Irene Forbes-Mosse
Peregrina's Sommerabende
Irene Forbes-Mosse

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Der Tod des Meleager

Meleager
                Eure Hände verschränkt
        Meinem Haupte zur Rast,
        Hebt die Füsse mir sanft,
        Eine sterbende Last,
Denn mein Fleisch schmolz wie Blei in den Gluten,
Denn die Glut hält die Glieder umfasst.
 
Chor
        O Dein herrisches Aug',
        O Dein leuchtend Gesicht,
        Höchste Schönheit im Leid
        Wie das sterbende Licht . . . . .
Doch wer naht hier, wer beugt sich in Thränen,
Wer hält Dir das Todtengericht?
 
Meleager
        War ein Weib je so schön,
        Eine Braut je so bang?
        Mit verworrenem Haar
        Mit erbleichender Wang?
Atalanta, die reinste der Frauen,
Ihr Namen ist Heil und Gesang!
 
Atalanta
        Weh mir, dass mein Fuss
        Ohne Schuh, ohne Band,
        Allzu flüchtig und kühn
        Mich hintrug durchs Land,
Von Arcadien nach Calydons Norden,
Ein Blitz in des Rachegotts Hand. –
 
Meleager
        Jedem Manne sein Loos,
        Des Erhabnen Gebot,
        Dem die Schwere der Welt
        Erscheint wie ein Loth!
Doch ich wollte, in Kriegslust und Waffen
Hätt' gepflückt ich den lachenden Tod.
 
Chor
        Nicht mit Waffengeklirr
        Kam der Tod Dir einher,
        Wenn der Kriegsgott im Zorn
        Bricht den Speerschaft vom Speer . . . . .
Denn zerbrochen o Herr ist Dein Wagmuth,
Und Du wagst und Du streitest nicht mehr!
 
Meleager
        Wollte Gott, dass der Tod
        Mich im Lenzwalde fand,
        In dem Hause des Glücks
        Mich berührt unerkannt,
Da die Lippen von Liedern nur troffen
Und der Kranz meine Stirn umwand.
 
Chorus
        Wohin gehst Du, o Herr, –
        Aus der sonnigen Welt?
        Welche Macht reisst Dich fort,
        Der so nah' uns gesellt
Wie das Auge dem Lid, wie die Seele,
Die den Körper bewohnt und erhellt.
 
Meleager
        Mein Herz schmilzt dahin
        Wie ein Holz in der Gluth
        Meine Laute ist stumm,
        Meine Leier, sie ruht,
Stimmet an Eure bittersten Klagen,
Wilde Wünsche im fiebernden Blut!
 
Chor
        Wer erweckte Dich, ach,
        Aus der tödtlichen Nacht,
        Wer besänge wohl je
        Deine preisliche Pracht!
O Dein Haupt, Deine herrlichen Glieder,
Deine Schönheit zur Strecke gebracht!
 
Meleager
        Und Du, meine Mutter,
        Du Traumdeuterin,
        Wirst Du jemals gebären
        Den gleichen wie ihn
Den, ein Schatten im Reiche der Schatten,
Die Wasser des Styx bald umziehn!
 
Oeneus
        O wer giebt mir Ersatz,
        Nun das Grässliche naht!
        Einen Sohn für den Sohn,
        Für das Opfer der That . . . .
O Du Licht meiner alternden Augen,
Meines Lebens grünwogende Saat!
 
Chor
        O Du selige Frau,
        Die in Herrlichkeit stand,
        Wer Dir, Mutter, genaht,
        Hat Dich preisend genannt,
Und Dein Ruhm zog mit schwirrenden Flügeln
Wie ein Zug froher Vögel durch's Land.
 
Oeneus
        Doch nun scheinst Du ein Grau'n
        All Dein sonniger Schein
        Ist verfinstert in Hass,
        Ist verwandelt zu Stein!
O Du Mutter der Flüche und Thränen,
Mit der Schuld und der Reue allein!
 
Meleager
        Wie das Feuer in Dir
        Alles raubt und verzehrt,
        Ist die Reine wie Thau
        Der zu kühlen begehrt,
Wie das heilige Sternbild der Nächte,
Das kein Fleck je getrübt und versehrt.
 
Atalanta
        Wollte Gott und mein Blut
        Wär zu Wasser zerthaut –
        Wie des Eiskönigs Kind
        Das den Frühling erschaut
Vor dem Feinde zerfliesst und verschwindet –
Eh Dein Morgen so tödtlich gegraut.
 
Chor
        Der die Männer zum Kampf,
        Deine Thrakier geführt,
        Wer ertrug Deinen Blick,
        Wenn der Kampf ihn geschürt?
Wie so rötlich erstrahlte Dein Antlitz
Wie mit Flammen des Orkus geziert.
 
Oeneus
        Nein, ohn' Klagegeschrei
        Sollst Du hingehn, bewusst,
        Und der männliche Ruhm
        Füll' Dein Ohr, Deine Brust,
Mit den Bildern gewonnener Schlachten,
Mit der Speere frohglänzender Lust.
 
Chor
        Durch die Hallen der Welt
        Klingt Dein Ruhmlied einher,
        Und Dein Ruhm jauchzt hinaus
        Wie geschleuderter Speer
Von den leuchtenden Höhen hinunter
Wo das Goldvliess sich badet im Meer!
 
Meleager
        Wollte Gott – weit von hier
        Trugen Starke mich fort!
        Bei Chersoniens Strand
        Ist ein einsamer Ort
Wo der Bosporus donnernd erwidert
Des Meeres dumpfzürnendes Wort.
 
Oeneus
        Du wendest Dich ab
        Und verschliesst Dich dem Ton,
        Hörst die Sänger nicht mehr
        Die Dich preisen, mein Sohn,
An den Hängen der heimischen Hügel
Auf den Höhen von Calydon!
 
Meleager
        Für den Todten kein Raum,
        Ach verginge sein Weh
        Wie der glitzernde Schaum
        Auf den Feldern der See,
Wär der Golfstrom sein gleitender Mantel,
O so kühl wie der gleitende Schnee.
 
Chor
        O Ihr Tage des Glücks,
        O Ihr Fahrten geträumt,
        Als das Segel geglänzt
        Wo die Woge geschäumt,
Da wir rudernd die Strasse gewonnen,
Wo Propontio am Felsen sich bäumt.
 
Meleager
        Wollt Ihr kränzen mein Grab
        Meinen Namen erhöhn,
        Nun die Glieder wie Wachs
        Mir in Qualen zergehn?
Ob Ihr Ehre mir singt oder Schande . . . . .
Lasst mich schlafen in kühlenden See'n!
 
Chor
        Wende Dich, sieh Dich um,
        Wie von Träumen befreit,
        Wenn das Leben Dich brennt
        Ist Dir Kühlung bereit
Dort wo Osten und West sich begegnen
In der Wellen nie endendem Streit.
 
Meleager
        O Ihr Wellen im Meer
        Die ich jauchzend gefühlt,
        Wo der Pinienbaum ragt
        Von den Fluthen umspült . . . .
Schaumblumen und Gürtel und Kronen
Von dem lachenden Meervolk durchwühlt!
 
Chor
        Den aus irdischer Haft
        Ew'ge Götter befrei'n,
        Deine Seele soll frei
        Aller Qualen nun sein –
Doch wer zahlt Dir den Preis Deines Lebens,
Des Lebens süss schauernde Pein?
 
Meleager
        Nicht das Leben des Bluts,
        Das begehrt und zeugt,
        Nur die Anmuth sie bleibt
        Und die Schönheit nicht weicht
Wie der Thau sich vermählt mit den Blättern
Und der Regen auf Gräser sich neigt.
 
Chor
        Unser Steuermann Du,
        Unser Führer im Streit,
        Wird zu Wasser Dein Muth
        Und zu Blumen Dein Leid,
Und die Seele den grausamen Göttern,
Denn es trennt und verschlingt uns ihr Neid.
 
Meleager
        Die Jahre sind gierig
        Sie klagen und gehn,
        Die Götter sind zornig
        Auf wolkigen Höhn . . . . .
Die Allmächt'gen sind satt der Gebete,
Wer beherrscht sie, wer kann sie verstehn?
 
Chor
        Doch noch hält uns ihr Spruch,
        Ihre geisselnde Hand,
        Und sie graben das Grab
        Und sie häufen den Sand,
Dass erfüllt sei der ewige Willen,
Den wir schaudernd im Finstern erkannt!

 

 


 


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