Irene Forbes-Mosse
Peregrina's Sommerabende
Irene Forbes-Mosse

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Meinem Pathchen einen Pathenbrief

        Als klein Dovelill geboren ward
War es eine helle Mondnacht, eia,
Von den Lindenblättern tropfte sacht
Warmer Sommerregen – eia – eia –
Als die kleine Dovelill geboren ward.

Sprach der Mond: ich will Dir Pathe sein,
Weisse Stirn, schwermüth'ge Brauen,
Meiner Sichel Ebenbild zu schauen,
In der weissen Stirn süsses Traumeswirren
Als wenn Silbermotten über Wiesen schwirren
In der hellen Mondnacht, eia – eia.

Sprach der Nachtwind: Will Dein Pathe sein;
All die süss vergrämten Lieder,
Wie das Volk sie dichtet, will ich Dir verleih'n,
Die sie meinen Schwingen anvertrau'n
Wenn sie müde in die blasse Dämm'rung schau'n
Nach des Tages schwerer Arbeit – eia – eia –

Sprach die Schlange: Will Dir Pathe sein,
Hab ein Krönchen ganz aus Glitzersteinen,
Wer es trägt der sieht die klitzekleinen
Elfchen, wie sie tanzen Ringelreihn . . . . .
Ihre Wundermärchen kannst Du hören,
Aller Kinder Herzen zu bethören,
Aller Kinder Herzen werden Dein! –

Sprach die Eule: Will Dir Pathe sein,
Wohlverborgen starr ich durch die Blätter,
Meine Augen glühn im Ungewetter
Wie des Weisen Lampenschein.
Zauberstille Stunden seien Dein,
Wenn ringsum des Werkeltags Philister
Sich im Schlafe dehnen, soll Geknister
Der Folianten Deine Seele weih'n . . . .
Schweres Loos ward auch den grossen Geistern,
Lern' von ihnen edel es bemeistern,
Geh' mit ihnen Freundschaft ein!

Göttin Themis auf dem Brunnenstein
Sprach: ich will des Kindes Pathe sein!
Und es soll für die Verfolgten streiten,
Ueber Schwache seinen Mantel breiten;
Besser ist als Krone, Gold und Pracht
Reines Herz und treubefundne Hände
Wenn die ernsten Glocken in der Nacht
Rufen: Menschenkind, es geht zu Ende! . . .
Sanfter Schlaf der Unschuld bleibe Dein . . . .

Als die kleine Dovelill geboren ward
Schienen Baum und Gras und Stein zu singen,
Sangen von so vielen lieben Dingen,
Und es säuselt durch die stille Nacht:
»Selig sind die Freuden, sind die Schmerzen,
Glockenguss der stummen Menschenherzen,
Tönt hinaus mit tausendfachem Schwingen!«
Haben sie – hab' ich dies Lied erdacht?

 


 


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