Irene Forbes-Mosse
Peregrina's Sommerabende
Irene Forbes-Mosse

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Ode an eine Nachtigall

[Nachdichtung]

        Mein Herz ist wund, von Zauber übermannt,
Dumpf bohrt der Schmerz, als hätt' ich Gift getrunken
An bleicher Schierlingskelche feuchtem Rand
Und wäre schon in Lethe's Bann gesunken . . . .
Es ist nicht nied'rer Neid um Dein Geschick,
Nein, Deines Glücks schier schmerzhaft Mitgefühl,
Weil Du, beschwingte Dryas im Gezweig,
Bei säuselnder Musik
Von grünen Buchenblättern schattenkühl,
Vollkehlig lobst des Sommers Freudenreich.

Ach, gäb mir Einer Wein, der lange, tief,
Im dunkeln Schooss gekühlt, dem er entsprossen,
Der Flora's Lachen auf die Erde rief,
Von provençal'schem Liederborn durchflossen:
Warmblüt'ger Süden! tief im Bechergrund
Blinkst Du wie Hippocrene's heil'ge Fluth
Die sprudelnd steigt und schäumt und überschäumt . . . 
Mit tiefgefärbtem Mund
Tränk' ich noch immer und so däucht' mich's gut
In Dämmerung hinzusinken – waldumsäumt.

Ach sinken, schwinden, ganz und gar vergehn,
Und – was Du nie gekannt – endlich vergessen,
Die Müdigkeit, die Angst und bittren Weh'n
Die unsre bangen Seelen niederpressen . . . .
Wenn Jugend bleich und todeslüstern ward,
Und graues Haar mit Schaudern niedersinkt,
Wenn Denken Leiden heisst . . . . . und heissen muss,
Verzweiflung starrt,
Und schöner Augen Glanz in Gram ertrinkt
Weil Liebe nur ein flüchtiger Genuss.

Fort fort – sehnsüchtig eil ich zu Dir hin,
Ob auch von Bacchus' Panthern nicht gezogen;
Die Poesie leiht Flügel meinem Sinn
Ob mich das müde Hirn auch oft betrogen:
Ich bin Dir nah . . . . wie köstlich ist die Nacht,
Mondkönigin mit ihrem Hofgesind
– Den lichten Sternen – thront im hohen Rath,
Doch hier, von Laub bedacht,
Sieht man die Helle nur wenn flücht'ger Wind
Der Zweige Vorhang hebt vom dunklen Pfad.

Ich seh die Blumen mir zu Füssen nicht,
Doch ihren Weihrauch kann ich wohl erkennen,
Und birgt mir Dunkel auch ihr süss Gesicht
So will ich sie doch all mit Namen nennen
Wie sie in Gras und Strauch erstanden sind:
Der Weissdorn und des Heckenröschens Schein,
Frühwelke Veilchen, tief im Blätterkleid,
Und dort des Maimonds Kind,
Der Moschusrose süsse Spezerei'n,
Der Mückchen Tanzplatz in der Abendzeit.

Verborgen lausch' ich hier, und fühle dann
Als sei's gar leicht dem Tod sich hinzugeben,
Ich ruf' ihn sanft mit Liebesnamen an,
In stiller Luft sucht ihn mein einsam Leben.
O Tod! streu Deine Ruh' in diese Brust,
So in der Mitternacht, ohn' alle Pein,
Derweil das Lied gleich einer Seele schwillt
In höchster Erdenlust . . . . . . .
Ach, kläng' es fort, taub müsst' ich endlich sein
Dem Requiem das meinen Gram gestillt.

Unsterbliche! Du kennst ja nicht den Tod
Noch hungriger Geschlechter hartes Ringen;
Des Cäsars Stolz, des Sklaven dumpfe Noth,
Wo sind sie hin? Doch ewig bleibt Dein Singen!
Derselbe todessüsse Ton dringt her
Den Ruth gehört als sie im Kornfeld stand
Wo fremde Aehren ihre Thränen sahn . . . . .
Der Ton der übers Meer
Den Weg durch zauberstille Fenster fand,
Die sich verlassnen Ufern aufgethan!

Verlassenheit! Das Wort ist Glockenton
Und läutet mich zurück zu neuen Tagen . . . . .
O Phantasie! Du neckende Vision,
Kurz ist Dein Trug, was auch die Märchen sagen.
Noch lauscht mein Herz, wie sich die Hymne schwingt
Wohl über Strom und Silberwiesen weit
Und in der Waldschlucht nun – ein letztes Ach –
Sterbend verklingt . . . .
War's ein Gesicht, ein Traum in wacher Zeit?
Still ist's umher . . . . . sagt, schlief ich? bin ich wach?

 


 


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