Karl Gjellerup
Die Weltwanderer
Karl Gjellerup

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Zwölftes Kapitel

Der Schlangenstein. Viertes Hauptstück

Ajatasattu richtete sich auf und nickte Chranquinchru zu, der die Pfeife absetzte und ihm mit seinen weißen Wolfszähnen zulachte.

– Gut, Schwarzer! ich denke, wir werden unsere Sache hübsch machen. Also halte dich bereit, und – kaltes Blut, daß du keinen Verdacht erregst!

Das zähnefletschende, grinsende Gesicht fiel augenblicklich in jenes ausdruckslose, blöde Stieren zurück, mit welchem er zuerst dem Prinzen begegnet war.

Ajatasattu lachte.

– Das ist die Maske – halte sie fest! – bedenke, es hängt von dir ab, ob du den Schlangenstein gewinnst. –

Schnell verließ er das kleine Zimmer und eilte in den Festsaal zurück, wo die Bajaderen noch immer mit lebhaften Reihentänzen die Gäste unterhielten.

Ein Blick genügte, um ihm zu zeigen, daß Mahimsasa sich noch nicht eingefunden hatte, und eine prickelnde Unruhe bemächtigte sich seiner.

Wie, wenn irgendein nichtiger Zufall den Feldherrn von seinem Feste fernhielte und so seinen ganzen feingesponnenen Plan vereitelte?

Ein Zufall? Nein – –

Wie, wenn Amara dennoch – – –?

Ein Frösteln überlief ihn, und es litt ihn nicht mehr in dem erleuchteten Festsaal, wo hundert Augen auf ihm ruhten. Schnell entschlossen trat er hinter den Sitz des Fürstenpaares und beugte sich lächelnd vor:

– Es ist jetzt recht drückend heiß hier im Saale geworden, sagte er, man spürt das sehr, wenn man von draußen kommt. Aber draußen auf dem Vorplatz wird es frisch sein, und ich habe die Diener dort Sitzplätze aufstellen lassen. Nur muß ich mich zuerst überzeugen, daß sie alles richtig nach meinen Anordnungen gemacht haben. Bitte, wollet also den vielbeschäftigten Wirt entschuldigen!

Er trat auf die Stufen hinaus und wollte sich gerade nach rechts begeben, nach der Allee, durch die der Feldherr kommen mußte, als er zur Linken eine Gruppe von Dienern bemerkte, die offenbar in einem erregten Gespräch begriffen waren, das sofort unterbrochen wurde, als sie ihren Herrn gewahrten. Einer von den Dienern schien auf ihn zugehen zu wollen, während ein weißbärtiger Alter sich bemühte ihn zurückzuhalten.

Ajatasattu stieg die Stufen hinunter und näherte sich ihnen.

– Herr! rief der Diener und machte sich von dem Alten los. – Nun, was gibt's? fragte Ajatasattu. Hast du mir etwas zu melden?

Der Diener trat nahe an ihn heran und flüsterte:

– O Herr, der Garten ist voll von Bewaffneten. Ob es Räuber oder Feinde oder Dämonen sind, ich weiß es nicht, aber bewaffnete – – –

– Du lügst, Sklav!

Der Diener erhob beteuernd seine Hand:

– Nie sprach ich wahrer, Herr.

– Nie sprichst du mehr!

Ajatasattu riß einen Dolch aus seinem Gewande und stieß ihn dem Diener ins Herz.

Ohne einen Laut von sich zu geben, wankte der Unglückliche zurück und fiel in die Arme des bestürzten Greises, der herbeigeeilt war, um ihn aufzufangen. Starr vor Entsetzen standen die anderen Diener da.

Ajatasattu warf den blutigen Dolch weit von sich in das dunkle Gebüsch hinein und sprach zu ihnen mit kalter Ruhe:

– Der Mann sprach wirr. Sein Leib war von Dämonen besessen.

– Ja, ja – Dämonen – sagte ich es doch, murmelte der Alte, der sich vor Schreck kaum auf den Beinen hielt.

– Nun merkt Euch, wie es ihm erging, fügte Ajatasattu hinzu. – Seid blind und taub, stumm und gehorsam, jeder seinen Dienst besorgend und sich um anderes nicht kümmernd. Das ist der Weg des Dieners, um den Schutz der Götter zu erwerben. Fort!

Scheu und zitternd trugen die Diener den Leichnam davon.

Ajatasattu ging nach der Allee und spähte mit Aufgebot seiner ganzen Sehkraft die lange dunkle Perspektive hinab und lauschte angespannt, die Hand hinter dem Ohr haltend.

Nichts zu sehen – kein Laut zu hören.

Der Kopf sank tiefsinnend auf seine Brust.

Immer noch nicht – und wenn er gar nicht käme – wenn Amara ihn doch gewarnt hätte? Wenn sie den Eid gebrochen hätte?

Er schauderte.

– Dieser grausige Eid! O ich höre ihn noch immer wieder und wieder. – Mitten im Gelage, wenn ich heiter scherzend meine Gäste unterhielt, klang er mir aus ihrem Lachen heraus! Die Bajaderen tanzen jetzt im Takte dazu!

Und er hielt sich die Ohren zu.

– Ach, was nützt es mir, daß ich das Ohr zustopfe? ... im inneren Gehäuse seiner Muschel hallt es ja doch meeresgleich wieder, in öder, drohender Unendlichkeit: »Möge ich auf immer unerlöst der Wandelwelt des Lebens angehören!« – – –

Ach, Amara, mir bangt um dich, – wenn du diesem Fluch verfallen solltest! –

Von solchen Gedanken heimgesucht, hatte Ajatasattu nicht bemerkt, daß Isidasi sich von der anderen Seite genähert hatte und im Begriff, in die Halle hineinzugehen, wenige Schritte von ihm stehengeblieben war, um ihn aufmerksam zu betrachten.

– Was willst du, Späherin? rief er aufgeregt, als er nun aufsah und sie plötzlich gewahrte. Fort mit dir, in deine Klause!

– Nicht als ungeladener Gast komme ich zum Fest, lautete die Antwort der Nonne.

Ajatasattu besann sich.

– Ach, ich vergaß. Ehrwürdigste, ich habe dich ja selber eingeladen.

– Jetzt irrst du dich, entgegnete Isidasi, ein anderer lud mich ein.

Ajatasattu begriff wohl, daß diese kluge Nonne irgendeine Veränderung an ihm entdeckte und mit ihrem Rätselwort darauf hindeutete. Trotzig und unwirsch antwortete er:

– Du irrst dich, Nonne, ich bin noch derselbe.

– Derselbe – und doch gewiß ein anderer.

Ajatasattu lachte mutwillig:

– Das sind wir alle – wenigstens hörte ich Weise das sagen: »Gestalten wechselnd in der Wandelwelt sind wir dieselben und doch andere.«

– Nicht ein jeder merkt, wo neues Leben einsetzt, sagte Isidasi, du aber hast es jetzt im Schaudern gespürt.

Wieder lachte Ajatasattu, aber diesmal mit einem höhnischen, ja feindlichen Stimmklang: – – Du wähnst mich wohl bald mit geschorenem Kopf, im gelben Mönchsmantel, zu sehen?

– Ich wähne bald mit diesem Auge von Fleisch nimmermehr Ajatasattu zu sehen.

Unwillkürlich tieferschüttert durch diese Prophezeihung trat der Prinz einen Schritt zurück, ihren Blick scheuend; dann wandte er sich drohend gegen sie:

– O, das kann geschehen, wenn ich dich blenden lasse und so deinen schlimmen Wunsch zu deinem Schaden wende und deinem bösen Blick auf immer ein Ende mache.

Aber ruhig antwortete die Nonne:

– Du kannst mich zwar blenden lassen, aber nicht so, daß ich nicht deinen Weg erspähen kann bis in den tiefsten Höllenschlund hinunter, wohin kein »schlimmer Wunsch« dich bringt, nur deine eigene Tat, womit du niemand schadest als dir selber.

Dann wandte sie sich um und ging gemessenen Schrittes in seinen Palast hinein.

– »Und niemand kann mir helfen, als ich selbst,« murmelte Ajatasattu ihr nachblickend; »so sagte sie heute früh – und jetzt – jetzt ist es wahr! Denn es will mich bedünken, als hätte ich mir immer von Amaras reiner Lichtgestalt das Heil erhofft; – und wo ist nun diese Lichtgestalt? Frevelnd habe ich sie zu mir herunter gezerrt, habe sie zur Mitwisserin des Mordes und des Verrates gemacht – – Genossin nicht der Himmelsgeister – Genossin höllisch-feuriger Dämonen ...«

Und mit dumpfem Brüten fuhr er fort:

– Mir ist als wär' es mir besser, wenn sie den Eid verweigert hätte, und ich mit tiefer Todeswunde aufgebahrt läge!

Aber mit einer heftigen Bewegung schüttelte er diesen Gedanken ab. Mit schnellen, lautlosen Schritten ging er nach der dem Garten zugewendeten Ecke des Hauses und spähte in die Dunkelheit hinaus.

– Bharadvaja! rief er leise.

Eine weiße Gestalt trat hinter einem Baumstamme hervor.

– Nein, bleibe dort im Schatten! flüsterte Ajatasattu, an ihn herantretend. Hast du schon alle beisammen? – Ja, und noch viel neue dazu, die jetzt zu deiner Sache schwören, weil dieses schmähliche Opferverbot ihnen die Augen geöffnet hat.

– Gut, wo sind sie?

– Die meisten sind im Dickicht deines Gartens unten am See.

– Jawohl, antwortete Ajatasattu mit einem strengen und spöttischen Blick, und sehr schlecht versteckt. Einer meiner Sklaven hat sie bemerkt.

Bharadvaja machte eine unruhige Bewegung.

– Ich weiß es, ich weiß es, leider verfehlte mein Speer ihn.

– Doch nicht mein Dolch, sagte Ajatasattu.

Der Brahmane atmete auf.

– Ach, der wird uns also nicht verraten.

– Jetzt kaum mehr. Aber wo sind denn die anderen Freunde?

– In dem Vorhof des Krishna-Tempels.

– Suche dir sofort die besten Leute aus und führe sie hinter die Stupa. Dort – er zeigte nach dem beleuchteten Vorplatz mit den Sitzreihen – dort will ich jetzt die Gesellschaft versammeln. Gib nun wohl acht, wenn ich die Lampen auslöschen lasse. –

– Dann hervor! –

– Nein, nein, noch nicht. Dann aber naht die Zeit. Und wenn dann Mahimsasa –

– Man sagt mir, er sei noch nicht gekommen.

– Gleichviel, er kommt.

– Und wenn er doch nicht käme?

– Schweig! zischte Ajatasattu vor Wut aufstampfend, ich sage dir, er kommt. Wenn dann ein Zufall ihm den Tod bringt und großer Wirrwarr entsteht, dann stürzen unsere Leute hinter der Stupa hervor, bemächtigen sich der Person Naradas –

– Wie um ihn zu schützen.

– Nein, um ihn zu schützen, sage ich dir! Wenn einer der unsrigen, zu sehr durch Priesterfeuer erhitzt, die Hand gegen ihn erheben sollte – –! ich will keinen Brudermord, es ist so wie so genug.

– Doch auch die Tötung eines Bruders, sprach der Brahmane, wenn sie im Kampf für die Götter stattfindet, gilt ihnen gleich der Tötung eines Tieres vor dem Altar, als ein löblicher Opferdienst. – Weißt du das auch gewiß, Priester? forschte Ajatasattu.

– Gewisser, Prinz, als daß ich lebe, beteuerte Bharadvaja.

– Gut, daß du es weißt, antwortete Ajatasattu mit kaltem Hohn. Ich aber, ich weiß es nicht – weiß nicht, ob jemand droben im Himmel thront, mit Macht, mich freizusprechen, nicht ob in dem weiten Weltenraum ein Wesen wohnt, das mir helfen kann, wenn meine Taten gegen mich aufstehen – und darum sage ich dir: suche deine Leute aus, denn du haftest für ihn, und dein Blut verspritze ich am Altar, wenn er geblutet hat. Genug davon! Die anderen dringen durch die Halle vor, und du selber –

– Ich erscheine, feierlich von allen Krishna-Priestern umgeben, dort auf den Stufen und verkünde:

Den Götzendiener Mahimsasa habe der Zorn der Götter sichtbar getroffen, du aber seiest von ihnen zum Thron berufen, weil deine Tugenden –

Unwirsch unterbrach Ajatasattu ihn.

– Schon gut! Ist noch mehr da, was besprochen werden muß? Ich denke, nicht! –

– Nur für den Fall, daß dennoch Mahimsasa –

Schon wollte der Prinz mit einem neuen Wutausbruch seinem Priester den Mund stopfen, als dieser ihn am Arm ergriff –

– Was nun? flüsterte Ajatasattu zusammenschreckend.

Bharadvaja streckte die Hand nach der Ausmündung der Allee aus.

– Da kommt er. Die Götter seien gepriesen!

– Ich sagte dir ja, daß er kommen würde, murmelte der Prinz, sein eigenes Aufjauchzen unter mürrischem Wesen versteckend. – Ja, noch eins, fügte er hinzu: wenn du so weit bist, wenn alles fertig ist, dann schicke mir den Gaukler her, du weißt – den fremden Schlangenmann – und nun ans Werk!

Der Priester verschwand im Dunkel des Gartens.

Ajatasattu ging eilig dem Feldherrn entgegen, den er vor den Stufen mit ausgesuchtester Liebenswürdigkeit begrüßte.

– Willkommen warst du uns immer, doch der Vermißte ist doppelt willkommen, ehrwürdigster Mahimsasa; denn wie du mich hier antriffst, bin ich als Späher ausgeschickt. Man befürchtete, daß irgendein böser Zufall uns heute deiner Gegenwart berauben könne.

– Wenn ich recht spät komme, mein Prinz, antwortete Mahimsasa, dann geschieht es, weil ich bei diesem Feste nicht in einem dürftigen Anzug erscheinen wollte. Da der Fürst mich spät entlassen hatte, mußte ich erst selbst meine Kleinodienkammer durchsuchen.

– Ach, wozu eine solche Mühe, edler Feldherr? Ich denke doch, der Schlangenstein, der dich ja nie verläßt, genügt, um jeden Schmuck der anderen Gäste hundertfach zu überstrahlen.

– O, heute Abend nicht, gab Mahimsasa mit schmunzelndem Lächeln zur Antwort, denn er dachte daran, wie sehr ein anderer Gast ihn überstrahlen würde. – Es gab wahrlich zu suchen und in die Tiefe meiner Schatzkammer zu tauchen. Das hat mich in der Tat länger, als ich dachte, aufgehalten; ich bitte also, mich entschuldigen zu wollen.

– O nein, das tu ich keineswegs, lächelte der Prinz, wie könnte ich entschuldigen, wo nur zu danken ist? Denn es wäre ja ein wohlerworbenes Recht deines Alters, ein solches eitles Fest ganz zu verschmähen und abzulehnen; obwohl man wahrlich das Gewicht dieses Alters bei dir nicht spürt, sondern nur seine Würde. Es ist fürwahr wunderbar, dich noch immer so rüstig zu sehen, als ob du erst gestern den Stein aus jenem Schlangenkopf herausgehauen und ihn deinem Stirnband siegreich eingefügt hättest.

Und bei diesen Worten blickte er den Stein im Stirnband Mahimsasas scharf und prüfend an.

– Doch altern tu' auch ich, sprach der greise Feldherr, und mich reut es nicht, denn indem ich mich dem Grabe nähere, fühle ich immer deutlicher, wie nichtig alles ist, was die Zeit gezeugt hat, wie eitel Macht und Glanz, ja selbst Ehre und Ruhm ist ...

– Die du wahrlich in Fülle besitzest, unterbrach ihn der Prinz schmeichlerisch, und noch dazu rechtlich erworben. Wenn aber selbst du den Lebenshort so niedrig einschätzest, was dürfen wir anderen uns dann wohl erwarten?

– Ja, ja, sprach Mahimsasa, seine Hand auf die Schulter des Prinzen legend, wenn die Jugend nur wüßte, wie so manches, was sie von fern mit Silberglanz anlockt, nur eln Schaumball ist, der in der Hand zerstiebt; wie manches, was ihr goldig entgegenglänzt, nur eine Glutkohle ist, die ihr die Hand verbrennt: wahrlich gar manche eitle Tat, die niemand frommt, gar manche böse Tat, die vielen schadet, bliebe dann ungetan. Doch glaubt's die Jugend nimmer; sie neidet, wo zu bedauern ist, bedauert, was zu beneiden ist. So neidet sie dem Alter, weil es Macht besitzt, die sie sich erst erjagen muß; nicht wissend, daß die Jagd die Lust ist und die Beute selbst nichts; so dauert sie das Alter, weil der Tod ihm bald den Besitz raubt – und gerade das ist für den Wissenden der höchste Vorzug des Alters, denn er weiß: nicht lange mehr wird Nichtiges ihm lästig werden.

– Daß du den Tod nicht fürchtest, Mahimsasa, sagte Ajatasattu, wer wüßte das nicht längst in diesem Lande? denn das hast du ja in hundert Schlachten bewiesen. Doch wenn ich dich reden höre, da möchte ich fast glauben, daß der Tod, wenn er dir plötzlich entgegenträte, dir ein willkommener Gast wäre; – oder sage ich da zu viel?

– Ach, wäre ich nur würdig, ihn recht zu empfangen, antwortete der Feldherr, denn das ist das Ziel des Lebens, mein edler Prinz! Darum hat es mich denn auch herzlich gefreut, zu sehen, daß auch du dich der Wahrheit zugewandt hast. Und da wir nun Wirt und Gast sind, so hoffe ich, daß wir morgen die Rollen tauschen werden; denn die lieben Schwestern haben mir freundlichst zugesagt, daß sie morgen in meinem Hause das Mahl einnehmen werden. Wenn du mir nun die Ehre gönnst, dann wirst du auch der weisen Worte Isidasis genießen, die mich so oft erbaut haben.

– Ich werde gewiß nicht fehlen, Feldherr, antwortete der Prinz mit dankender Verbeugung. Freilich beehrt Isidasi auch mein Fest heute Abend, wenn auch nur schweigend. Was ich von Unterhaltung bieten kann, ist nur geringer Art: Gauklerpossen und Bajaderentänze. Doch diese sind jetzt schon vorüber, wie es scheint, denn die Töne schwelgen. Nun, wir wollen sehen ...

Er wollte den Feldherrn in die Halle führen, als gerade der Fürst und die Fürstin mit ihrem Gefolge von Hofleuten auf die Stufen heraustraten.

– Da ist ja Mahimsasa, rief Fürst Narada freudig.

– Ein trefflicher Wirt, das muß man sagen, scherzte Mahamaya. Wenn er auch scheinbar seine Gäste vernachlässigt, so tut er es doch nur, um neue einzufangen – und gleich den besten.

– Dann fehlt uns nur noch Baku, sagte der Fürst.

– O, er wird gleich kommen, meinte Mahimsasa – und er bringt auch eine Überraschung mit, fügte er mit schmunzelndem Lächeln hinzu.

– Mich würde er am meisten überraschen, wenn er nicht sich selbst mitbrächte, lachte die Fürstin, denn wo Wein und gutes Essen nicht fehlt, da bleibt der Künstler nimmer aus.

– Findet Ihr nicht jetzt, daß der Vorplatz kühl und zum Aufenthalt einladend ist? fragte Ajatasattu. Ich habe hier Sitzplätze anbringen lassen, wie Ihr seht, und wenn es Euch recht ist, wollen wir uns jetzt lieber im Freien vergnügen.

Der Fürst stimmte freudig zu; die Fürstin zeigte nach den Sitzplätzen und vermutete, daß auch hier ihnen ein Schauspiel geboten werden solle.

– Ach, nur eine Kleinigkeit, antwortete der Prinz – ein fremder Gaukler –

– Dessen Kunst wohl den Glanz des Saales scheut? fragte Mahamaya mit einem bedeutungsvollen Blick.

Diesen mit einem ähnlichen erwidernd, antwortete Ajatasattu:

– Es mag sein, daß ihm weniger Helligkeit lieb ist. –

Dann rief er den Dienern, Kissen und Teppiche herzutragen, und gab ihnen selbst Anweisungen, wie sie am besten anzubringen seien.

– Der Himmel ist dir günstig, Prinz, sagte der Feldherr, der gerade mit dem Fürsten gesprochen hatte. – Es ist eine Nacht, wie man sie sich für ein Fest nicht schöner wünschen kann.

– Ja, lieber Bruder, es wird wohl nichts aus dem Gewitter werden, das du uns heute früh vorausgesagt hast.

– Es scheint fast so, antwortete der Prinz, nach dem Sternenhimmel aufblickend.

– Jedoch, es scheint eben nur so, sagte Mahamaya. Ich rieche schon mit Freude Gewitterluft, denn nachher wird es ja um so frischer.

– In kurzer Zeit wird alles hier bereit sein. Unterdessen habe ich einige Erfrischungen im Brunnensaal auftragen lassen, wenn es Euch beliebt, wandte der Prinz sich an die Gäste.

Der Feldherr lachte.

– Nun ich muß gestehen, einem kühlen Trank wäre ich jetzt nicht abhold.

Er trat mit dem Fürsten und den Hofleuten wieder in den Palast hinein, während Mahamaya, die einige Schritte tat, wie um ihnen zu folgen, zwischen den Säulen stehen blieb und Ajatasattu nicht aus den Augen verlor. Dieser fühlte gar wohl, und zwar nicht zu seinem Behagen, wie dieser brennende Blick ihm folgte, während er eifrig den Dienern die letzten Anweisungen gab und dabei fortwährend an Mahimsasa denken mußte: –

»Es ist mir wahrlich lieb, daß dieser edle Greis den Tod nicht scheut, ja ihn vielmehr ersehnt – was habe ich mir dann vorzuwerfen? So schafft man sich selbst eben Skrupel aus nichts.«

Während er in solchen Gedanken dastand, war Mahamaya wieder die Stufen heruntergekommen. Sie warf ihren seidenen Überwurf zurück, und nur in einen durchsichtigen, goldgestickten Schleier gehüllt, Schultern, Brust und Hüften von Geschmeide blitzend, stand sie tief atmend vor ihm da.

– Mit allen Poren sehnt der Körper sich, die Frische der Nachtluft einzuatmen, seufzte sie. – Herrlich, herrlich! Kühl brechen die Edelsteine das Sternenlicht, und Labsal saugt mein Leib wie eine von Nachttau blinkende Blume. Gefällt dir der Gast so, mein edler Wirt? fragte sie, ganz an den Prinzen herantretend und ihn mit einem aufreizenden Blick ansehend.

– Mit Recht nennst du dich »das große Blendwerk«, antwortete Ajatasattu, denn, wahrlich, Blendung wirkend stehst du da vor mir! Du erscheinst mir wie diese Sinnenwelt in ihrer ganzen Pracht und Herrlichkeit.

– Doch nur ein »Blendwerk«?

– O, ich bin kein Heiliger, der die Wahrheit sucht, lachte der Prinz. Du ähnelst ja Urvasi, der Liebesgöttin, wie sie nach dem Fest sich nach Arjunas Wohnung begab, »die lichten Schleier ihre schönsten Reize mehr zeigend als verhüllend«, wie es im Mahabharatam heißt.

– Mit Urvasi vergleichst du mich, sagte die Fürstin in argwöhnischem Ton – mit Urvasi, wie sie zu Arjuna kam, ihm ihre Liebesgunst anbietend, um dann von ihm mit kalten Worten der Ehrerbietung schmählich abgetan zu werden? Also meinst du es wohl?

– Was denkst du? Wie du doch den Sinn meiner Worte verdrehst! rief Ajatasattu mit vorwurfsvollem Blick.

– Tu ich das in der Tat? Mit Urvasi, der Buhlerin, vergleichst du mich? Einmal, mein Freund, erschien ich dir einer anderen Göttin vergleichbar. Welcher?

– Kann ich wissen, welche du meinst? Ein Liebhaber plündert das ganze Weltall, um Gleichnisse zu finden.

– O, ich weiß es noch, als ob es gestern gewesen wäre, sagte Mahamaya. Und in einem weichen, fast träumerischen Ton fuhr sie fort: – Ich höre Wald und Strom rauschen, das Wasser seh ich dunkel fließen und in Silberwirbeln dahinziehen ... In schwarzer Luft über dem Felsenkamm strahlt der Vollmond. Wie ein kleines Boot schießt mein Lämpchen auf der dunklen Flut im Baumesschatten dahin. Wird es wohl den See erreichen? Jetzt hängt es in den blühenden Zweigen fest. Ich springe auf den Stein hinaus, um es mit meiner Gerte zu erreichen – da – o Wunder! – – eine glänzende Gestalt, wie ein göttliches Wesen steht vor mir, fängt mich in seinen Armen auf und er nennt mich seine Göttin, Lackshmi selber, die lotustragende Glückspenderin!

– Und warst du es nicht? flüsterte Ajatasattu, ihre Hand ergreifend – mir, der ich aus der Fremde zurückkehrte und in der Burg meiner Väter, in dem Weibe meines Bruders, das Wunder fand, das ich durch die weite Welt abenteuernd mir nie erträumt hatte! Warst du, bist du nicht mein Glück?

– Wer kennt sein Glück? murmelte Mahamaya, mit trübem Blick vor sich niederstarrend. – Weiß ich, ob nicht Amara das wahre Glück erkoren hat? Dann lachte sie bitter auf: – Doch ich vergaß, die Ärmste darf es ja nicht einmal. Und ihn mit einem durchbohrenden Blick ansehend, fügte sie hinzu: Ja, du weißt wohl, daß Amara nicht Nonne wird?

– Will sie nicht in den Orden eintreten? fragte Ajatasattu, und warum denn nicht?

– Weiß ich denn das? Eher sollte ich wohl dich fragen, entgegnete die Fürstin.

– Aber sie bat doch selbst so flehentlich, stammelte der Prinz.

– Jetzt will sie nicht, unterbrach ihn die Fürstin. Hast du sie etwa umgestimmt?

– Ich? Nein, so wahr mir die Götter –

– Schwöre nicht! warnte ihn Mahamaya. Du hast sie überredet, hier bei dem Feste anwesend zu sein. Du kannst sie wohl gar nicht mehr entbehren?

– Wie? Du bist von Sinnen, rief Ajatasattu, diesmal aufrichtig verwundert. Ich hätte sie überredet zu kommen? Wie fällt denn dir das ein? Sie ist ja gar nicht da.

– Sie kommt.

– Nein, nein ...

– Gewiß wird sie kommen. Das meinte ja auch ihr Oheim Mahimsasa, als er von einer Überraschung sprach, die Baku mitbringen würde. Freilich für dich ist es keine.

– Wie? Amara hätte er gemeint? Unmöglich!

– Und warum denn so unmöglich? fragte die Fürstin, deren Verdacht nun gerade durch die Entschiedenheit, womit der Prinz das Kommen Amaras in Abrede stellte, eine neue Richtung nahm. – Warum wäre denn das so unmöglich, daß sie hierher zum Fest käme? Wenn doch eine Nonne, die frömmste aller Schwestern, dein Fest beehrt, warum dann sie nicht, die doch nur für den gelben Mantel geschwärmt hat, um schließlich vor ihm zurückzuscheuen? Warum nicht sie?

– Nun, zu Putz und Lustbarkeit war sie doch wahrlich vorher nicht aufgelegt, antwortete der Prinz ausweichend.

Aber die Fürstin ergriff ihn am Arm und zeigte nach der Ausmündung der Allee hin.

– Es scheint doch so – da ist sie.

Wirklich trat in diesem Augenblick Baku herein, an seinem Arm Amara führend, die in reichstem Festschmuck erglänzte, aber so blaß war, wie die weiße Seide ihres Kleides.

– Ihr Götter! rief der Prinz zurücktaumelnd und seinen Augen kaum trauend.

– Was erschrickst du denn so? fragte die Fürstin. Du vergißt ja gar deine Pflicht als Wirt.

Mit keinem Gedanken war es Ajatasattu eingefallen, daß Amara es wagen würde, sich bei diesem Fest einzufinden, – daß er seine verräterische Mordtat unter ihren Augen würde vollziehen müssen.

Diese plötzliche Erscheinung, wie das geliebte Mädchen dort in ihrem blendenden Festschmuck vor ihm stand, gab ihm einen Stoß, der seinen Verstand fast lähmte und seinen Willen in eine Erstarrung bannte, aus der es ihm schwer gefallen wäre sich emporzuraffen, hätten nicht die spitzig spöttischen Worte der Fürstin, aus denen er einen verborgenen Argwohn gar wohl heraushörte, ihn gewaltsam aufgestachelt, so daß er nun mit Aufgebot aller seiner Geistesstärke sofort den ungezwungenen Anstand und den heiteren Ton des Wirtes fand, um diese letzten, aber – wie er versicherte – besonders willkommenen Gäste zu begrüßen. Würde doch durch die Abwesenheit des Meisters, der sein Haus errichtet hatte, diese Festlichkeit zur Weihe seiner Hallen eine mißlungene geworden sein – und obwohl der Bruder des Meisters, der edle Feldherr, sie auf eine Überraschung vorbereitet habe, sei es ihm doch nicht in den Sinn gekommen zu hoffen, daß die liebliche Tochter des Meisters sie alle durch ihre Anwesenheit beglücken würde, weil sie ja doch am Vormittag offenbar sehr leidend und ruhebedürftig gewesen sei.

Die Worte kamen glatt genug von seinen Lippen, und Miene und Gebärde ließen ihn auch nicht im Stich; aber noch nie war es ihm so schwer gefallen, schmeichlerische Reden über lächelnde Lippen zu bringen, und fortwährend fühlte er sich dabei von zwei Augenpaaren durchbohrt: von den tieftraurigen Amaras mit ihrem furchtbaren Vorwurf, mit ihrer vernichtenden Frage: »Ist es möglich, daß dieser Mann ein höllenschwarzes Verbrechen vorhat und es vor mir, die er liebt, vollführen wird?« – und von den fieberbrennenden, argwöhnisch leuchtenden und verderbenblitzenden Augen der Fürstin, von deren Verdacht er alles zu fürchten hatte, besonders für die Sicherheit des geliebten Mädchens.

Mit besorgter Miene antwortete Meister Baku, daß es zwar vielleicht unvorsichtig sei, aber seine Tochter habe um keinen Preis diesen Festabend entbehren wollen.

– Wie könnte ich –? fragte Amara mit jenem erschreckend bedeutungsvollen Blick.

– Es wäre jedenfalls besser, daß du es getan hättest, mischte die Fürstin sich ein, – wenn du wirklich so leidend bist. Aber sage – wie ist dir jetzt?

Zu dieser Frage wurde Mahamaya veranlaßt durch einen halberstickten Aufschrei und eine plötzliche Bewegung Amaras, die sich an den Vater anklammerte, um nicht umzusinken. Wenn ihre Blässe vorher mit ihrer weißen Seide und ihren Perlen hatte wetteifern wollen, so schien jetzt ein erdfahler Schatten über ihre Wangen zu fallen.

Als sie dem starren Blick des Mädchens folgten, gewahrten sie einen schwarzen Mann von tierischem Aussehen, der mit einem kleinen Korb unter dem Arm hereingeschlichen war und einige Schritte entfernt in kriechender Stellung wartend dastand.

– Es ist der Gaukler dort, der sie erschreckt, sagte Baku.

– Allerdings ein scheußliches Geschöpf, gab die Fürstin zu. Noch nie habe ich etwas Häßlicheres gesehen.

– O, das ist ein Schlangenzähmer, er kann hübsche Künste, versicherte Ajatasattu in einem leichten Ton, der ihn selbst, – und, wie er fühlte – Amara nicht weniger schaudern ließ. Aber mit dem Ausruf: »da ist der Oheim«, machte das Mädchen sich jetzt aus dem stützenden Arme des Vaters los und eilte – offenbar um dem schrecklichen Eindruck zu entfliehen – auf die Stufen zu, wo jetzt, im Gefolge des Fürsten, Mahimsasa heraustrat.

»Sie hier! Warum? Was soll das heißen?« dachte Ajatasattu. »Wähnt sie, ich dürfe vor ihren Augen das Schreckliche nicht tun? Ja, ja, so wird es sein, jetzt versteh' ich sie. Darauf hat sie ja gebaut, als sie mir den Eid schwor. Ach Amara, Amara, – du Ärmste kennst noch nicht den Mann, wenn ihm sein böser Wille zum Schicksal wird.«

Ja, zum Schicksal. Er hatte sich selbst gebunden, er fühlte, wie gern er es unterlassen möchte, wie gern er ihrer edlen Hoffnung recht gäbe – und er wußte, daß er dennoch das Gräßliche vollbringen würde.

Eine scharfe, zischende Stimme, die mit ihrem heißen Atem ihm den Nacken brannte, erweckte ihn aus seinem Brüten:

– Die Überraschung war dir wohl zu groß? – mir auch! Was das Kind nur für Staat treibt! Sie ist ja geschmückt wie eine Bajadere. Für wen putzt sie sich denn so? Sie will wohl gar mich überstrahlen? Mich – die Königin? Und es gelingt ihr fast. Bemerktest du den gelben Diamanten, den sie in den Locken trägt? Nie sah ich seinesgleichen, ausgenommen den Schlangenstein.

Das letzte Wort wirkte auf Ajatasattu wie ein Pfeilschuß, der einen ganz unvorbereitet trifft.

– Was sagst du? rief er aufgeregt und ergriff sie am Arm.

– Klang's dir so seltsam? fragte Mahamaya, deren Stimme und Blick ihm verrieten, daß ihr überall herumwitternder Argwohn seiner plötzlichen Aufregung nachspürte.

– Vom Schlangenstein sprachst du – den trägt doch –

– Mahimsasa, unterbrach ihn die Fürstin lachend. Davon kannst du dich leicht überzeugen.

Und sie zeigte nach der Gruppe auf den Stufen, wo Amara jetzt mit Mahimsasa in einer traulichen Unterhaltung begriffen war.

– Ich weiß es, ich weiß es, sagte Ajatasattu. sich besinnend – ich habe mich schon überzeugt. Ich sah mir das Kleinod lange prüfend an. Noch nie hat es mit so giftgrünem Schimmer geleuchtet. Mir war es, als ob es mir drohend entgegenblitzte aus dem schuppigen Schlangenkopf, dem es einst angehörte.

– Was ficht der Stein dich an? forschte Mahamaya. Was hast du eigentlich mit Mahimsasa vor? – Und jener fremde Schlangenzähmer dort – wer ist das?

– Du wirst es gleich erfahren, antwortete Ajatasattu und wandte sich jetzt an die Gäste, die er aufforderte, ringsum Platz zu nehmen. – Ein günstiger Zufall hat uns gerade eine Kurzweil bereitet von seltsamer und seltener Art.

– Ich bin begierig, was du dir erdacht hast, sagte Narada, während er Mahamaya zu dem für das Fürstenpaar errichteten Doppelsitz führte, der in der Mitte der ersten Reihe, den Rücken nach der Stupa gewandt, angebracht war. Gleichzeitig geleitete Ajatasattu mit großer Höflichkeit Mahimsasa nach einem Platz in der Mitte der linken Reihe, während Amara, ihren Vater zur Rechten und Isidasi zur Linken, dem Feldherrn gerade gegenüber in der rechten Reihe saß.

Auf einen Wink Ajatasattus trat Chranquinchru in den Kreis, kauerte nieder, stellte seinen Korb von sich und entlockte seiner Pfeife einzelne einleitende Töne.

– Dieser Schlangenzähmer aus dem fernen Süden, sprach Ajatasattu, wird, wenn es beliebt, Euch seine Kobra zeigen, die, wenn er ihr vorspielt, so zahm wird, daß ich selber mit ihr spielen kann, obwohl sie keineswegs ihres Giftes beraubt ist, wovon man sich leicht überzeugt.

– Das muß ja ein wahres Wunder sein, sagte Mahamaya.

Mit einem Kopfnicken gab der Fürst seine Zustimmung.

Der Schlangenzähmer schlug den Deckel des Korbes zurück und ließ seine seltsame, ergreifende Weise ertönen.

– Gewiß muß man das ein Wunder nennen, sagte Isidasi; – wie die Töne das giftige Tier sanft und gefügig machen, sollen sie uns an die Worte des Erhabenen mahnen, welche uns gezähmt haben, die wir vom Gifte der Natur gebläht sind.

Kaum hatte sie dies gesagt, als die Schlange aus dem Korb herauskroch, und ein allgemeines Murmeln das Erstaunen der Zuschauer über ihre Größe und über die Zierlichkeit ihrer Bewegungen kundgab. Noch lauter aber wurde die Teilnahme, als Ajatasattu, der in der Mitte des Kreises das Herankommen der Schlange erwartet hatte, nun anfing mit ihr zu scherzen, indem er die Hand gegen sie ausstreckte und sie neckte.

– Wahrlich, so zärtlich wie ein Schoßhund! rief einer.

– Und wie fein die Zunge spielt! rief ein anderer. – O, noch kriegst du keine Milch, sagte Ajatasattu zur Kobra. Erst mußt du deine Künste machen.

Die Töne der Pfeife erklangen kräftiger und schärfer. Die Kobra richtete sich etwas in die Höhe und blähte die Haube auf.

– Jetzt seh' ich die Zeichnung ganz deutlich, rief Baku entzückt.

– Und jetzt zeigt sie gar die Fangen!

– Wie schrecklich, rief Mahamaya. Wird sie denn nicht gefährlich, Prinz?

O, keineswegs, antwortete Ajatasattu. Sieh nur, sie haut nach meiner Hand, doch ist es nur Spiel.

– Nun aber richte dich ganz auf, sprach er zur Schlange und machte mit der Hand eine entsprechende Bewegung.

Der Schlangenzähmer aber nahm die rechte Hand von der Pfeife und winkte mehrmals in der Richtung der Halle.

– O, der Mann bedeutet mir, daß all dies Licht, das vom Saal herausströmt, die Rajanaga blendet, sagte Ajatasattu. – Und den Kreis verlassend, stieg er schnell die Stufen hinan und rief den Dienern zu, daß sie die Vorhänge zuziehen sollten, während er anderen hieß, die zwischen den Bäumen aufgehängten Lampen auszulöschen.

Auf der obersten Stuft stehend, von wo aus er Mahimsasa gerade vor sich hatte, beobachtete Ajatasattu mit Anspannung seiner ganzen Sehkraft die mit dem goldenen Band geschmückte Stirn des Feldherrn, worin jetzt der Schlangenstein aufleuchten müßte.

»Jetzt sind alle störenden Lichter entfernt – wird denn der Stein nicht aufleuchten? ... Wie lange soll das dauern? ... Jetzt – ja gewiß – es fängt an! ... Aber nur langsam ... Wie matt ist doch der Schimmer! Habe ich doch sonst den Schlangenstein ganz anders leuchten sehen, vor allem damals, als Mahimsasa aus der Tigerhöhle trat, gleichsam einen funkelnden Stern an der Stirn tragend. Sollte der Stein seine Kraft eingebüßt haben? ... Dies ist doch nur wie ein Widerschein – –

»Ah! gerechte Götter –! Was ist denn das? Schießt nicht dort eln Strahl hervor – Mahimsasa gegenüber... dort wo Amara sitzt?« Sie war halb abgewandt von ihm, aber der Lichtstrahl, der von ihrer Stirn ausging, beleuchtete etwas gerade vor ihr: – den gebogenen Hals der Schlange, die Innenseite der aufgeblähten Kobrahaube und den häßlichen plumpen Kopf, dessen kleine grüne Augen im Diamantenlicht scharf blitzten, kaum zwei Fuß von ihrer Stirn entfernt.

Wie ein Verirrter durch einen plötzlichen Blitz die Gegend um sich erkennt – eine ganz andere als die erwartete – und nun mit einem einzigen Gedankenblick alles überschaut: wo er von dem rechten Weg abgewichen war, wie er hierher geraten ist, welches die Folgen werden müssen: also begriff Ajatasattu plötzlich alles und stand wie vor Schreck versteinert da.

Wenn er hinunterspränge, würde diese gewaltsame Bewegung dann nicht gerade das Gefürchtete beschleunigen? Sollte er sich hinschleichen – sollte er rufen?

Ein leises Murmeln der Bewunderung unterbrach die atemlose Stille. Man glaubte nicht anders, als daß dies ein verabredetes Spiel sei, und fand es entzückend. Eine Naga-Königin!

Das Entsetzliche in diesem Beifall entschied. Wie könnte er dies den Leuten begreiflich machen? Das Handelnmüssen warf jedes Bedenken über den Haufen.

Mit einem Sprung war er unten – aber schon erklang auch ein schriller Lauf von Flötentönen, wie ein Blitz hinunterzuckend – eine Bewegung des Kobrakopfes – der Strahl schoß aufwärts gegen die Sterne – – – Schreien und Aufspringen ringsum.

Er hielt sie in seinen Armen – der teuflische Stein blendete ihn – er bedeckte ihn mit der linken Hand – die Wunde dort am Halse, wo zwei Blutstropfen perlten – seine Lippen bedeckten sie – sogen – sogen, als ob es möglich wäre, das Gift herauszusaugen. – Sie darf nicht sterben! – sterben!!

Aber was war das für ein Stoß und zerspaltender Schmerz im Nacken? – – – Ihm wurde schwarz vor den Augen. – – –


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