarten?

Es schien, als müsse das alles in aller Ewigkeit so bleiben.

Aber schon war die Störung da: zwei Gesichter, die aus dem Dunkel des Baumschattens in diesen geweihten Lichtkreis hereintauchten, kaum erkannt von den beiden, aus ihrem Seligkeitstraum durch eine rauhe Stimme Herausgerissenen.

– Sahib! Sahib! – kommt! – Es ist jetzt keine Zelt – – –

Zwischen dem eisengrauen Haar und dem reifgrauen Bart glühte das Gesicht des Brahmanenlöwen vor Entrüstung. Selber ein Priester Krishnas und von seinen Schmeichlern als der »Ansa« verehrt, als der fleischgewordene Teil einer Gottheit, die, ungleich dem barschen Ọiva, der Fleischeslust hold war, selber den Frauen ergeben – ging ihm dies doch zu weit: er begriff nicht diesen Fremden, der sich von den Reizen eines Mädchens zur Selbstvergessenheit hinreißen ließ, in dem entscheidenden Augenblick, wo es sich für ihn darum handelte, die höchste Macht zu ergreifen: »Welch' schwacher Mann! mit ihm werden wir leichtes Spiel haben.« Diese Betrachtung diente dazu, seinen Zorn etwas zu entwaffnen. Was seinen Begleiter Chandra Singh anging, so knisterte sein Tigerbart vor eitel Behagen, das durch diesen unerwarteten Anblick unvermischt in ihm emporstieg: Wenn er dies der Rani meldete, dann brauchte es keiner scharfen Waffen. Wozu wüchsen denn alle die schönen einheimischen Giftpflanzen ringsum, wenn nicht für einen solchen Fall?

So legte er denn seine Hand beschwichtigend auf den Arm des Brahmanen, und dieser ließ seinen Ausbruch: »Es ist wahrlich jetzt nicht Zeit für solche Liebeleien« in die dringende Aufforderung untertauchen: der Sahib möge unzögerlich mit ihnen kommen, es sei schon die höchste Zeit, der Fürst warte auf den Sahib und andere warteten auch.

– Mögen sie bis zum jüngsten Tag warten, rief Edmund, ohne Rücksicht darauf, daß seine indischen Verbündeten von diesem Tag wohl nie etwas gehört hatten.

– Warten? Fürsten warten nicht, auch nicht die angehenden. Ihr selber könnt nicht mehr warten, Sahib, oder Ihr werdet nimmermehr Fürst.

– Versteht ihr denn nicht? Schert euch zum Teufel! rief Edmund. Ich will mit euch nichts zu tun haben, ich sage mich von euch los.

Der Oberpriester hob die Hand zum Himmel. Lag es jetzt nicht am Tage, daß Kama diesen Fremden verrückt gemacht hatte. Ohne sich zu bedenken, schritt er die wenigen niedrigen Stufen hinauf und erfaßte Edmund am Arm, um ihn aufzurütteln:

– Kommt zu Euch selbst, Sahib! Ihr redet wirres Zeug. Aber der Sahib schüttelte den Ansa der Gottheit so kräftig von sich ab, daß allerhöchst derselbe alsbald unten in den Armen des Rasputen lag.

– Was heißt das: Euch von uns lossagen? rief dieser.

– Lossagen – von Euch, der mich noch gestern ermorden wollte. – Freilich, das wäre schlecht von mir, fast ein Verrat!

Diese Beschuldigung schloß dem Rasputen den bärtigen Mund. Aber der Brahmanen-Löwe brüllte:

– Es wäre Verrat, wenn es nicht mehr Verrücktheit wäre. Ihr seid zu weit gegangen, Sahib, ihr müßt vorwärts mit uns, es gilt die Krone oder den Kopf.

– Da irrt ihr Euch, Priester, rief Amanda, dreist hervortretend, es gilt nichts mehr – Euer Spiel war schon verloren. Kala Rama hat schon vor einer Stunde alles gewußt. – O, nicht er, ich habe es dem Minister gesagt, ich habe alles entdeckt, auch Euren Mordanschlag, Chandra Singh! Darum flieht, rettet Euch, während es noch Zeit ist!

Dies war dem Mann-Tiger zu viel – von einem Mädchen entdeckt, von dieser weißhäutigen Mem überlistet!

Ein Wutgebrüll, und sein Schwert flammte.

Aber Amanda war schon von Edmund zurückgezogen worden, der sich zu ihrem Schutz dazwischen warf. Das Krummschwert des Rajputen glitt an etwas Metallenem in seiner Hand ab, schnitt den Ärmel des Kaftans an der Schulter durch, sauste gegen die Kuppel der Stupa und zerbrach in einem Steinritz.

Chandra Singh sprang zurück. Ein Dolch blitzte in seiner Rechten – aber schon starrte ihm auch das hohle Augenpaar einer doppelläufigen Pistole in Edmunds Hand drohend entgegen.

– Râm – Rajputana – Râm!

– Zu mir, Getreue des Raja!

Nur der erste Ruf fand einen Widerhall. Laufende Schritte raschelten im Laub, einige dunkle, von kleinen grünen Turbanen gekrönte Gesichter, – Pertabs behelmte Schakalfratze zuvörderst – starrten mit geblendeten Augen in das Lampenlicht herein. Ein paar Worte des Brahmanen machten den Neuangekommenen die Sachlage klar. Ein blutdürstiges Knurren – dann ein wütendes Gebrüll » mar, mar!« (tötet, tötet), ein halbes Dutzend Scimitars blinkten, zögerten aber noch vor der Pistole, die den Eingang zwischen den Säulen beherrschte. Der Sahib hatte zwar gestern den schwarzen Panther nicht geschossen, aber er war ein guter Schütze, zumal mit der Pistole, – das wußten sie.

Auch er wußte es. Er hatte nicht vergebens tagtäglich in Pisa mit Shelley und Byron um die Wette geschossen. Zwei Menschenleben waren in seiner Hand: Chandra Singh und Pertab sollten daran glauben. Dann müsse es sich zeigen, wieviel Schädel er mit der Pistole einschlagen könne. Wäre er allein, er würde sich schon durchschlagen; so aber, zu zweien ginge das nicht. Er könne sie nur mit seinem Leibe decken und hoffen – Und mit Aufgebot aller Stimmittel rief er noch einmal:

– Hierher, Getreue des Raja! Nochmals keine Antwort.

Mar, mar!

Also den Rajputen zuerst.

Sein Finger drückte schon den Drücker – –

– Die Waffen nieder! rief eine wohlbekannte, gebieterische Stimme aus nächster Nähe.

Kala Rama stand am Eingang des Tempelchens zwischen den beiden Parteien.


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